Seite 4 Dienstag, 31. Dezember 1935 Nr. 303 / Das tödliche Spielzeug Der neun Jahre alte Max Prokop in Gesteinigt bei Eulau hatte als Weihnachtsgeschenk eine Dampfmaschine erhalten. Als er am zweiten Weihnachtsfeiertage in Gemeinschaft mit anderen Kindern die Maschine in Gang setzte, erfolgte eine Explosion des Kessels,, die eine furchtbare Wirkung hatte: Der kleine Prokop erlitt an der ganzen Vordersefte des Körpers derart schwere Verbrennungen, daß er trotz aller Kunst der Aerzte am Sonntag, dem 29. Dezember, an deren Folgen st a r b. Ein anderer Junge, namens Werner aus Schneeberg, der mit den anderen Kindern nach der Explosion vor Schreck flüchtete, kam dabei zu Falle und brach sich einen Oberschenkel, so daß er in das Tetschener Masaryk  -Krankenhaus gebracht werden mußte. Das Unglück des kleinen Prokop ist um so tragischer, als er das einzige Kind seiner Eltern war. Der Tod des armen Jungen rief im ganzen Orte herzlichste Anteilnahme hervor, die sich den schwer geprüften Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Jungen zuwendet. Die Beerdi­gung des kleinen Prokop erfolgt am Neujahrs­tage um dreiviertel 3 Uhr vom Trauerhause in Gesteinigt aus. Ein interessanter Lebensweg Der Militärkommandant der Prager Burg  , Ober st Josef Seidl, dient heuten Silvester, den letzten Tag: Morgen, zu Neujahr, übernimmt auf der Burg bereits der neue Kommandant, Oberst Kvapil, sein Amt. Josef Seidl wurde 1873 in Görkau  bei Komotau   als Sohn einer sehr armen Familie geboren. Ein schwerer Lebensweg brachte vorerst Seidl gleich in seiner Jugendzeit in den Malo- stransky Sokol. Auf internationalem Turnforum in Arras   1903 sowie in Prag   beim Sokolkongreh des Jahres 1907 war er einer der besten Turner. 1908 geht Seidl nach Rußland  , wo er als Turnlehrer an Mittelschulen wirkt. Die Be­liebtheit, deren sich Seidl in Rußland   erfreute, be­wog den Großfürsten Peter Nikolajewitsch dazu, seine Kinder imTurnen von Seidl unterrich­ten zu lassen. Zu Beginn des Weltkrieges meldete sich Josef Seidl sofort in die tschechische Drujina, wo er jedoch nicht angenommen wurde, da er zu dieser Zeit bereits das 40. Lebensjahr überschritten hatte und Väter einer großen Familie war. Er arbeitete deshalb wenigstens in der revolutionären Auslandsbewegung. 1916 trat er ins tschechoslowakische Heer in Rußland   ein, wobei er auch seinen Sohn mit­nahm. Aus Rußland   kam er nun mit einem Legionär-Transport nach Frankreich  . Auch sein Sohn folgte ihm hierher. Eine T o ch t er namens BoZena wirkte im russischen Legio- n ä r h e e r, wo sie zum Leutnant befördert wurde. In Frankreich   wurde"Seidl Mitglied der Kommission für die Ausbildung des Legionär­heeres in Cognae. Im März des Jahres 1918 war Seidl in den ersten Gefechtslinien der französischen   Front zwischen Reims   und Verdun  im Abschnitt Mont Cornille, später kam er in die Schützengräben der Argonnen   und von Vouzieres, wo er auch verwundet wurde. Seine mili­tärische Karriere als Legionär begann Seidl von der Pike auf, und war während der Kämpfe bei VouziereS bereits, Kommandant eines Zuges. In die Heimat kehrte Seidl nach Kriegsschluß. als Kapitän zurück und wurde im Frühjahr 1919 zum Militärkommandanten der Burg von Prag   er­nannte Dieses Amt versah Oberst Seidl bis zum heutigen Tage. Flammentod dreier Hotelangestellter London  . Bei einem Hotelbrand in Edin­ burgh   erlitten Montag früh drei Frauen den Feuertod, sieben weitere Personen trugen mehr oder minder schwere Brandwun­den davon. Als das Feuer ausbrach, befanden sich in dem Hotel 15 Personen. Bei Ankunft der Feuerwehr stand das Gebäude bereits lichterloh in Flammen. Mehreren Hotelgästen und Angestellten gelang es, sich mittels zusam menge- knüpfter Bettlaken durch ein Fenster auf das Dach eines benachbarten Gebäudes her­unterzulassen. Die drei verbrannten Frauen sind Hotelangestellte. Sie waren in ihren Betten ersti ckt. Etwa um die gleiche Stunde brach im Theater Royal in Sheffield   ein Brand aus, der sich mit so verheerender Geschwin­digkeit ausbreitete, daß bei Anbruch der Morgen­dämmerung nur noch die Grund­mauern übrig geblieben waren. Fast das gesamte Magazin, in dem zum Teil sehr wert­volle Kostüme und Kulissen wären, wurde zerstört. Die Verwandlung der Weltrekordlerin Die erfolgreiche tschechoslowakisch« Sport­lerin und Inhaberin zweier" Weltrekorde, Zkunka K o u b k o v d, steht seit einiger Zeit im Mittel- puntt des Interesses der sensationslüsternen Oef- fentlichkeit. Eine ärztliche Untersuchung tat ngmlich ergeben, daß hier einer jener zwar sel­tenen, vom medizinischen Standpunkt aus aber durchaus einfach erklärbaren Fälle vorliegt» too infolge einer nicht vollkommen abgeschlossenen Ent­wicklung bei der Geburt ein Fehler in der Be­stimmung des Geschlechts unterlaufen kann, so daß das wahre Geschlecht der betreffenden Person erst später, gewöhnlich in d^r Zeit der Reife, nachge­wiesen wird. Die Koubkovä, welche sich nach die­ser Feststellung einer Operation unterzog, hat nunmehr bei den Behörden um die Bewilligung angesucht, einen männlichen Namen und männliche Kleidung tragen zu dürfen. Beiden Gesuchen wurde entsprochen. *. Wie die jugoslawischen Zeitungen melden, hat sich in Split   eine 16jährige Studentin in einen Knaben verwandet. Im Vorjahre absol­vierte das Mädchen die Quarta des Mädchen­gymnasiums und setzt heuer seine Studien nach einer im September borgenommenen Operation am Knabengymnasium fort. Regen-Katast?dphe in Spanien  Frankreich   und Portugal  Madrid  . Di« starken Regengüsse in Nord» und Westspanien dauern an. Fast sämtliche Flüsse sind über ihre Ufer getreten. Der Verkehr auf der Landstraße von Madrid   nach Santander ist durch die Fluten unterbrochen. Der Eisenbahn­verkehr zwischen Madrid   und Galicia   ist durch Erdrutsche unmöglich gemacht. Ein Per- s o n e n z u g entgleiste bei Montefurado. Der Schnellzug Lissabon  Madrid   liegt auf freier Strecke still. H ä u s e r e i n st ü r z e, Vernich­tung Hon Getreide- und Viehbeständen werden aus zahlreichen Provinzen gemeldet. Zwischen Va­ lencia   und Albäcieto stürzte ein mit 27 Personen besetzter Autobus eine Böschung hinunter. E l f Personen wurden schwer verletzt. . Auch zahlreiche Gegenden Frankreichs  , namentlich das Flußgebiet der Rhone   und ihrer Nebenflüsse, sind überschwemmt. Auch der Was- serstanh der Loire  , Marne   und Saone   ist im Stei­gen begriffen. In Lyon   machen sich neuerlich ge­fährliche Erdbewegungen an jenen Stellen bemerk­bar, an. denen sich vor zwei Jahren das große Un­glück ereignet hatte. Deshalb wurden die Be­wohner aus zwei Häusern schleunig delogiert., Das Unwetter, von dem Portugal   seit eini­gen Tagen heimgesucht wird, hat Formen ange­nommen, wie sie hier seit Jahrzehnten unbekannt sind. Biele Flüsse sind über die Ufer getteten, so auch der Douro   und Tejo. Die Einfahrt in die Häfen von Lissabon   und Porto ist nur mit groß>.r Mühe möglich. Viele Schiffe befinden sich in S e e n o t. Die im Hafen von Lissabon   ver­ankert liegenden Kriegsschiffe wurden in die Docks geschleppt, um ein Losreißen zu verhindern. In dem Fischerdorf Espinho   wurden 51 Häuser z e r st ö r t. Eine neue Heilige? Agnes von Böhmen  Rom  . Kardinal Dr. Kaspar überreichte dem Papst eine Petition, in welcher er ihn um die Heiligsprechung der seliggesprochenen Agnes von Böhmen   bittet.(Anmerkung: Die selige AgneS von Böhmen ist die Tochter König Premysl Otto­kars I. und wurde in Prag   am 20. Jänner 1205 geboren. Die Bestrebungen ihrer Heiligsprechung gehen bis auf Karl IV.   zurück.) Die internationalen Schieber Mailand  . Die Mailänder   Polizei hat im Schnellzug Mailand  Zürich   drei Mitglieder einer gefährlichen internationalen Schmuggler­bande verhaftet, u. zw. den Schweizer   Schlaf­wagenschaffner Alfred K o b i, sowie zwei Oester­reicher namens Herrmann N a g l er und Adolf Schein. Es wurden über 3 0 0.0 00 Lire sowie 206 Aktien der Donau-Save-Adria­bahn beschlagnahmt. Weltrekord für««bemannte Registrierballon» Im Aerologischen Observatorium in Borispol in der Ukraine   wurde dieser Tage ein unbemannter Registrierballon, System Prof. Moltschanow, zum Aufstieg gebracht. Der Ballon erreichte eine Höhe von 25.121 Meter, womit für den Aufstieg von Re­gistrierballons ein neuer Welkrekord aufgestellt wor­den ist.(Die bisherige Rekordhöhe hat seinerzeit ebenfalls in der Sowjetunion   ein Registrierballon des Aerologischen Instituts in Sluzk   erreicht, der bis zu einer Höhe von 24.800 Metern aufstieg). Vorbildliche Bescheidenheit. Wie dasP r a- v o l i d u" berichtet, hat der Präsident-Befreier sich sogleich nach seinem Rücktritt Visitkarten an­fertigen lassen, die keinen anderen Text als diesen ttagen: T. G. Masaryk LAny Die Bescheidenheit, die aus dieser Geste eines Mannes spricht, der damit allerdings nur die jahrzehntealte Tradition seines großen. Lebens fortsetzt, könnte manchem Mttbürger zum Vorbild dienen. In einem Lande,, in dem Tschechen wie Deutsche   es an Titelsucht nicht fehlen lassen und der Herr" Hilfsämterdirektor oder Depotbewa­chungsunterbeamte würdig neben, dem pan to- värnik und dem pan sprävce domu stehen, ist es doppelt nötig zu betonen, wie wenig Wert der größte Bürger des Staates auf seine Titel legt. Einbruch in die Saazer Bezirksbehörde. In der Nacht zum Sonntag drangen Einbrecher in die Amtsräume der Saazer Bezirksbehörde em. Sie rissen einen eisernen Kassenschrank auf, des­sen Inhalt, 823 Kd, sie entwendeten. Sie bohr­ten auch zwei weitere Kassenschränke an, doch ge- lang es ihnen nicht, sie zu öffnen. In einer dieser Kassen waren größere Geldbeträge verwahrt. Die Sicherheitsbehörden haben bereits drei Personen verhaftet, die der Tat verdächtig erscheinen. Der ChrudimerWunderdoktor" gestorben. In der Nacht auf Sonntag starb in Chrudim   der bekannte Arzt Dr. B. PodrouZek im 69. Le­bensjahr. In der letzten Zeit hatte er eine eigene Methode zur Heilung von Gal­le n st e i ne n durch eine besondere Arznei ausge­arbeitet, deren Zusammensetzung niemand kannte. Zu ihm kamen zahlreiche Pattenten aus dem Jn- lande sowie aus dem Ausland. Er behandelte täglich bis zu 70 Patienten, darunter auch zahl­reiche Ausländer, die von weither nach Chrudim  kamen. Dr. Podrouzek starb an einem Herz­leiden. Der neue Wettkampf um die Schachwelt­meisterschaft zwischen Dr. E u w e und A l j e- ch i n am Semmering   ist den letzten Berichten zu­folge gesichert. Die beiden Meister teilten den Veranstaltern, d. i. dem Hotel Panhans, mit, daß sie sich mit dem Wettkampf und seinen Bedin­gungen einverstanden erklären. Kardinal Dr. Kaspar hat am Montag nach­mittags mtt seiner Begleituna Rom   verlassen und wird heute mit dem Münchener   Schnellzug nach Prag   zurückkehren. Zugszusammenstoß bei Salzburg  . Montag früh stieß ein von Salzburg   nach Innsbruck   fah­render Personenzug mit einem Lastzug am Bahn­hofe von Lenden zusammen. Dadurch wurden die Lokomotiven der beiden Züge stark beschädigt. Zwei Eisenbahner wurden schwer und acht Passa­giere leicht verletzt. Die staatliche Masaryk  -Schule für Hygiene und Sozialfürsorge in P r a g beginnt ihren ersten Lehrgang am 1. Feber 1936. Zweck der Schule ist die theoretische und praktische Ausbildung von weiblichen Funttionären an öffentlichen und freiwilligen sozial-hygienischen und sozialen In­stitutionen. In den ersten Lehrgang werden 45 Schülerinnen im Alter von 18 bis 30 Jahren ausgenommen. Aufnahmsbedingung ist. die Ab­solvierung einer Mittelschule(mit Reifeprüfung)' oder einer gleichwertigen Schule. Ausnahmsweise können auch Schülerinnen ohne Mittelschulbildung ausgenommen werden, falls sie eine angemessene Vorbildung durch mindestens zweijährige hervor­ragende Tätigkeit in irgendeiner Hygiene- oder Sozial-Jnstitution aufweisen. Nähere Infor­mationen enthält der Prospeft der Schule, der über Ansuchen' bei der Direktion'der Mailichen Masaryk  -Schule für Hygiene- und Sozialfürsorge, Prag   XII., Ruftä tk. kp. 2331, erhältlich ist. Andauern des milden Wetters. In einem Groß­teil des FesÜandes dauert das relattv w a r m« Wetter an. Trotzdem sich am Montag über unsere Gegenden vorübergehend etwas kühlere Lust aus­gebreitet hat, herrschte nachmittags nahezu überall, auch in den höheren Lagen, Tauwetter. Nur di« Schneekoppe   hatte leichten Frost(minus 2 Grad),'di« höchsten Temperaturen(plus 9 Grad) meldet Ujho- rod. Im Zusammenhang mit einer tiefen, nunmehr über Irland   lagernden Druckstörung, wird dem Bin­nenland erneut warme Luft aus dem Südwesten her zugeführt. In Frankreich   herrscht vielfach regnerisches und windigds Wetter bei Temperaturen von plus 10 bis plus 15 Grad. Wettervorhersage für heute: Vorwiegend bewölkt, im Westen der Republik   Zu- nahm( der Niederschlagsneigung, später im allgemei­nen wieder ein wenig wärmer. Im übrigen Gebiet keine wesentliche Aenderung. Wetteraussichten für Mittwoch: Andauern des unbeständigen und mil­den Wetters. Vom Prager   RiindlUHK Tie Rückschau über nahezu sechs Wochen deut­ scher   Sendung hält immer wieder bei dem für das Polittsche Leben in der Republik   und die politischen Probleme Europas   so bedeutungsvollen Ereignis der Amtsniederlegung durch den. Präsidenten-Befreier Dr. Thomas G. Masaryk und der fast unmittelbar folgenden Wahl im Wladislawsaale, die der Republik  in der Person des Außenministers Dr. Eduard Benes  einen neuen Präsidenten, allen Bürgern des Staates aber die Bürgschaft gegeben hat, daß der Gedanke der^demokratischen Verfassung im Sinne Masaryks weiterleben wird als Menschheitsidee, als Bekenntnis" zum Frieden, als lebendiger Wille zum Aufbau wahrer Kultur.   Im Zusammenhänge mit diesem Ereignis bleibt Prof. Dr. Oskar Frankls Ge­denkrede in der Erinnerung bewahrt. Diese Feierstunden, schnitten eine unerwartete Zäsur in das nach üblicher Art ablaufende Pro­gramm. das schließlich in die frommen Lieder, Volks­weisen undBrauchtums-Anweisungen" des Weih- nachtskreises mündete. Es bewahrt die behagliche Ruhe eines jeder Erschütterung ausweichenden Abonnements auf solid bürgerliche Geistigkeit, pflegf die in jahre­langen Gewohnheiten erprodten Gedarikenbahnen und freut sich an jedem Samstag, ein artiges und wohl­gefälliges Stück Wochenarbett hinter sich gebracht zu haben. Es fühlt sich wohl bei dem Gedanken, allen recht getan zu haben und vorsichtig jeder Gefahr, in die Zeitprobleme zu geraten, ausgewichen zu sein. Das Sende-Programm tut in unbeirrbarem Gleich­maß sein« Pflicht wie eine Turmuhr, die gewissen­haft die" Stunden verkündet: unbekümmert darum, ob diese dem Glücklichen zu rasch, dem Unglücklichen zu langsam vergehen. Es hat seinen Stundenplan wie der pedantische Schulmeister, registriert zuverlässig- Vorschau. Jugendstunde, Hörspiel.... und ruht gnt nach getaner Arbeit auf seinem sanften Gewissen. Als wertvollste« Bestandteil' wird man immer die Hörspiele schätzen müssen. Kreifches beson­ders dem Pädagogen liebes FunkbildZwischen s e ch s'u n d's i e b« n" kam zur Wiederholung. Zloei- mal Sieg über die Flachsmänner eines Gymnasiums kann nicht schaden! DemRufmord" von Ro- kos(er ging ja unterdessen über einige deutsche Büh­nen) wäre eine bessere Aufführung zu wünschen ge­wesen.- Auch die Sprecher in Mells fronnnem Apostelspiel" drangen nicht zu tief in die Poesie dieser schön empfundenen Legende. Etwas sehr Liebes war die ViärchenoperDie Teuf el- chen aufder Himmelswiese"; man kann der Konzertsängerin Irmgard Richter und ihren Komotauer Lerchen" aufrichtige Glückwünsche sagen. Besonders dankbar war man für Rollands Spiel von Tod und" Liebe", unter Liebls Spielleitung von Mitgläedern des Prager   Deutschen  Theaters vorzüglich gesprochen. Und schließlich da­mit unerhörten dramatischen Energien geladene, in der Gesinnung hochanständige.Spiel um die Welt" der Brüder Walter und Kurt Seidl, insze- nicrt von Sordan. In der Vortragsreihe nehmen Archivrat Mau­ch a s Worte zuNeuen Büchern" inuner einen wett­vollen Platz ein. In teilweiser Verbindung mit Musik wurden die Gedenftage zweier Großer gefeiert: Rainer Maria Rilkes und Kamillo Horns. Pros. Schlossers Führung zu denErfreulichen Augenblicken im Leben eines Chirurgen" folgte Man ebenso gern wie der Einladung Prof. P i r ch a n s, in die Geheimwerkstatt des Mimen zu gucken, der seine Maske macht. Welche wandelbare Darstellung Heimat und Volk in der Sage" erfahren, mag vielleicht für manche Hörer ebenso wichtig(und vielleicht auch wichtiger!) sein wie die Fräs«-, welche Stellung beide im Leben der Gegenwart«mnehmen. Es erscheint mir nur ebenso gefährlich wie unfrucht­bar. die aktuelle Anschauung solcher Probleme aus Resentiments zu speisen und Einflüsterungen aus dem Mythos geneigt zu machen. Die Zeiten, da sich, ein kleiner Muck durch die Heirat mit einer aus Zauber­bann befteiten Königstochter sanieren konnte, sind halt leider so ziemlich endgültig vorbei! Eine überaus fesselnde und in vorbildlich volkstümlicher Art gebotene rechtswissenschaftliche Analyse desGe­dankens der Fresheit in der tschechoslowakischen Ver­fassung" war Univ.-Pros. Dr. Rauchberg zu danken. Unwichtig erscheint es mir, zurBe­rufsberatung in den Mittelschulen" (Dr. Kaltofen) heute mehr zu sagen als das eine: Maa euch der Himmel helfen, daß ihr überhaupt irgendwo noch um ein paar Kronen fürs tägliche Brot unterkommt und laßt euch dann nicht von Nei­gungen und Begabungen in anderer Richtung davon abhalten i" Es erscheint mir immer als ein gedgpt- licher Leerlauf, wenn man auf Gebieten ins Kom­mende bauen will, die augenblicklich keine Gegenwatt haben. Man kann natürlich auch einem armen Teufel von Lungenkranken klar machen, wie heilkräftig ein Aufenthalt in Aegypten   ist. Er wird aber davon kaum mehr Nutzen haben als ein Abiturient von seinen Begabungen, für die man keine Verwendung hat im Produktionsprozeß". Sehr notwendig dagegen er­scheint mir eine recht eindringliche Btztrachtung der von Dr. Frankl zur Diskussion gestelltenFra- genzeit gemäßer Bildungspflege". Befremdend rst aber, wenn man in diesem Zusammen­hang für denHeimätschutz durch die Jugend" ein- tritt. Wie wär's demgegenüber mit obligatorischer musikalischer Erziehung der Jugend? Mit dem Pflichtbesuche guter Theatervorstellungen? Mit einem den Kindern der Wirtschaftskrise angepaßten Lehr- vlan in den Schulen? Mit einem wirklich wirkungs­vollen Kampf gegen Schundliteratur im Buchhandel und in der Filmproduktion? Mit der Verlängerung der Schulpflicht und der Erfassung der schulentlaffe- nen. arbeitslos umhettrrenden Jugend? Mit der ver­pflichtenden Schulung junge? Mädchen in Säuglings- oflege und Kindererziehung? Dies« und hundert andere Probleme warten seit Jahren auf ein« Lösung. Indessen erzählt uns ein Sekretär vonW e i h- nachten im deutschen   Brauch tum" (das mußte ja kommen!) und dabei von einer»Kerze. Oietun" Tische tröstlich leuchtet" und anderen nttten Sprachschönüeiten. Unsere Arbeitersendungen erfüllen getreulich die ihnen zukommende Pflicht. Darum sei ihnen der Wunsch anverttaut. sie mögen in kleineren Zeitab­schnitten Tatsachenberichte aus dem Witt» schaftsleben des Tages bringen: Stillegung von Be­ttieben. Drosselung der Produktion und ihre Ursachen, Betteilung der Staatsausträge. Lohnbewegungen u. a. m. Weniger allgemeine Urteile über wirtschaft­liche Erschütterungen und dafür mehr konkrete Bei­spiele. Ein Wott noch zu den katholischen Rundfunk­predigten, die ja im Programm ihre Stammttschecke behaupten. Ihnen verdankt man ein Ereignis beson­derer Art im Berichtsabschnitt: den Monsig. P. Karl Fritscher   als soziälistischen Revolutionär! In seinenAdventgedanken für den Arbei­ter" mußten sich die Unternehmer sagen lassen, daß die Habgier des kapitalistischen   Eigennutzes schuld trage an dem Wirtschaftselend der Zeit und daß der Kapitalismus   ein Verbrechen, Diebstahl sei an dem Allgemeingut der Nation! Ter Besonderheit'wegen muß mau sich solche Worte merken. Mindestens zum Unterschiede von denen des Herrn Direktors Josef Zäk, derDie Grundlagen desFrie- d ep s" in so rührend nawer Art erkennt, daß man schwer sagen könnte, ob dabei die Weltferne eines ttndhaften Frommglaubens oder der Fanatismus eines zu neuen Kreuzzügen bereiten Gottesstreiters die Vormundschaft ausüben. Die deutschen Hörer nehmen ins neue Jahr de« alten Wunsch hinüber. Er soll hier nicht wieder aus­gesprochen werden. Er bleibt eine Forderung an vr« gerechte Einsicht und an das Gewissen derer, die die Macht und daher die Pflicht haben, ihn zu erfüllen. ' Ernst Thöner.