Nr. 1
Mittwoch, 1. Jänner 1936
Seite 7
O, du mein Klösterreich!
Mustergemeinde also mehr als doppelt so viel wir für di» Polizei, wohl wissend, daß Schulen und Büchereien wichtiger sind als Gefängnisse und Ker. kcrzcllcn, Lehrer wichtiger als Polizisten. Bildung ist Vorbeugung gegen Verbrechen, Strafe nur Rache der Gesellschaft. Jeder kann das Budget seiner Wohnstadt mit diesen Zahlen der Stadt Syracus im Staate New Aork vergleichen. Er wird viel daraus lernen.
Bergarbeiter in der Zeche Fernhell(Gla morgan , England), traten infolge Lohnstreitig- keiten in den Ausstand. Ein Teil der Arbeiter lam abends wieder aus dem Schacht, 13 Mann setzten jedoch den Ausstand fort und blieben während der Nacht in der Grube. Todesflug. Auf dem englischen Militärflugplatz in Nairobi (Kenya ) kamen in den letzten zwei Tagen zwei Flieger durch den Absturz eines Bombenflugzeuges umS Leben. Ein dritter Flieger beging, nachdem er kurz vorher ein Truppenbeförderungsflugzeug gelandet hatte, Selbstmord durch Erschießen. Ein abessinischer Militärarzt namens Sol- vati Louva, welcher seinerzeit von den Italienern in Abessinien gefangengenommen wurde und der später aus Triest nach Jugoslawien geflüchtet war, ist Sonntag in Griechenland änzekom« men. Lindbergh in England. Das Schiff„American Importer", an dessen Bord sich die Familie Lindbergh befindet, ist Montag im Hafen von Liverpool eingelaufen. Man ist der Ansicht, daß sich die Familie Lindbergh sofort mit dem Zuge nachLondon begeben wird. Verlängerte NebergangSzeit bei Kassablock- Zetteln. Um den Geschäftsleuten zu ermöglichen, ihre alten Vorräte an Kaffablock-Zetteln aufzubrauchen, hat das Finanzministerium zu seinem Erlaß
schäftS-Korrespondenzen unter Nr. 122.867/35 einen Zusatz erlassen, durch den für Kassablock-Zetteln, die der Rechnungsgebühr unterliegen und in denen der Name des Abnehmer- nicht angeführt ist, die UebergangSzeit bis zum 86. Juni 1936 verlängert wird. Bis zum Ablauf dieser Frist können daher die angeführten Kaffablock-Zetteln ohne Rechnungsstempel auSgegeben werden. JubilSumS-Feierlichkriten in Bodüany. Zu Neujahr beginnen in Vodüany Jubiläums-Feierlichkeiten von historischer Bedeufting. Auf den 1. Jänner 1936 fällt nämlich der 606. Jahrestag der Verleihung des denkwürdigen Privilegs, durch welches König Johann von Luxemburg das drohende Verderben von dem darniederliegenden Städtchen Vodüany abwandte und eS durch eine Reihe hervorragender Privilegien und Rechte den übrigen königlichen Städten nahezu gleichstellte.
Sie bekommt ihren erste» Weihnachtspudding „Jubilee", die kleine Tochter des bekannten Schimpansen Boo-Boo aus dem Londoner Zoo, die am Tage des englischen Königsjubiläums geboren wurde und daher ihren vielsagenden Namen erhielt, bekommt von ihrer Mutter den ersten traditionellen Weihnachtspudding.
fachen, die aus der österreichischen Stadt Stehr nach draußen gehen, trägt den Fremdenwerbevermerk: „Steyr , die alte Eisenstadt ". Ja, das ist in der Tat diese historische Siedlung mit rund 22-066 Einwohnern, ein wenig abseits der Eisenbahnlinie Linz — Wien , an der Mündung der Steyr in die Enns gelegen. Hier hat die weltbekannte„Steyrer Werke A.-G." ihren Sitz: Autos, Fahrräder, Waffen, Kugellager! Tas ist jetzt wieder eine von Oesterreich- Waffenschmieden, sicherlich nicht die unbedentendfte, in jedem Falle aber die modernste und durchratio- nalisierteste. Im Weltkrieg, als Blut und Eisen besonder- hochgeschätzt waren auf dem großen Kontinent, gab es hier bis zu 16.666 Arbeiter. Bis noch in die Weltkrise hinein standen immer noch mehr als 5666 dort unten, in einer Produktion, die nunmehr ausschließlich dem Frieden und der technischen Zivilisation diente. Die große Wirtschaftslähmung des dreißiger Jahres verringerte die Zahl der. Werkszugehörigen bis auf weniger denn 1506. Triumphierend berichtet jetzt die Regierung Schuschnigg , daß „dank ihrer tatkräftigen, echt-vaterländischen Initiative" wieder die alten 5666 erreicht seien; so stand es wenigstens, zum nicht schlechten Staunen aller Steyrer, in der ganzen nationalen und christlichen PresseOesterreichS schwar^und weiß kürzlich zu lesen. Genau die Hälfte entspricht zwar nicht der blühenden Phantasie des Herrn BundeSkommiffärs für Propaganda, Adams, aber doch der schlichteren Wirklimit, auch wenn sie in einem Ministerium für Reklame lästig ist! Und diese Zahl wird auch nur— freibleibend bis auf weiteres— gehalten, weil das Bundesheer mit einem Male die schnellen Tanks und die starken Artillerieschlcpper der Steyrer Werke (gegen wen und für wen?) so dringlich gebraucht... Der unbekannte Soldat der Produftion und Arbeit in den„Werken"— das ist auch d>e r Bürger der Stadt Steyr! Kommune und Werk sind schicksalhaft aneinandergebunden l Nirgendwo sonst in Oesterreich gab eS im Verhältnis zur Umwelt fo viele Erwerbslose als in Steyr in jenen Tagen, in besten die.Kreditanstalt" verkrachte/ welche die Aktienpakete des ProduktionSriesenS in ihren Depots geftapeft hielt. Nirgendwo war die Not einer hochqualifizierten Arbeiterschaft größer als damals, in jenem Birmingham oder Solingen Oesterreichs ; ohn- mächtig, wenn nicht sogar bar jeden wirklichen Verständnisses steht ihr das Herrschaftssystem der Gegenwart gegenüber. Ja, eS war seinem Wesen urfremd und bis aufs letzte feindlich gesinnt— dieses Terrain von Steyr , in daS in jenem unseligen Feber da- KriegSbünd- niS von Pfaff' und Landsknecht vorstieß. Fünfundneunzig Prozent der Wcrkarbeiterschaft waren organisierte Freigewerkschaftler; der„christliche" Verband musterte kaum ein Äirftiges Schock von Anhängern. Bon den 22.666 Einwohnern der Stadt, von 11.066 erwachsenen Bürgern, waren,6666 eingeschriebene Sozialdemokraten. Noch nach der letzten Gemeindewahl waren von 36 Stadtvertretern insgesamt 22 bei der Partei und 2 zählten außerdem noch die Kommunisten. Kein Paradies also für die Starhem- berge! Und so wurden es denn gerade in und um Steyr — wie kaum noch sonst in Oesterreich — wilde und blutige Febertage— damals, als Feys Banden „siegten". Eroberer und Eroberte Nach ihrem„Sieg" begann die glorreiche Heimwehr damals ein monströses„Reinigungs"werk in der roten Hochburg Stevr, unterstützt von Polizist, Bürokrat und Kleriker. Es ging nicht nur gegen die Führer— gegen die sozialistische Stadwerwaltung, gegen die Vertrauensleute der Arbeiter im Werk, gegen GewerfichaftSbeamte und Betriebsräte: daran glauben mutzten auch trotz aller öligen Versicherungen, wie human man doch sei, die„Verführten" I Wer auch nur entfernt der Beteiligung am Aufstand verdächtig war. wer auch nur sehr weitläufig verwandtschaftliche Beziehungen zu„Rädelsführern" hafte, fiog aus seiner Arbeitsstelle im Werk. Angeberei wurde beste StaatSraison. Heimwehrjünglingen; manch' einer von ihnen frisch aus dem heimatlichen Kuhstall abtransportiert, kamen an die Aelle der Geächteten vor Schraubstock und Schalthebel. Aber wenn schon
Wie eine amerikanische Großstadt den Steuerdollar verwendet C. T. Das Buch»Eine Stadt am Hügel" (A City sei on A Hill) von Dr. A. W i n s l o w, Professor des öffentlichen Gesundheitswesens an der Aale School of Medicine(Verlag: Doubleday, DoraN u. Co. Jnc. Garden City, New Aork 1934) ist allen Stadtverwaltern als Lesestoff zu empfehlen. In der eingehenden kritischen Untersuchung erzählt Winslow, daß von den 15 Millionen Dollar jährlicher Verwaltungsausgaben zehn Millionen durch Steuern der 200.000 Bürger der Stadt Syracus(Staat New Aork) aufgebracht werden. Ein Drittel fließt aus anderen Quellen. Der Steuerdollar wird so verwendet:
Es ist ein uraltes Rezept jeder Tyrannis in der Verlegenheit: Späher und Angeber her! Hier hieß Der Poststempel auf den Briefen und Druck-| es jetzt: Kriminalbeamte an die Front! Gleich grup- > penweise kamen sie von Wien und wurden als schlichte Schlosser und Dreher eingestellt. Mit einem Auge schauten sie auf ihre Arbeit an der Drehdant, mit dem anderen auf, den Mund ihres—: sicherlich— roten Kollegen. Wer jetzt Gespräche führt, die diesem System voller Weisheit und Güte nicht ganz genehm sind, und wäre es auch nur zwischen Zichorie und trockener Semmel in der Arbeitspause, soll daran glauben. Aber Kriminalbeamte gleichen sich in aller Welt einander wie die Hühnereier. Das ist denn ja auch die ewige Fatalität und Kalamität der mit ihrer Hilfe Regierenden. Die Steyrer Proleten müßten sehr dumme Proleten sein, wenn sie nicht sehr bald heraus gehabt hätten, wer ihnen da als Nebenmann unter Band und Dampfrohr vergönnt wurde. So beziehen denn in den„Werken" die beamteten Werkspitzel schon seit langem ihren doppelten Lohn als Arbeiter und als Aufpasser ganz und gar für die Katz'. Die sonstige Lage der Arbeiterschaft im Betrieb? Auf dem geduldigen Papier blieben die„Errungenschaften der Demokratie", etwa die Tarifverträge. Aber auch nur auf dem Papier. Die Direk- tionsinterpretattonen über die Arbeitszeitbegriffe, von niemand mehr kontrolliert oder gar beanstandet, lassen der Willkür jeden Spielraum. Jetzt hat Man sich für das Sekretariat der„Einheitsgewerkschaft" die allen Arbeitern mehr als gleichgültig ist— sei es denn, daß er sich an sie nicht in gutem Sinne erinnert, wenn sie ihm allwöchentlich den Bestrag für nichts und wieder nichts abknöpft— in Steyr einen Auch-Freigewerkschaftler namens Bichler aus Wiener Neustadt verschrieben. Er löste hier seinen„christlichen" Vorgänger— jenen mit dem Schock wirklicher Anhänger— ab, damit die Arbeiter, durch daS alte Berbandsbuch des Bichler getäuscht, doch ein wenig„einheitsgewerkschafts"-fteundlicher gestimmt würden. Aber van dem Bichler weiß jeder, wie er mit und trotz seines VerbandsbucheS seinerzeit zum Starhemberg hinüberruderte, als dieser losschlug. Glaubt er oder seine Auftraggeber, daß ihm ein Arbeiter, der etwas auf sich hält, auch nur über den Hausflur traut? Der neue Betriebsobmann in Steyr ist gar direkt ein strammer Heimwehrmann. Wer wird zu ihm hingehen, wenn er sich im Betrieb übervorteilt fühlt? Der Ueberläufer und der Scherge— das ist jetzt des Arbeiters ganzer Schutz gegen den Golem Firma. Bor dem Herrn Direftor und in seinem Vorzimmer steht er jetzt immer mit seinen Sorgen und Klagen mutterseelenallein. Da ist es schon besser: er sagt einstweilen gar nichts, nimmt schweigend die trotz Tarifvertrages immer dünner werdende Lohndüte in Empfang und denkt in jeder verbitterten Stunde daran:„Wir kommen wieder!" So hieß es ja auch jüngst auf dem überall verstreuten Flugzettel der„Illegalen". Dumpf und stumpf find wirklich diese Stunden vor dem Sturm... Es wetterleuchtet zwischendurch in Gerüchten! Die Skandalchronik der auf der ganzen Linie so siegreichen Heimwehr reißt auch in Steyr nimmer ab. Da war zunächst der Herr F., sehr gut bezahlter Angestellter der A.-G. und ein hohes Viech bei der Heimwehr . Mit dem fings an. Nach großen Unterschlagungen wurde er einige Zett nach dem siegreichen Feberputsch piff-paff entlassen. Ins Gefängnis kommt freilich solch ein vaterländischer Mandarin nimmer. Die find für rote Zettelverteiler da. Dann war da. auch in Steyr , der Fall des grofstopfigen Oberlandesgerichtsrates Dr. St. Es rumorte kürzlich erst recht sehr um ihn. Bon wegen Mündelgeldern und der gnädigen Nachsicki einer richterlichen Unterschrift. Herr Dr. St. war sogar Stützpunktleiter der Heimwehr in seiner Stadt. Nun ist er mit einem Schlage vorzeitig pensioniert worden, obschon er doch eigentlich als siegreicher Bandenführer erste Anwartschaft auf da- Avancement zum OberlandeSgerichtspräfidenten gehabt hätte. Der letzte Fall von Ablösung deS bisherigen „korrupten" Marxismus durch die Lichtgestalten der Vaterländischen Bewegung— der letzte nur bisher! Denn er wird bei Gott und allen seinen österreichischen Spezialheiligen nicht der letzte im Prinzip auch in Steyr bleiben— ist der des früheren Wehrturners Krenn. Ein mehr als ftagwürdiger Ueberläufer vom sozialistischen Arbeiterturnerbund, als«r anfing in der Demokratie zu regnen und zu hageln, strackwegS dann hineingelaufen in die Heimwehr , hatte er schon vor dem Feber seinen neugewonnenen Freunden vom dräuenden Hahnenschwanz Gewehre ve r k a u f t, die er seinen Kameraden, den Arbeitern, gestohlen hatte, alS diese ihm noch immer trauten. DaS war also so richtig der Mann nach dem Geschmack der naftonalen Erneuerer. Jetzt ist auch er m i t 16.000 Schillingen , die er der im übrigen gut dotierten Heimwehrkasse Steyrs entnommen hatte, auf und davon. Ein schnelles Avancement hatte ihn hier gleich zum.Qberleukt nant" gemacht. Aber ein Oberleutnant ist bekanntlich ein Mann, der Wohl Ansprüche anS Leben zu stellen hat. Folglich entlohnte der neue Herr Heim-
! Politik und Wirtschaft zweierlei sind so find es > Politik und Technik noch mehr! Erne Fabrik, die minufiöse Kompressoren, empfindliche Kugellager, I haargenau gebohrte Zylinder, präzis schießende l Maschinengewehre, Autos von Weltruf erzeugt, | braucht Arbeiter und keine Trampeltiere.' Mit i StrammsteheN ist da gar nichts gemacht! Auf jeden Fall: die laufenden Bänder wurden langsamer und langsamer, die Gesichter der Ingenieure lang und länger, die Abnehmer draußen kritischer und unzu- friedener. Also mußten recht bald wieder die alten Kumpels her: Schwamm zunächst darüber, ob sie in der letzten Herzensfalte rot waren, rot sind und rot bleiben werden. So lief denn nach einigen kuriosen Wochen eines besonders zielstreberischen Fascismus die Fabrik schließlich wieder. Zwar lief sie mit einer • leise murrenden ustd grollenden, noch sich duckenden» aber auf ihr« Stunde wartenden Arbeiterschaft— immerhin, sie lief! Die neuen Diachthaber gingen
Klerikofaseistische Herrlichkeiten im österreichischen Birmingham — Die rote Hochburg Stehr anderthalb Jahre«ach ihrer glorreichen. Eroberung— Kriminalbeamte am laufende« Band— Die täglich anschwellende Skandalchronik der Heimwehr — Die Miete» hoch, die Löhne stark beschnitte«— Jung-Oefterreich im Bettlerlager (Von unserem Sonderberichterstatter.) An der tschechoflowakisch- österreichischen Grenze, Anfang November 1935. und Hinterhalskrieg Wer. Die Arbeiter auch! Die alte Ersenstadt
Erziehung.....
88.3
Schuldendienft(die Sünden der Bor-
fahren)
18.6
Schutz für Leben und Eigentum
a
17.2
Oeffentliche Arbeiten...
7.9
Wohlfahrt
V
6.5
Verschiedenes
■
■
v
5.8
Gesundheitswesen.,»,
■
■
g
2.2
Bauten........
■
g
1.9
••••tfwvw
•'
1.6
Für die Erziehung
verwendet diese
wehr-Oberleutnant Krenn Heimwehrmänner, dje es nie gegeben hat. Ist das nicht der kurze Atem der Konterrevolution, der in diesen Angelegenheiten der Moral stoßweise sichtbar wird? Eine rote Hochburg wird saniert Reben dem großen und lauten Werk liegt die stille Stadt Stehr. Ein„Christlicher" verwaltet sie jetzt als ihr Maire. Obschon er nicht mehr als«in knappes Viertel der Bürgerschaft hinter sich har! Ein Bürgermeister, dm niemand gewählt hat, sondern einer, der sich mit einem ministeriellen Ernennungsdekret auf einm noch warmen Stuhl setzen durfte. In Kolonien ist das vielleicht das Uebliche; nnmer» hin, Steyr liegt mit Oesterreich immer noch in Mit teleuropa ... Der bisherige sozialistische Bürgermeister, dem man mehr um des Schaustückes als der Gerechtigkeit willen einen großen Prozeß gemacht und ihn dann recht gelinde bestraft hat, weil der Delinquent klar genug zu erkennen gegeben hatte, daß er zur Kenntnis und„innerlichen Läuterung" genommen hatte, wer nun Herr im Staate sei— und bei solcher Einsicht und Artigkeit des Opfers kann man ja mit Pathos ritterlich und-delmütig sein— ernährt sich von der seiner Ehefrau gnädigst und huldvollst erteilten Schankkonzession in einer Gastwirtschaft,vor den Stadttoren. Freilich, im Lokal seiner Frau darf der Entthronte seinen Gästen noch nicht einmal einen Stuhl zurechtrücken; der G'spritzte, den er verzapfen und servieren könnte, könnte ja etwa- vom bolschewistischen Ludergeruch an sich haben... So einsichtsvoll ist Oesterreichs FasciSmuS. Unterdessen wird die Stadt nur so saniert! Nach anderthalb Jahrzehnten„marxistischer Mißwirtschaft" ein heroisches Unterfangen. Das riesige ! Industrieunternehmen mit seinem ganzen enormm Menschenverbrauch hatte insbesondere zur Kriegszeit ein schauerliches Wohnungselend der Ausgebeuteten erzer^t. Unter sozialisttscher Berwaüung nach jenem Umsturz, der ftettich ach so vielen Generalen Alt-Oesterreichs die Orden auf der Heldenbrust ein wenig entwertete, ging auch die Stadt Stehr zu einer großzügigen Wohnbaupolittk für die Minderbemittelten über. War das etwa weniger„vaterländisch", als jetzt wieder den Soldatenvater Radetzky hochleben zu lassen? Auch die Direktion des Werkes, sich damals auf den berühmten gegebenen Boden der Tatsachen stellend,— mit allen anderen, die zu jener Zeit um ihr Portemonnaie so besorgt waren und sich daran heute nicht mehr gern erinnern— half ihrerseits dabei durch Erstellung anständiger Werkswohnungen. Auf jeden Fall: Grade da wird jetzt„saniert". DaS heißt praftisch: eines nach dem anderen der gefälligen städttschen Arbeiterwohnhäuser wird nunmehr an Private verkauft! Preise? Aber wer wird — christlich, wie ja jetzt wieder die unvermeidliche Grundlage des Staates ist-— groß um Preise feilschen? So was tun nur die Juden, die wieder den Bolschewismus erzeugt haben! Die Rentner und Spekulanten, die von der Stadt wacker kaufen, werden nicht übers Ohr gehauen, da sei Gott vor- Jedem ftommen Steyrer Bäckermeister wieder seine zlvar nicht selbst erbaute, aber gegen richtige- Geld erstandene Mietskaserne! Das ist, wenn wir nicht irren, die ganz alte und abgestandene Parole vom hochseligen Sturmgesellen Lueger von anno dunnemals. Herrliche Zeiten für die HauSpaschaS find überhaupt auch in Steyr wieder angebrochen! Wer renovieren will, damit der Mieter mehr zahlen muß, wendet sich jetzt per Postkarte einfach an die„öffentliche Arbeitsbeschaffung". Genügt vollkommen! Er kriegt's im Wesentlichen ganz umsonst gemacht. Bei dem Häuserverkauf insbesondere ist eS nicht geblieben; saniert muh ja schon werden. Also kommen auch die städtischen Schrebergärten zum Verkauf an Private. Früher ließ die„korrupte" Stadwerwaltung ein solcher eingezäunter Fleckchen vaterländischer Erde einem armen Erwerbslosen für zwei oder drei Schilling Pacht im Jahr. Und das war dann für diesen fast eine Frage von Leben und Tod— der paar Kartoffeln, des bißchen Gemüses willen, die vor'm Verhungern schützten. Jetzt werden auch die Gärten den Terrainspekulauten freundlichst bewilligt. Saniert wird, auch in Steyr , wie überhaupt in Oesterreich , nur eine Keine, jetzt allerdings herrschende Minderheit. Die anderen? Ein städtischer Beamter bezog bisher ein sicherlich nicht üppiges Monatssalär von 400 Schilling. Jetzt geht er am Monatsende mit 800 heim; 106 Schilling fraß die „Sanierung". Er ist auch Prolet; nur— manchmal weiß er'S nicht. Aber er ist mit den noch beschäftigten Arbeitern immerhin ja noch einer, der sich, wenn auch mit saurer Mühe, über Wasser hält. Was mit den Erwerbslosen? Was vor allem mtt denen, die jetzt die allerchristlichste Regierung grausam ausgesteuert hat? Auch in Stehr sind es Tausende! Ein Jahr zahlt da freilich noch die mildtättge Gemeinde: drei Schilling pro Woche für den Erwachsenen. Di« Frage ist: Was kauft sich der„Erwachsene" jeweilig dafür? Aber dennoch— er hat ja einstweilen noch— jawohl noch!— eben diese drei Schilling. WaS aber wird sein, wenn daS eine Jahr um ist, für daS allein ibm so die Mitmenschheit wenigsten» die Nägel zum Sarg erstellt? Die Landstraße, der Heustaden im Gebirge? Ein kurzes Ende im nahen Fluß? Rund 1060 Insassen, darunter kaum noch ein Dutzend wirkliche Vaganten und Landstreicher, beherbergt— wenn dieser Ausdruck hier keine falschen Vorstellungen Hervorrufen sollte— das Bettlerlager von Schlägen in Oberösterreich allein. Es beherbergt Jung-Oesterreich, ausgemergelte, in Unterernährung förmlich ttainierte junge Leute, fast alle unter zwanzig Jahren wartet nur, balde schlögelst auch du, wenn eS so bleiben sollte. H. E.