16. Jahrgang

Samstag, 4. Jänner 1936

Nr. 3

Wettlauf mit der Regenzeit

die

Dcbarek

* Leffie.(Reuter.) Sechs aSkarische Offiziere und zwölf Unteroffiziere sowie 125 Erithäer der italienischen Armee sollen desertiert sein. Dessic.(Reuter.) Der Kommandant der abessinischen Südarmee Nassibu teilt mit, daß die italienischen Flugzeuge die Brunnen in der Nähe von Bullale und Saffabaneb, ungefähr 30 Kilo­meter südlich von Daghabur beschossen haben. DÄbei seien fünf Abessinier und 19 Kamele getö­tet worden.

Wer wird den Frühlingsfeldzug 1936 gewinnen? Das Ringen um Makalle/ Neue Offensivpläne Grazianis

Die Lage an der Nordfroat Schematisch« Darstellung

An beiden abessinischen Fronten machen sich ersten Anzeichen der sogenannten»kleinen Regenzeit", des Vorläufers der größeren Regen­periode bemerkbar, die ihrerseits spätestens im April fällig ist. Schon ist der Einsatz von Tanks und Artillerie, selbst die Verwendung der Feuer­waffe stellenweise erschwert und die Erfolge der Abessinier sind nicht zuletzt darauf zurückzufüh- ren, daß sie einem, Feind gegenüberstanden, der genau wie sie selbst nur mit Dolch, Wurfspeer und Bajonett kämpfen konnte. Die Möglichkeit, noch vor dem Einsetzen starker Regenfälle enffchei-

Italien beschwichtigt und lügt Der Staatssekretär Suvich hat wegen des Bombardements von Dolo dem schwedischen Ge­sandten beschwichtigende Erklärungen abgegeben. Auch er behauptet, die Flieger hätten nicht gewußt, daß sie ein Lazarett angegriffen, und zugleich, es habe sich um«ine Strasexpedition gehan- dell also um etwas Außergewöhnliches, das doch nur durch den rechtswidrigen Angriff auf das Rote Kreuz gegeben wäre, denn eine normale Kriegshandlung ist keine Strafaktion. Es scheine, sagte Suvich, daß«ine in der Nähe des Lazaretts explodierte Bombe die Ver­letzungen verursacht habe. Es wurde aber mit Bestimmtheit gemeldet, daß die Flieger das Laza­rett mit Maschinengewehren beschaffen haben. DieHinrichtung" der beiden Flieger hat sich inzwischen in einige»an italienischen Gefalle­nen und Gefangenen verübte Grausamkeiten" verwandelt.

Kundgebung französischer Parlamentarier gegen Italien Paris . Die vier Borfitzenden-Stellvertreter des auswärtigen AusschuffeS der Kammer, der so­zialistische Deputierte Longuet, die radikalen Deputierten Guernut und Frangois de Teffan so­wie der unabhängige Deputierte Henry Torres haben dem schwedischen Minister für auswärtige Angelegenheiten Sandler eine Depesche gesandt, in welcher sieden schwedischen Bürgern, den Mitgliedern der schwedischen Mission des Roten Kreuzes, die bei der Ausübung ihrer hohen Mis­sion in Abessinien einem italienischen Angriff zum Opfer fielen, ihre lebhaften Sympathien zum Ausdruck gebracht." Dieses Verbrechen wider das Völkerrecht heißt es in der Depesche wei­ter erinnert an die mwergeßliche Versenkung des DampfersLusitaniä" während des Well- krieges und hat in der ganzen zivilisierten Welt scharfe Verurteilung hervorgerufen.

der.sie zu unnützen Blutopfern verleitet, und die Schwierigkeiten der Versorgung größerer'Trup­pen ohne jeden organisierten Train. Im Süden soll General Graziani zu einer neuen Offensive rüsten und etwa 40.000 Mann, davon 18.000 Italiener zu einem Vor- stoß versammelt haben; darüber, ob der Stoß wieder in der Richtung auf SasabenehHarrar geführt werden soll oder diesmal dem Tale des Juba folgend, an den Ogaden vorbei nach der Provinz Sidamo, gehen die Meinungen ausein­ander. In beiden Fällen bleibt eine Flanke GrazianiS von der Armee des Ras Desta Damptu bedroht, die ihn schon einmal im Siegeslauf auf­gehalten und ernstlich bedroht hat. Daß Graziani wieder aktiv wird, hat er jedenfalls durch die Einnahme von D a g a n e bewiesen, womit er einen wichtigen Straßenknotenpunkt in seine Hand brachte. Beide Offensiven, die abessinische wie die italienische werden nicht unwesentlich von den Er­eignissen beeinflußt werden, die sich inzwischen an der Genfer Sanktionsfront abspielen werden.

Moral oder Geschäft? Die USA vor einer schweren Entscheidung Washington.(Reuter.) Wie dieWashing­toner Post" erfährt, sind Roosevelt und sein Rat­geber vollständig von dem Gedanken abgekommen, durch ein neues Gesetz über die Neutralität den Präsidenten mit der Enffcheidung darüber zu be- vcllmächtigen, wer der Angreifer sei und wer als das Opfer des Angriffes anzusehen wäre. Das Blatt behauptet ferner, daß das neue Gesetz Wer die Neutralität, daS spätestens am Montag dem Kongreß vorgelegt werden soll, dem Präsidenten auf jeden Fall die Vollmacht verleihen wird, die Ausftihr von Petroleum, Baumwolle, Eisen, Kup­fer und anderem Material in die kriegführenden Staaten auf dem Niveau der Friedenszeit zu hal­ten. Jedes Verbot und jede Beschränkung der Ausfuhr, die vom Präsidenten festgesetzt wird, soll unparteiisch gegenüber allen kriegführenden Staaten durchgeführt werden, ohne Rücksicht dar­auf, ob sie im Rechte sind oder nicht. Wie das Blatt auch erfährt, wurde der neue Gesetzentwurf bereits vom Staatssekretär Cordell Hüll sowie vom Vorsitzenden des Außenausschuffes des Sena­tes Pittman und dem Vorsitzenden des Außenaus­schuffes des Repräsentantenhauses Mac Reynolds genehmigt.

Washington.(Reuter.) Der Vorsitzende des Außenausschuffes des Repräsentantenhauses Reynolds hat der Kammer einen Gesetz­entwurf Wer die Neutralität vorgelegt, mit wel­chem dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die Befugnis erteilt wird, ein Embargo auf Kriegsmaterial für kriegführende Staaten zu er- laffen. Auf Grund dieses Entwurfes kann der Präsident der Vereinigten Staaten die Einfuhr von Kriegsmaterial in alle kriegführende Staaten auf ein Quantum beschränken, welches dem nor­malen Exportdurchschnitt der Friedenszeiten ent­spricht. Ausgenommen von diesem Embargo sind Lebensmittel und Heilmittel. Ferner wird eine Zusatzbejtimmung ein Verbot finanziel­ler Transaktionen mit kriegführenden Staaten enthalten. Es verlautet, daß der Ent­wurf dem Präsidenten Roosevelt auch die Ent­scheidung darüber belassen wird, auf welches Materialfich das Embargo beziehen soll. Gleichzeitig legte der Vorsitzende des Außen­ausschusses des Senates Pittman einen analogen Gesetzentwurf im Senate vor. Dieser Entwurf ermächtigt den Präsidenten, ein Embargo auf den gesamten Export in kriegführende Staaten zu legen, soweit er den Export normaler Frie« dcnSzeiten übersteigt.

Hacker Obmann des BdL! P rag.(Tsch. P. B.) Im Deuffchen Häu­fend Freitag die Sitzung der Reichsparteivertre­tung des Bundes der Landwirte statt, in welcher der disherige Obmann der Partei, LandrsauS- schußbeisitzer Leonhard Kaiser , seinen AmtSvrr- zicht zur Kenntnis brachte. An Stelle Kaiser­würde mit StimMenrinhelligkeit, entsprechend dem Borschlage der Wahlkommission, Gustav Hacker » Bauer aus Podersam, zum Parteiotmann ge­wählt. Zu Stellvertretern wurden gewählt: Die Landwirte Josef Fiedler. auS Ober-Altstadt bei Trauten««, Alois Patznerin SiebenhSfen bei Bärn ,'l,,,, BL.-..,. W... Josef Heinz aus Maria-Kulm bei Falkenau. Die Reichsparteivertretung wählte de" bisherigen Obmann Leonhard Kaiser zum E h r e n o b- mann und bereitete ihm und dem neuen Obmann Gustav Hacker herzliche Ovationen.

Weitere Racheakte angekündigt Harrar.(Reuter.) Di« ftalienischen Flieger haben über Daghabur eine Flasche mit einer Mit­teilung abgeworfen, in der sie versprechen, dqß sie die angebliche Köpfung eines italienischen Fliegers tausendfach rächen werde.

dende strategische Erfolge zu erzielen, wird im« Bereinigten Staaten auf der strengen Neutralität| mer geringer und beide Kampfparteien in Ajefhio- beharren werden, bemerkt aber, daß in der Oef- fentlichkeit Amerikas die Abneigung gegen Italien zunimmt. Die Geltung des bis­herigen Neutralitätsgesetzes läuft Ende Feber ab.

»Oeuvre"(Paris ) bemerk, England habe die Washingtoner Regierung diskret ersucht, unter - den verbotenen Ausfuhrgegenständen ausdrücklich! auch Petroleum und Kohle anzuführen. Das Blatt! bemerk, daß Abessinien, welches tatsächlich weder I Petroleum noch Kohle kauft, durch das Verbot nicht betroffen würde, während dasselbe Verbot für Italien eine rasche Beendigung des Krieges zur Folge haben könnte. »Petit Parisien" ist der Ansicht, daß die

pien sind bemüht, vor der notwendigem Kampf­pause noch möglichst viele Vorteile in ihre Hand zu bringen. An der N o r d f r o n t der sogenannten Tigre-Front sind seit Wochen zweifelsohne die Abessinier taktisch und stra­tegisch erfolgreicher gewesen. General de Bono hatte dort seinem Nachfolger einen netten strategischen Pallawatsch eingebrockt, indem er auf der verhältnismäßig schmalen Hochfläche ein Korps nach Makalle und weiter nach Süden Vortrieb, ohne sich um seine Flügel zu kümmern, insbesondere ohne das Hochland'von Tembien und die Stellungen am Takazze zu sichern. Keilför­mig sprangen die italienischen Stellungen nach Süden vor, die Etappe wurde immer größer und zuletzt standen von je zehn Italienern neun in der Etappensicherung und nur einer an der Front, die natürlich bei der Ausdehnung, des Kriegsschauplatzes und der Schwierigkeit der Nachschubverhältttiffe nur aus dünnen Posten­ketten und gelegentlichen ausgebauten Plätzen besteht. Die Abessinier konnten trotz der italieni­schen Fliegeraustlärung ihre Armeen nahe an der feindlichen Frontlinie versammeln, ohne daß die Italiener festzustellen vermochten, wo der Angriff erfolgen würde. Es gelang den Abessiniern, die italienische Postenkette am Takazze zu durchbrechen, die ita­lienischen Aufnahmestellungen zu Werflügeln und nahe an Alsum heranzukommen, das sie in der Front von Westen her und umfassend von Norden bedrohen. Der nächste Borstoß setzte ebenso überraschend bei AbbiAddi ein, von wo aus die Abessinier versuchen, sowohl sWlich einschwen­kend gegenMakalle als auch nördlich ge­gen die Linie Aksum Adua vorzu­gehen, also die beiden italienischen Korps des rechten Flügels und der Mitte zu kennen. Die Truppen des Generals PirzioBiroli waren mindestens zeitweise von ihren rückwärtigen Ver­bindungen. abgefchnitten, da die Italiener selbst Kämpfe am A b a r o- P a ß, also nördlich von Makalle, auf der einzigen rückwärttgen Verbin­dungsstraße ihrer Front meldeten. Es muß ins Kallül gezogen werden, daß je weiter B a d o g l i o zurückgeht, desto besser seine Verteidigungsmöglichkeiten werden. Er läßt seine i verstreuten Abteilungen enger aneinander schlie- Adolf Groß aus Hennersdorf und ßen, hat kürzere Verbindungen und ein Wer- sichtlicheS Feld. Aber die Frage ist, w a s er von den vorgeschobenen Abteilungen noch in ein« Ausnahmestellung zurückbringen kann. Die Ge­fahren! die den a b e s s i n-i s uh e n Truppen drohen, sind ihr eigener stürmischer Angriffsgeist,

Unsere junge Generation Zum Verbandstag des Sozialistischen Jugendverbandes Tie deutsche sozialistische Jugendbewegung unseres Landes bückt in diesen Tagen auf ihr fünfzehnjähriges Bestehen zurück. Zwar bestand auch schon vorher eine auf sozialistische Grund­sätze ausgerichtete Jugendorganisation, sie wurde aber im Jahre 1920 ein Opfer der Spaltung; der Sozialistische I u g e n d v e r b a n d, der am 5. Dezember 1920 neu gegründet wurde, setzte die Traditionen der alten sozialistischen Ju­gendbewegung fort. Während der Verband der kommunistischen Mehrheit in wenigen Monaten unter der Wirkung der polttischen Parolen­schusterei und des Mitzbrauchs der Jugend für die Spaltungsbeskebungen ein Trümmerhaufen wur­de, wuchs die Kraft und die Arbeitsleistung des Sozialistischen Jugendverbandes von Jahr Zu Jahr. Tausende junger Menschen sind in den fiinfzehn Jahren durch seine Reihen gegangen; sie wirken heute in der Partei, in den Gewerk­schaften, den Kulturorganisationen. Die Kennt- nisse, die ihnen die Jugendbewegung vermittelte, die klare geistige und moralische Haltung, die sie sich in der Gemeinschaft der Jungen aneigneten» sie sind zum guten Teile in der sozialistischen Ge­samtbewegung lebendig geworden, aus deren Entwicklung die sozialisttsche Jugendbewegung nicht mehr wegzudenken ist. Der Sozialisttsche Jugendverband blieb von den Schwierigkeiten, denen die Gesamtbewegung ausgesetzt war und ist, nicht verschont. Die Krise forderte besonders in der jungen Generation ihre Opfer. Biese junge Mensche» haben überhaupt noch nicht den Segen geregelter Arbeit Und festen Verdienstes empfunden. Sie gehen enttäuscht und mutlos ihren Lebensweg, der sie nicht seüen in die Reihen des Faschismus führt. Die polittschen Ereignisse strahlen mit aller Kraft auf die junge Generation aus, die auf sie weniger verstandes - alS gefühlsmäßig ttaj.iti. Es wurde im Lause der Zeit immer schwerer, erfolgreiche Werbearbeit für die sozialistische Jugendbewegung zu leisten und angesichts des Mangels an Mitteln der Sozialistische Jügendverband ist lediglich auf die schwache wirtschaftliche Kraft seiner Mitglieder angewiesen noch schwerer, die großen pädago­gischen und sozialen Aufgaben zu erfüllen, die sich der Jugendverband gesteckt hat. So ist eS dop­pelt erfreulich, daß der außerordentliche B e r b a n d S t a g, der am 4. und S. Jänner in Teplitz-Schönau zusammenketen wird, auf eine reiche und vielfältige Arbeit des BerbandeS zurückblicken kann. » Der Komotauer Verbandstag vom Jahre 1934 zeigte einige unerfreuliche Erscheinungen, die darauf zurückzuführen waren, daß sich ein kleiner Teil der Bewegung unter dem Eindruck der politischen Ereignisse in Deutschland und Oesterreich von den bewährten Grundsätzen der sozialistischen Jugendarbeit abkehren und den Verband zu polittschen Beschlüssen veranlassen wollte, die nicht in seinen Aufgabenkreis gehören. Die Enffcheidung über die Fragen der sozialistt- schen Taktik hat die Jugendorganisatton immer der Gesamtbewegung Werlaffen und dies war gut so. Um so eifriger aber hat die Jugendbewe­gung auf dem Gebiete der polittschen Erziehung gearbeitet, um so ihre Anhänger reif zu machen, über die Grundsätze und die Taktik der sozialisti­ schen Bewegung in jenen Körperschaften mitzu- besttmmen, die zu diesen Entscheidungen berufen sind. Tie Auswirkungen des Komotauer Ber- bandstages waren für die Jugendbewegung schließlich durchaus erfreulich. Sie veranlaßten die Führung des BerbandeS, die bisherige Ar­beitsmethode zu Werprüfen und, gestützt auf die vom Komotauer Verbandstag beschlossenen Ar- beits-Leitsätze, dem Verband neue methodische Richtlinien zu geben, die im vergangenen Jahre zu voller Gellung gekommen.sind. Auf einer Tagung des BerbandSvofftandes in N e u- O h l i s ch, die für die Entwicklung un­seres JugendverbandeS von allergrößter Bedeu­tung geworden ist, wurde eine Arbeitsre­form beschlossen, die zwar im wesentlichen mif die allen Grundsätze der sozialistischenJugend« arbeit zurückgreift, sie aber den augenblicklichen Verhältnissen anpaßte und vor allem auch ent­sprechende Folgerungen aus der politischen Ent­wicklung zog. Die Presse des JugendverbandeS wurde reformiert. Das bisherige Berbandsorgmi wurde in eine Zeitschrift umgewandelt, die Wer