Nr. S
Mittwoch, 8. Jänner 1936
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Neiile aari idi sprechen! Warum ich Im„Hans-Westmar -“(Horst Wessel -)Film spielte Einer längeren Zuschrift des Filmschau- spielerS Lugo Döblin, die zeigt, daß das braune Regime auch den gewaltsamen Mißbrauch von Juden für seine Propagandazwecke nicht verschmäht, entnehmen wir folgende Stellen: Lange mußte ich schweigen und war wehrlos allen Angriffen preisgegeben» Rücksichten auf andere diktierten vor allem mein Verhalten. Ich mußte bis heute warten, um den Transport meiner Apparate, der für mich wichtigen Existenzmöglichkeit, nicht zu gefährden; nun ist mein Umzugßgut da. mein Bruder und seine Kinder sind in Sicherheit, jetzt kann, jetzt werde ich reden. Und so beginne ich: daß Mißverständnisse entstanden sind, daß mancher entsetzt war, zu hören, daß ich in einem nationalsozialistischen Propagandafilm spiele, das ist Wohl verständlich, aber ich war tief erschüttert über die harte und lieblose Verurteilung, ohne nur einen Versuch zu machen, die wahren Ursachen zu ergründen. Die Vermutung lag doch nicht fern, daß ich in meiner besonders exponierten Stellung als Bruder Alfred Tob lins diese Rolle nicht freiwillig spielen konnte. Als ich im Juni 1933 zu der Gesellschaft bestellt wurde, die den Film berstellte, wär mein Bruder eben geflüchtet, einen Monat früher waren seine Bücher öffentlich verbrannt worden und seine Kinder waren noch im Land. Bei der Filmgesellschaft ließ man mich zunächst allein in einem Raum und ich hörte im Nebenzimmer heftige Schmähreden gegen meinen Bruder mit Ausdrücken wie„Verbrecher" und ähnliches. Diese telephonischen Gespräche dauerten etwa eine halbe Stunde, dann kam jemand herein, ließ die Tür offen, ich sah einen andern im Nebenzimmer fitzen, das Telephon war au-gehängt.„Haben Sie sich politisch betätigt?" rief man mir zu. Ich lagt«:„Rein", dann wurde mir ein bedruckter Vertrag van vier Seiten vorgelegt, mit Tjnte war einiges dazwischengeschrieben..Sie brauchen den Vertrag nicht erst durchzulesen, unterschreiben Sie— vorwärts", sagte man. Und so setzte ich meinen Namen unter einen Vertrag, von dem ich keinen Gegenvertrag erhallen und von dem ich nur die letzten Worte .ich habe mich nicht politisch betätigt", gelesen. Dir Unterschrift konnte ich nicht verweigern, das war in der gegebenen Situation unmöglich; beim Spiel aber konnte ich mich einmal nicht überwinden und sagte dem Regisseur:.ich spiele das nicht", darauf wurde mir erwidert:»Das wird doch gespielt!" und die lebendige Mauer der viertausend uniformierten Nazis, die bei dieser Filmszene zugegen waren, gab den Worten genügenden Nachdruck. Zu den Gründen, die mich zwangen, in dem Film zu spielen und die mir jede Bewegungsfreiheit in Deutschland nahmen, gehört vor allem die boykottmäßige Schließung der von mir begründeten und geleiteten staatlich konzessionierten Tonfilmschule Döblin , die im April 1983 von einer Horde junger Nazis gestürmt wurde, so daß ich nur durch die Aussage eines Lehrers, ich wäre nicht mehr in Deutsch land , meiner Verschleppung entging. Bis zu meiner Emigration war ich ununterbrochen Haussuchungen, Vernehmungen, Ausforschen der Portiers und Wirts«
Auf der Landstraße von Versailles nach Le Pecq kam es infolge der letzten Unwetter und der Erschütterungen durch den Autoverkehr zu einem folgenschweren Erdrutsch, bei dem nicht weniger als fünf Personen getötet wurden. Zwei Verlobte und ein Ehepaar mit einem einige Monate alten Kinde wurden auf dem Heimwege von den stürzenden Erdmassen verschüttet und mußten durch Soldaten ausgegraben werden. Unser Bild zeigt die Stätte des Unglücks nach der Katastrophe.
leute ausgesetzt, mehrfach wurde ich auch zum Polizeipräsidium borgeladen und immer mit der Verhängung vvn Haft bedroht. Alt ich einmal in der Filmfachschaft energisch wurde und darauf hinwiei, daß gerade die deutschen Juden Entscheidendes für den künstlerischen deut- scheu Film geleistet haben und daß ich eS ihnen nie vergeßen werde» daß sie zum Tank jetzt die deut schen Juden verfemen, wurde ich am andern Tag zum Führer der Fachschaft bestellt. Man sagte mir: „Sie nehmen dies« Aeußerungen zurück, sonst gebe ich das weiter und Sie wissen doch, was dann Ihrer wartet...!" Darauf erklärte ich, daß ichS nicht so gemeint hätte, und wer anders in meiner Situation gehandelt hätte, der soll den ersten Stein auf mich werfen. Aber sie haben alle Steine geworfen, und zwar Steine, die mich schwer getroffen haben. So hat man Mr bk Charakterlosigkeit. porgtzworfey^ daß,sch in dem Film gespielt hätte, um ein Vermögen von 20.909 RM zu verdienen. Wan hat sich dabei um zwei Nullen geirrt, ich habe für den ganzen Film 299 RM bekommen. Daß ich mich für diese Gage nicht verkauft habe, wird wohl jeden überzeugen, nachdem ich noch kurze Zeit vor diesem Film, wie ja in Kunstkreisen bekannt ist. 200 RM für einen Aufnahmetag bekam. In dieser Zeit, wo wir alle aus der Heimat, aus dem Wirkungskreis vertrieben sind, ist nichts schlimmer, als von denen verleumdet und verkannt zu werden, deren Leid und Kampf auch der meine ist.
London . Das, Ergebnis der am Montag wieder äufgenommenen BetakungSu der FloÜen- konferenz, bei denen Minister Eden zum Vorsitzenden gewählt wurde, besteht darin, daß den Delegierten am Dienstag drei neue Pläne betreffend die quantitative Beschränkung der Marinestreitkräste werden vorgelegt werden. Diese Pläne stammen von Großbritannien , Frankreich und Italien . Paris . Die Straßenbahn- und AutobuSschaff- ner von Lille sind dem Beispiel ihrer Berufskollegen in Roubaix gefolgt und haben den Verkehr eingestellt. Pari-. Der Prozeß gegen die des Mordes am König Alexander von Jugoslawien angeklag- ten Mitglieder der Ustascha wird am 5. Feber vor dem Geschworenengericht des Rhone -Devar- tements in Aixen Provence wieder ausgenommen. Athen . Der deutsche Gesandte Dr. Eisenlohr, der zum Gesandten in Prag ernannt worden ist, wuxde vom König in Abschiedsaudienz empfangen.* Nom. Mittel- Dekretes dei Ministerpräsidenten Mussolini als Kriegsministers wurde der italienische Thronfolger, Prinz von Piemont, zum Mitglied deS Obersten Armecrates in seiner Funktion als Divisionsgeneral ernannt.
Amerikanische Flottenmanöver Mit 150 OAtffen and 400 Flugzeugen New Aorki* In der Marinebasis von San Pedro in Kalifornien sind 150 Kriegsschiffe und 400 Flugzeuge der Vereinigten Staaten von Nordamerika konzentriert. Am Montag beginnen - unter dem Kommando des Admirals R e v e s in den kalifornischen Gewässern die Manöver der See- und Flugstreitkräfte, welche drei Tage dauern und in aller Heimlichkeit vorsichgehen werden.
BestechunssprozeB Plttel& Brausewetter In Brünn Brünn . Vor einem Senate des Brünner Kreisstrafgerichtes wurde Dienstag vormittags die Verhandlung in einem weiteren Bestechungsprozeffe eröffnet. ES handell sich um Bestechungen, welche öffentliche Angestellte von Vertretern der Firma Pittel L Brausewetter bei der Durch- führung von Straßen«, Regulierungs-, Kanalisie- rungs- und anderen öffentlichen Arbeiten in einigen Bezirken Nord-Böhmens und Mährens erhielten. Ursprünglich waren 20 Personen angrklagt. Gegen viel« von ihnen wurde aber di« Anklage zurückgezogen. da es sich bei ihnen vor allem um eine Uebertretung handelte, welche einstweilen verjährt war und straflos wurde, da sie di« durch die Annahme von Geschenken entstandenen Schäden ersetzt Haden. Einer der Angeklagten ist während der Untersuchung gestorben. Angeklagt sind: Jng. Fr. Eßl er, technischer Rat deS Bezirksamtes in Mähr.-Schönberg, Jng. Ernst Hansel, Leiter der Filiale der Firma Pittel & Brausewetter in Mährisch-Schönberg , Ingenieur Josef Obermajer, Landwirtschaftsrat deS Bezirksamtes in Königgrätz , Jng. Julius Baumann, technischer Rat des Landesamtes in Prag , Urban Neumann. Bezirks-Straßenmeister in Braunau . Wenzl Kunze, Leiter der Filiale der Firma Pittel & Brausewetter in Trautenau . die Jng. Franz M a- chaLek und Wilhelm F e h r e,' Gesellschafter der Firma Pittel& Brausewetter, Cölestin Hausdorf, städtischer Bauaufseher in Prag , Josef Steiner. Ober-Straßenmeister in Trautenau , und Jng. Gustav B ö l i n a, technischer Oberkommissär des Lan- deSamtes in Prag . Gemäß der Anklageschrift hat di« größten Bestechungen— im ganzen gegen 56.000 KL— Jng. Baumann angenommen. Ingenieur Eßler erhielt zirka 10.000 Kd, der Straßenmeister Neumann zirka 13.009 Kf, Jng. Obermajer erhielt zwei Weih- Nachtskörbe von bedeutendem Wert« und ist verdächtig, auch Geldgeschenke angenommen zü höben. Hausdorf erhielt gemäß der Aussage KunzeS zirka 15.000 KL, Steiner zirka 6000 KL und Jng. BLlina 1509 KL. Die Angellagten geben zu, zum größten Teil Geschenk erhalten zu haben, aber nicht in der Höhe, wie sie die Anklage anführt, und nicht als Bestechungen, sondern als Honorare für verschiedene außerordentliche Arbeiten. Steiner und Jng. BLlina leugnen, irgendwelche Gelder erhalten zu haben. Den Vorsitz führt GerichtSrat R a c e k. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr. Stankovskh. Anwesend sind all« Angeklagten.
Der Beginn der„Boulange“ 1886- 7. Jänner- 1936 Von Hermann Wendel Als am 7. Jänner 1886 das Kabinett F r ehrt n e t ins Leben trat, hatte es nicht mehr Aussicht, seinen Namen der Nachwelt zu überliefern, als irgendein anderes der kurzfristigen Ministerien, die die Dritte Republik in rascher Folge verbrauchte. Wie der Chef selber waren Gablet, der den Unterricht, S a r r i e n, der das Innere, L o ck r o y, der den Handel übernahm, gewürfelte und geschickte Parteipolitiker, der Finangminister Sadi C a r n o t sollte eS binnen kurzem sogar zum Präsidenten der Republik bringen, aber all daS blieb im Rahmen des Durchschnittlichen. Eine Rolle mit europäischem Widerhall zu spielen war nur einem der neuen Männer beschieden, dem General , dem das Portefeuille des Kriegsministers zufiel. Er hieß Georges Boulanger und in der weiteren Oeffentlichkeit kannte ihn niemand... Zpletzt Direktor der wichtigen Infanterieabteilung in der Rue Dominique, hatte der jüngste Divisionßgeneral der Armee eine gute und glatte Laufbahn mit Feldzügen, Verwundungen, Auszeichnungen und raschen Beförderungen hinter sich, aber nicht wegen seiner militärischen Tugenden wurde Boulanger von Clemrnceau an- gelegentlichst"empfohlen, ja, fast aufgezwungen, sondern weil er als einer der wenigen höheren Offiziere mit unbedingt zuverlässiger republikanischer Gesinnung galt. Anfang- schien er an seinem neuen Posten seinem Ruf auch Ehre machen zu wollen: die feudalen Kavallerieregimenter,.deren Offizierskorps monarchistisch« Kundgebungen nicht scheute, verlegte er aus der Umgebung von Paris in die fern« Provinz, und als er in der Kammer rühmte, daß die in das Streikgebiet von Decazeville gesandte Truppe mit den ausständigen Bergarbeitern Brot und Suppe teilte, klatschte ihm selbst die äußerste Linke Beifall. Auch mühte er sich, die Schlagfertigkeit des Heeres zu erhöhen; die Vorbereitung der dreijährigen Dienstzeit und die Einführung
des LebelgewehreS waren sein Werk. Aber mit allem, was er tat, verband er die ausdringlichste Reklame für di« eigene Person, und als er am 14. Juli 1886 auf das Paradefeld deS Nationalfeiertags sprengte, eine stattliche,„schneidige" Erscheinung mit blondem Bollbart, auf seinem Rappenhengst Tunis , gefolgt von einer Eskorte SpahiS mit flatternden weißen Mänteln, genoß er im Uebermaß jene billige Volkstümlichkeit, die stets bei schmetternder Marschmusik Hurra zu rufen bereit ist. Bald scharten sich Elemente um ihn, die ihn für ihre dunklen reaktionären Pläne zu benutzen gedachten; bald hieß er der»General Revanche ", der„General Hoffnung", von dem man nicht nur raunte und flüsterte, daß er demnächst Elsaß und L.othringen auf der Spitze seines DegenS zurückholen werde. Daß B o u l a n g e r sich alS zukünftiger Sprenger der Ketten des Frankfurter Vertrages umjubeln lassen konnte, war nicht zuletzt Bismarcks Schuld, der den französischen Kriegsminister als Wauwau verwandte, um seine innerpolitischen Zweck« zu erreichen. Ms ruhiger und sachlicher Beobachter der Dinge berichtete der deutsche Botschafter in Pari-, Graf Münster , die Angst vor dem Kriege sei in Frankreich sehr groß, und eS finde sich kein Minister, der die Kriegsfackel entzünden möchte,„am allerwenigsten B o u l a n g r r, der jetzt vor allem nur sucht, Kriegsminister zu bleiben, ja, er fügte hinzu: »Ein Krieg mit Frankreich könnte nur von unS ausgehen, und eS würde einer sehr starken Provokation bedürfen, um die Franzosen dazu zu bringen"—> tat nichts, BiSmarck brauchte für die SeptennatSwahlen des JahreS 1887 seine Kriegs» gefahr, um den Spießbürger fstr die Heeresver- mehrung einzufangen, und so rasselt« Berlin derart forsch mit dem Säbel, daß Boulangers Säbelrasseln dem französischen Volk nur wie die berechtigte Antwort darauf klang. Tabei war das Pariser Kabinett so friedfertig, daß e-, um jeden Anstoß zu vermeiden, im Mai 1887 B o u l a n« g e r ausschiffte und im März 1888 völlig abhalfterte, da der brennend ehrgeizige General auch alS Korpskommandant in Clermont-Ferrand den Mund nicht hielt und der Disziplin widerstrebte. Aber jetzt war die Bahn für de»Poli
tik er Boulanger frei; jetzt hoben ihn die Wähler jichtzlnd auf den Schild; jetzt dröhnte Frankreich von dem ungestümen Rhythmus deS; C'est Boulange, bange, lange, C'est Boulanger, qu'il nous faut— da Boulanger Bäcker heißt, in freier Ueberset» zung: Backe, backe, backe, Bäcker tut uns not. Fast mehr die Macht der Umstände als der eigene Wille machte ihn zum Führer der großen Partei derer, die, ohne recht zu wissen, was sie wollten, auf die Demokratie, den Parlamentarismus, die Republik , das»System" schimpften. »Die Unfruchtbarkeit der politischen Zankereien", sagt Alexander Z e v a ö s in seiner«Geschichte der Dritten Republik", die häufige Wiederholung der Ministerkrisen, die Inhaltslosigkeit gewisser Parlamentsdebatten, die fünf, oder sechsjährige Pause im Einbringen großer Reformen hatte in der so empfindlichen französischen VolkSmasse ein täglich wachsendes Gefühl der Unzufriedenheit erregt. Zum Dolmetsch dieserUnzufrieden- h eit warf sich General Boulanger auf." Im April 1888 schon sandte ihn das Norddepartement in die Kammer; bei 3 Nachwahlen im Juni wurde er mit überwältigender Mehrheit abermals gewählt; sogar Paris , das als festeste Hochburg des republikanischen Radikalismus galt, nahm er am 27. Jänner 1889 im Sturm: 244.000 Stimmen gegen 162.000 für den gemeinsamen Kandidaten der republikanischen Parteien!»Der Bou- langismus", schrieb Arthur Meyer im»Gau « lois",»ist eine Bewegung von derartiger Kraft, daß er alles wegfegen wird, was sich seinem Marsch entgegenstellt", und da ihm die»Patriotenliga" Terouledes mit ihren militärisch gegliederten und geübten Verbänden zur Verfügung stand, schien er eine ernste Gefahr für die Republik . Eine drohende Wolke: der Staatsstreich Boulangers, die Diktatur VoulangerS, verfinstert« den politischen Horizont. Aber als der Innenminister des Kabinetts T i r a r d, Constans , Lauheit und Laßheit abschüttelnd, den Spuk zu bannen unternahm, bannte er ihn wirklich: vor einem gegen ihn eingeleiteten Hochverratsverfahrcn nahm der, wie ihn em beliebter Gassenhauer feierte«
„tapfre Gen'ral Boulanger" eiligst und auf Nimmerwiedersehn Reißaus nach Belgien . Im Herbst 1889 gelangten bei den allgemeinen Wahlen trotz barnumhaster Reklame und verschwenderisch ausgestreuter Gelder, die nicht zuletzt auS den Kassen der legitimistischen, der Königspartei stammten, gerade 48 Boulangisten in die Kammer, und bald zeigten die Pariser Ge- mrinderatswahlen, daß der BoulangiSmus nichts mehr als ein Fieberanfall der. Nation gewesen war. Sicher gab es in der Geschichte der»Bonlange" Augenblicke, da der General nur die Hand auszustrecken brauchte, und die Macht fiel ihm zu. Aber jedeSmal, wenn er zu Pferde stsigen sollte, legte er sich, zur grenzenlosen Enttäuschung seiner Anhänger, zu Bett. Mangel an Selbstvertrauen, Willensschwäche, vielleicht auch dumpfe Erkenntnis von der Ideen« und Aussichtslosigkeit seines Programms hinderten ihn, den A b- sp'rung zum Staatsstreich zu wagen. Auch lähmte die verzehrende Leidenschaft zur Vicomtesse de Bonnemains feine Hand; ihr folgte er im April 1889 nach Brüssel und an ihrem Grabe erschoß er sich am 30. September 1891. Aber ebenso wie an seiner persönlichen Unzulänglichkeit scheiterten seine verschwommenen und abenteuerlichen Pläne an objektiven Ursachen. Die Verteidiger der Republik schließen sich zur Abwehr in der„L i g a d e r Mensch e n r e ch te" zusammen, und die Regierung, statt tatenlos zuzusehen, griff zur rechten Zeit zu; es fehlte nicht an hohen Beamten, die Sabotage zu treiben versuchten, doch wurden sie unbarmherzig abgesägt. Vor allem aber hatte der Franzose di« politische Erziehung eines vollen Jahrhunderts als Gegengift gegen die boulangistifchen Phrasen im Leibe. Mochte von Boulanger eine Hypnose ausgehen» wie von wenigen Persönlichkeiten der neueren Geschichte, einem Volk, das sich in drei großen Revolutionen sein Schicksal selbst geschmiedet hatte, war der Geschmack vor einem Diktator Nicht beizubringen. Darum blieb die„Boulange" im Anlauf stecken; statt eine glorreiche Epoche zu werden, wurde sie nur eine lärmende E p i j o d e.