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DonnerStag, 9. Jänner 1936

Sekte 5

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der Jndustriewerte

gen scheinen könnte, so würden die'Jndustriepa- piere bestimmt nicht diese starken Wertsteigerun­gen erzielt haben.,

laufet, an den Türen zu klingeln und fortzulaufcn. Bei einer guten Gelegenheit erwischte dieser Nachbar einen der Jungen und gab ihm- ein« Ohrfeig«. 'Daraufhin marschierte die Hitlerjugend auf, um die Ehre" ihre- Kameraden wieder herzustellen. Sie verlangte, daß der MannFrontkämpfer, Familien­vater von vier Kindern und Anfang der Fünfzig sich vor der ganzen Front entschuldigen sollte. AIS er daS nicht tat und obendrein nochwagte", flch in Tchimpfereien zu ergehen, wurde er von dem Hitler­jugendführer der Polizei gemeldet, welche daraufhin, gehorsam, den Mann verhaftete und für eine Woche einsperrt«. Der Mann verlor daraufhin seine Ar­beit wegenstaatsgefährlicher Gesinnung". War steht doch auf dem Dolch der Hitlerjugend :Blut und Ehre!" Im Ordinationszimmer eines Berliner Frauen­arztes sitzt mit der Mama ein braves 15jährige» Mädchen. Der untersuchende Arzt stellt.zu seiner Ueberraschung fest, daß das Mädchen schwanger ist. Auf die entsetzte Frage deS Arztes, wie denn da» gekommen und möglich sei, antwortet daS Mädchen weinend:Ich fein im Bund Deutscher Mädchen . Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädchen tagen zusammen und die Jungen- haben un- jeden Abend ausgelost."

ihrem Schicksal. Sechs Stunden mußte die Hausthrannin in der abgesperrten Wohnung sitzen und ihre schließliche Befreiung vollzog sich auf ziemlich blamable Art. Die sekkierten Mieter be­schlossen nämlich, nicht erst in die Wohnung zurück­zukehren, sondern gaben den Wohnungsschlüssel auf dem Gemeindeamt ab, mit der Bemerkung, daß die ausdringliche Hausfrau in der Wohnung eingesperrt sei, weil sie sich widerrechtlich geweigert habe, diese Wohnung zu verlaffen. Der Gemeindesekretär selbst befreit« sie dann aus dem sonderbaren Arrest. Die Hausbesitzerin erstattete die Sttafanzeige wegen Freiheitsbeschränkung, um sich für das ver­meintliche Unrecht Genugtuung zu verschaffen. In dieser Erwartung sah sie sich aber getäuscht. Denn im BcweiSverfahren zeigte sich, daß sie tatsächlich in der Wohnung ihrer Mieter nichts zu suchen hatte und also durch eigene Schuld sozusagen in die Falle gegangen war. Der Gerichtshof sprach die angeklagte Mieterin, die nur von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht hatte, frei. rb.

Aus der Schule kommend, trotten drei klein« Httlerjungen im Atter von acht bis elf Jahren die Straße hinunter. An einer Straßenkreuzung ttcnnen sie sich voneinander. Mit gewichtiger Miene macht sie der Aelteste, anscheinend«ineCharge", darauf aufmerksam, daß sie um drei Uhr wieder anzutreten hätten und haß nicht geschwänzt werden dürfe. Mit ebensolcher Miene geben dte beiden Jüngeren zur Anwort:Na allemal, wir sind doch atte Kämpfer!" In einer Gartenkolonie sitzt in ihrer Wohnung ein« ältere Frau. ES ist Abend. Plötzlich hört man den Gleichschritt Marschierender. Kommandorufe denn Sttllel Es klingelt. Di« alt« Frau öffnet. Hitlerjugend ist aufmarschiert mit der Front-um Haus, DerFührer", der kaum über den Garten­zaun sehen kann, will wissen, ob in dem Hau - ein älterer Mann wohnt, mit graumeliertem Haar. Auf di» verneinende Antwort schallt der weißhaarigen Frau ein vielstimmigesLügen Sie nicht!" ent­gegen. Boller Empörung jagt die Frau d«nFüh­rer" von der Gartentür fort. AIS an der Rachbar­pforte sich da-selb« wiederholen will, stürzt der Nach­bar ans der Tür und jagt die Jungen auseinander. Tine Stund« später erscheint die Polizei und führt den Mann ab., Was war überhaupt geschehen? Hitlerjugend hatte sich wochenlang denSpaß" cr-

nehme ich nicht einfach mein Messer uuid renne es ihnen in den Leib,, wenn sie mir nicht das ab» laffen wollen, was ich haben will? Was für eine unwürdige Art, so an den Zigarren zu ziehen und Verträge aufzusetzenl Sätzchen soll ich einschmug­geln und Andeutungen fallen laffen! Warum dann nicht gleich lieber: das Geld her. oder ich schieße? Wozu eine» Vertrag machen, wenn man mit Holzsplittenmterdiefingernägeltreiben daS gleiche erreicht? Immer dieses unwürdige Sichverschanzen hinter Richtern und Gerichtsvoll­ziehern! Das erniedrigt einen doch vor sich sel­ber. Freilich ist mit der einfachen, schlichten 1 ad natürlichen Straßenräuberei heute nichts mehr zu machen. Sie verhält sich zu der Kaufmanns- Praxis wie die Segelschiffahrt zur Dampfschiff­fahrt. Ja, aber die alten Zeiten waren mensch­licher!' Es verdiente noch viele-, hier erwähnt zu loer- den, wörtlich. Der Platz reicht nicht aus. Darum lest dieses Buch. Gerade die Masten, jene Namenlosen, für die Bert Brecht kämpft, für die>.r, wie wir, in der Emigratjpn leben, haben nicht nur die Pflicht, sie haben daS Recht, den.Dreigroschen- Roman" zu kennen. Sie wiffen dann auch mehr von sich selbst und ihrem Schicksal. Bon dem Kampf, den sie fuhren müffen und von seiner Notwendig­keit. G. L.

klne schwachsinnige Kronzeugin Abenteuer einer Fünfzehnjährigen Prag . Erft fünfzehn Jahre zählt di« Kronzeu­gin, die vor dem Strafsenat Beck auftrat. wn'aeaen den 37jährigen Chauffeur Wenzel KukaLka Zeu­genschaft abzulegcn. KukaLka war angeklagt der Beschränkung der'.ersönlichen Frei­heit. Die Tatumstände wiesen auf ein versuchte» Sittlichkeitsdelikt hin. In den Abendstunden de» 17, Juli fuhr KukaLka mit zwei Fahrgästen auf der Brandeiser Reichsstraße. Hinter Ä b e l l wurde der Wagen von der 15jährigen Agnes B. angehalten, welche eindringlich bat. sie nach Altbunzlau mitzu­nehmen. Tatsächlich wurde sie in den Wagen aus­genommen. In der OrtSschast Vinor machten di« Passagiere in einem Gasthaus Station, während der Chauffeur und das Mädchen im Wagen blieben. Nach einer Weile wurden aus dem Auto Hilferufe ver­nehmbar. Die Leute liefen zusammen,"die Polizei erschien auf der Bildfläche und nahm den Chauffeur KukaLka in Haft. Denn Agnes B. beschuldigte ihn unter Tränenströmen und Schreikrämpfen, er habe ein unsittliches Attentat versucht, wobei er ihr die Unterwäsche zerriffen habe. Der Chauffeur verwahrte sich entrüstet gegen diese Beschuldigung und behaup­tete im Gegenteil, die Fünfzehnjährige habe ihn zu erotischen Intimitäten verführen wollen und habe, als er sich nicht willig zeigte, selbst ihre Wäsche-er« riffen, um ihn falschem Verdacht auSzusetzen. Als die Untersuchung eing«l«itet wurde, zeigt« sich, daß diese Fünfzehnjährige keine ganz einwand­freie Zeugin war. Abgesehen davon, daß sie einmal bereits in der Korrektionsanstalt interniert war, ist sie zweimal ihrem Etterichaus entlaufen und eben an jenem Tage befand sie sich wieder einmal auf einem solchenAusflug". Mit gutem Grund ordnet« daher der Untersuchungsrichter die psychiatrische Un­tersuchung der Kronzeugin an, um deren Glaubwür­digkeit durch ärztliche Begutachtung festzustellen. Das Gutachten lautete dahin, daß Agnes B. geistig schwer zurückgeblieben sei und an abnormalen Gefühlsaus« Hütchen leide. DaS Gutachten war durch zahlreiche drastisch« protokollarische Feststellungen belegt. Da aber bei der hier in Frage stehenden Ange­legenheit der Sachverhalt durch zwei einwandfrei« und unbeteiligte Zeugen bestättgt wurde, nützte di« ärztlich festgestellte Unglaubwürdigkeit der Zeugin dem Angeklagten nichts. Er wurde zu vier Mo­naten Kerker verurteilt. und zwar unbe­dingt. denn KukaLka ist, wie behördlich festgestellt wurde, schon einmal«egen«ine» Sittlichkeitsper­brechens bestraft worden.

schaltet, weil er verbraucht ist nicht er, sondern die Umwelt hat mit seinen Kräften nicht hauSgehalten dieser Anblick ist an die Nieren greifend, gewiß, aber der Mann gewährt ihn nicht der Oeffentlichkcit. Man kann doch nicht Füh­rungen durch die Armenviertel veranstalten wie über die Schlachffelderl Es fehlt ja auch nicht an Mitleid. Die Leute find ja überzeugt, daß da Wunden find, wo sie hingeschlagen haben. Sollten keine Ruinierten Weggehen, wo fie Ge­schäfte gemacht haben? Wenn sie für ihre Fami­lien sorgten, sollten da nicht Familien unter die Brückenbögen gerate» sein?" Und noch einmal Mackie Messer, da er glücklich dem Gefängnis enttonnen ist, zvm soundsovielten Mal, und im Begriff, ein großer angesehener reicher Mann zu werden. Hört seine Reminiszenz über die modernen Geschäftsmethoden, getaucht in bluttgen Hohn und Ironie: Sie warten nur darauf. Verttäge machen zu können. Dabei ekelt mich, den einstigen Stra« tzenräuber, dieses Gefeilsche an! Da sitze ich denn und schlage mich um Prozente herum. Warum

Betrug da- Kurskapital am 30. Dezember 1984 4418,4 Millionen KL, so erreichte eS ein Jahr später die Höhe von 5858,5 Millionen KL. Da 1935 Aktten im Kurswerte von 135,6 Millionen neu eingeführt wurden, ergibt sich insgesamt eine Steigerung deS Kurswertes am 1,8 Milliarden KL. Rechnet man die Kurswertsteigerung vom Jahre 1934 hinzu, so ergibt sich eine Erhöhung von weit über zwei Milliarden KL in zwei Jah­ren. Es ist also an der Börse sehr gut verdient worden. Stünde es um die industriellen Unterneh­mungen wirklich so schlecht, wie es nach den Kla-

DleFreiheitsbeschränkung einer Haustyrannin Prag . Nach dem Tatbestand desVerbrechens der öffentlichen Gewalttättgkeit, begangen durch Beschränkung der persönlichen Freiheit", werden zuweilen recht kuriose An­klagen verhandelt. Sonderbar war auch dieser vor dem Strafsenat Beck verhandelte Prozeß. In einem Häuschen der Prager Umgebung wohnte neben der Familie der Hauseigentümerin, einer gewissen Frau B e z n o h a, als Mieter noch die Familie Kiehky, mit der sich die Hausfrau nicht vertrug. Schließlich gab die Hausbesitzerin ihrer Mietpartei zum 1. Ottober die Kündigung. Resolut und temperamenwoll, wie dies« Frau war, konnte sie das Ausziehen ihrer unsympathischen Mieter nicht erwarten. Zwei Tage vor dem Uebersiedlungs- termin kam sie in die Wohnung der Familie Kkehkh, um sich zu überzeugen, ob der Umzug entsprechend betrieben würde. ES war am Vormittag und Frau Kkehkh rüstete sich gerade zum Einkäufen und er- klärte der Hausfrau, keine Zeit für sie zu haben. »MbrigenS.haben Sie in meiner Wohnung nicht» zu suchen!", schloß sie ganz treffend. Das wollt« die Hausfrau aber nicht zur Kennt­nis nehmen.Die Wohnung ist mein!" erklärte fie energisch.Ich werde hier bleiben, so lang« es mir gefällt." Das war allerdings, vom juristischen Stand­punkt aus, eine irrige Meinung. Die Mieterin, Frau Kkehktz, löste die Situation aber auf ebenso einfache, al» für die Hausftau unangenehme Art! Sie ging nämlich ihres Weges, sperrte die Wohnung von außen ab und überließ die diktatorische Hausfrau

loHM Ä LIM Goldene Zelten für Spekulanten 1,3 Milliarden KS Kurswert zuwachs der Industrieaktien Die Jndustriekapitalisten haben tin vergan­genen Jahre nicht aufgehürt, über die unge­schwächte Notlage ihrer Unternehmungen zu kla­gen. Immer wieder behaupteten sie in ihren Kundgebungen, daß die Industrie mit so schweren steuern und Sozialabgaben belastet sei, daß«ine ertragreiche Fortführung der Betriebe unmöglich gemacht werde. Im völligen Widerspruch zu die­sen Klagen steht die Entwicklung dös Kurswertes der Jndustrieaktien, die an der Prager Börse zu­gelassen sind. Es ergab sich schon im Jahre 1934 eine beträchtliche Erhöhung des Kurswertes, der für alle an der Börse gehandelten Jndustrie- aktien über 710 Millionen KL ausmachte. Im Jahre 1935 hat sich diese Entwicklung in stürmerischerem Tempo fortgesetzt. Die Kurse beinahe aller Jndustriepapiere haben Steigerun­gen aufzuweisen, die bei einzelnen ganz außer­ordentlich beträchtlich sind. Aus der nachfolgenden Tabelle, in der die an^>er Prager Börse gehan­delten Jndüstrieaktten in Gruppen zusammenge­faßt sind, und der Kurswert vom 30. Dezember j.933 dem deS. gleichen Vorjahrtgges gegenüber-, gestellt ist, ist die Erhöhung klar ersichtlich. ES betrug der Kurswert: Jndustrieaktien Kurswert am Zunahme

Motto: Ach, jeder Mensch wär lieber gut alS roh. Doch die Berhältniffe, sie sind nicht so. Genau vor einem Jahr erschien Bert Brechts Dreigroschen-Roman ". Wer redet noch davon? Niemand. Dies spricht nicht gegen das Buch, nicht gegen den Dichter, der das Schicksal so vieler begabter Schriftsteller unserer Zeit teilt. Denn diese Zeit unruhig, unbeständig, aufge ­wühlt, sensattonslüstern und jeden Tag von neuem erschüttert durch furchtbarste, wahnwitzigste Gesqeh- niffe sie geht über die Ereignisse hinweg, bat morgen vergessen, waS gestern geschah und lebt nut dem Heute. Mancher ist wert, vergessen zu werden. Nicht verdient er Bert Brecht . Nicht sein Dreigroschen- Roman. Denn er sagt Wahrheiten in diesem Buch deren anklagender Sinn bestehen bleibt, solange eS den Kapitalismus gibt, mtt all seinen Schrecknissen und Auswüchsen, mit seinem Gefolge von Not, Lüge, Elend und Verbrechen. Die Dreigroschen-Oper, bei deren Premiere auch die Berliner Bourgeoisie, sich wohl getroffen fühlend, dennoch jauchzend in den Beifall einftimmte, war im Grunde nur von lumpenproletarischer Ideologie erfüllt. Milieu, Musik und Text, dazu «ine glanzvolle Aufführung machten sie zum Ereig ­nis der Weltstadt. Im Dreigroschen-Roman ist daS lumpenproletarische Element dem proletari ­schen gewichen. Ist alle» bewußter und geklärter. Der in.der Emigration gereiste Dichter hat mit den Waffen des Zweifel», der Ironie und der sozia ­len Erkenntnis wohl die unerbittlichste Sattre auf da» kapitalistische System geschaffen, die eS bisher gab. Jauchzt man nicht förmlich auf vor Freude, wenn man die Belehrung liest, die Mackie Messer, hier genannt Macheath, seinem alten Einbrecher- Gefährten Grooch erteilt?' Grooch", sagte Macheath,Sie sind ein alter Einbrecher. Uhr Beruf ist Einbrechen. Ich denke nicht daran, zu sagen, daß es seinem inne ­ren Wesen nach veraltet wäre. DaS wäre zu weit gegangen. Nur der Form nach, Grooch, ist er ' zurückgeblieben. Sie sind Keiner Handwerker, damit ist alle- gesagt. DaS ist ein untergehender Stand. daS werden Sie mir nicht bestreiten. WaS ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in ein« Bank gegen die Gründung einer Bank? WaS, mein lieber Grooch, ist die Ermor ­dung eines ManneS gegen die Anstellung eines ManneS? Sehen Sie, noch vor«in paar Jahren haben wir eine ganze Straße gestohlen, sie be ­stand aus Holzwürfeln, wir haben sie ausgesto ­chen, aufgeladen und weggeführt. Wir meinten wunder, waS wir geleistet hatten. In Wirklich ­keit hatten wir un» unnötige Arbeit gemacht und un» in Befahr begeben. Kurz darauf hörte ich, daß man sich nur al» Stadtrat etwa» um die Auftragsverteilung kümmern muß. Dann be ­kommt man eine solche Straße in Auftrag und hat mit dem Verdienst dabei für eine zeitlang ausgesorgt, ohne etwas riskiert zu haben. Ein anderes Mal verkauft« ich«in Haus, da» mir nicht gehörte; e» stand gerade leer. Ich brachte ein Schild:Zu verkaufen, Erkundigungen bei AX." Da» war ich. Kinkerlitzchen! Wirkliche Unmoral, nämlich unnötige Bevorzugung ungesetzlicher Wege und Mittel! Man braucht doch nur mit irgend ­welchem Geld eine Serie baufälliger Einfami ­lienhäuser aufzurichten, fie auf Abzahlung zu verkaufen und zu warten, bi» den Käufern da» Geld ausgeht l Dann hat man die Häuser doch auch, und daS kann man mehrere Male machen. Und ohne, daß«» die Polizei etwa» angeht!" Oder der erschütternde, das Grauen weckende Monolog von Herrn Peechum, demBettler- Unternehmer": Ich lese in den Zeitungen, daß in letzter Zeit zu viel gebettelt werde. Dabei sieht man nur alle paar Kilometer einen Bettetttden und immer denselben. Wenn man nach der Zahl der Bettler ginge, könnte man glauben, eS gäbe»ein Elend. Ich hab« mich oft gefragt: wo sind eigentlich die Elenden? Die Antwort lautet: überall. Sie verbergen flch hinter ihrer Massen ­haftigkeit. ES gibt außerdem ganze Riesenstädte, die nur von ihnen bewohnt werden, aber sie ver ­stecken flch gleichsam in ihnen. Sie lassen sich nicht blicken, wo«S hübsch ist. Sie meiden di« angenehmen Straßen. Meisten» arbeiten sie. Da» verbirgt sie am besten. Daß sie nichts kaufen können, wa» ihren Hunger stillt, bemerkt man nicht, weil st« nicht in den Läden erscheine», um nicht» zu kaufen. E» sind ganze Völker, die in den Hinterhäusern dahinsiechen. Die"zeitgemäße Form ihrer Vernichtung ist eine fast unmerkliche (abgesehen davon, daß e» eine anonym« ist!)., Sie werden vernichtet, aber die Vernichtung dauert Jahre. Verfälschte Lebensmittel und da ­von noch zu wenig, verpestete Wohnungen, Be ­schneidung aller LebenSftmktionen, da» alles braucht lange, bis eS den Mann unten hat. Der Mensch ist unglaublich haltbar. Er sttrbt nur ganz langsam ab, stückweise. Dies« eigentümliche Art unterzugehen, macht eS schwierig, den so massenhaften, unermeßliche» Untergang wahrzu ­nehmen: Ich habe oft darüber nachgedacht, wie man diese» Elend, daS wahre Elend, zu irgend ­einer Wirkung bringen könnte. Aber e» ist un ­möglich. Wie soll man den an sich gewiß erschüt ­ternden Blick einer Mutter verwenden, mit dem sie, ihr krankes Kind im Arm, das Wasser die Wand hinablaufen sieht? Auch der Anblick eine ­vierzigjährigen ManneS, dem eS zu Bewußtsein kommt, daß er aus dem Konkurrenzkampf aus- bringen werde!

Mül die Verhältnisse, sie sind nicht so» Zu Bert BrechtsDrelgrosdien-Roman

Wieso kommt Ihr denn zu a e c h b t als heilige drei* nige? Wissen Sie nicht, daß jeder König auch einen Diktator vor sich hat

Jugend im Dritten Reich Aus Berlin wird uns geschrieben: Sie haben's geschafft", sagte dieser Tage ein auswärtiger begeisterter ahnungsloser Hitler- anhänger. Er wollt« damit die Vollkommenheii aller Dinge im Dritten Reich andeuten. Bor allen Dingen die heuttge Jugend, die habe dochZug in den Knochen". Sie haben's geschafft", sagt« eine Mutter, und meinte damit«inen anderen Grad von Vollkommen­heit der heutigen Jugend, als jener bewunderung»- fteudige Herr. Und sie erzählte folgendes : In einem Berliner Vorort tritt in einer Straße Hitlerjugend an. Der.Führer", etwa zwölf bis dreizehn Jahre, der Jüngste der Gefolgschaft ein kleiner Knirps, etwa sechs Jahr« alt. Nachdem unter viel Geschrei derFührers" die Gefolgschaft sich ausgerichtet und abgezählt chatte, kam der Be­fehl:In Gruppen schwenkt, marsch!" Bei der Schwenkung war eS dem Kleinsten nicht möglich, rechtzeitig nachzukommen. Mit energischen Fuß­tritten in das kleine Gesäß belehrte sie derFüh­rer", daß er es denschlappen Kerlen" nach bei-

Transport

30.12.1984 30.12.1985

86,2

238,7

in Millionen KL 824,9

Zucker

495,1

588,8

98,2

Elekttizität

80,5

96,8

16,8

Chemische Industrie 978,9

1.184,0

160,1

Brauereien

88,9

100,3

18,4

Bauindustrie

389,8

482,1

92,8

Maschinen

257,5

841,9

84,4

Textil

156,0

145,9-

- 10,1

Kohle

846,4

604,5

257,1

Eisen

1.858,6

1.988,1

«84,5

Verschiedene

87,0

96,7

9,7