Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Freitag, 17. Jänner 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 14

Hitlers Krankheit: Kehlkopfkrebs ! Herrn Vranýs

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Auf der Suche nach einem Chirurgen Verhandlungen mit einem bekannten Berliner Institut Hitler spricht von seinem Nachfolger

In Ergänzung unserer Mitteilung vom 16. Jänner 1936( Gerüchte über eine Krebs­erkrankung Hitlers ) erfahren wir ans absolut zuverlässiger, reichsdeutsch- medizinischer Quelle, daß es sich nicht um tendenziöse Mitteilungen irgendwelcher Kreise handelt, die es vielleicht gern sähen, daß der Führer des Dritten Reiches diese Krankheit hätte, sondern, daß Hitler tatsächlich an einer Krebserkrankung des Kehlkop fes leidet.

Wir geben nachfolgend einige die Leserschaft sicher interessierende Einzelheiten über die Entwicklung des Leidens beim Reichskanzler Hitler . Als Professor Eide im vorigen Jahre den sogenannten Polyp des Kehlkopfes entfernt hatte, wurde dieser Polyp sofort auf seine histologische( zellenmäßige) Beschaffenheit untersucht und festgestellt, daß es sich um ein Früh­karzinom( Frühkrebs) handle. Da diese Erkrankung äußerst gefährlich und dafür bekannt ist, daß sie immer Rez i dive( Nenbildungen) und auch Metastasen( krebsar­tige Schwestergeschwülste) in anderen Organen bildet, hegte man natürlich die größten Be­fürchtungen um Hitler .

Nicht nur, daß sich im Spätjahr 1935 eine Nenbildung zeigte, bemühte man sich eben im Herbst 1935 bei einem sehr bekannten deutschen Forschungs­institut um dessen Heilungsmethode für die Krebserkrankung. Das erwähnte Institut hat in den letzten Jahren große Erfolge sowohl in der Diagnose des Frühkrebses als auch dessen Behandlung gezeitigt. Da aber in diesem Institut ein jüdischer Gelehrter eine nicht unwesentliche Rolle spielt, wollte man nur das Verfahren haben, Hitler selbst aber nicht in die Behandlung der leitenden Aerzte des Instituts geben. Herr Dr. Magnus( der Leibarzt Hitlers ) und Professor E i de mußten aber die Vergeblichkeit ihres Versuches, die Methoden des Verfahrens ausgeliefert zu erhalten, einsehen, zumal da sich das Institut bereit erklärt · hatte, den betreffenden Patienten( dessen Namen wohlweislich nicht genannt worden war) in der eigenen Klinik zu behandeln. Das Justitut selbst mußte sogar, da Dr. Magnus drohte, das Institut zur Auslieferung des Verfahrens zwingen zu können, den Schuh höchster Stellen in Anspruch nehmen.

Das oben genannte Verfahren darf nämlich nur im eigenen Institut angewandt werden, da nicht deutsche Geldgeber ihm die Mittel zur Verfügung stellen. Ans diesem Grunde sind auch die üblichen Zwangsmethoden des Dritten Reiches gescheitert.

Im Verlauf des Winters verschlimmerte sich nun das Leiden des Führers derart, daß man sich sogar an den Wiener Laryngologen Neumann wandte, der aber nicht, wie gemeldet wurde, von Hitler abgelehnt wurde, sondern der selbst ablehnt c, weil er einerseits die Verantwortung nicht tragen und andererseits bei negativem Ausgang der Er­krankung dem Weltjndentum" den Vorwurf ersparen wollte, daß er in dessen Auftrag etwa den Führer des Dritten Reiches bewußt fahrlässig behandelt habe.

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Grazianis Sieg

über den Ras Desta

Und wieder ein Spital bombardiert!

Erzählungen

Wie oft hat uns der Benkov" schon Beleh­rungen darüber erteilt, daß in der Koalition Zu­sammenarbeit und Verständigung notwendig sei. Der Venkov" selbst befolgt diesen Ratschlag in der Weise, daß er täglich aufs Neue spaltenlange Angriffe auf den Sozialismus und die sozialisti­ schen Parteien veröffentlicht. Täglich aufs Neue, aber keineswegs neue Angriffe, vielmehr ver­staubte Ladenhüter aus den antimarristischen So Antiquitätensammlungen. erzählt Herr Braný, daß der Sozialismus den Weltkrieg ver­loren habe, als hätte der Sozialismus den Krieg geführt, so fügt er hinzu, daß die Sozialisten nunmehr auch den zweiten Krieg, den Kampf ge­gen die Wirtschaftskrise, verloren haben, als hät­ten wir uns nicht schon bis zum Ueberdruß mit das die unheilbare Strise des kapitalistischen dem Taschenspielerkunststück auseinandergesetzt, das die unheilbare Krise des kapitalistischen Systems in ein Versagen des Sozialismus um zudeuten versucht.

Die verschiedensten Meldungen und Demen­tis über die Erkrankung Hitlers werden einander wohl in nächster Zeit jagen. Interessanter als die Dementis ist die auffällige Tatsache, daß Sitler sich gerade in den allerletzten Tagen in Detmold wieder mit der Frage seiner Nachfolgerschaft be­faßt hat. Es geschah dies zum zweiten Male in faßt hat. Es geschah dies zum zweiten Male in nerhalb kürzester Zeit; das erstemal sprach er da­von bei jener Sundgebung in der Deutschland von bei jener Kundgebung in der Deutschland­halle, bei welcher alle ausländischen Korrespon­denten ausgeschlossen waren( wahrscheinlich, weil ihnen sonst die jetzige Art der Lautbildung Hitlers gegenüber früher aufgefallen wäre), das zweite mal jetzt in Detmold , wo er bekannt gab, daß das System nicht an eine Person gebunden und daß für die Nachfolgerschaft gesorgt sei. Es hat nicht viel Sinn, sich mit diesen ab­Es ist immerhin befremdend, daß ein Mann gestandenen Schlagern zu beschäftigen, kommen in den besten Jahren Hitler wird im April wir zum Konkreten, soweit davon in den Aus­47 Jahre alt sich in solchen Erwägungen er­geht; es fällt um so mehr auf, als Hitler früher Auch hier nichts Neues, vielmehr die Wieder­gebt; es fällt um so mehr auf, als Hitler früher lassungen des Herrn Vraný die Rede sein kann. gern betonte, daß er gesund sei und an seine Un- Auch verwundbarkeit glaube( man erinnere sich seiner holung des alten Liedes, das Herr Vraný jetzt Rede gegen Hindenburg , dem er triumphierend mit Herrn Nahánek abwechselnd anstimmt: die entgegenbielt, daß er, Hitler, warten könne, weil Sozialisten haben im Kampfe gegen die Arbeits­losigkeit versagt. Ist es schon schön, daß der So= er jung und ganz gesund sei). Hmfomehr glaubten wir, unseren Lesern zialismus für die Arbeitslosigkeit verantwortlich die Information, die uns aus bester Quelle gemacht wird, weil seit 1929 Sozialdemokraten das Fürsorgeministerium berwalten, als hätte automme ,, nicht vorenthalten zu dürfen. dieses Amt unbeschränkte Macht und als ginge das Problem der Arbeitslosigkeit die Gesamt­regierung nichts an, so ist die Ausführung dieses Gedankenganges noch schöner. in

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Die Seilungsaussichten bei einem rezidiven Kehlkopffrebs sind, wenn nicht wie es scheint ohne Erfolg bemüht hat besondere Verfahren um die man sich bisher Anwendung kommen, auch bei operativem Ein­griff nicht günstig, so daß die Sorgen der Machthaber des Dritten Reichs um die Nachfolge begreiflich sind. Ist doch die Massenpsychose, die in Hitler den Retter" sah, so sehr auch sie schon nachgelassen hat, heute das letzte Mittel der Dik­tatur, die Unzufriedenen zu vertrösten. Gegen einen Göring oder es würde die Oppos sition ganz andere Angriffsmöglichkeiten besitzen.

Schuschnigg in Prag

Wirtschaftliche Zusammenarbeit bei politischer Unabhängigkeit?

Der italienische Heeresbericht Nr. 98 mel- Prag. Der österreichische Bundeskanzler det einen großen Sieg Grazianis bei Dolo und Dr. Kurt von Schuschnigg ist Donnerstag nach eine angebliche Vorrückung in 70 Kilometer mittags um 17 Uhr in Begleitung feines Pri­Tiefe, was sich höchstens auf motorisierte Vor- vatsefretärs Dr. Fröhlichstal und des Direktors huten beziehen kann. Die Truppen des Ras Testa der Amtlichen Nachrichtenstelle Hofrat Weber mit Damptu gehen angeblich in Unordnung zurück. dem Balkan - Schnellzug in Prag eingetroffen. Am Der Erfolg Grazianis wird nicht anzuzweifeln Wilsonbahnhof erwarteten den Kanzler: In Ver­sein. Ueber den Umfang des Sieges werden die tretung des Vorsitzenden der Regierung Dr. Italiener wie bisher immer wohl elogene Milan Hodža der Sektionschef des Ministerrats­Nachrichten ausgegeben haben. Auch hier im- präsidiums Dr. Bartoš, als Vertreter des Außen­den wird die strategische Krife des Feldzuges erst ministers Gesandter Dr. Krofta mit Lega­eintreten, sobald die Angriffsarmee etwa 150 Ri­lometer von ihrer Basis entfernt sein wird.

Im Norden scheint es den Italienern weiter schlecht zu gehen. Ma talle ist hart be­drängt und Ak um soll nach englischen Mel­dungen vor dem Fall stehen.

tionsrat Dr. Tomes und von einigen Beamten der österreichischen Gesandtschaft. Im Salon des Wilsonbahnhofes wurde der Bundeskanzler von den ihn erwartenden Persönlichkeiten begrüßt. Nach einem kurzen Gespräch mit ihnen fuhr das Hotel.

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Präferenzen, die der Friedensvertrag in einem Zeitraum von fünf Jahren nach Abschluß der Ver­träge gestattete, fonnte leider kein Gebrauch( es macht werden. Die empfehlenswerte Lösung sei die regionale bei schrittweiser Durchführung.

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Der Sozialismus so lesen wir im Ben fob" rühmte sich, daß nur er allein imstande sei, alle sozialen Fragen zu lösen. Der Sozialis mus lehnte systematisch und hart nicht nur das Eingreifen anderer Interessengruppen und Parteien ab, sondern sogar ihre Ratschläge, wie die Arbeitslosigkeit bekämpft werden soll."

Was waren das für Ratschläge, die wir von anderer Seite gehört haben und noch hören? Kürzung der Unterstüßungen und Ausscheidung zahlreicher Gruppen aus der Statistik der Ar beitslosen. Gegen solche Pläne, welche nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen be fämpfen, haben wir uns mit Recht gewehrt. Herr Vraný soll doch einen positiven Vorschlag auf­zählen, der von bürgerlicher Seite beigebracht und dessen Verwirklichung von den Sozialisten. verhindert wurde! Sperren die Sozialisten die Betriebe und wehren sich gegen die Stillegungs­verordnung? Sabotieren Sozialisten die Verkür zung der Arbeitszeit und die Organisierung des Arbeitsmarktes? Bremsen wir die Investitions­tätigkeit des Staates und der Selbstverwaltung? Hemmen wir die Baubewegung? Stemmen wir uns Maßnahmen zur Exportförderung entgegen? Oder ist nicht alles, was auf diesen Gebieten überhaupt geschehen ist, gerade von den Soziali­sten angeregt, immer wieder gefordert und wegen des bürgerlichen Widerstandes leider nur teilweise auch durchgesetzt worden?

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Die Schlußfolgerungen aus all diesen Tatsachen müssen in der Erkenntnis münden, daß ein Ausbau enger wirtschaftlicher Zusammenarbeit zumal auch zwischen den benachbarten Donaustaaten eine Vor­aussetzung der Gesundung sei und daß dieses Ziel am ehesten etappenweise erreicht wird auf dem Weg der wirtschaftlichen Annäherung und Verständigung dieser Staaten bei vollkommener Außer achtlassung der politischen Seite. Die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der gegenseitigen Das alles ist so bekannt, daß es uns gar Gewährung von Präferenzen batch nicht einfiele, wiederum darauf hinzuweisen, erwiesen. Ein Aufeinanderabstimmen der industriel- wenn es dem Venkov" nicht beliebte, die Tat­len Produktion mit der Zeit kann bei Intensivierung sachen ins Gegenteil zu verkehren und in einem der zwischenstaatlichen Handelsverflechtung unter Rückfall in die schlimmsten polemischen Gewohn­Nachbarn nicht möglich sein. Das lineare Meistbe- heiten den Genossen Dr. Czech persönlich zu vers günstigungsregime aber müßte, konsequent durchge unglimpfen, indem er schreibt: führt, zu einer unübersteigbaren Barriere, und zwar früher oder später für alle unsere Staaten, wer= den. Für alle unsere Staaten ist es, sagte Dr. Schuschnigg. von besonderer Bedeutung, daß er Auffassung entgegengewirkt werde, die Industrie­und Handelsinteressen lägen in einer anderen 3rne man immer wieder nach einer Sonderlösung als jene der Landwirtschaft. Schließlich wäre s für Mitteleuropa gesucht habe. ein erstrebenswertes Ziel, die wirtschaftlichen Ver­Ausführlich beschäftigte sich Dr. Schuschnigg bindungen zu erleichtern und reibungslos zu gestal dann mit den Wirtschaftsbeziehungen zwischen. ten, wenn der Gedanke einer fortschreiten­Desterreich und der Tschechoslowakei , wobei er die den Vereinheitlichung des Rechtes, Gegen die Kurzsichtigkeit, die weder das par­Schwierigkeiten einer engeren Zusammenarbeit und zwar keineswegs etwa nur des engeren Wirt- teiische Almosengeben der SVH sieht, noch die betonte und die Entwicklungstendenzen des letzten schaftsrechtes, sondern auch weiterer Teile des eine Fülle der positiven Leistungen des Fürsorge­Jahrzehnts an der Hand der Statistit erörterte. Regelung durch internationale Abmachung durchaus| ministeriums unter Czech , Meißner und Nečas, Die Situation nach dem Kriege habe der bertragende Obligationen- und Vermögensrechtes müffen wir den Mann wahrlich nicht in Schuß wirtschaftlichen Bedürfnissen der mitteleuropäisch zur Erörterung gestellt würde. nehmen, der die produktive Arbeitslosenfürsorge Länder nicht entsprochen. Von den vorgesehenen geschaffen, die erloschene Baubewegung neu be­

Einen Sieg", den sie nicht melden, haben die Italiener neuerlich gegen ein Spital In dem Vortrag, den er im Rahmen des In erzielt, in dem sie durch Fliegerbomben 14 Me ndustriellenklubs hielt, sprach der Bundeskanzler fchen töteten und 35 verwundeten. Und zuerst über die kulturellen Beziehungen zwischen der Völkerbund legt noch immer Wert darauf, Desterreich und der Tschechoslowakei . Er wandte daß Italien ihm angehört! Statt daß man die sich dann dem wirtschaftlichen Gebiet zu und sprach notorischen Rech : sbrüche endlich mit einer inter - sich gegen die Autartie Bestrebun nationalen Verf e mung des barbarigen einzelner Länder aus. Innerhalb der euro­schen Land& beantwortet, fürchtet man päischen Wirtschaft fomme Mitteleuropa eine be­nur, Italien fönne feinerseits austreten. Für ver- sendere Bedeutung zu und es sei verständlich, wenn wandte Regimes ist das die denkbar größte Er­munterung.

Rom . Ein soeben veröffentlichtes königliches Defret bewilligt einen weiteren Betrag von 640 Millionen Lire für dieses Finanzjahr an einige Ministerien für außerordentliche Bedürf­

niffe in Ostafrita".

Brest.( Havas.) Die zweite Eskadre der fran­ zösischen Striegsmarine hat die Fahrt zur west­afrikanischen Küste angetreten.

( Schluß auf Seite 2),

,, Wer im Grenzgebiete lebt, hat voll erkannt, wie der langjährige Minister für soziale Fürsorge Dr. Czech dieses parteiische Almosengeben pflegte. Seine Aera bedeutet für den Sozialismus eine unheilvolle Periode in der Behandlung der Ar­beitslosigkeit, weil den Ursachen der Krankheit nicht nachgegangen wurde, solange Beit war, die eigentliche Krankheit nicht geheilt, son­dern nur ein eitriges Symptom unterdrückt wurde, der Lohnverlust.