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Mittwoch, 22. Jänner 1936
Nr. 18
Eine Mutter von drei Kindern
polizeilich- klinisch ermordet Die Erfolge der Sterilisation im Dritten Reich
V
eine verheiratete Frau und Mutsächlich aber in der vergangenen Woche, mehrere ter von drei Kindern. Sie litt an verwegene Räuberſtüdchen, insbesondere Banks Epilepsie( Fallsucht), war aber sonst ein brauch überfälle usw., durchgeführt hatten. barer und nüßlicher Mensch. Sie und ihr Mann Verlängerung der Semesterferien der Semesterferien an den weigerten sich, die Operation vornehmen zu lassen. Schulen. Das Ministerium für Schulwesen und Da wurde die Frau eines Tages, während der Voltsaufklärung verlängert mit Erlaß vom 20. Mann auf der Arbeitsstelle war, von der Poli- Jänner 1936, Nr. 3797/36, gang ausnahmsweise zei geholt und in die Klinik gebracht! Der Ehe- die Semesterferien im heurigen Schuljahr an allen gatte sah seine Frau und die Kinder sahen ihre Mittel-, Fach- und Volksschulen um den Dienstag, Mutter nur als Leiche wieder. den 4. Feber 1936.( Amtlich.)
Zur Verhütung erbkranken Nachwuchses"[ Bei einem natürlichen Tod hätte wohl kaum jelautete die Begründung, mit der die nationale Re- mand an der Beerdigung dieses armen Menschengierung des Dritten Reiches ( lies Herr Göring ) findes teilgenommen. So aber sah man zur größihr Gesetz der Sterilisation fundgab. Ein Geses, ten Ueberraschung eine ungewöhnlich große welches verhindern soll, daß an unheilbaren ver- Beteiligung an dem Reichenbe erbbaren Strankheiten leidende junge Menschen gängnis. Zahlreiche Strangspenden schmückKinder zeugen, die dann auch an diesen Gebrechen ten das Grab der„ Erbkranken". Das Bezeich- rung leiden. Immer wieder verkündeten die Prophe- nende aber war, daß man in der Gemeinde nur ten dieses Sterilisationsgesetzes, daß die dazu er ein Wort über diese Operation hörte: M or d. forderlichen Eingriffe absolut gefahrlos für die Gesundheit oder das Leben derjenigen seien, die sich der Sterilisation anteriverfen müssen. Wir schreiben müssen, denn es besteht ein unbedingter Zwang zur Operation. Wenn im Dritten Reich der Amtsarzt einen Menschen für erbkrank erklärt hat, ist er unwiderruflich einer Operation unterworfen.
Diese Operation ist bei Frauen viel schwieriger und der Eingriff ein viel gröBerer als beim Manne. Weigert sich ein Erbkranfer, so a wingt ihn die Polizeigewalt zur Operation, indem sie den„ Erbkran len" einfach in seiner Wohnung abholt und ihn der zuständigen Klinik überbringt. Dort wird dann der für das Leben absolut ungefährliche Eingriff" ausgeführt. Wie ungefährlich dieser Eingriff" ist, sollen nun folgende zwei Fälle zeigen, die uns zu Ohren gekommen sind und für deren Richtigkeit unser Gewährsmann einsteht. Jeglichem menschlichen Empfinden hohnsprechend sind die Mittel, mit denen man diese beiden Menschenkinder zur Operation zwang. Nicht nur tragisch, sondern wahrlich ungeheuerlich aber sind die Wirkungen und der„ Erfolg" dieser beiden„ Ope= rationen" gewesen.
Beide Operationen an zwei Frauen wurden in Heidelberg vorgenommen. Beide Opera= tionen endeten mit dem Tode.
Und dies grausame Spiel war das Ergeb nis der beiden ersten Sterilisationen, welche unter einer Bevölkerungszahl von 9000 Seelen vorgenommen wurde. Wie hoch mögen sich die Opfer im ganzen Reich belaufen. Im ersten Falle handelte es sich um eine 29jährige ledige Person aus dem Bezirk S ch to ezingen 2and. Sie stammt aus einer armen, bettelarmen Familie und ernährte sich auch vom Bettel. Dazu war sie derart häßlich und schmußig, daß sich wohl nie ein Mann an ihr vergriffen hätte. Sie war auch mit 29 Jahren noch unberührt. Die Bevölkerung hielt fie, wie man so sagt, für beschränkt, vom medizinischen Standpunkte handelte es sich um Debilität. Sie tat niemand etwas zuleide und man gab ihr zum Leben, was sie gerade benötigte. Eines Tages erscheint bei ihrer Mutter die Polizei und zwingt sie, mit ihrer Tochter nach der Klinik in Heidelberg zu gehen, wo sie sterilisiert werde. Ein Weigern gab es nicht mehr.
Nach sechs Tagen bekam die Mutter ihre als Tochter a Is Leiche zurü d. Es hätten sich leider nach der Operation Komplikationen ergeben.
Halo Vom Rundfunk Empfehlenswertes aus den Programmen Donnerstag:
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Ungeheuer war die Erregung der Bevölke Ein schieches Weibsstück. Inserat in der Wo-. und auch hier gab es nur ein Wort zu hören: chenschrift ,, Daheim": ,, Deutsche Frau, artrein und Mord, nichts anderes als ge meiner Mord. blutsauber, bon perlen dem WeibsWer auf der großen weiten Welt schützt wei- tum, geschlechterschlossen und Viel schlimmer und unerhörter ist jedoch der tere unglückliche Menschen vor dem gleichen Schick- fippenberwurzelt, sucht Weggenossen zweite Fall, der sich auch im Bezirk Schwetzin- sal? Wann endlich wird man dem Dritten Reich zu wirken an deutscher Zukunft." Viel Glück auf gen- Land ereignete, handelte es sich doch hier um wieder Zivilisation beibringen? den Weg darf man dem Zukünftigen dieser blutsauberen Sippenwurzel kaum wünschen.
MA
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Jagesneuigkeiten
„ Erledigt"
Die italienische Regierung hat sich endlich bereit gefunden, der schwedischen ihr Bedauern über den Mordüberfall auf das schwedische Lazarett auszusprechen. Nicht ohne die Lüge, es sei ein unbeabsichtigtes Bombardement" gewesen.
Das Bedauern ruft die Toten nicht wieder zum Leben, das Bedauern heilt die schwere Wunde nicht, die das internationale Rechtsbewußtsein erlitten hat, macht nicht wieder gut, was gesündigt wurde, als man in die ohnehin dünnen Wände des Völkerrechts eine Bresche schoß, durch die künftig noch schlimmere Barbarei wird eindringen können.
Darum mutet es grotest genug an, wenn die Meldung der Agenzia Stefani sagt:
Die schwedische Ambulanz wurde ohne Abficht getroffen, da sie zwischen den Zelten der feindlichen Kämpfer untergebracht war. Die fönig, lich italienische Regierung spricht ihr Bedauern
über dieses Ereignis aus.
In berufenen politisch en Streifen wird dieser 3 wischenfa II als erledigt angesehen.
Brag, Sender 2: 10.05: Deutsche Bresse, 13.40: Chöre und Volkslieder, 16.45: Deutsche Sendung: Jugendstunde, soziale Familienpolitit, 18.45: Deutsche Presse, 19.30: Mužits Salonquartett, 22: Rundfunkorchesterkonzert, 22.15: Prager Salon orchefter. Sender: 7.30: Unterhaltungsmusif, 14.50: Deutsche Sendung: Dallinger: Was wird aus unseren Heimarbeitern? 14.50: Deutsche Presse, 19.10: Klavierkonzert. Brünn 11: HanoušekDie berufenen Kreise sehen ihn als Quartett, 13.30: Deutscher Arbeitsmarkt, 17.40: erledigt an. Sie beweisen damit aber nur, daß Deutsche Arbeitersendung: Dr. Kreisler: Krankhei- sie zur Wahrung von Recht und Gesetz jo beten des Proletarierkindes.- Mährisch- Ostrau 18.10: rufen sind wie der Bock zum Gärtner und Deutsche Sendung: Herrman: aus der Vergangenheit mancher Speisen,- Operettenszenen. burg 19.50: Flötenkonzert.
„ Die große Sache"
Bres
Mein Leben ist keine große Sache; es enthält teine Kriege," sagte einmal der göttliche Benito über sich selbst. Diese Erkenntnis muß ihm, dem ehrgeizigen Bonaparte- Nacheiferer, viel stilles Leid verursacht haben, und also ging er eines schönen Tages daran, sein Leben zu einer großen Sache" umzugestalten. Und es wird ihm vielleicht nur eine Ehre dünken, wenn man ihm dereinst das gleiche Epigramm zueignen wird, mit dem man feinerzeit den großen" Storsen zu charakterisie
ren bersuchte:
„ Für seines Schicksals großes Los War ihm kein fremdes Los zu teuer: Er war zwar ungeheuer groß, Doch auch ein großes Ungeheuer!"
immerhin glaubwürdig, daß dem Entschluß zur Einstellung des Blattes eine feierliche Redaktionsibung vorangegangen sein soll, in der die TeilTini!" den erhabenen Kanius anstimmten: nehmer nach einem dreimaligen„ Evviva Musso
„ Laßt uns den Verstand versaufen! Wozu brauchen wir Verstand?"
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letzt wurde, wenn einer Lappalie wegen die Kanonen drohend gegen den Feind gerichtet, wenn wegen einer verletzten Eitelkeit friedliche Bande zerschnitten werden. Aber gerade dann finden die berufenen Kreise gewöhnlich, daß es noch lange nicht erledigt sei, sondern daß Blut fließen müsse. Ist aber Blut geflossen, das nach Genugtuung verlangt, ist schwerstes Unrecht geschehen, dann geht man zur Tagesordnung über und ein Bedauern der Mörder erledigt alles. Empfindet die Menschheit nicht den Widerspruch zwischen der privaten Moral, die jede Mordtat vor einem Forum behandelt und gerügt sehen will, und einer Staatsmoral, die einen Mord nur einen Zwischenfall" nennt und kein Gericht kennt, das Untaten wie das Bombardement eines Spitals wirklich untersuchen, wirklich bestrafen und damit auch für den Verbrecher zu einem Risiko machen würde?!
Unter fünf Päpsten. Dienstag starb im Alter von 91 Jahren Rinaldo Hacchini, der Kutscher der Stadt des Vatikans, der fünf Päpsten diente.
Die Kältewelle, die in den letzten Tagen mit Schneewehen und Schneestürmen die Vereinigten Staaten heimgesucht hat, forderte bisher 170 Todesopfer.
Ein Damm durch den Neusiedlersee . Der Neu siedlersee , der zu den seichtesten der Welt überhaupt gehört, trocknet in regenarmen Sommern nahezu aus. Wiederholt ist nun zwischen der österreichischen und ungarischen Regierung darüber verhandelt worden, einen Teil des Sees auszutrocknen und dafür dem übrigbleibenden Teil durch entsprechende Wasserbauten eine größere Tiefe zu verleihen. Da die Verhandlungen zu feinem Ziele führten, beschloß die burgenländische Landesregierung, einen Plan durchzuführen, der nur den österreichischen Teil des Sees berührt. Vom Ort Neusiedel soll ein etwa 28 Nilometer langer Damm nach dem Südwestufer schräg durch den See gelegt werden, dessen Spiegel durch die Abdämmung um etwa einen Meter gehoben würde; auf dem Damm soll eine Straße verlaufen, die den Ort Neusiedel und das nahegelegene Strandbad von Wien aus auf verkürztem Weg erreicht. Durch Schleusen soll genügend Wasser in den ungarischen Teil des Sees abgegeben werden, um sein gänzliches Austrocknen zu verhindern.
Füllfederkrieg in China . Das heutige China zeigt außerordentlich starke Gegenfäße. Die moderne Bivilisation dringt immer weiter vor, aber gleichzeitig werden die alten Traditionen, namentlich auch bon den intellektuellen Streisen, mit besonderem Beispiel, gegen das Schminken und Pudern, wird ein Eifer gehütet. Gegen manche Neuerungen, wie zum durchaus erfolgreicher Stampf geführt. Jetzt haben sich die Schulbehörden auch sehr energisch gegen den Gebrauch von Füllfebern gewandt. In dem Zirkus lar, das ihren Gebrauch in der Schule verbietet und sogar den Verkauf an Jugendliche untersagt, wird ausgeführt, daß die alte chinesische Schrift das getreue Bild des chinesischen Geistes ist. Dieses Bild fann nur mit Pinsel und Tusche erreicht werden, die Federn verunstalten es. Besonders die Füllfeder, die ein schnelles Schreiben erlaubt, führt dazu, daß die ehrwürdigen Zeichen in einer respektlosen Weise hingeworfen werden und das muß auf die Dauer, nach der Meinung der Erzieher Chinas , die Moral der
Schüler untergraben.
Wetteraussichten für
Auto- Unglück in Brünn . An der Kreuzung lich mit Echauern, Winddrehung gegen Nordwesten Wahrscheinliches Wetter Mittwoch. Veränder der Böhmischen Gasse und der Jost- Gasse in und etwas fühler; in den böhmischen Ländern zeitBrünn stießen ein Personenauto und der Wagen weise windig. Im Osten des Staates Temperatur eines Kohlenhändlers zusammen. Durch den Zu- zunächst wenig verändert.fammenstoß wurde bei dem Personenauto eine Donnerstag: Wechselnd bewölkt, auf den Glasscheibe zertrümmert, durch deren Splitter der Bergen noch Schneeschauer. Auch im Starpathengebiet im Auto jizzende Sekretär des Zentralverbandes der tschst. Industriellen in Prag , Dr. Jaroslaus Subálet, am rechten Auge verletzt wurde. Kubálek wurde in das Landeskrankenhaus gebracht, wo ihm das verletzte Auge behandelt wurde.
Dr.
Gouverneur Hoffmann erflärte in Trenton , er Um die Identität des Lindbergh- Babys. habe Hauptmann den Strafaufschub nur deshalb gewährt, weil er eine Aufklärung des ganzen Falles erhoffe. Die zahlreichen einander wider sprechenden Aussagen von Prozeßzeugen hätten ihn veranlaßt, die Staatspolizei zu ersuchen, ihre Anstrengungen zur Ermittlung der angeblichen Mitschuldigen zu erneuern. Der vom Gouverneur Hoffmann mit einer eingehenden Untersuchung des ganzen Falles beauftragte Washingtoner Kriminalspezialist Robert Stide werde den Beweis zu erbringen versuchen, daß die in der Nähe des Lindbergh'schen Landsizes gefundene in des= sind gewesen Ieiche nicht das Lindbergh= gerade in dieser Richtung mehrere Beweisstücke sein könne. Er bereite vor, darunter ein vergrößertes Lichtbild der Kindesleiche. Diese Aufnahme zeige eine Mißbildung an einem der Füße des seinerzeit am Fundorte photographierten Kindes, eine Mißbildung, die bas Lindbergh- Kind nicht gehabt hätte.
kühler.
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Eine ganz große Sache im Rahmen der„ greBen Sache" des Duce waren zwei Spenden anläßlich der Ende des Vorjahres veranstalteten Gold- und Metallsammlung: die Kapuziner der reichen Loretobasilika stellten sich mit 400 Stilogramm Eisenabfällen ein, einer Gabe, die den ganz ansehnlichen Wert von fast 40( vierzig') tschechoslowakischen Kronen repräsentiert. Ein zweiter, nicht minder hochherziger Spender war treicher erhielt von der Stadt Nürnberg Gemeinnuk geht vor Eigennut. Gauleiter Duce Benito selbst, der es sich nicht nehmen ließ, für seine Verdienste" das Cramer- Clett- Palais, zu der Metallsammlung 2262 Kilogramm beizuWenn es um die Durchführung einer„ gro- fteuern in Form einer Stollettion eigener ein Barockpalais, das früher der bekannten bayeriBen Sache" geht, muß es selbstverständlich auf- Büsten. Diese Büsten hatten bislang zur Aus- fchen Adelsfamilie gehörte, zur Verfügung gestellt. hören, daß man sich nebstbei mit Sächelchen befaßt, schmückung seines Sommerjizes in Rocca della Malaria bei der Armee Graziani. Die stardie Verwirrung anrichten fönnten in den Köpfen Caminate gedient, und welches persönliche Opfer fer Regenfälle der letzten Tage haben zu jener, denen die„ Größe" der Sache und der Zeit mit dieser Spende verbunden war, vermag nur einer ungeheuren Vermehrung der Mostitos an Japans Ministerpräsident lehrt seinen Enkel nech nicht voll zum Bewußtsein gekommen ist. derjenige zu ermessen, der Phantasie genug be- der Südfront geführt. Die Mostitos übertragen Rechnung tragend dieser Notwendigkeit, hat die fist, um sich vorstellen zu können, wie unfagbar in einem bisher nicht gekannten Umfang die Der japanische Ministerpräsident Okada ist, wie viele bon Ugo Djetti geleitete Seu Itu rzeitschrift fchön und erhebend es sein muß, einen Sommer- Malaria. " Pan" ihr Erscheinen eingestellt. Mit der Mo- urlaub zu verbringen, umringt von Legionen tivierung, daß Herz und Geist der Italiener jeßt eigener Büsten und Porträts! auf heftigere Gedanken und Leidenschaften einge=„ Giovinezza, giovinezza, primavera di bestellt" jind. Es ist zwar nicht erwiesen, doch lezza..." Ernst M.
schreiben
fernöstliche Staatsmänner, wegen seines großen In der Bar verhaftet. Die Pariser Polizei Familienfinnes berühmt. Hier bringt er einem feiner verhaftete in der Nacht auf Dienstag in einer jüngsten Enfelkinder mit einem großen Pinsel das Pariser Bar das Oberhaupt der Pariser Gang- Schreiben der schwierigen japanischen Schrifts ster Botchace, welche in der letzten Zeit, haupt- I zeichen bei.