Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077., HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Freitag, 24. Jänner 1936

Abg. Tučný Postminister Der Ministerpräsident

Franke Schulminister

Dr. Krčmář scheldet aus

Prag  . Durch vier Handschreiben des Prä­fidenten der Republik   wurden Donnerstag nach­mittags die angekündigten Aenderungen in der Regierung, die sogenannte ,, kleine Kabinetts­

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Postminister Tučný

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( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 20

Dr. Hodža spricht zu den Vertretern der Presse

über die aktuellen politischen Fragen

Prag.( Eigenbericht.) Ministerpräsident Dr. Hodža empfing am Mittwoch die Vertre­ter der großen Blätter, um sie über verschiedene aktuelle Fragen zu informieren. Der Mini­sterpräsident hielt vor den Journalisten in freier Rede ein etwa eineinhalbstündiges Exposé, worauf an ihn von einigen Teilnehmern an der Konferenz Fragen gestellt wurden, die er auch beantwortete. Der Ministerpräsident äußerte sich in seiner Rede über eine Reihe von bedeutsamen Problemen der Wirtschafts-, der inneren und der auswärtigen Politik. Unterstützung

der Industriewirtschaft Zunächst befaßte sich Ministerpräsident Dr. Hodža mit aktuellen wirtschaftlichen Fragen, welche die detaillierte Durchführung des Regie­rungsprogramms beinhalten. Hodža sagte, daß in der Regierung Verständnis dafür vorhanden sei, daß man die Entwicklung der Industrie fördern müsse und daß insbesondere die

Belebung des Exportes

Für 3'2 Milliarden

Investitionen

Begrüßenswert war, was der Ministerprä­fident über die öffentlichen Investitionen sagte und insbesondere der Nachdruck, den er darauf legte, daß

der Aufnahme der Arbeiten keine behördlichen Schwierigkeiten bereitet werden dürfen. Wie man es nicht machen dürfe, legte er am Beispiel der Untertunnelierung der Straße bei Chuchle( in der Nähe von Prag   dar, welches Projekt die Aemter bereits seit acht Jahren be­schäftige. Man wird fünftighin die persön liche Verantwortung jener feststellen müssen, die an der Verzögerung derartiger Pro­jette Schuld tragen.

Der Ministerpräsident führte dann an, daß Investitionen vorgesehen seien:

die Konzentration der Propaganda in einem eigenen Amt Sorge tragen.

Simt Gorge tragen. terma alde brich

Schließlich sieht die Regierung als wich­tige Aufgaben die Förderung der Moto risierung und den Ausbau des lugwesens bor, auf welchem Gebiete die Tschechoslowakische Republik in letzter Zeit zus rückgeblieben ist.

Die nächsten Aufgaben des Parlaments

Der Ministerpräsident wandte sich dann der Besprechung innerpolitischer Fragen zu. Er teilte mit, daß dem Parlament gegenwärtig 21 Vorlagen unterbreitet worden sind davon 13 dem Abgeordnetenhaus und 8 dem Senat. 33 über die Baubewegung, wichtige Vorlagen find insgesamt. Darunter jene den Mietera

hus, die Wohnungsfürsorge für die ärmeren Boltsschichten, die Sa nierung der Bruderladen, das landwirtschaftliche Institut, den landwirtschaft­lichen Ausgleich, die Rekultivierung der vom Bergbau verwüsteten Gebiete, die Ber fürzung der Arbeitszeit und die Arbeitsvermittlung( die Geneh migung der beiden letzigenannten erhoffe die 1. Fortfchung begonnener Arbeiten, für die Regierung, wie der Ministerpräsident ausdrück­eine Summe von 1.2 Milliarden bereitgestellt sei. lich sagte, bald). Vorlagen über die Unterstützung 2. Neue Arbeiten im Gesamtbetrag von der Krantenhäuser, den Regreß, das 2 Milliarden. Davon solche Arbeiten, die Ende Dienstverhältnis der Redakteure und die Errich­Feber begonnen werden können und die einen tung eines slowakischen Landesschulrates, über Betrag von 630 Millionen erfordern, solche den Fremdenverkehr, die Unifikation der Eisen­die im Mai 1936 fertigprojektiert sein müssen, bahngefeßgebung, die No bellierung des im Gesamtbetrage von 760 Millionen und Kartellgesetzes und das neue bürgerliche endlich Arbeiten, an die man ungefähr im Juli Gesetzbuch, wobei allerdings die Ehegesetzgebung werde herantreten können im Betrage von 614 ausgeschlossen bleibt. Millionen. Autonomie Karpathorußlands

der Regierung am Herzen liege. Wenn die In­dustrie Unterstützung durch die Regierung ver­lange, dann muß andererseits die Regierung ver­langen, daß diese Industrie auch gegenüber der refonstruktion" durchgeführt. Der bisherige Gesamtheit ihre Pflicht tue, daß die Indus Minister Prof. Dr. Krčmář, der im Feber striellen wirklich Unternehmer 1934 nach dem Abgang der Nationaldemokraten sind und etwas unternehmen. Dies aus der Regierung Malypetr als Beamter das fönne um so mehr verlangt werden, als die Schulreffort übernommen hatte, fcheidet aus der finanziellen Voraussetzungen zur Belebung der an Regierung aus. Als zweiter nationalsozialistischer Unternehmertätigteit gegeben sind. Durch die Hers Minister tritt der Gewerkschaftsführer Tueny absetzung des Zinsfußes sind die Kosten für neu in das Kabinett ein und übernimmt das Post- Kapitalaufnahme herabgesetzt worden, der Kapi­reffort, während der bisherige Poſtminister Dr. talmarkt ist dazu fähig der Industrie die nötigen Frante, ebenfalls Nationalsozialist, das Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Minister Schulministerium übernimmt. präsident bekennt gerne, daß es in Zukunft feine Gefebe mit rüdwirtender Der neue Postminister Tučný steht im 55. Geltung mehr geben dürfe, denn sonst fönn Lebensjahre. Er ist der Sohn eines Webers, arbeiten die industriellen Betriebe teine Pläne machen. tete als Typograph, später als Korrektor und Direts Auch die Errichtung des Rechtsbeirates tor in mährischen Buchdruckereien und kam 1908 nach sei ein Entgegenkommen an die Wirtschaft. der Prag  , wo er in der nationalsozialistischen Bewegung Zweck des Rechtsbeirates ist es, Einheitlich­attiv tätig war. Im Jahre 1912 wurde er in die feit in die administrative Praxis Zentrale der nationalsozialistischen Gewerkschaften au bringen. Beim Finanzministerium wird eine Der Ministerrat hat ein Subtomitee berufen. Er ist seit dem Umstura Mitglied der Kommission errichtet werden, an welche eingesetzt, welches die oberste Instanz für alle In­Rationalversammlung und war in den Jahren 1921 Besch verden gegen die finanzver bestitionsarbeiten sein solle, außerdem besteht eine bis 1926 je einmal Arbeiten-, Post- und Gesund- waltung zu richten sein werden. Diese Be- nvestitionstommission im Mini­heitsminister. Von 1926 bis heute arbeitete er wie schwerden werden vorläufig nur von Korporatio- sterratspräsidium, damit nicht durch Kom­der in seinem früheren Wirkungsfreis, im Zentral- nen, wie Handelskammern und Landeskultur- petenztonflikt der Gang der In sekretariat der tschechoslowakischen Arbeitergemeinde. räten, erhoben werden können, und man hofft, vestitionen aufgehalten werde. dadurch zu einer allmählichen Reform der Zu den Aufgaben der Regierung gehört Finanzverwaltung zu kommen. Der ferner die ebung des Fremdenvers Steuerträger soll von Reit zu Zeit eine Abrechters, der auch( durch Ausbau ve Straßen) nung der Steuerverwaltung erhalten, damit er zum Teil im Rahmen des Investitionsprogramm wiffe, woran er sei. erfolgen soll. Weiters wird die Regierung für

Der tote Königst nach London   überführt

Die sterblichen leberreste Georg V.   wurden Donnerstag von Schloß Sandringham   nach London   überführt, wo die Aufbahrung in der Westminster all erfolgte. Vom Bahn­hof bis zum Westminster Hall standen 7000 Poli­zisten Spalier. Den Sarg begleitete eine militä­rische Ehreneskorte. Vor dem Eingang zum West­minster Hall ertvarteten Vertreter des Parla­ments den Trauerzug.

Insgesamt find also Investitionsarbeiten für den Betrag von 3.2 Milliarden vorgesehen.

2

Wahlkabinett Sarraut  ?

Noch keine Lösung der Kabinettskrise

rung

Eine innerpolitische Aufgabe für die Regies ist auch die Frage der Autonomie ar pathorußlands, welche in den Friedensverträgen vorgesehen ist. Es ist nicht Schuld der Regierung, daß es zur Durchführung der Autonomie bisher noch nicht gekommen ist. In diesem Lande waren zur Zeit, da es der Tsche­choslowakischen Republik zufiel, 80 Prozent An­alphabeten, in den Dörfern sogar 90 Prozent, das Volk war nicht gewohnt, sich politisch zu be= tätigen, es besaß teine nationale Intelligenz. Nunmehr ist aber die Regelung der Verhältnisse in Karpathorußland eine politische Aktu alität geworden. Der erste Schritt zur Durch führung der Autonomie wird die Errichtung eines Amtes des Gouverner 3 von Karpathorußland sein, das mit Referenten betreffend jene Ressorts ausgestattet wird, die Gegenstand der im Friedensvertrag borgesehenen Autonomie Karpathorußlands sind.

schwebende Frage akut gemacht, ob die Regierung terſtüßung der Sozialisten findet, ist wenig wahr- Rekonstruktion

scheinlich. Entscheidend wird die Haltung seiner eigenen Partei sein.

Die Plenarsitung der radikal- sozialistischen Fraktion betraute Daladier mit der Aufgabe, Sarraut bekanntzugeben, daß die Partei bereit ist, die Regierung zu unterstützen, die in ihrem

Der Rücktritt Lavals hat die seit langem hatte. Daß er unter diesen Bedingungen die Un­Nach der Aufbahrung des Sarges in der von einem Kabinett der Volksfront, mindestens Westminsterhall wurde bemerkt, daß von der auf einem Kabinett der Radikalen mit Unterstützung dem Sargdeckel niedergelegten Krone, das Mal- der Sozialisten übernommen werden soll, oder ob theser- Kreuz verschwunden war. Es wurde fest- wieder ein Kabinett sozusagen von der linken gestellt, daß dieses mit einem herrlichen indischen Rechten bis zur rechten Linken gebildet wird, wie Edelstein geschmückte Kreuz auf dem Weg vom es die Regierung Laval war. Es zeigt sich, daß Bahnhof in die Westminsterball abgebrochen und die Radikalen nicht einig sind und der auf die Straße gefallen war. Ein längst vorauszusehenden Situation ohne Pro­Offizier hob es auf, tonnte aber allerdings die gramm gegenüberstehen. Ordnung im Zuge nicht stören und überreichte es erst in der Westminsterabtei. Das Kreuz wurde nun wieder an der Krone befestigt. Irland   will nicht schwören!

Programme

1. die Verteidigung des Franken gegen die Spekulation,

2. die Verteidigung der öf fentlichen Freiheit en gegen Auf­rührer und

Präsident Lebrun hat zahlreiche Persön­lichkeiten empfangen und die Kabinettsbildung so­wohl Herriot   als auch Del bo s, dem Frat­tionsführer der Radikalen angetragen. Beide haben abgelehnt. Dagegen hat sich Alberi 3. die Festigung der Außen. London.( Reuter.) Informationen aus arraut mit Vorbehalten bereit erklärt, einlitik im Rahmen und nach den Prinzipien des Völkerbundes aufweisen wird. Dublin   zufolge wurde in der Hauptstadt des Kabinett zu bilden. Freistaates Jrland bisher König Eduard VIII  . Sarraut galt immer für einen rechtsstehen- Selbstverständlich wird jede Regierung nur nicht als König proklamiert, da die verfassungs- den Radikalen. Er hat als Innenminister feiner- ein Wahlkabinett sein und der Linken liegt mäßigen Faktoren des Freistaates der Ansicht zeit sehr scharfe Maßnahmen gegen die Links- im Augenblick nur daran, daß die Wahlen nicht zuneigen, daß es nicht notwendig sei, den Eid radikalen unternommen und sich auch als Kolo- von einem ausgesprochenen Gegner der Volks­zu erneuern, den Generalgouverneur Buckley bei, nialgouverneur auf der Linken nicht gerade be- front durchgeführt werden. Antritt seines Amtes geleistet hat. Sein Eid, so wird an den genannten Stellen erflärt, gilt nicht nur für König Georg, sondern auch für den Kron­prinzen und dessen Nachfolger.

liebt gemacht. Es ist also von ihm kaum eine

Präsident Lebrun wünscht eine rasche Been­ernste Linksschwenkung zu erwarten. Er hat auch digung der Kabinettskrise, die sich bereits in einer bereits erklärt, daß er seine Mitarbeit in den starken Gold flucht bei der Bank von Frank­gleichen Kreifen fuchen will, wo Laval die feinen reich auswirkt.

der Regierung

Weiters beschäftigte sich der Ministerpräsi dent mit der Umgestaltung der Regie­rung, welche er als eine Ergänzung der Regie­rung bezeichnete. Diese sei vor allem durch das Ausscheiden des Außenministers notwendig ges worden und es muß nun den tschechischen Natio nalsozialisten ein zweites Ressort gegeben werden. Der Ministerpräsident bot der ge nannten Parteidrei Refforts aur Auswahl an, und zwar das Außen-, sozialisten entschieden sich für das Schulmini­sterium, das mit dem bisherigen Postminister Frante besetzt werden wird, während zum Posts minister der Abgeordnete Tučný ausersehen ist. Da s Ministerium des Aeußern wird mit einem Beamten beset wer den, wobei der Ministerpräsident bemerkte, er hätte es lieber gesehen, wenn auch an die Spitze dieses Ministeriums ein Politiker getreten wäre. Eine zweite Angelegenheit ist die Refon­firuktion der Regierung, mit der, sich der Mini­