Seite 2 Mittwoch, 29. Jänner 1936 Nr. 24 tionale und bürgerliche Bewußtsein cm. B e i uns erwachten— vor allem dank dem Verdienst der hussitischen Revolution i— die breiten Schichten des kleinen Handwerks in den Städten und das bäuerliche Volk auf dem Lande zu aktivem Leben, während gleichzeitig im benachbarten Deutschland die breiten Volksmassen noch im Schlafe des„nicht aktiven", von einer dünnen feudalen Schicht beherrschten Elements liegen. Auf das Kommando dieser Schicht zog sich das Volk, ohne wirklich bürgerliche und nationale Seele» gegen die tschechischen Ketzer. Es konnte nicht anders ausfallen als es ausfiel. Die von einem revolutionären Gedanken erfaßte Nation hatte eine ungeheure Uebcrmacht, die sich mit Notwendigkeit auch auf dem Schlachtfelde zeigen mußte. Später wiederholte sich dasselbe in der großen französischen Revolution. Gegen die fortgeschritteneren fran zösischen Bürger genügten die„Untertanen" der Obrigkeiten und Monarchen ganz Europas nicht. ZiIka und Napoleon konnten militärische Genies an der SpitzOvon nationalen und sozial fortgeschritteneren Heeren werden. Nicht einmal die Katastrophe am Weißen Berge konnte diesen tschechischen nationalen Borsprung beseitigen. Im Gegenteil, die Geschichte der letzten Jahrhunderte zeigt die wirkliche Kraft der Demokratie. Durch die Konfiskationen nach dem„Weißen Berg" war das Volk an den Bettelstab gebracht. Dadurch, daß die tschechischen Großgrundbesitzer in die Hände von Fremden kamen, wurde uns die Grundlage genommen, auf welcher in der neuesten Zeit die Industrie entstand. In dieser Beziehung waren wir unaussprechlich gehandicapt. Das Großgrundbesitz-Kapital wurde zur Basis einer nichttschechischen wirtschaftlichen Entfaltung im Lande. Und doch triumphierte in Böhmen zum Schluß das tschechische Element— durch die Kraft seines größeren demokratischen Geistes. Das war seine Waffe und sein Mittel. Es wäre notwendig, das tschechische Voll hierin mit dem polnischen, ungarischen oder auch russischen vor dem Kriege zu vergleichen. Alle diese Völker hatten ihren„patriotischen" Adel, welcher für das Voll dachte. Aus seinem großen Vermögen gründete er verschiedene kulturell« Institutionen. Aber trotz all dieser Millionen, welche er für die nationale Kultur gab, blieben das polnische, ungarische und russische Voll weit hinter dem tschechischen zurück, soweit es um Bildung und politisches Bewußtsein ging. Bis zum Weltkrieg waren die Volksschichten dieser Nationen gegenüber unserer Landbevölkerung geradezu Schläfer, die oft nicht einmal wußten, wie sie wirklich heißen. Man muß also nicht einmal an irgend eine besondere Begabung unseres. Volles denken, die «S bewirkte, daß wir ein'harter Dämm in der mächtigen deutschen Flut sind., Das Geheimnis liegt darin, daß wir in der Gesamtentwicklung der europäischen Menschheit immer bemüht waren, ein Stück vorun seren Nachbarn vorauszusein- Darin liegt ein gewisses Gesetz unserer Geschichte und das sollte ein Gesetz unserer Politik in der Zukunft sein. Die Entlpicklung der Menschheit und Euro pas bleibt im 20. Jahrhundert nicht stehen. In Europa entstehen neue Ideale, man strebt eine weitere Vervollkommnung, eine weitere Demokratisierung der Gesellschaft an. Es ist nicht möglich, daß das tschechoslowakische Voll von dieser Bewegung unberührt bleibt. Es darf nicht und wird sich sicher nicht auf den sturen Standpunkt stellen: Ich habe meinen Staat und was außerhalb seiner Grenzen liegt, interessiert mich nicht. Die Basis unserer politischen Philosophie muß eine andere sein: Unsere Selbständigkeit wurde uns von einer weiteren Etappe der Demokratisierung in Europa gebracht, welche jene Gebilde liquidierte, die dieser Entwicklung nn Wege standen. Unsere Zukunft ist davon abhängig, ob wir die Interessen unserer und der fortchreitenden Entwicklung zu vereinigen verstehen werden. Bis-^ her haben wir eS verstanden. DaS half uns, im Kampfe mit dem mächtigen Nachbarn zu bestehen. Eine vorteilhqfte militärische Grenze ist eine gute Sache. Der beste Wall aber ist— als Voll sozial vollkommener und entwickelter zu sein als die Nachbarn. Das ist das Vermächtnis und die Weisung unserer Geschichte. MllltBrliefferiingen und Nationszugehörigkeit Das Einschreiten des Abg. Gen. Taub Auf Grund der Zeitungsmeldungen über die Bedingungen, die bei der Vergebung von Militärlieferungen gestellt werden, ist Abgeordneter Taub im Ministerium für nationale Verteidigung eingeschritten, wo ihm seitens des Ministeriums folgende Informationen gegeben wurde: Das Ministerium für nationale Verteidigung muß bedingungslos daran festhaüen, daß militärische Lieferungen ausschließlich an solche Unternehmer vergeben werden können, deren positives Verhältnis zum Staate gewährleistet ist und deren Arbeitnehmer loyale Staatsbürger sind. Irgendwelche nationalistische Tendenzen sind dem Ministerium für nationale Verteidigung dabei vollkommen fremd. Dem Ministerium für nationale Verteidigung ist bekannt» wie schwer durch die Wirtschaftskrise insbesondere di« Randgebiete unseres Staates betroffen sind, und es ist deshalb bemüht» bei staatlichen, insbesondere militärischen Lieferungen diese Gebiete entsprechend z« berücksichtigen. Das Ministerium für nationale Verteidigung vertritt aber die Auffassung, daß die nationale Zusammensetzung der Beamten und Arbeiter in allen Unternehmungen, denen Militärlieferungen vergeben werden, dem natio- nalen Verhältnis in dem bet reffenden Gebiete entsprechen soll. Das Ministerium für nationale Verteidigung verlangt keineswegs, daß zur Herbeiführung dieses Verhältnisses augenblicklich irgendwelche Entlassungen vorgenommen werden. Es gewährt zur Herbeiführung des vorangeführten Verhältnisses in nationaler Beziehung einen Zeitraum von zwei Jahren, eine Frist, die aber in allen Fällen auchbulänfl'ert werden kann-^Daiö Ministerium für nationale Verteidigung verlangt nur, daß bei Aufnahme neuer Kräfte in national gemischtsprachigen Gebieten ein Augenmerk auf entsprechend befähigte Bewerber tschechoslowaki- scher Ration genommen werde. Das Ministerium für nationale Verteidigung muß eine Regelung ganz besonders dort anstreben, wo offenkundig uNd provokativ die Leitung des Unternehmens sich weigert, berechtigten Forderungen nach Aufnahme von Beamten tschechoslowakischer Nationalität zu entsprechen. Das Ministerium für nationale Verteidigung vertritt die Auffassung, daß die Armee eine Armee der gesamten Bevölkerung ohne Unterschied der Nation sein mutz, in der nationalistische An in e r k u n g der Redaktion': Der Geschichtsbetrachtung Dr. Slaviks wären vom sozialistischen Standpunkte Manche Einwände entgegenzuhalten. Die Wegleugnung des schützenden Einflusses des böhmischen Grenzwalles ist z. B. keineswegs überzeugend, nachdem die Tschechen in dieser Periode den stärkeren Nachbarn keinen besonderen"kulturellen oder sozialen Vorsprung entgegenzusetzen hatten. Faszinierend ist dagegen der Grundgedanke des Aufsatzes, daß das tschechische Volk. seine militärischen und politischen Erfolge in der Geschichte durch die demokratische Aktivierung des kleinen Mannes errungen hat. Er enthält gleichzeitig die prägnanteste Erklärung der Mißerfolge aller deutschbürgerlichen nationalistischen Bewegungen und ein Todesurteil gegen die Totalitätspolitik Hillers und Henleins. Momente keine wie immer geartete Rolle spielen dürfen. M Es ist zu begrüßen, daß das Ministerium für nationale Verteidigung in der Information, die dem intervenierenden Genossen Taub zuteil wurde, wenigstens zugibt, daß bei militärischen Lieferungen die durch die Krise besonders hart hergenommenen Randgebiete unseres Staates berücksichtigt werden müssen, und daß in der Armee nationalistische Momente keine wie immer geartete Rolle spielen dürfen. Wertvoll ist auch die Zusicherung, die dem Genossen Taub gegeben wurde, daß derzeit irgendwelche Entlassungen deutscher Arbeiter oder Angestellter nicht werden vorgenommen werden. Trotzdem ist d i e A n t- wort des Mini st eri um s nicht völligbefriedigend, weil man nicht weiß, wie dieser Erlaß in Zukunft gehandhabt werden, wird. Es müßte Grundsatz des Ministeriums für nationale Verteidigung werden, in allen Arbeiter- und Angestelltenfragen das* Einvernehmen m i t d e n O r g a n i s a t i o n e n derAr- beiterundAnge st eilten zu suchen, wie es in allen demokratischen Staaten üblich ist und wie es von anderen Ressorts auch bei uns gehandhabt wird. DaS Ministerium für nationale Verteidigung ist die.Institution des demokratischen Staates und muß alles, was es unternimmt, im demokratischen Einvernehmen mit den betroffenen Schichten der Bevölkerung tun. Hoffentlich wird dieser Gesichtspuntt bei künftigen Erlässen des Ministeriums Berücksichtigung finden. Mehr Vermittlungen durch die öffentlichen Arbeitsämter Das Bemühen, durch vermehrte Jnvesti- tions- und Notstandsarbeiten Beschäftigung für die Arbeitslosen"zu wersürgen, getgtnfich"irrbent fetzt vorliegenden Bericht der öffentlichen Arbeitsvermittlungsanstalten. Im Gebiet der Reichenberger Landeszentrale, welcher 47 solcher Anstalten unterstehen, wurden im Jahre 1938 zusammen 527.470 Arbeits- und Dienststellen gemeldet und es konnten 493.603 Vermittlungen erzielt werden. Gegenüber den beiden vorangegangenen Jahren bedeutet dies eine Steigerung um 26.471, bzw. um 55.557, nach den Beobachtungen der Anstallen hauptsächlich infolge der öffentlichen Arbeiten.. Welche Arbeitsleistung die Aemter zu vollbringen hatten, geht daraus hervor, daß im Laufe des Jahres nicht weniger als 1,768.883 Anmeldungen von Bewerbern und Bewerberinnen um Beschäftigung erfolgten, die in Evidenz geführt und kontrolliert werden mußten, wobei berücksichtigt werden mutz, daß. die Zahl der Meldungen ein Vielfaches der Arbeitslosenzahl beträgt. Ule StraBensubventionen für 1936 Prag . Die 16. Tagung des Straßenrates befaßte sich mit dem Bericht über die für 1936 projektierten Regulierungen auf den staatlichen Straßen. Nach diesem Programm soll das Land Böhmen 85 Millionen K£ für die Regulierung der Staatsstraßen erhalten, Mähren -Schlesien 22.2 Millionen, die Slowakei 15 Millionen und Karpa- thorußland 4 Millionen, zusammen demnach 76.2 Millionen KL Dieses Programm wurde mit der Ergänzung genehmigt, daß im Falle von Ersparungen im Lande Böhmen vor allem an die Beendigung der Regulierung der Roßhaupter Staatsstraße gedacht werde, die unsere internationale Ausfallslinie nach Südöeutschland und nach den westlichen Staaten bildet. Weiter wurde der Bericht über die Verteilung der zur Subventionierung von Ausbesserungsarbeiten auf den nichtstaatlichen Straßen bestimmten Gelder behandelt. Rach dem vom Ministerium für öffentliche Arbeiten borgeschlagenen Schlüssel soll vor allem ein Betrag von 18 Millionen Ki für Verbesserungsarbellen auf gesamtstaatlich wichtigen Straßen, insbesondere für die Verbindungen des Landes Mähren-Schlesien mit der Slowakei reserviert werden. Von den restlichen 72 Millionen KL sollen auf Böhmen 43.7 Millionen, auf Mähren -Schlesien 16.8 Millionen, auf die Slo wakei 10.2 Millionen und auf Karpathorußland 1.8 Millionen enffallen. Lenst Prag . Die Dienstagsitzung des Senates befaßte sich mit einigen kleineren Vorlagen, die durchwegs ohne Debatte angencmmen wurden. Es handelte sich um einen Initiativantrag über die Strafbarkeit des Wilddiebstahls in der Slowakei , der bisher nur von den Verwaltungsbehörden und meist mit einer bloßen Geldstrafe geahndet wurde; nunmehr wird der Wilddiebstahl analog wie in den historischen Ländern bestraft werden. Weitere Vorlagen betrafen einen Vertrag mit Ungarn über den Fischfang in den Grenzgewässern, einen Vertrag mit Ru mänien über die Aufteilung der Waisenkassen in den Grenzbezirken sowie ein Zusatzprotokoll zum Handelsvertrag mit Polen . Dann wurden die Wahlen in den Jnkcmpatibilitätsausschuß und in die Kommission zur Kontrolle der Vermögensabgabe durchgeführt.. Der eigentliche Zweck der Sitzung war die Auflegung der aus dem Abgeordnetenhaus kommenden Gesetzentwürfe über die Dividende n st e ue r, die Essigsäure- und Backpulver- steurr/dre den Ausschüssen zugewiesen wurden. Nächste Sitzung Mittwoch um 14 Uhr. Masaryks Geburtstag— Staatsfeiertag. Dienstag wurde im Senat der von allen Koali- tipnsparteien eingebrachte Gesetzantrag aufgelegt, wornach der 7. März, der Geburtstag des Prä- sideNten-Pefreiers T. G. Masaryk , zum alljährlichen Staatsfeiertag erklärt werden soll. Die Begründung besteht aus einem einzigen Satz:„Der 7. März soll als Staatsfeiertag erklärt werden, auf daß alle kommenden Geschlechter und namentlich die Jugend in den Schulen immer wieder des Befreiers des tschechoslowakischen Volkes und Staates gedenke." Der Antrag wurde dem Jni- tiativausschuß abgetreten. UNSER GESICHT 61 Roman von Karl Stym Copyright by Bugen Prager-Verlag, Bratislava Das Lachen füllt das Totenzimmer bis zum letzten Winkel. Die Luft ist voll Wahnsinn. Ich reiße die Jalousien auseinander. Hell flutet die Sonne herein und mit ihr ein furchtbares BUd. Im Fenster gegenüber steht der Häuer Saurer und lacht. Alles an ihm lacht. Das brennrote, verzerrte Gesicht, die wirren Haare und die flatternden Kleider um den hageren Körper. Die Luft um ihn herum lacht. Saurer ist wahnsinnig— Unten im Hof stehen Menschen. Viele. Das Lachen hat sie aus ihren Wohnungen getrieben. Sie haben die Köpfe geduckt, als drücke sie das Lachen nieder. Das ist das Ende— Wir warten. Auf etwas Furchtbares. Das wird das letzte Gute aus uns herausreißen. Saurer verkörpert unser Gesicht: Hart, kantig, mit kohlenkranken Augen. Jetzt wütet der Wahnsinn darin. Eine tote Neugierde ist in mir, wie gestern, als mein Freund im Sterben lag. Was wird der Mann dort, dem der Wahnsinn das Blut verbrennt, beginnen?—' Jäh bricht das Lachen ab. Saurer sieht einen Moment lang vor sich hin, als besinne er sich auf etwas. Dann springt er vom Fensterbrett ins Wohnungsinnere zurück. Die Köpfe im Hof unten heben sich. Graue Gesichter starren auf das leere Fenster. Sie warten, wie ich— Vom Wald herunter fallen unheimlich lange Schatten. Sie greifen und zucken nach den grauen Gesichtern. Es sind dies die spitzen, wahnsinnigen Krallen des Waldes. An den Häuserwänden flackern Licht und Schatten im närrischen Durcheinander. Überall Wahnsinn— Unheimlich toter, erstickender Wahnsinn. Kein Atem, kein Lufthauch stört ihn. Jeder horcht seinem eigenen Blute nach, wartend, bis es auch brennt. Wir sind alle verloren, wenn nicht etwas geschieht. Irgend etwas— ein Schrei schießt hoch, wie eine Flamme aus hundertfachem Leben. Saurer hockt wieder auf dem Fensterbrett. In den verkrampften Händen hält er seinen kleinsten Jungen. Das Kind schmiegt sich ahnungslos an das verzerrte Gesicht seines tollen Vaters. Mit teuflischer Langsamkeit schiebt der das Kind von sich. Seine rotunterlaufenen Augen weiden sich an der armseligen Liebe seines eigenen Fleisches. Die kleinen mageren Händchen fassen verlangend zum Gesicht zurück. Ein schmales, zartes Stimmehen ruft:„Vati!“ Das Sümmchen reißt ein Loch in die wahnsinngefüUte Luft. In den starren Hof kommt Bewegung. Ein Reiben und Schieben beginnt Im Hause gellt eine Stimme: „Hilfe!— Mein Kind, Hilfe!“ Die ersten neben dem Hause laufen durch die Türe. Stiegen knarren, Entsetzensrufe gellen. Dann fassen einige Armpaare zugleich nach Saurer. In diesem Moment läßt der Wahnsinnige das Kind fallen. Ein Schrei— klein und armselig— Ich schließe meine Augen. Poltern und Schreien brüllt durchs Fenster zu mir herein. Dann eine Stimme, grell, sich selbst fressend: „Kameraden!— Hunde, Schufte!— Die Welt verreeckt! — Verreeeckt! Unsere Kameraden sind tooot! Tooot! Jetzt kommen die Riiiinderrr! Alle— werft sie aus den Fenstern!— Hinaus! Bringt die Weiber um Aaahoo!“ Das Schreien geht in würgendes Gurgeln über. Dann ist es still. Unheimlich still. Vor dem Haus, auf dem schmutzigen Pflaster, liegt ein Weib. Sie bohrt den Kopf in eine kleine Leiche hinein. Mutter und Kind— hingeworfen vom wahnsinnigen Leben. Aus dem Haustor tragen einige Kameraden den Saurer. Seine Hände hängen schlaff herunter. Für einen Moment sehe ich in das Gesicht Tiefe, schwarzblaue Augenhöhlen unter einer verbeulten Stirn, eine spitze Nase, aus dem schaumnassen Munde kommt ein Wimmern. Ein kleines, hilfloses Kinderwimmern. Unser Gesicht stirbt— Ich gehe an Peters Mädchen vorbei aus dem Zimmer, die Stiege hinunter, stoße mich durch puppensteife Menschen durch. Die helle Sonne tut mir weh. Sie lacht über mich. Hinter dem letzten Haus draußen lehne ich mich an den Gartenzaun. Ich möchte lachen. Genau so, wie Saurer gelacht hat Eine Kinderstimme trifft mein Ohr. Blitzartig zeichnet diese Stimme ein Bild vor mich hin: Eine niedrige, blutdunstige Halle. Ein Schlachthaus. Darin steht Rind an Rind mit großängstigen Augen. Vorne, am Eingang, stehen zwei wildgesichtige Menschen mit langen Messern. Ein Rind neben dem anderen geht in eines der langen Messer hinein. Plötzlich kommt durch ein kleines Fensterchen unter dem Plafond eine leise, unendlich zarte Musik zu den sterbenden Rindern herein. Musik von draußen, von sonnigen Wei den und blauem Himmel. In die tränenden Rinderaugen stiehlt sich ein schwachergebenes Leuchten. Und sie gehen in die Messer— — ich drehe mich um. Auf einem Sandhaufen spielen zwei Jungen. Sie bauen einen Tunnel. Kinder spielen!?— Drüben frißt der Wahnsinn ihre Eltern. Warum spielen sie hier?— Sie sollten doch zur Waschlache hiiiunterlaufen und hineinspringen. Dort ist viel Wasser. Kaltes, tötendes Wasser. Mehr als ihre kleinen Mägen fassen können. Und doch, warum sollen sie nicht spielen! Sie sind ja noch Kinder!— Sie nässen spielen!— Etwas steigt in mir hoch. Zaghaft zuerst, aber immer stärker werdend. Ich hatte es zwei Tage lang schon völlig verloren gehabt: Hoffnung. Mitten in aller Verzweiflung beginne ich zu hoffen. Die zwei hellen Stimmen dort in den kleinen Körpern werden stark werden und die kleinen Körper voll Kraft. Sie werden bauen, die starken Stimmen und kräftigen Körper, an einem neuen Gesicht— Ende——
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16 (29.1.1936) 24
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