Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

846.400 Arbeitslose

Weiterer Anstieg gegenüber dem Vorjahr verlangsamt

Prag . Gemäß den vorläufigen Berichten der öffentlichen Arbeitsvermittlungsämter betrug die Zahl der Arbeitslosen Ende Jänner 846.400 Personen gegenüber 794.407 Personen Ende Dezember 1935. Gegenüber dem Vormonate ist die Zahl der Arbeitslosen um 51.993 Personen, d. i. um 6.5 Prozent angewachsen. Im Vorjahre betrug die saisonmäßige Zunahme der Arbeits­lofenzahl im Jänner 65.677, d. i. 8.7 Prozent. Absolut hält sich der Stand der Arbeitslosigkeit über dem des Vorjahres, wo er 118.005 betrug. Ein derart hoher Stand der Arbeitslosen wurde seit März 1933 nicht mehr verzeichnet, wo er mit 877.955 noch um rund 30.000 höher war.

Polnischer Protest gegen die letzte Schacht- Rede

Kattowi. In der Dienstag- Sibung des schlesischen Landtags fand die letzte Rede des Präsidenten der deutschen Reichsbank Doktor Schacht in Beuthen , in welcher er die Auftei­lung Oberschlesiens als einen Unsinn bezeich= net hatte, lebhaften Widerhall. Der schlesische Landtag nahm eine Resolution an, in der das Auftreten Dr. Schachts als revisionistisch bezeichnet und festgestellt wird, daß solche Enun ziationen sowohl dem Geiste des Versailler Ver­trages als auch dem polnisch- deutschen Nichtan­griffspatte und schließlich der polnisch- deutschen Presseverständigung widersprechen.

Der schlesische Landtag fordert den oberschle= sischen Woiwoden auf, dieses Auftreten Doktor Schachts gegenüber der Zentralregierung als

Mittwoch, 5. Feber 1936

Die Umrisse

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 30

Kollektive Sicherheit Einkreisung Hitlers

des neuen Mitteleuropa

Auch Litauen erhält Schutz? stay? 19ins

29b

Paris.( Havas.) Das gemeinsame charakteristische Merkmal der diplomatischen Ver­handlungen des Montag bildete der Umstand, daß diese Besprechungen im Wesen der Organisie rung der kollektiven Sicherheit gewidmet waren. Es scheint, daß insbesondere unter den Mini­stern der ofteuropäischen Mächte der Gedanken der definitiven Interpretierung des Artikels 16 des Völkerbundpaktes und der Konkretisierung des Ausdruckes kollektive Sicherheit" studiert wird. Die Unterredung des Königs Boris mit Flandin ging weit über den Rahmen eines Höf= lichkeitsbesuches hinaus. Aus der Besprechung geht hervor, daß die internationale Tätigkeit Bulgariens nach Genf orientiert bleibt. Mit dem litauischen Außenmi­nister behandelte Flandin besonders die Frage der kollektiven. Sicherheit vom Gesichtspunkte der Lage in Nordosteuropa . Dienstag empfing Flandin Starhemberg und nach ihm den Prinz­regenten Paul von Jugoslawien .

Aus dem Umstand, daß Starhemberg von dem beabsichtigten Besuch bei Otto Habsburg Abstand genommen hat, schließt man, daß Vizefanzler Starhemberg sowohl in der vergangenen Woche in London , als auch dieser Tage in Paris die feste Zusicherung erhalten hat, daß England und Frankreich zwar entschlossen sind, an der Erhaltung der Unabhängigkeit Desterreichs mitzu­arbeiten, daß sie aber nicht beabsichtigen, eine Restaurierung der Habsburger zu unterstützen.

In ihren Erwägungen über die Pariser diplomatischen Unterredungen ist die französische Bresse der Ansicht, daß sich aus den Pariser Konferenzen eine Stärkung der Freundschaft Frank­ reichs mit der Kleinen Entente und der Balkan- Entente ergeben werde. Alle stimmen in der An­schauung überein, daß sie

daß sie

1. die Erhaltung der Integrität Desterreichs für unerläßlich ansehen, 2. die Rückkehr der Habsburger auf den Thron als unaktuell ansehen, daß sie 3. den Abschluß eines Donau - Paktes und von Wirtschaftsabkommen in Mittel- und Osteuropa sowie eine

4. Stärkung der Organisation der kollektiven Sicherheit empfehlen.

Während einige Parifer Zeitungen noch einen Garantiepaft für die Silfeleistung an Desterreich unter Beteiligung Italiens , Frankreichs und der übrigen Großmächte empfehlen, beginnt sich andererseits in Frankreich der Gedanke seinen Weg zu bahnen, einen Paft gegen den Angreifer zu schließen, und zwar an Hand der Auslegung des Artikels 16 des Völkerbundpak­tes und auf Basis der Prinzipien der kollektiven Sicherheit.

Oesterreich fügt sich

einen Schritt zu bezeichnen, der geeignet sei, die Monarchie nicht ohne Einwilligung der Kleinen Entente

gutnachbarlichen Beziehungen zwischen Deutsch­ land und Polen zu stören und unter der Bevöl­ferung von Oberschlesien große Empörung hervorzurufen.

Für jeden Engländer eine Gasmaske!

Schweizer Naziführer erschossen

London. ( Reuter.) Aus Paris Desterreich ohne die Einwilligung der wird gemeldet: Der österreichische Vize- Kleinen Entente nicht wieder einge kanzler Starhemberg hat, wie führt werden wird. es heißt, Außenminister Flandin mit. geteilt, daß Desterreich bereit ist, mit

Bugleich mit dem österreichischen Vizekana der Kleinen Entente einen Pakt abzuler Star hemberg weilt auch der österrei­schließen, demzufolge die Monarchie in chische Finanzminister Drar ler in Paris .

Makale abgeschnitten?

Abessinier an der Straße nach Adua

Vorbereitungen

für die Regenperiode

Auch das Tor an der Donau schließt sich Eine Geschichtsfälschung von übermorgen ver­dient heute schon festgenagelt und korrigiert zu werden: Deutschland ist 1936 so wenig wi: 1904-1914 von böswilligen Feinden mit vorbes dachter Tücke eingefreist worden, es hat sich vielmehr beidemale selbst eingetreift. Die Gewissenlosigkeit und bodenlose Dummheit seiner führenden Politiker war es damals und ist es heute, die dem deutschen Volk muttvillig Niederlage auf Niederlage einträgt, die es 1914 in den Welt­frieg geführt hat und die heute auf eine Kata­strophe lossteuert, der wiederum nur ein inner­politischer Systemwechsel vorbeugen könnte. Aber für die heutigen Machthaber fällt erschwerend ins Gewicht, daß sie aus der Erfahrung von 1914 nichts gelernt haben.

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Wenn also eine fünftige Dolchstoß- und Un­schuldsliteratur und. warum sollte es das nicht auch im Deutschland von übermorgen noch einmal geben! behaupten wird, daß die kriegslüster­nen Diplomaten von Mostau, Paris , Prag und das perfide Albion" das friedliche und ahnungs­lose Deutschland eingekreist haben, um es in ihrer eisernen Umarmung zu ersticken, so sei dem heure schon entgegengehalten, daß es die deutsche Politik getvesen ist, die durch ihren maßloſen Angriffsgeist, der sich in der Aufrüstung, der Pro­paganda, den politischen Verschwörungen und offenen Drohungen äußerte, die Andern zur Bildung eines Abwehr- Ringesges zwungen hat und daß es die Dummheit der deutschen Außenpolitik war, die zum gtveitenmal die Verständigung so auseinanderstrebender Fak toren wie Rußland , England und Frankreich ers möglicht hat.

Man wird nie vergessen dürfen, daß Hitler es noch 1933 in der Hand hatte, seine Politik jeger Versailles durch ein Bündnis mit Rußland zu fun­dieren. Er tat es nicht, weil er für seinen inner­politischen Rachefeldzug eine Pogromstimuung

gegen Mostau und den Kommunismus brauchte

Er brauchte den Rachefeldzug, weil er seinen be= trogenen Anhängern nichts anders zu bieten hatte als den Terror, weil er ihnen den Sozialismus schuldig blieb. Wäre das, was 1933 geschah, auch nur im Teisesten die Andeutung einer deuticher Revolution" gevesen, als die es sich ausgibt, so hätte es durch Bodenreform sowie die Entmach­tung des Bankfapitals und der Schiverindustrie, nicht nur den Terror gegen die Arbeiterklasse übers flüssig, sondern auch ein außenpolitisches Bündnis mit Rußland möglich gemacht.

Statt dessen gerierte Hitler sich den Englän dern als antibolschewvistischer Ropanz. Und als er trotzdem nun auch noch versuchte, gegen Englan: aufzutrumpfen, schloß er selbst den Ring um sein Drittes Reich.

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London. ( Havas.) Die britische Regie­rung trifft, wie der Daily Herald" berichtet, Vorbereitungen zur Herstellung von etwa 30 bis 40 Millionen Gasmasken und ihre Einlagerung in Magazinen. Das Blatt gibt weiterhin bekannt, daß in jeder Stadt und in jedem Städtchen ein eigenes Lagerhaus für die Einlagerung von Gas- Matale, die sich bereits seit den ersten Kriegs- Abeba zugegeben werden. London.( Reuter.) Das Schicksal der Stadt und große Verluste erlitt, die auch in Addis Was den Londoner Besprechungen aber in masken errichtet werden wird. Man rechnet da- wochen in den Händen der Italiener befindet, ist Die Südfront ist nun endgültig militärisch Paris folgte, bedeutet vollends den Anfang vom mit, daß die Herstellung dieser Riefenanzahl von noch nicht entschieden. Die lebten aus Addis ergänzt. Der Kaiser sandte außer Reserven vier Ende des neudeutschen Imperialismus, dem sein Gasmasken, mit denen dann fast alle Einwohner Abeba eingelangten Nachrichten wiederholen abessinische Generale mit rund 75.000 Mannettes offenes Ausfall stor an der Donau bersperrt wird. des Verbündeten Königreiches werden ausgestat- jedoch, daß die Stadt für die Italiener bereits dorthin. unhaltbar geworden ist. In den römi­Drei Tatsachen sind als positives Ergebnis der tet werden können, bis Ende dieses Jahres durch- schen Meldungen wird nichts Wichtiges" von Pariser Konferenzen zu buchen: die Einbe geführt sein wird. der eritreischen Front berichtet. ziehung der Sowjetunion in Aus inoffizieller abessinischer Quelle wird dem System der kollektiven Sicherheit in Mitteĭ­mitgeteilt, daß es für die Italiener weit schipie bereits alle Vorbereitungen zum Bau von Han- Schüßer erwächst, ferner die Bändigung der bis­Asmara. Das italienische Kommando hat europa , wodurch diesem System ein mächtiger riger sein würde, die Stadt Matale angesichts der heftigen Schlacht zu halten, die bereits seit zwei gar für fleine lent bare Luft lang oft ausbrechenden Gäule im Gespann der Tagen in einer Entfernung von 30 Kilometern chiffe getroffen, die im Hinterlande und auch mitteleuropäischen Friedenspolitik, will sagen die bon Adigrat im Gange ist, wo die Armee des in der Nähe der ersten Linien in Dienst gestellte ranziehung Bulgariens , die Ras Seynoum kämpft. Die Abessinier erklären, werden sollen. Diese Hangars werden auch als Beseitigung der Widerstände daß sie in dieser Schlacht siegreich waren. Zufluchtsstätte für die Mannschaft bei Sturm und in Rumänien und der antirussischen Vor­Das Ergebnis dieser Schlacht wäre, daß starke Regen und zur Aufbewahrung von Lebensmitteln urteile in Jugoslawien , und endlich das abessinische Abteilungen nunmehr bis zu der und Munition dienen. Die technischen Sachver- kaum noch zu verkennende Einschwenken Adua mit Makale verbindenden Straße vor- ſtändigen sind der Ansicht, daß die sogenannte Oesterreich 3 in die Linie der kleinen dringen könnten. Damit besteht aber gleichzeitig große Regenzeit in Abessinien nicht so beschwerlich Entente. Dabei ist es anscheinend gelungen, von die Gefahr für die italienische Armee, daß ihre sei, wie man in Europa allgemein annimmt. Da Desterreich den außenpolitischen Kuršivechsel zu nordwestlichen Verbindungen mit dieser Stadt sich der Regen in dieser Zeit regelmäßig einmal erzielen, ohne daß der geforderte Preis, die Zu­bollständig abgeschnitten werden. im Tag zwischen 14 und 16 Uhr einstellt, tönne lassung der habsburgischen Restauration, beglichen Die Meldung, derzufolge Ras Seyoum be- ihm durch geeignete Einrichtung des Tagespro- werden mußte. Natürlich darf nicht verkannt reits sehr tief in die italienischen Linien in der gramms und insbesondere durch Vervollkomm- werden, daß Oesterreich solange ein schwacher Umgebung der Stadt Makale eingedrungen sein nung der Straßenverbindungen begegnet werden. Bunft in dem Donausystem bleibt, solange drei foll, hat in Addis Abeba große Freude hervorge- zu diesem Zwed werden in Kürze 50.000 neue Viertel feiner Bevölkerung die bestehende Regie­Arbeiter in Ostafrika eintreffen. rufen. Es herrscht dort die Ueberzeugung vor, daß der Fall der Stadt Matal nur eine Frage von wenigen Tagen, vielleicht sogar nur von wenigen Stunden ist.

Davos . Der nationalsozialistische Landes­gruppenleiter Wilhelm Gust loff ist am Diens­tag um 20 Uhr in Davos in seiner Wohnung von

einem Unbekannten erschossen worden.

Der Mörder Gustloffs hatte kurz vor der Tat in dessen Wohnung Einlaß begehrt und war in das Büro geführt worden. Nach dem Ein­treffen Gustloffs gab der Student fünf Schüsse auf diesen ab, die sämtlich trafen und Gustloff auf der Stelle töteten. Hierauf floh der Täter, indem er die Anwesenden mit der Schuß­waffe bedrohte. Später meldete er sich telepho­nisch bei der Polizei und wurde in Haft ae­

nommen.

Es handelt sich um den im Jahre 1909 geborenen jugoslawischen Staatsangehörigen Da­ vid Frankfurter , der sich in Bern als Medi­zinstudent aufhielt. Von Bern aus begab er sich am Dienstag nach Davos . Er erklärt, die Tat aus politischen Gründen ausge­führt zu haben, um dadurch das gegenwärtige Regime in Deutschland zu treffen.

An der Somalifront erfolgten einige Heine Scharmüßel in der Gegend von Megheli, wo ins­besondere eine größere abessinische Gruppe von einer italienischen Abteilung überrascht wurde

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London . Außenminister Eden beantwor­tete Dienstag im Unterhause die Frage, ob die britische Regierung sich gegenwärtig an den Ver­handlungen betreffend die Lösung des italienisch­abeffinischen Konfliktes beteilige, vernei nend.

rung ablehnen und das restliche Viertel unter dem Gefühl der Abhängigkeit von ausländischen Diktaten auch mehr leidet, als es zugibt.

Die Kommentare der Hitlerdeutschen Presse fönnen nur schwer die Enttäuschung, die hilflose Wut, die ängstlichen Besorgnisse verbergen, von denen die deutsche Politik num erfaßt wird. Man tröstet sich recht und schlecht damit, daß man we