Dienstag, 11. Feber 1936

16. Jahrgang

Elwzelprefs 70 Heller (1niehll«6lich 5 Heller Porto)

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH.«»AKTION UNO VERWALTUNG MAO XII..POCHOVA 42. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRI» TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: OR. EMIL STRAUSS, PRAG .

DE?DE U S ENSOZIALD EMOKRAUSCHEN ARBEITERPARTEI IN PER TSCHECHQSIOWAKISCHEN REPUBLIK

Dr. Hodza in Paris ättss herzlich empfangen Paris . Ter Pariser Besuch des Borfi henden der tschechoslowakischen Regierung Dr. Hodja ist zum Mittelpuntt der Aufmerksamkeit sowohl der politischen Kreise, alS auch der Presse geworden. Alle politischen Abendblätter widmen diesem Besuche ihre Leitartikel, die durchwegs in freundschaftlichstem Tone sowohl in bezug auf die Tschechoslowakei , als auch deren Politik und auch in hczug auf die Persönlichkeit Dr. HodZas gehalten find.

Paris . Der,Vorsitzende der Regierung und Außenminister Dr. Milan HodZa traf mit seiner Gemahlin Sonntag nachmittags in Paris ein. Auf dem Bahnhof, begrüßte sie der Chef des Kabinetts des Außenministers Rochat, der ju­goslawische Gesandte P u r i c, ein Vertreter der rumänischen Gesandtschaft, Gesandter Dr. O s u» s k h mit den Mitgliedern der Gesandtschaft und des Generalkonsulats, der gewesene Chef des tschechoslowakischen Generalstabes General M i t- telhauser, Vertreter des Komitees füx euro­ päische Zusammenarbeit und Vertreter der Tsche­choslowakischen Kolonie in Paris sowie zahlreiche Pressevertreter. Der Vorsitzende der Regierung nahm im Hotel Crillon auf. dem Place de la Concorde Wohnung. Nach seiner Ankunft stattete Dr. Hodja dem rumänischen Außenminister Titulescu eiben Besuch ab, mit dem er längere Zeit konferierte. Abends besuchte er den türkischen Außenminister und nunmehrigen Vorsitzenden der Balkan-En­tent«, mit dem er ebenfalls in längerem Gespräch verweilt«. Montag nachmittags begab sich Dr. Hodza zum Quai d'Orsay, wo er mit dein Generalsekre«. tär des Außenministeriums Botschafter AlexiS Leger eine- Unterredung hatte. Beim Dejeuner beim Gesandten Dr. Osuskh traf Dr. HodZa mit dem Ministerpräsidenten S a r r a u t, Außenminister F l ä n d i n und den übrigen Regierungsmitgliedern zusammen. Nach­mittags konferierte er mit Außenminister F l a n d i n. Gegen Wend stattete der Vorsitzende der Regierung Dr. Hodza dem Präsidenten der Repu­blik Albert Lebrun «inen Besuch ab, der ihm mit der höchsten Klasse deS Ordens der Ehren» legiost, dem Großkreuz, auszeichnete. Beim Berlaffen deS Palais Elaste antwor­tete Dr. Hodja den ihn beim Ausgang sehr zahl­reich erwartenden Journalisten znsammenfassend auf ihre Fragen. Er konstatierte die absolute Identität der Ansichten zwischen den tsche- chosiowakischen und französischen Stellen im Hin­blick auf sämtliche aktuellen europäischen Fragen und namentlich auch der mitteleuropäischen Politik. Die Masaryk -Feier in der Sorbonne

und breiten Demokratie zu führen. Wir find stolz, sagen zu können, daß die tschechoslowakische Demo­kratie trotz der Katastrophen, die über Mitteleuropa hereinbrachen, unberührt blieb. Wir haben die klasfische Ide« der Demokratie der Psychologie unseres Volkes angepatzt. Hier find die Wurzel« der nicht zu erschütternden tschechoslowakischen Stabili­tät. DaS Volk unseres Landes unterwirft fich frei­willig der Autorität, die es fich selbst geschaffen hat. Di« geistig« Krise, die in allen Ländern wütet, hat unsere Demokratie nicht erfaßt. Dir Idee hat fich in der Ichrchoslowakischen Demokratie ihre Stelle bewahrt. Einerseits deshalb, weil eine große Demokratie am häufigsten in den eigene» Tiefe«, ohne UnverfitätSrrziehung zu brauchen, diszipli-

K ö l n. Die politische Polizei verhaftete den Führer der Organisation der deutschen katholi­schen Jugend und etwa SO seiner Mitarbeiter, Es Wird ihnen zur Last gelegt, tüte gegen, das natio­nalsozialistische Regime gerichtet« Tätigkeit ent­faltet zu haben. Wie aus guter Quelle verlautet, find' die Verhandlungen zwischen dem Katholischen Epi­skopat und dem nationalsozialistischen Kirchen­minister Kerl unterbrochen worden, und zwar zunächst für eine unbestimmte Zeit, während welcher der Minister Kerl einen Urlaub antritt. Es ist vor allem die Frage der Jugend- erziehung, wo sich die katholischen Bischöfe den Forderungen des Nationalsozialismus nicht Snpassen können. Auf nationalsozialistischer Seite ist man andererseits schwer verstimmt über den Wortlaut d«S Hirtenbriefes, den die letzte Ful­daer Bischofskonferenz erlassen hat und der sich scharf gegen das Neuheidentum und gegen die zu große antireligiöse Beeinflussung der Jugend­lichen ausspricht. Außerdem sollen aus Rom vomVatikan neue Instruktionen eingetroffen sein, wonach überhaupt eine prinzipielle Klärung der Haltung deS Nationalsozialismus zu religiösen Fragen abgewartet werden soll. Vor allem wünscht man auf katholischer Seite eine authen­tische Feststellung der Bedeutung des Artikels 24 des Parteiprogramms, worin es heißt, daß die

«irrte Denker und geistige Führer findet«nd auch deshalb, weil«nser« Intel l e k t« l- le« ihrer demokratischen M iss io« tre« bleibe« und weder in verstandesmäßi­ger Hinficht, noch in gefühlsmäßiger, noch auch in politischer Hin ficht den Kontakt mit den Massen ver- linen. Die Tschechoslowakei verficht mit der Brgristr- rvng einer jungen Demokratie»nd mit stttlichrr Stärke, gestützt auf alte Tradition, die Z« s a m» mcnarbeil der Nationen in Mit- trleuropa. Wir waren»nd wollen auch in Zukunft Vermittler der fittlichen Werte zwischen West»nd Oft sei». Daher wolle» wir mehr denn je mit allen unseren mitteleuropäischen Nachbarn zu» fammeuarteiten. Es ist g»t, daß in dem Augenblick, da von der Sorbonne Frankreich Masaryk, dem großen Euro­päer»nd der lebendigen Verkörperung des demo­kratischen Mitteleuropa , seinen Gruß sendet, wir «nS hier feierlich als Europäer»nd B ü r g e r Mitteleuropas bekennens Keine Manifestation konnte»ns »nd brr gan­ze« Welt besser daS tiefe»nd wirklich freundschaft­liche Einvernehmen«nserer Regierungen, unserer Rationen, unserer Ideen«nd Herzen zeigen alS die heutige Manifestation an der altehrwürdigen Sor­bonne.

Partei auf dem Boden eines positiven Christen­tums stehe. Ovationen für Kardinal Faulhaber München. Am Sonntag hielt Kardinal Faulhaber vor 8000 Andächtigen in der Michalskirche eine Predigt. Als er die Kirche ver­ließ, umringten Tausendes ein« n W agen und brachten dem Kardinal laute Ova­tionen dar, während gleichzeitig ein Dutzend Nationalsczialisten eine kleine Gegendemonstra­tion veranstaltete und«Heil Hitler I" riefen. Auch der päpstliche Nuntius, der dem Gottesdienste bei­gewohnt hatte, wurde laut begrüßt. In seiner Predigt verteidigte Kardinal Faulhaber den Papst und die katholische Kirche und sagte, erkönnenichtschweigen gegen die unwahren Anschuldigungen, die in der na­tionalsozialistischen Presse gegen den Heiligen Stuhl vorgebracht werden. Eine dieser L ü g e n behauptet, daß Moskau und der Heilig« Vater im Begriffe seien, ein Konkordat abzuschließen und zusammen daran arbeiteten, die Habsburger - Monarchie wieder herzustellen. Das sei der Gipfel journalistischer Erfin­dung. Ein anderes Blatt habe geschrieben, daß der Papst ein holländischer Jude sei. Auch das ist eine Lüge, erklärte Kardinal Faulhaber.

Heiie Offensive gegen den Katholizismus

Bekenntnis Dr. Hodias zur demokratischen Zusammenarbeit Paris . Montag abends fand im großen Amphitheater der Sorbonne die Feier zu Ehren des Präsidenten. Masaryk in Anwesenheit des Präsidenten der Republik Lebrun , unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten Albert S a r- raut statt. Dem französischen Ausschuß für die europäische Zusammenarbeit, der die Feier ver­anstaltet, hwben sich die Pariser Universität, die Hochschulen, der"Pariser Stadtrat, das Institut Francais und sehr viele große französische Jnsti- tuticnen, gesamtstaatliche Organisationen, Ver­einigungen und Vereine angeschlossen. Die Feier eröffnete der Vorsitzende der ver­anstaltenden Vereinigung des Ausschusses für europäische Zusammenarbeit, Univ.-Prof. De­putierter Emil Borel ..Nach ihm sprach namens der.französischen Hochschulen der Universitätspro- fessor und Direkwr, der Ecole Normale Sup0- rieure Celestin B o u g l i, ferner für das Insti­tut Francais Henri Ttuchi, der Präsident der Akademie für geistige und politische Wissenschaften. Namens der französischen Regierung sprach Minister für auswärtige Angelegenheiten F l a n- d i n. worauf Dr. HodZa in bewegten Worten für die Ehrung des Präsidenten-Befreiers,T. G. Masaryk dankte. Er führte u. a. aus: .Thomas Garritzue Masaryk, während zwanzig Fahr« vergö.ilerter Befehlshaber der Armee,»er- stand eS, seine»! Staat auf. dem Wege einer festen

Berlin befurchtet Isolierung Berlin . Die Sonntag-Morgenblätter kamen wiederum ausführlich auf die politischen Unter­redungen zu sprechen, die in der letzten Woche von Staatsmännern und Diplomaten, in Paris abgehalten worden sind. In den Artikeln macht sich eine gewisse Nervosität geltend und wenn es auch nicht ausgesprochen wird, so scheint doch die Besorgnis vor einer Isolierung Deutschlands das Leitmotiv für die Aus­führungen zu sein. So bringt z. B. derVölkische Beobachter" einen Artikel seines Pariser Mitarbeiters, in dem es u. a. heißt:Das abgenützte Schlagwort von der deutschen Gefahr scheint gegenwärtig wiedtr einmal Anfang und Ende der französischen Außenpolitik zu bilden: Am Quai d'Orsay geht fest dem Einzug des neuen Herrn wieder der Gei st Bart Hous und seiner Barrieren- Politik gegen Deutschland frei um, dem zu La­vals Zeiten nur beschränktes Gastrecht eiNge- räumt war. Die vom Führer konsequent verfolgte Friedenspolitik wird begatellisiert und als vor­übergehende Opportunitätspolitik hingestellt.. Dem Reich werden tückische AngriffSabsichte« auf Ver- I träge oder auf die Gebiete des einen oder des anderen Staates unterschoben. Ab r i eg e- ! l u n g Deut sch l a n d s auf allen Wegen ist daS wiederaufgenommenL Programm der

französischen Außenpolitik. Diesem Ziele diente dir erste Serie der soeben zu Ende gegangenen diplomatischen Besprechungen und eine zweite Serie dieser Verhandlungen soll in der kommen­den Woche beginnen.

Neue Grenzverletzung durch Reichswehrpatrouille Prag. Amtlich wird gemeldet: Am 8. Feber, nach 3 Uhr nachmittags hielt eine Patrouille der Gendarmerie-Bereitschaftsabteilung aus Braunau ans dem Jiräsek-Weg zwischen der Masaryk- Baude und der Hohen Mense(im Bezirk Neustadt an der Meltau) etwa 80 Schritte von der Staats­grenze vier Angehörige der Reichswehr , von denen einer(ein Offizier) in Skiansrüstung war, drr übrigen in Uniform ohne Waffe«, alle auf Skiern, an. Zwei anderen Mitgliedern der Reichswehr gelang eS, im letzten Angenblick. von unserem Gebiet über die Grenze zu springen. Di« Angehaltenen behauptete» bei ihrer Einvernahme, daß sie aus Unkenntnis deS TerrainS infolge eines F r r t u m S die Grenze überschritten hätten. Sie seien Mitglieder einer Militär- Skigruppe. Sie wurden noch nicht entlassen. Der Vorfall wird von den Zivil- und den Militärbehörden eingehend untersucht.

Vir werden sie niederschmetteni.. Leipzig , im Feber. Immerwährend zer­schmettert daS Hitlerregime seine Gegner. Im­merwährend das heißt: nie werden sie damit fertig. Massenverhaftungen, Massen­prozesse, Massenvertreibungen schaffen es nicht. Immer wieder stehen die Gegner auf. Man kann es direü an den Reden der Machthaber nachzählen, wie ost sie nun schon ihre Gegner vernichtet haben. In einemfort siegen sie aber das behaupteten ja die deutschen Hee­resbericht« während des Weltkrieges auch. Schon im ersten Jahre der»inneren Wand­lung" rühmte der sächsische Innenminister Dok-, tor Fritsch den nationalsozialisttschen Total­sieg über die Gegner.»Wir", so pries, er die säch­sische Leistung,»sind sogar dem Reiche weit voran. So haben wir alleinüber das Doppelte an Schutzhäftlingen a l s d a s v i e l g r ö h e r e P r e u ß e n. Wir lassen keine Zweifel, daß wir jeden Versuch des Umsturzes rücksichtslos und brutal Niederdrücken werden. Jeden, ganz gleich, in welchem Lager er sich befindet, werden wir einsperren, wenn er Un­zufriedenheit verbreitet."- Eingesperrt haben sie wahrhaftig genug. Aber sonderbar: die U n z u f r t ede neu habest sie hinter ZeUengitter und Stacheldrahtzäume verbannt, aber die Unzufriedenheit ist nach wie vor draußen und nimmt sogar täglich zu! Inzwischen kam der 80. Juni 1934. Auch dieses Gemetzel war ja schließlich eine Zerschmet­terung von Widersachern, wenn es auch Rivalen in den eigene« Reihen waren. Die Gegner blieben. Schon kurze Zeit nach jenem Blutbad, am 9. November 1934, dem elf­ten Jahrestage des Münchener HitlerputscheS, sagte Hitler selbst in eikkkr Ansprache vor den Münchner Parteirekruten:»Ihr werdet Kämpfer sein und müssen, denst noch sind viel«, viele Gegner unserer Bewegung in Deutschland vorhanden." »Noch sind viele, viele Gegner" inzwi­schen kann man eher sagen: Noch? Nein schon wieder! Darüber klagte auch G o e b b e l S in einer Rede, die er am 30. Juni 1935, am ersten Jah­restage der Ermordung Röhms und seiner Ba- saNen, auf dem Tempelhofer Felde hielt. Ziem­lich kleinlaut mußte er, wenn auch nur»zwischen den Zeilen" eingestehen, daß der nationalsozia­listische Sieg trotz qUem Terror nur ein teil­weiser Sieg gewesen sei.- Sehr ausführlich be­schäftigte er sich mit den verschiedenen Gegstern des Regimes, mit den Marxisten, mit der Kirche, mit»gewissen Verbänden" und vor allem natür­lich nist den Juden. Es war das jene berüchtigte »Flohrede", in der Goebbels sagte:'»Glaubt denn eister, wir hätten Knöpfe statt Augen, um nicht zu sehen, wie sich gewisse Gegenströmungen in der Reichshauptstadt heute wieder ungescheut breitzumachen versuche« und wie bürgerliche Jst- tellektuelle sich wiederum anschicken, ihnen Hilfs­brüderschaft zu leisten, mit der dummen ustd albernen Phrase, daß der Jude auch ein Mensch sei. Ja, er ist es schon, aber was für einer. Mensch sein, daS. ist an sich noch gär nichts, ein Floh ist auch ein Tier, aber darum noch lange kein angenehmes Tier," Setzte sich Goebbels derart mehr»feuilleto» nistisch" mit den Gegnern des Regimes ausein­ander, so tat es Hitler halb darauf, am 11. August 1935 in seiner Festrede zum fünfzehnjäh­rigen Bestehen der NSDAP -Gruppe Rosenheim in Bayern auf seine.staatsmännische" Art mas­siver. Es erinnertem die berühmte»Zerschmette­rungsrede" Kaiser*Wilhelms II., wenn Hitler in Rosenheim schrie:»Im Kampf haben wir einst das deutsche Reich erobert und im Kampf werden wir es erhalten und bewahren. Die gegen uns stehen, sollen sich in uns nicht täuschen. Den Kampf haben wir noch nie gescheut; früher nicht und heute nicht. Wenn sie ihn wollen, dann kön­nen sie ihn hocken. Wir werd em s i e n i e« derschmettern, daß ihnen für die näch­sten 15 Jahre die Gedanken an eine Fortsetzung dieses Kampfes vergehen werden." Sin Jahr zuvor waren es»noch viele, viele Gegner" ein Jahr später mstß er ihnen im­mer noch die Zerschmetterustg androhen. Und wo er sie überall suchen muß! Sogar in den erzgebirgischen H u tz e n st uck« n, bei den