Seite L Mittwoch, 12. Fever 1936 Nr. 86 150 Waggons Zucker für Arbeitslose DaS Ministerium für soziale Fürsorge ist bei brr Durchführung seiner segensreichen Win- terhilfSaktion sür Arbeitslose zu einer neuen großen Aktion gekommen. ES hat sich dazu ent­schlossen, in den nächsten Tagen den Arbeitslosen 16V Waggons Zucker zuzu­teilen. Ter Zucker wird den Bezirken zuge­wiesen werden, worauf diese unter Mitwirkung der BrzirkSkommissione» den Zucker den einzelnen Gemeinden zuteilen werden, welche diesen an die Arbeitslosen weiterzugeben haben. Die Beteiligung der Arbeitslosen mit Zucker ist ein weiterer Beweis der emsigen Für- sorgetätigkeit der sozialistischen Parteien in der Regierung. Während der Führer" der Gudetendeutschrn Partei nichts als Phrasendunst von sich gibt und Auslandsreisen im LuxuSauto unternimmt, sorgt die Sozialdemo­kratie für dir Aermsten der Armen. dtzr reaktionäre Vorstoß vollkommen zusammen­gebrochen: Das höchste Amt im Staate bleibt nach wie vor die feste Garantie für demokratische Ent­wicklung. Damit ist aber auchdieSudeten- d rutsche Partei geschlagen wor­den. Die Kläglichkeit ihrer Scheingröße ist ent­hüllt, ihre politische Ohnmacht vor dem Volke bloßgestellt. Die Voraussetzungen der demokrati­schen Zusammenarbeit in der Tschechoslowakischen Republik sind gefestigt und für die nächste Zeit gesichert worden." Diese optimistische Auffassung der außen« und innenpolitischen Probleme, wie sie Genosse Taub hat, verschließt aber unserem Abgeordneten durchaus nicht die Augen für die schlvierigen wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben, vor denen wir stehen. Taub hat eine Reihe von klar umrissenen Forderungen auf­gestellt, die notwendig sind, damit die sudeten­deutsche Wirtschaft angekurbelt werde. Er ver­langt eine aktive Handelspolitik, planmäßige Organisation der Exportindustrie, Beschleunigung der öffentlichen Investitionen, Unterstützung der Baubewegung, Verkürzung der Arbeitszeit, Or­ganisierung des Arbeitsmarktes, Bekämpfung der Kartelle, Verhinderung der mutwilligen Still­legung lebensfähiger Betriebe. Daraus erkennt man wir wollen das einmal ruhig und ohne Leidenschaft aussprechen, damit es auch jene erkennen, welche noch nicht das genügende Verständnis für die Politik der So­zialdemokratie haben in welchem Phrasen­dunst di« SdP die Politik gehüllt hat und wie klar dem gegenüber die Anschauungen der So« zialdemokratie sind. Jeder politisch reife Mensch wird von dem Politiker, dem er sein Vertrauen schenken soll, verlangen, daß dieser ihm nicht nur sagt, was er erreichen will, sondern wie der Weg sei, der zum Ziele führt. Darauf gibt Konrad Henlein keine Antwort. Die Unzufrieden­heit aber in seinem eigenen Lager lehrt, daß die Zeit näher rückt, da die Sudetendeutschen die Antwort auf diese Frage verlangen werden. Offener Konflikt Kunschak-Starhemberg Die Helmwehr verteidigt IhrRecht auf Diebstahl! Wien.(Tsch. P. B.) Zwischen den ober­österreichischen Heimwehren und dem regierungs­treuen GewerkschaftÄnind entstand in der letzten Zeit eine Spannung, die in Versammlungen und in der Presse einen lebhaften Widerhall findet. In der Werks-Genossenschaft(dem früheren Arbetterrat) der Automobilfabriken in Stehr wurden finanzielle Unzukömmlichkeiten aufge­deckt. Insbesondere zeigte sich, daß der Kassier der Werksgenossenschaft 3000 Schilling unterschlagen hat und dem Vorsitzenden der Werksgenossenschaft wird vorgeworfen, daß er eine ungenügende Auf­sicht über die Kaffengebarung geführt, auch selbst sich ähnlicher Unzukömmlichkeiten schuldig gemacht und sich zweimal Reisespesen habe auszahlen lassen. Aehnliche Beschuldigungen werden auch noch gegen ein drittes Mitglied«der Werksgenos­senschaft vorgebracht. Alle drei kompromit­tierten Funk t i o n ä r e sind Mit« gliedev; de.r'Heinrwehr.: Der Gewerk-: schaftsbund: hat die ganze Werksgenossenschaft aufgelöst und gegen die Beschuldigten Straf­anzeige erstattet, sodann aber eine necke Werks­genossenschaft ernannt, in der nur ein Mitglied und zwei Ersatzleute der Heimwehr angchören. Dies« Ernennung der neuen Werksgenossenschaft rief unter den Heimwehrleuten große Erregung hervor. Schon in einer am Sonntag nachmittags abgehaltenen Versammlung de- Heimatschutzes wurden gegen den Gewerkschaftsbund und dessen Funktionäre scharfe Angriffe gerichtet, hauptsäch­lich auch gegen dessen Vorsitzenden S t a u d a, der als AnhängerKunschakS gilt. Dem gan­zen Gewerkschaftsbund wird nachgesagt, daß er der ehemaligen christlichsozialen Richtung nahe ­stehe. Dienstag erschien daS Heimwehrblatt Neue Zeitung", das«inen Tagesbefehl des oberösterreichischen Landesleiters des Heimat­schutzes veröffentlicht, in dem«S heißt:Der offene Konflikt zwischen dem Hei­matschutz und den Kunschakleu- t e n im Gewerkschafsbund, den wir schon lange befürchtet haben, sst nun in Oberösterreich aus­gebrochen. Ich fordere alle Kameraden auf, in den schweren Tagen, die herännahen, volle Ruhe und Disziplin zu halten; denn wir können nur durch unerschütterliche Einigkeit siegen!" Sie heben Augst I Wien.(Tsch. P.-B.) Montag und Diens­tag wurden in Wien und Umgebung eine grö­ßere Zahl von Angehörigen der aufgelösten so­zialdemokratischen und kommunistischen Partei in Haft genommen. Privaten Schätzungen zu» folge handelt es sich um etwa 120 Personen. Diese Sicherheitsmaßnahme wurde iPt Rücksicht auf den morgigen Jahrestag des Feberaufstaudes des Jahres 1934 ergriffen. Arbeitslosen-Aufruhr Athen.(Tsch. P. B.) Auf der Insel Myti- lini griffen Arbeitslose di« Bäckerläden an und richteten große Verwüstungen an. Truppen und Polizei feuerten auf die Menge, die jedoch nach heftigen Zusammenstößen die Polizeibeam­ten zwang, sich in den Hof eines Gymnasiums zurückzuziehen. Daraufhin griffen die Arbeits­losen mit Steinwürfen das Gericht an, um sieben ihrer verhafteten Genossen zu befreien. Man be­fürchtet neue Unruhen. Um die Neugestaltung des Genter Systems Im sozialpolitischen Ausschuß des Abgeord­netenhauses wurde Dienstag dir Debatte über die letzten Erklärungen des Fürsorgeministers abeg- führt, die sich hauptsächlich mit der beabsichtigten Neuregelung desGenterSystems befaßt hatten, ll. a. erklärte der tschechische Genosse T a y e r l e, man sollte wieder zu dem ursprüng­lichen Gesetz zurückkehren. Ein Vertreter der SdP benützte die Gelegenheit, um gegen das Verbot ihrer Arbeitslosenkundgebungen in der Provinz zu protestieren. Im Laufe der Debatte nahm auch Fürsorgeminister Genosse R e£ a S nochmals das Wort. Für unsere Fraftion sprach Genosse Taub, der u a. erklärte, was der Minister über die Novellie­rung des Genter Systems gesagt hat, stelle dir Mindestforderungen auf diesem Ge­biete dar. Er hpfst, daß in der Novelle auch unsere For­derungen hinsichtlich der jugendlichen Ar­beitslosen Berücksichtigung finden werden. Weiters sprach Redner den Wunsch aus, daß die Geschäftsordnung, daß nicht gelesen werden oarf, wirklich gehandhabt werde. Man will doch wissen, daß der Redner seine eigenen Anschau- unzen und nicht die eines Dritten Vortritt. Auch wird eS nicht angehen, daß gewisse Parteien ständig mit Paus chalverdächtigungen kom­men, sondern man wird parlamentarisch die Red­ner dazu anhalten müssen, konkrete Anga­ben zu machen. Die SdP lebt von der Not der Menschen. Wenn man ihr diesen Nährboden entzieht, wird ihre Bewegung wie ein Luftballon zerpläkin! Der Ausschuß beschloß, die eingelaufenen An­träge zum Genter System einem Subkomitee zuzuweisen, in das alle Parteien je einen Vertreter entsenden. Im Ausschuß wurde auch über einen Ini­tiativantrag der Gewerbepartei aus Einführung der Selbständigenversicherunz rdieGewerbe treibenden ver­handelt. Da keine Einigung erzielt werden konnte, unterbrach der Vorsitzende Dubickv die Sitzung m't dem Bemerken, daß er erst die nötigen Jnkorma» Zonen im Fürsorgeministerium einholen müsse. Senat Prag . Der Senat befaßte sich Dienstag nachmittags mit den beiden Vorlagen über die Konsumsteuer von Essigsäure und B a ck- Vorlagen entspann sich eine ziemlich lebhafte De> pu l v e r n, die der Staatskasse einen Ertrag von je acht Millionen jährlich bringen sollen. Zu den batte, in deren Verlauf der siowakische Volks» parteiler Dr. L a b a j eine stockreakfionäre Rede gegen die Arbeitslosenunterstützung hielt. Seine Partei- habe»grundsätzlich" nichts gegen die Un­terstützungen einzuwenden, aber... sind jetzt kamen die sattsam bekannten, schon hundertmal widerlegten Anwürfe, daß die Unterstützungen leichffinnig" ohne gründliche Prüfung der Be- dürftigkeit gewährt werden, daß sie sogar(!) die Saisonarbeiter bekommen und diese Leicht« fertigkeit in der Auszahlung der Unterstützungen direkt die Arbeiterschaftdemoralisiere". Der Herr Senator machte weiters die schrecksiche Ent­deckung, daß sich die Linksparteien angeblich auffällig der Arbeitslosen ännehmen", woraus am besten zu ersehen sei, daß sie sich aus ihnen einen Kader von Wählern schaffen wollen". Diesen unsinnigen Behauptungen trat sofort der ffchechische Genosse N ö m e ö e k entgegen und MANNER , FRAUEN I UND WAFFEN I Roman von Man red C- eoro Copyright by Dr. Manfred Georg, Frag »Nein, eigentlich nicht. Nur einmal habe ich gehörff wie sie einer anderen Mieterin gesagt hat, das wäre eine religiöse Sache. Sie stammt doch von den Wilden. Ein Kulturgegenstand oder so." Ach so, ein Kultgegenstand. KaHn ja sein. Das interessiert mich eigentlich sehr. Was ist sie Ihnen denn schuldig,?" 250 Schilling," erwiderte Frau WieSner, und nahm dabei ihren bei Schumann üblichen Aüffchlag. Also hier ist das Geld. Ich werde mich mit der Dame selbst in Verbindung setzen. Wo tritt sie auf?" In der Femina. Man sagt: ganz nackt. Ist das nicht eine Schande?" Schumann überging die Frage und meinte nur. das dürfte man hier in Wien doch wohl kaum erlauben. Wie Sie meinen," erwiderte Frau Wies­ner gekränkt.Wohin soll ich übrigens die Post nachschicken?" Ins Waldsanatorium Semmering, bitte, man hat es mir schon oft sehr empfohlen," Am Abend verschob Schumann plötzlich die Abfahrt mitten auf dem Weg zum Bahnhof. Er ließ das Taxi zu einem Hotel fahren, kleidete sich um und kaufte sich eine Karte zur GyimeS-Revue. Um seine Gewohnheiten gebracht, sah er sich not­gedrungen gezwungen, in einem Restaurant zu Abend zu essen und trat in die Würstlstube von Biel , di« er loben gehört hatte. Er fand dort in einer Ecke vor einem riesigen Stück Rauchfleisch den Manager Billinger, einen noch jungen, kor­pulenten Mann, der berühmt dafür war, sämt ­liche Künstler und Künstlerinnen Wiens zu duzen und der beste Beantworter des internationalen Fragespiels«Wer mit wem" zu sein. Billinger, gewandt und begabt, hatte seine wienerischen Fähigkeiten durch einjge Berliner Lehrjahre auf Hochglanz gebracht und war gerade der, den Schumann sucht«. Er hatte mit ihm in einer Eisenbahnaktienaffäre, die nach Czernowitz hin­überspielte, zu tun gehabt, urw Billinger hatte ihm imponiert durch die erstaunliche Fixigkeit, mit der er, der Theater-Agent, sich in ihm voll­kommen fremde Verhältnisse hineingearbeitet hatte. Die Frau, die er damals managet«, war die Tochter des größten Eisenbahnaktionärs ge­wesen, und Billinger hatte es großartig verstan­den, die Fahrt von Czernowitz ins Theater an der Wien über den Umsteigebahnhof Schumann- scher Interessen zu leiten. Sagen Sie," begann Schumann nach eini­gen allgemeinen Lobpreisungen auf die Bielschen Erzeugnisse, die Billinger rein aus Privatlieb­haberei und dankbarem Magen propagierte,ken­nen Sie eigentlich in der GyimeS-Revue eine ge­wisse Haydee Nazario?" Aber selbstverständlich! DaS ist doch diese bildschöne Braune im dritten, sechsten und achten Bild. Eine Quinteronin, echte mulattische Vor­fahren, vierte Kreuzung. DaS Mädel hock Tem­perament, daß sich der Direkwr jedeSmal fürchtet, sie könnte ihm die Kulissen einreißen.. Innig be­freundet mit ihrer Partnerin in dieser Saison, der röllichen Dänin Brigitte Brandes. Ich kann Ihnen sagen. Herr Schumann, die beiden zu­sammen, das ist, als ob Sie Marlene Dietrich und Josephine Baker kombiniert auftreten lie­ßen. Kann soviel« Männer haben, wie sie will. Hat noch mehr, aber nie Geld. Wo daS Geld bleibt» ist ein Rätsel. Kennen Sie sie? Wieso er­kundigen Sie sich eigentlich? Sie sind doch sonst nicht so? Sie sind doch ein seriöser Mensch. Ent­schuldigen Sie, bttte, ich wollte Sie nicht belei­digen." Billinger verhaspelte sich. Hier spann sich doch etwas an. Wie kam dieser Schumann, von dem man wußte, daß er ein sogenannter stiller Reicher war, der sein Geld nicht herzeigte, und der nachgewiesenermaßen sein Herz auch nicht so- viel an etwas hing, daß er je irgend eine per­sönliche Frage gestellt hätte dazu, nicht nur zu Biel Abendbrot essen zu gehen, sondern sich sogar für die GyimeS-Revue und ein ganz bestimmtes Mädchen darin zu interessieren?" Sie hat kein Geld. Sie pumpt Kollegen an. Sie bleibt sogar ihre Miete schuldig. Der Direk­tor hat mir erzählt, daß ihre Wirttn bei ihm war. Dabei ist sie heute mit dem und morgen mit jenem zusammen. Und braucht sie Kleider zum Auf­treten? Sie hat doch sowieso kaum was an. Ich will Ihnen was sagen, Herr Schumann, das ist nichts für Sie! Das ist eine Wilde. Die ist wirk­lich aus Haitt. Nicht wie die anderen, die aus Lodz oder Jglau sind und sich westindisch geben. Sie ist vor zwei Jahren schon mal in Wien ge­wesen. Da" hat sie eine üble Polizei-Affäre ge­habt. Sie trat in einem Neinen Kabarett auf, mit einem Franzosen als Tanzpartner. Eines Abends stach sie plötzlich auf ihn ein. Aus Eifersucht. Soll ich sie Ihnen vorstellen?" Schumann erhob sich und bezahlte: Danke schön, lieber Billinger, ich kenne sie schon. Aber es war mir sehr interessant, durch Sie noch mehr zu erfahren. Sie bestätigen wirk­lich Ihren guten Ruf in außerordentlicher Weise." Grüßte und ging. Billinger warf sich ver­sonnen erneut über sein Rauchfleisch. Man lernte doch nie aus! Jetzt" stelzte der steife Schumann hinter dieserNegerin" her. In dieser Hinsicht war Billinger einem echten Amerikaner gleich. Die milchhellste Oktaverünin hätte bei ihm noch Vie BezeichnungNegerin" bekommen. Für ihn rauschte hinter ihnen allen sofort der Urwald. » Als Schumann in der engen Straße vor dem lleinen Theater eintraf, kam sie gerade von erllärte. daß es in der letzten Zeit ein sehr belieb­tes Mittel fei, auf diese Art den Arbeitslosen ihre Unterstützungen vorzuwerfen, auch wenn sie nur 10 und 20 ssö wöchentlich auSmachen. Solche Pauschalvorwürfe müsse man auf das entschie­denste ablehnen. Genosse Rimeäek erinnerte wei­ters daran, daß die Zeiten vorbei sind, in denen di« Saisonarbeiter sich für den Winter etwas zu- rücklegen konnten» so daß ihre Unterstützung voll gerechtfertigt ist. Jnsolange man nicht allen Ar­beitswilligen Arbeit verschaffen könne, müsse man sie unterstützen, damit sie leben und die Krise überdauern können.(Beifall.) Später nannte auch M i k u l i c e I(Komm.) Labäjs Ausfüh­rungen ein^unchristliche Rede". SdP und Unternehmer In einer Front Nach Annahme der beiden Vorlagen leitete Genosse Modraöekdie Verhandlungen über die Stabilisierungsbilanz e n mit einem sehr instruktiven Referat ein, aus dem hervorging, welche unberechtigt großen Vorteile zu Lasten der Staatskasse der Bürgerblock sei­nerzeit den Unternehmern zugeschanzt hat. Kein Wunder, daß sich sofort Herr L i e h m von der SdP zu Worte meldete und nicht nur gegen die rückwirkende Geltung des Gesetzes prote­stierte, sondern sich auch bellagte, daß viele Be­stimmungen der Novelle für die Industrie sehr drückend seien... Die SdP betrachte das ganze Gesetz aus juristtschen und wirffchastlichen Gründen als verfehlt! Die Regierungsvorlage über die Wanderge­werbe kann von dem Senatssubkomitee derzeit nicht erledigt werden, weil Differenzen mit dem Han­delsministerium aufgetaucht sind. DaS Subkomitee hatte sich gegen die Fassung des§ 9 gewendet, wor- nach die Ausübung von Wandergewerben in Kur­städten und Städten mit mehr als 10.000 Einwoh­nern nicht zulässig sein soll, und beschlossen, diese Grenze auf 20.000 Einwohner hinaufzusetzen. Han­delsminister Rajman glaubt offenbar, im Interesse des Gewerbestandes auf diese Aenderung nicht ein­gehen zu können, so daß Wer diese Angelegenheit erst ein Koalitionsbeschluß wird herbeigeführt wer­den müssen. Die GerichtSentlaftungSnevelle, die gestern im verfassungsrechtlichen Ausschuß des Senat- zur Ver­handlung stand, wurde dort über Anttag des Ge­nossen Dr. Heller einem Subkomitee über­wiesen, in daS jede Partei je einen Vertreter ent­sendet. Sodann wurde die Regierungsvorlage über den Schutz des Autorenrechtes(eine Novelle zum Gesetz 218/26) verhandelt, welche eine Angleichung unserer Gesetzgebung an das interna« tionale Recht zum Inhalt hat. Die Novelle wurde nach Vornahme einiger von den Genossen Dr. Heller trift) Dundr beänktagten Arnderüngrtl'ckngenommcn. private Besprechungen Dr. Hodtas Paris . Der gestrige Tag des Pariser Auf­enthaltes des Vorsitzenden der Regierung Dr. Mi­lan Hodja war zum größten Teil privaten Besuchen und Unterredungen gewidmet. Der Ministerpräsident empfing ver­schiedene Persönlichkeiten namentlich aus Jour­nalistenkreisen. Nachmittags besuchte ihn der Präfekt des Pariser Departements Villey. Abends gab Gesandter Dr. Osuskh zu Ehren Dr. Hodzas ein Diner. der anderen Seite heran. Ein Mann ging an ihrer Seite. Eigentlich war die Bezeichnung Mann" falsch. Auch ein Bursche war es nicht. Aus dem Schatten des Haustors, in das er ge­treten war, konnte Schumann nur schwer eine Definition finden. Unwillkürlich dachte erein Individuum" und legte persönliche und sachliche Abneigung in diesen Ausdruck. Der Fremde wär unbestimmt gekleidet, ziem­lich schäbig, schien der heruntergekommenen Intel­ligenz anzugehören. Die Mütze, die er tief ins Gesicht gerückt trug, gab ihm einen saloppen Aus­druck. Er blieb mit Haydöe einige Schritte vor dem Theater stehen, geräde unter einer Laterne. Da sah Schumann, daß er, obwohl noch jung, ein zerfurchtes Gesicht hatte, ja fast ein abschrecken­des. Eine Narbe lief von oben links über ein ganz zusammcngezogenes Auge bis hinunter zur Backe. Ob das Auge nicht mehr erhalten war oder sich nur unter den Falten deS Fleischwulstes ver­barg, konnte Schumann nicht feststellen. Auf jeden Fall hatte er ein unangenehmes Gefühl. Es war so ein Luder-Geruch, schien es ihm, um den Mann. Haydöe verabschiedete sich sehr kame­radschaftlich von ihm. Das war der richtig« Aus­druck dafür. Es lag weder Abhängigkeit noch all­zu nahe Vertrautheit in der Art, wie sie ihm die Hand gab und zunickte. Der andere rührte leicht mit einem Firtger an die Mütze und verschwand rasch. Die Art, wie er sich in das Dunkel der Häuser schlug, hatte etwas von einem Tier, das sich mit einem Sprung beiseite drückt. Der Besuch der Femina-Revue, die berühmt dafür war, daß hier immer ausgesucht schöne Frauen austraten, war durchaus kein, verwirren­des Ereignis für Schumann. Aber die beängsti­gende Fülle der Menschen, ihre unmittelbare Nähe, ihr gräßliches Lachen gingen ihm auf die Nerven. (Fortsetzung folgt.)