Seite 2
Freitag, 21. Feber 1936
Nr. 44
Jahr lang Ivütend bekämpft? Tas hat mit einem wahrhaft proletarischen Streben nach der Erkenntnis dessen, Iv a s i st, n i ch t S z u t u n. Die Folgen dieses östern Wechsels des Standpunktes sind, daß die kommunistischen Arbeiter und die kommunistischen Versammlungsredner niemals wissen, was in dem betreffenden Augenblick richtig ist. So ist es sozialdemokratischen Vertrauensmännern insbesondere in der Zeit des letzten Kongresses der Kommunistischen Internationale geschehen, dass sie mit kommunistischen Rednern zusammengetroffen sind, welche di- Zeitung an dem betreffenden Tage noch nicht gelesen hatten und das Gegenteil von dem sagten, was auf dem Moskauer Kongreß verkündet wurde. Sie wanderten noch auf der alten Linie, während schon die andere Linie die offizielle war. Wie groß die Verwirrung in den kommunistischen Reihen ist, erfuhr einer unserer Genossen am letzten Sonntag, als er dem kommunistischen Gegenredn.'» in der Versammlung die Frage stellte, ob die Sozialdemokraten aus der Regierung austreten sollen oder nicht. Der kommunistische Referent stotter.e lange herum und erklärte schließlich, er werde die Antwort— in zwanzig Minuten geben. Er war I
Der Mieterschutz Im Mittelpunkt der Verhandlungen Prag . Die Erwartung, daß die Regierung dem Abgeordnetenhause noch am Donnerstag einige jener Vorlagen zustellen werde, die seit längerer Zeit Gegenstand der ministeriellen Beratungen sind, hat sich nicht erfüllt. Wie aus dem offiziellen Bericht über den Mini st errat hecvorgeht, wurde ein Gesetzentwurf über die Baubewegung ztvar verabschiedet, die Vorlage an das Parlament wird jedoch erst in der nächsten Sitzung am 27. d. M. erfolgen. Es handelt sich hiebei um die Bauförderung und um den staatlich subventionierten Bau von WohnküchenfürdieärmstenSchich- t e n der Bevölkerung. lieber den Mieterschutz, der mit Ende März abläuft, ist noch keine Entscheidung gefallen, die Verhandlungen darüber werden Freitag im wirtschaftlichen Ministerkomitee fortgesetzt werden. Es liegen agrarische Anträge vor, für die Liquidierung des Mieterschutzes bei Zweizimmerwohnungen einen Endtermin(Mitte 1937?) zu fixieren, andererseits sind Bestrebungen im Gange, diese Liquidierung nicht generell durchzuführen, sondern eine soziale Lösung in der Richtung zu suchen, daß Mieter unter einer gewissen Einkommensgrenze nicht betroffen werden. Bor allem für die Einzimmerwohnungen beharren die s o z i a l i-' st i s ch c n Parteien, falls auch hier bereits ein Endtermin festgesetzt werben sollte, unbedingt auf Ausnahmen für die sozialschwäch- st e n Mieter. Beide Vorlagen werden vom Parlament jedenfalls zu gleicher Zeit verabschiedet werden. Weiters genehmigte der Ministerrat die Verlängerung der Verordnung über die Ver- dindlichkeitserklärung drrKollektivver- träge um weitere zwei Monate, das ist biS Ende April d. I. In der Zwischenzeit sollen die Verhandlungen über die definitive Form dieser Verordnung zum Abschluß gebracht werde». Auf dem Gebiete der Arbeitslosenfürsorge wurden vom Ministerrat einige An-
nicht imstande, auf die Frage des sozialdemokratischen Redners mit ja oder nein zu antworten und mußte unter dem Gelächter der Versammlung abziehen. So bringen alle die langen Reden und Artikel der Kommunisten und ihrex Presse keine Klärung in dieser ernsten Zeit, sondern tragen nur eine verhängnisvolle Verwirrung in die Reihen jener Arbeiter hinein, die von der kommunistischen Agitation erfaßt werden. Einige Monate hat es geschienen, als ob die KPC eine reale Politik zu machen sich anschicken würde, als ob sie die Absicht hätte, mit uns zusammen- die Demokratie tatkräftig und aktiv zu verteidigen und mit entschlossener Hand in den Befreiungskampf des mitteleuropäischen Proletariats einzugreifen. Rach dem Auftreten Gottwalds, dem sich die KP§ zweifellos beugen wird, ist diese Illusion begraben. D i e Kräfte der in der Kommuni st ischen Partei organisierten Arbeiter gehen für den aktiven Kampf der Arbeiterschaft in der Tschechoslo wakei verloren und die Kommunistische Partei wird, wie ein tschechischer Publizist richtig sagte, weiter den Buddha spielen, der sich in ewiger Betrachtung des eigenen Nabels erschöpft.
träge betreffend die Durchführung des G e n t e r S y st e m s genehmigt. Es handelt sich jedoch nur um laufende administrative Maßnahmen, so um die Regelung der Frage der Vorschüsse an die Gewerkschaften und um Ansuchen von Ge- werffchaften um Einbeziehung in das Genter System. Bei den Verhandlungen in den letzten Tagen spielte auch die Frage der Durchführung des Gesetzes über die finanzielle Hilfe für. die Selbstverwaltungskörper eine gewisse Rolle. Grundsätzlich genehmigt wurden vom Ministerrat ferner eine Regierungsverordnung über die Organisierung der Polizeiverwaltung und des Polizeidienstes und der einschlägigen Zweige der inneren Verwaltung. Es han- delt sich hier nicht um den Sicherheitsdienst selbst, sondern um Fragen, welche in den Bereich der Selb st Verwaltung fallen. Genehmigt wurde weiter eine Vorlage über die Regelung der Wahlkreise in der Slowakei , deren Abgrenzung zweckmäßig geändert werden soll. Zu Beginn des Ministerrates hatte Ministerpräsident Dr. H o d z a über seine in Paris geführten Verhandlungen und über die gesamte außenpolitische Lage sowie über seine bevorstehende Reise nach Belgrad einen Bericht erstattet, der mit einmütiger Zustimmung zur Kenntnis genommen wurde. Kinderhilfsaktion Im Gesundheitsministerium werden derzeit einvernehmlich mit dem Fürsorgeministerium Richtlinien für eine Kinderhilfsaktion ausgearbeitet, durch die gesundheitlich gefährdete Kinder von Arbeitslosen aus den Notstandsgebieten für einige Wochen in Erholungsheime geschickt werden sollen. Der Ministerrat hat für diese Aktion bereits einen entsprechenden Betrag bewilligt. Wir kommen auf die näheren Details der Durchführung dieser begrüßenswerten Aktion noch ausführlicher zurück.
kemeZ segen Budgetüberschreitungen ohne Genehmigung des Parlaments Prag . Das Parlament beendete Donnerstag die Debatte über den Staatsrechnungsabschluß für 1934 und vertagte sich dann bis Donnerstag, den 27. Feber, um 3 Uhr nachmittags. Aus der gestrkgen Debatte ist besonders das außergewöhnlich scharf formulierte Schlußwort des Budgetreferenten R e m e s hervorzuheben. Reines reagierte darin auf die Bemerkung eines Redners, daß niemand schärfer die Wirtschaft der Regierung kritisieren konnte als der Berichterstatter selbst, mit der Feststellung, daß seiner Auffassung nach der Berichterstatter verpflichtet sei, seine Ansichten. wie immer sie auch seien, ungeschminkt oorzutragen. Es könne für die Regierungsmehrheit nur ein Plus sein, wenn der Referent den Mut habe und die Verpflichtung in sich fühle, dort d i e Wahrheit zu sagen, wo sie im Interesse des Staates gesagt werden muß. Es wäre traurig bestellt. wenn die Angehörigen der Mehrheit alle Vorlagen so annehmen müßten, wie sie dem Parlament borgelegt werden. Remes schloß sich auch den Ausführungen des Abgeordneten SlaviLek vollinhaltlich an, daß das Parlament darauf bestehen müsse, daß ihm Budgetüberschreitungen rechtzeitig zur Genehmigung vorgelegt werden. Di» Regierung müsse sich vor Augen halten, daß das Parlament die Budgetüberschreiwngen nicht immer Äbne Konsequenzen nachträglich genehmigen müsse und schließlich auch einmal tatsächlich nicht genehmigen werde. Es könnte einmal der Fall eintreten, daß sich die Regierung deshalb eine Ministeranklage zuzieht. Die verantwortlichen Herren in den Ministerien und im Präsidium des Ministerrate- sollen wissen, daß das Gesetz, wenn es für jÄen gewöhnlichen Sterblichen gsit, um so mehr auch für die Regierung und für die Ministerien gelten müsse. (Beifall.) Der Staatsrechnnngsabschluß wurde dann ohne Aenderung genehmigt und die nachträgliche Bewilligung zu einzelnen Budgetüberschreitungen erteilt.
S'luns des Obersten S aats- Verteidigungsrates Prag . Der Oberste Staatsverteidigungsrat, der Donnerstag auf der Burg in Anwesenheit der Mitglieder des Rates und der Vertreter der Militärverwaltung eine Sitzung abhielt, behandelte eine Reihe von Fragen, militärische Angelegenheiten betreffend, und genehmigte unter anderem im Prinzip den Gesetzentwurf über die Staatsverteidigung, mit welchem sich noch die Regierung befassen wird und der dann dem Parlament vorgelegt werden wird.
Kommunistische Geheimdruckerei entdeckt Fünfzehn Verhaftungen in Prag Die Polizeidirektion in Prag teilt mit: In letzter Zeit wurde sowohl in Prag wie am Lande die Verbreitung deutscher Agitationsdruckschriften festgestellt, die durch ihre Form und ihren anstößigen Inhalt gesetzwidrigen Charakter hatten, denn sie enthielten auch die Propagierung einer gewaltsamen Aenderung der demokratischen Ordnung. Durch Nachforschungen nach dem Ursprung dieser Druckschriften wurde festgestellt, daß diese unter den reichsdeuffchen Emigranten verbreitet werden und auch für die Verbreitung I jenseits der Grenze bestimmt sind. Sie wurden in einer Prager Druckerei hergestellt und in einem I
Magazin aufgestapelt, das. zu diesem Zwecke eigens gemietet wurde. Bei der Hausdurchsuchung in der Druckerei und im Magazin wurde eine bedeutende Zahl dieser Druckschriften beschlagnahmt. Die Urheber dieser gesetzwidrigen Agitation, in der Mehrzahl reichsdeutsche Emigranten, ungefähr 15 Personen, wurden sichergestellt und unter entsprechender Strafanzeige m die Hast des Kreisstrafgerichtes in Prag eingeliefert.
Gegen die chauvinistischen XoionisationspiSne In einem Aufsatz der„Zukunft" widmet Genosse Willi Wanka den Fehlerquellen der tschechischen Politik ein offenes Wort. Er schreib? dabei über die Kolonisationspläne der ffchech.» scheu Chauvinisten: Jede Jnnenkolonisation, die ihr Hauptziel in der Stärkung deS tschechischen Elements im deutschen Gebiet erblickt, Vst keine staatspolitische Aufgabe, sondern schafft dem Staate immer neue Feinde, weil sie den Deutschen den Weg zur Reugründung einer Existenz abschneiden mutz. Dee Staat kann nicht vor der Aufgabe ausweichen, daß er den Deuffchen, die er gewollt hat, eine genügend breite Existenzbasis beläßt und dort neu- schafft, wo sie zusammengeschrumpst ist. Hen lein ist nicht durch die„Hraniöäki", sondern nur durch die staatstreuen deutschen demokratischen Menschen z u s ch l a g e n, die der Staat zu allererst dadurch an sich binden mutz, daß er ihnen ausreichend: Lebensmöglichkeiten sichert. Wenn also die tschechische Innenpolitik das deutsche Grenzgebiet wirklich sichern will, dann vollziehe sie eine Abkehr von der bisher üblichen Art der wirtschaftlichen Durchdringung der deuffchen Bezirke durch tschechische Clemente und setze sie im Grenzgebiet soziale Leistungen ohne Rücksicht auf falsche nationale Erwägungen. DaS wird den Tschechen als Staatsnation noch lange keinen Abbruch tun, aber dl« Deutschen kann es aus der Gefolgschaft Henleins und zu positwer Einstellung zum Staate führen!
Ehrung des Genossen Schäfer. In der gestrigen Sitzung unseres Abgeordnetenklubs verabschiedete sich der Vorsitzende Genosse de Witte mit einigen herzlichen Dankesworten für dessen große Leistungen auf parlamentarischem Gebiet von dem scheidenden Genossen Schäfer, der im Vormonat nach fast dreißigjähriger Tätigkeit als Parlamentarier sein Mandat mit Rücksicht auf sein Alter zurückgelegt hat. AIS Vorsitzender des gemeinsamen Klubs schloß sich Genosse Dr. Czech den Dankesworten an. Genosse Schäfer dankte, sichtlich gerührt, für die schlichte, aber eindrucksvolle Ehrung.— ES wurde sodann Genosse Katz einstimmig zum Nachfolger Schä» fers als Klubkafsier gewählt. Die Schiedskommissionen für die Baumaterialien-Preise, deren Errichtung vom letzten Ministerrat grundsätzlich beschlossen wurde, sollen bereits in den nächsten Tagen konstituiert werden. Es handelt sich darum, unbegründete Preissteigerungen der Baumaterialien, die zu einer Gefährdung der kommenden Bausaison führen könnten, verläßlich hintanzuhalten. Die Schiedskommissionen werden bei den einzelnen Landesämtern errichtet; ihre Mitglieder sollen aus Vertretern der Behörden(des Wucherdienstes), aus Vertretern der Produzenten, der Baumeister und der Baugenossenschaften bestehen.
MANNER , FRAUEN I UND WAFFEN I ■ Roman von Manfred Georg| Copyright by X>r. Mtntred Georg, Präs Mardrier verzog ein wenig das Gesicht: „Sehen Sie. wir sind unter Männern. Ich weiß, daß die Sache für Sie sehr wichtig ist. Hoffentlich überschätzen Sie sie nicht. Versuchen Sie zu unterscheiden, was wirkliche. Wille ist oder nur dumpfe'Gewöhnung' an einen Wunsch. Sie brauchen gar keine ungeduldige Bewegung zu machen. Allerdings wäre es das erstemal, daß ick einen Auftrag erfülle, der mir nicht angenehm ist. Die Söanee hat mich sehr angestrengt. Ich hatte danach noch einen ganzen Tag Nerven- sckmerzen. Das lähmt mich, macht mich unfähig für andere Geschäfte. Wer trotzdem wären Sie zufälligerweise in der Lage, mir einen Wunsch zu erfüllen. Lassen Siö die Brieftasche ruhig stecken. Sie waren mit einer Frau da auf dem Sem mering , die mich kxhr interessiert. Ziehen Sie kein Gesicht, eö wird tatsächlich romarüischer als Sie denken. Diese Frau stand Ihnen doch sehr nahe? Es schien mir wenigstens so. Fragen Sie sie, ob sie einen Wend zu mir kommt, wenn ich die Skanee für Sie mache. Es ist das einzige, was mir im Augenblick lohnend erscheint. Sie werden mir zugeben— Sie sind doch«in Mann — daß es sinnlos wäre, statt dessen tausend Schilling zu fordern. Sie sind sicher auch modern genug, um jetzt nicht aufzubrausen und mich einen Schurken und Wahnsinnigen zu nennen. Ueberlassen wir das den Helden in schlechten Romanen. UebrigenS wollte ich Sie noch um Rat fragen: Da wird augenblicklich zwischen Ungarn und Jugoslawien ein Vertrag über Agrarprodukte
abgeschlossen, und die Finanzierung soll in Wien siattfinden. Ein Doktor Brinnitzer führt hier die Verhandlungen, ist das ein Mann, auf den man sich verlassen kann?" „Soweit ich Brinnitzer kenne:;«." „O, das ist mir sehr lieb, von Ihnen zu hören. Dann werde ich da hineinsteigen." „Sie machen auch Finanzgeschäfte?" „Aus Liebhaberei. Dafür sammle ich aber keine Briefmarken. Rauchen Sie noch?" „Danke, nein." „Also, dann entschuldigen Sie mich jetzt vielleicht. Ich muß rasch fort und vorher noch ein paar Gespräche führen. Auf Wiedersehen, nicht wahr?" Sie lagen im Dunkeln nebeneinander. Schließlich stieß Schumann hervor: „Ich habe mir bis vor fünf Minuten nicht vorstellen können, daß ich es dir sagen könnte." „Jetzt hast du es aber getan." „Ich bin herumgelaufen wie blind, dann habe ich zurückwollen und ihn ohrfeigen. Ich habe ordentlich seine Backenknochen krachen hören. Nachher habe ich stundenlang vor einem Kino gestanden, das eine feurige Lauffchrist hatte, die sich jede Minute erneute. Ich habe gemeint, daß, wenn ich die Augen von dieser Schrift ließe, ich aufs Pflaster stürzen würde." „Aber ich habe dir doch gesagt, daß ich dich liebe." „Was heißt das bei Dir?" „Ganz schlicht und einfach das, was es bei jeder Frau heißt. Ich liebe dich so sehr wie mich selbst. Nm meinetwillen. Das ist mehr als Ver- fallensein. Außerdem, du vergißt, woher ich komme." „Ich vergesse es nicht, denn ich weiß es ja nicht." „Meine Großmutter ist als junges Mädchen noch an einen Pfahl gebunden und ausgepeitscht worden, nachher— na, du wirst ja wissen, wie
Blut auf Männer wiffkt. Mein ältester Bruder, der von Haiti in die Staaten wanderte, wurde in Tennessee gelyncht, weil ihn die Frau eines Advokaten, die übrigens jetzt in einer Irrenanstalt sitzt, beschuldigt hatte, ihr unter die Rücke gefahren zu sein. Er war natürlich völlig unschuldig. Man hat in meiner Familie manches erlebt. Warum sollte ich es besser haben? Außerdem habe ich es besser, denn ich habe dich." Schumann sah, wie sie sich aufrichtete. Sie beugte sich über ihn und sah ihn lange an. Er konnte ihre Augen in der Schwärze des Zimmers kaum unterscheiden, aber er spürte in der Spannung der Minute, wie sie, ohne ihn auch nur zu berühren, in ihn eindrang, wie der Strom ihrer Gefühle durch die Poren in sein Blut einsickerte, wie er den Lauf seines eigenen beschleunigte. „Wer bist du eigentlich?" fragte er. „Das weiß ich noch nicht. Aber ich glaube, auf dem rechten Weg." „Wohin?" „Vielleicht zu meinen Kindern." Sie schwiegen lange. Er grübelte über ihre Zweideutigkeiten nach. Mit einem Male fiel ihm der junge Mann mit der Mütze ein. Er sprach davon: „Wer ist das eigentlich?" „Ein Bekannter." „Hat er einen Beruf?" „Ja, er ist Ingenieur. Aber er hat keine Stellung. Infolgedessen verteilt er Zettel, ist Ausrufer im Prater mitunter und macht sonst so allerhand." „Du kennst ihn näher?" „Eigentlich nicht, wir haben nur gemeinsame Interessen." Schumann knipste das elektrische Licht an, das Wort„Interessen" regte ihn auf. Es stand für ihn in seiner Bedeutung und seinem Tonfall so jenseits aller Vorstellung, die er von Hayder hatte, daß er sie ansehen mußte. Sie lag, die Hände hinter dem Blauhaar-
Schopf verschränkt, auf dem Rücken und sah ihn überrascht an: „Was ist denn?" „Ich verstehe das nicht: Interessen! WaS hast du mit diesem unangenehmen Kerl ge» »Pinsam?" Haydee schielte, ohne große Lust zur Antwort zu haben, nach ihrer linken Brustspitze. „Gott , viele Menschen haben doch gemeinsame Interessen. Das hat doch nichts mit ihnen selbst zu tun. So meine ich das." „Ich finde den Kerl gräßlich. Woher hat er überhaupt dieses widerwärtige Auge?" „Das weiß ich nicht genau. Ich glaube, er hat bei einer Schlägerei einen Hieb über den Schädel bekommen. Jedenfalls ist die Sehkraft links zerstört." „Hast du denn vor Mardrier gar keine Angst?" „Nein. Ich freue mich auf ihn." „Du bist doch wohl wahnsinnig? Oder möchtest Du vielleicht ironisch sein? Wenn ich es dir nun also nicht erlaube?" „Du mußt mir's ja erlauben! Du willst doch wissen, wo deine Tochter ist. Das ist doch wichtiger, als wenn ich einige Unbequemlichkeiten habe. Nicht wahr? Du könntest doch nicht ohne sie leben? Obwohl du noch nie mit ihr gelebt hast. Wer sprechen wir nicht davon. Mich reizt Mardrier. Er ist sicher der sanfteste Schurke, den eS gibt. Und sicher noch etwas mehr. Du brauchst keine Angst zu haben: Du bist mir nicht verpflichtet. Außerdem, ich bin ja sehr bald in Barcelona. — Aber jetzt bin ich müde. Dreh doch das Licht aus." Ohne dies abzuwarten, kam sie zu ihm und legt« ihr Gesicht Zwischen seinen Hals und seine rechte Schulter und war wie ein Kind in einer halben Minute eingeschlafen. LForffetzung folgt.))