Nr. 44

Freitag, 21. Feber 1836

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Deutsche Märkte Von Hero Auf-en ersten Blick bieten die Berliner Märkte, Warenhäuser, Schaufenster ein durchaus normales Bild. In den Schaufenstern Kleider, Schuhe, Stoffe, geschmackvoll arrangiert, in den Lebensmittelläden zu Häuf getürmte Fleischsvr- ten, Fische, Würste, Fett und Käsearten. Die Berliner konstatieren freudig, daß es heute sogar Butter gibt.Butter in beliebiger Menge", steht zu lesen, und man denkt sich nichts dabei. Im Gegenteil, man freut sich. Man hat vergessen, daß es einmal eineVerbrecherregierung" gab, vier­zehn Jahre lang, während der das Vorhanden­sein von Butter kein Ereignis und nicht weiter erwähnenswert war. Allerdings die Eier, die sind knapp» doch es wäre Greuelpropaganda. zu be- haupten, daß sie überhaupt nicht vorhanden sind. Zwei, drei Stück pro Familie sind mit Ausdauer und gütem Willen zu ergattern, manchmal sogar öfter als einmal in der Woche. Schweinefleisch und-Fett braucht man schließlich auch nicht zum Bolksnahrungsmittel zu machen, es ist im Grunde eine Auflehnung gegen die Regierung, wenn, wie wir beobachten konnten, eine Frau von einem Stand auf dem Markte zum anderen rennt, weil ihr unbotmäßiger Mann den ketzerischen Appetit aus ein Schweinskotelett nicht unterdrücken kann. Sie ersteht denn auch ein Kotelettchen, winzig klein für 70 Pfennig, 7 Kronen zum offiziellen KUrs. Oel und Sahne gehören nun wirklich nicht zu den unbedingten Lebensbedürfnissen, was man sich vor Augen halten möge, wenn sie zufällig für Tage oder Wochen nicht zu haben sind.

Die Zeitungen wissen für solche Dinge trif­tige Erklärungen: unfähige Melker haben anno 1914, als die eigentlich Berufenen mit Helden­tum beschäftigt waren, durch ihre Ungeschicklich­keit die Kühe verdorben, unb die Schweinemör­der von 1916 haben, vom totalen Staat noch nicht zu Opfermut und Hingabe an die Gemein­schaft erzogen, als das Futter für Mensch und Tier knapper wurde, ihre Schweine einfach abge­schlachtet, ohne an Aufzucht und Rassenberede- lung diesmal die der Schweine zu denken. Nun hat man die Folgen! Etwas verspätet sind sie eingetreten, aber sie sind da. Daß es auch keine Kuvertüre gibt, ist ein Problem nur für jene, die das Geld haben, sie zu kaufen. Kuvertüre oder Tunkmasse ist die Schokolade, aus der man Tortenübergüsse und Glasuren auf Konfekt bereitet. Welcher Durch- schnittsbürger ißt schon Kuvertüre? Zuckerbäcker aber bekommen sie auf Bezugscheine. Rein, es wäre wirklich nicht weiter tragisch, zumal es andere Schokolade gibt. Mer es ist symptoma­tisch. Bezugscheine im tiefsten Frieden, Vorschrif­ten über den erlaubten Fettgehalt der Seife, Ver­schwinden oder Verknappung von Butter, Eiern, Fleisch, Fett sind gefährlich selbst für jene, die sie ohnedies nicht kaufen können. Denn sie machen einen Zustand zur Nony, den mqn jenseits der Grenzen nur als Begleiterscheinung der furcht­barsten aller Situationen, des Krieges, kennt. Kriegsideologie wird zum Alltagsdenken, fremde Zeitungen, aus denen man erfährt, daß es ander­wärts anders ist, kommen so gut wie gar nicht herein. Man staunt, wenn man hört, das sei nicht allgemein so: man glaubte es, weil doch überall soviel gerüstet wird. So sucht man sich

Etwa achtzig der 152 Labour-Abgeordnetrn sind Abstinenten. Sie haben eine eigene Gruppe der abstinenten sozialistischen Parlamentsmit­glieder gegründet. Die meisten gehören dem W. T L.(Workers Temperance League Arbei- ter-Wstinenten-Bund) an, etliche sind ander­weitig als Abstinenten organisiert. Die alko­holenthaltsamen Parlamentarier aller Parteien des englischen Parlaments haben eine allgemeine Abstinentengruppe gegründet, deren Vorstand die Genossen Robert Aoung und Dr. A. Salter an­gehören. Als Nachfolger des verstorbenen Henderson wurde Genosse George Lansbury zum Vorsitzenden des englischen Arbeiter-Abstinenten- Bundes gewählt. EineWehrliteratur-Handlung". In Mos­ kau ist die erste Buchhandlung der Welt eröffnet worden, die ausschließlich militärische, oder wie mqn sie dort, nennt,Wehr"-Literatur verkauft. Der Buchhandlung ist ein bibliographisches Aus­kunftsbüro angeschloffen u. darüber hinaus eine Abteilung zur Komplettierung militärischer Bü­chereien. F Neue englische Marken mit König Eduard. Ende des Jahres werden in England neue Post­marken mit dem Bilde des Königs Eduard VHI., en face, ausgegeben werden. Nach seinem eigenen Beschluß werden die Bilder den König bis zum Gürtel in Marineuniform ohne Kappe darstellen. Die neue Serie der englischen Marken wird ge­genüber der bisherigen Gewohnheit eine bedeu­tende Abweichung bedeuten, denn seit 1840 wurde auf den Marken nur der Kopf des Staats­oberhauptes dargestellt. Die Philatelisten der ganzen Welt erwarten die Ausgabe dieser Mar­ken mit großem Interesse. Seelenwanderung. Ein kleines achtjähriges Mädchen namens Santha in Delhi ist zur Zeit das Ziel von Tausenden von Pilgern. Die Gläubigen meinen, in dem Kind einen lebenden Beweis für die Lehre von der Re-Inkarnation zu haben, und verehren sie um so mehr, als nach buddhistischer Auf- faffung der Fall einer Seelenwanderung, in dem auch die nächste Existenz eine menschliche ist, eine be­sondere Gnade der Gottheit darstellt, weil gewöhn­lich die Seelen der Verstorbenen in Tieren wieder­kehren. DaS wirkliche Wunder besteht aber darin, daß sich die kleine Santha an ihre frühere Existenz ge­nau erinnert. Sie gibt an, daß sie in einem Dorf gelebt habe, dort verheiratet war, und vor 11 Jahren bei der Geburt ihres Kindes, eines Knaben, geswrben sei. Allerdings weiß sie nichts über die drei Jahre, die ihre Seele nicht auf dieser Welt weilte, anzu- geben. Man glaubte äuS ihrer sehr genauen Schil­derung des Dorfes dieses aufiinden zu können, und suchte in ganz Indien . Endlich fand man ein Dorf, das mit der Erzählung des Kinde? große Aehnlich- keit hat. Und seltsamerweise wohnte dort tatsächlich ein Mann, her einen, 11jährigen Sohn, besitzt, und dessen Frau, bei der Geburt gestorben war. Man brachte beide zu Santha, die sie auch sofort wieder­zuerkennen glaubte. Der Mann konnte natürlich in dem achtjährigen Mädchen nicht seine verstorbene Frau rekognoszieren. Trotzdem verbreitet sich der Glaube, daß die Erzählung des Kindes wahr sei. Skeptiker werden natürlich sagen, daß das ganze eine Phantasie der kleinen Santha ist, die vermutlich vom Schicksal eines Mannes gehört hat, der seine geliebte Frau bei der Geburt des KindeS verloren hat. Aber die Inder sind nicht skeptisch und so wachsen sich die Pilgcrzüge zu einer neuen religiösen Be­wegung aus. Schachturnier in Leningrad . Am 5. Mai beginnt in Leningrad ein internationales Schachturnier von fünf ausländischen und fünf sowjetrussischen Schach­meistern. Ihre Teilnahme an dem Turnier haben Laskar, Eapablanka, Floht und Lilienthal bereits zu­gesagt. Auch Schachweltmeister Euwe wurde einge­laden. Seitens der Sowjetunion ist die Teilnahme von Botwinnik , Kahn, Loewenfisch, Ragosin und Rjumin vorgesehen.

1)MsEtsckast mul 5oLiaipotM Produkt'onsaufschwuhg und industrieller Kohlenverbrauch Produktionsindex stärker gestiegen als Kohienverbraüchsindex

Die industrielle Produktion der Tschechoslo­ wakei bat im Jahre 1935 eine langsam aufstei­gende Entwicklung genommen: Der Index war im November 1935 auf 78.5 gestiegen, während er in der gleichen Zeit des Vorjahres auf 66.0 stand. In Uebereinstimmung damit hat auch der indu­strielle Kohlenverbrauch eine Erhöhung erfahren. Betrugen die Kohlenlieferungen an industrielle Betriebe im Jahre 1934 8.3 Millionen Tonnen, so erreichten sie im vorigen Jahre die Höhe von 8.8 Millionen Tonnen. Die Zunahme beträgt demnach 0.5 Millionen Tonnen. An dieser Stei­gerung haben die einzelnen Industriezweige einen recht unterschiedlichen Anteil. In einigen ist der Kohlenverbrauch sogar geringer als 1934. Im einzelnen ergibt sich bei einem Vergleich folgendes Bild:

Entsprechend dem starken Produktionsauf­schwung, den die Eisen- und metallurgische In­dustrie genommen hat, ist bei ihr auch die Zu ­

1935 Tonnen

1934 Tonnen

Eisen- und metallver ­

arbeitende Jndusttie

2,270.000

1,810.000

Textilindustrie...

726.900

723.200

Chem. Jndustrie..

514.800

465.300

Holz-, Papier - und

Zelluloseindustrie.

412.900

403.900

Zementfabriken...

294.200

274.300

Gasanstalten....

269.400

242.700

Spiritus- und Hefe ­

fabriken....

135.100

128.500

Glasfabriken..»

394.700

379.700

Porzellanindustrie..

108.400

98.400

nahme des Kohlenverbrauchs am stärksten. Sie beträgt etwa 25 Prozent.

Im Gegensatz zu- den vorstehenden Industriezwei­gen hat in den folgenden der Kohlenverbrauch eine rückläufige Entwicklung genommen:

1935 Tonnen

1934 Tonnen

Elektrowerke..

1,358.000

1,366.000

Zuckerfabriken..

M

435.000

454.000

Maschinenindustrie

215.000

229.000

Brauereien..,

u

203.500

213.200

Ziegeleien.»»

203.300

235.300

Bergbau.. K,

n

138.800

146.000

Wasserwerke-.

25.100

25.400

Obwohl der Index für die Stromerzeu­gung und für die Produktionsinten­sität im Bergbau gegenüber dem Vorjahre eine Steigerung aufweist, ist der Kohlen- verbraych in diesen beiden In- dustriezweigen193 5geringer als 1934. Mit Ausnahme der Zuckerindustrie und der Brauindustrie haben alle anderen Konsum­güterindustrien ihren Kohlenverbrauch in Ver­gleich zum vorhergehenden Jahre steigern können. Der Index des industriellen Kohlenverbrauchs liegt im Jahre 1935 mit 63.7(1929--100) über dem des Jahres 1932, wo er 61.8 betrug. Der Gesamtinder der industriellen Produktion war 1934 66,7. Da er im November 1935 auf 78.5 stand, so ist demnach der Kohlenverbrauch der Industrie hinter der Entwicklung der Pro­duktion zurückgeblieben.

Die Löhne in SowJetruBland In der Jännernummer der Revue des In­ternationalen Arbeitsamtes ist der Bericht über eine Studienreise durch Sowjetrußland enthalten, die zwei höhere Beamte des Arbeitsamtes unter­nommen haben. Lorwin und Äbramson haben aus Sowjetrußland den Gesamteindruck mitgenom­men, daß der in den letzten Jahren erzielte Fort­schritt es den Russen jetzt gestatte, eine Synthese zwischen ihren kollektivistischen Grundsätzen und einer individualistischen Lebensgestaltung zu suchen. In ihren umfangreichen und interessan­ten Darlegungen behandeln sie auch die Lohn-. Politik und verweisen in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Verschiedenheit der Löhne und der Lebenshaltung. Die Differenzie- rungderLöhneseiin der Tat außer­ordentlich groß. Nimmt man alle Einkommens­stufen zusammen, so beginnt die Gehaltsskala bei etwa 100 Rubel für ungelernte Arbeiter und endet bei mehreren tausend Rubeln monatlich für Ingenieure, Wissenschaftler und Spezialisten. Doch sei die Zahl der hohen Einkommenempfänger nicht sehr groß. Selbst in Riesenunternehmungen sei die Bezahlung der Direktoren im allgemeinen recht bescheiden. Zu dem Barlohn der Fabrikleiter kommen allerdings noch bestimmte Privilegien hinzu, wie z. B. Autobenutzung und anderes. Der Barlohn stelle aber überhaupt nur einen Teil der Lohn» und Gehaltssumme dar. Es müsse ihm noch der sogenannte sozialisierte Teil des Gehal­tes, der in einer Fülle von Naturalleistungen be­steht, hinzugerechnet werden. Diese Naturallei­stungen seien: Versicherungen, kostenlose Arztbe- ' Handlung, Dienstwohnungen, Gratiszugang zu

V den verschiedensten kulturellen Veranstaltungen usw. Dieser sozialisierte Teil des Einkommens wird auf etwa ein Drittel der Gehaltssumme ge­schätzt. Außerdem sei für die Beurteilung des Le­bensniveaus der sowjetrussischen Arbeiter zu be­rücksichtigen, daß alle gesunden Familienmitglie­der zu arbeiten pflegen, so daß das gesamte Fa­milieneinkommen im Durchschnitt weit über dem Einkommen des einzelnen Arbeiters liegt. Ueber die Höhe des Realeinkommens ent­halten sich die beiden Reisenden genauer Angaben. Sie sagen, es sei unbestreitbar, daß Sowjetruß­land Im-Verhältnis zu den Einkommen noch ein teures Land geblieben sei, worin sich die Tatsache widerspiegelt, daß die Nachfrage nach Konsum­gütern das Angebot noch weit übersteige. Schließ­lich sei in den letzten Jahren in wachsendem Maße der Akkord- und Prämienlohn eingeführt worden. In der Großindustrie betrage der Anteil der auf diese Weise bezahlten Arbeitsstunden 1934 69.6 Prozent. Für 1935 liege die Ziffer sicher noch höher.

Der russische Außenhandel Der Außenhandelsumsatz der Sowjetunion erreichte im Jahre 1935 insgesamt die Höhe von 608,785.000 Rubel. Es betrug die Einfuhr 241,374.000 Rubel. Sie war damit um knapp neun Millionen Rubel höher als 1934. Die Aus­fuhr weist demgegenüber mit 367,411.000 Rubel gegenüber dem Vorjahre einen Rückgang von etwa 53 Miflionen Rubel aus. Die Außenhandels­bilanz schließt mit einem Ueberschuß von 126,037.000 Rubel ab.

mit dem derben, urwüchsigen Berliner Witz hin­wegzuhelfen, während man nach ein paar Eiern oder wenigen Dda Putter Schlange stehen muß. Und wenn einer keinen Spaß verstehen will, be­deutet man ihm gleichmütig:Im Kriege wars viel schlimmer, seien Sie fröh, daß es nicht ärger ist." Der zunehmenden Verknappung von Rind- fleisch wird durch Bezug von Gefrierfleisch ent­gegengewirkt. Wer auch die Preise für die ohne Schwierig­keit zu erlangenden Lebensmittel find hoch genug. Die Mark zum offiziellen Kurse von 10 KL ge­rechnet, kostet ein Kilogramm Butter, nur ge­salzen und nicht in bester Qualität zu haben, 32 KL. Wurst 2660 KL, Gänsefleisch 26 KL, Rindfleisch 20 KL, Speck 22 KL, Kalbskotelett mit Knochen 24 KL, gekochter Schinken, das achtel Kilo 6 KL, gebratenes Fleisch, das achtel Kilo ca. 10 KL, Reis 6.40 KL, ein brüchigerVolks­reis", wie man ihn im allgemeinen an die Hühner verfüttert, 3.50 KL, Erbsen 7 KL per Kilo, Linsen je nach Qualität 5.60 bis 10.40 KL, Mehl 4 bis 5 KL, Rudeln, die ausschließlich fertig be­zogen und viel verwendet werden, 8 KL, Graupen 5 KL, Grieß 5.60, Schweizer Käse 24 bis 32 KL u. s. f. Die Preise für Kleider, Schuhe. Wohnungs­miete, sonstige Lebensbedürfnisse sind entspre- chend hoch, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Berdienstmöglichkeiten und Reallöhne keineswegs durchgängig höher find als bei uns. Als Kurosum mag erscheinen, daß die Grund­gebühr für das Autotaxi in Prag 2.50 KL, in Paris Francs 1,25, in Berlin 50 Pfennig aus­macht, nachdem sie vorübergehend mit 25 Pfen­nig angesetzt war.

üuslamt Von der Gestapo ermordet Mitte Jänner warde der frühere BrzirkSsekre« tär des deutschen Metallarbeiterverbandes für Sach­ sen, A r t« r Schill-, in Dresden verhaftet. Zwei Tage danach wnrde seiner Fra« mitgeteilt, ihr Mann habe sichim Gefängnis erhängt"! Aber jeder, der Artnr Schille kannte, Weitz, datz die Gestapo lügt, daß Schille in entsetzlicher Weise er­mordet wurde. Wessen wurde er beschuldigt? Er soll eine befreundete Familie, deren Ernährer seir zwei Jahren von den Hitlerschergen frstgrhalten wird, unterstützt haben. Schille war selbst seit 1933 ar­beitslos und lebte in kümmerlichen Brrhältniffen. Aber diesem ruhigen» bescheidenen, unscheinbaren Manne war eS wohl zuzutrauen, von seiner kargen Unterstützung noch etwas abzugeben an Menschen, die in noch grötzerrr Rot lebten. Für diese Beschul­digung wurde er verhaftet und ermordet! Die Mörder lieferten durch ihr Verhalten selbst den Beweis. Die Einäscherung wurde in grötzter Eile vorgenommr« und nur den Angehörigen war gestattet, die Leiche anfgebahrt zn sehen, um ein« Untersuchung unmöglich zn mache». Trotzdem konnte die Gestapo nicht verhindern, daß rS auch körperliche Beweise für den Mord an Schille gibt. Kein Wort durfte am Sarge gesprochen werde«.

Die Pariser Presse über die Ratifikation des russisch-französischen Pattes. Seit 1924, als das Kabinett H e r r i o t die Sowjetregierung aner­kannt hat, ist das Interesse für die Sowjetunion im Parlament und in der Presse nie so stark gewesen wie heute. Zur Debatte steht der russisch -französische Pakt über die gegenseitige Unterstützung, und die öffentliche Meinung hat sich auch in dieser Frage ganz deut­lich auf die beiden Settoren verteilt: rechts und links. Auf der rechten Seite ist man im allgemeinen gegen den Pakt, während die Linke ihn begrüßt. Es ist gibt Paktgegner, die auf dem primitiven Standpunkt stehen: der Pakt zwinge Frankreich unter bestimmten Umständen die russischen Interessen mit der Waffe in der Hand zu verteidigen; das sei aber sehr gefährlich. Ruß-. lands Territorium, meint das verbreitete Boule­vardblattJe suis partout", nimmt den sechsten Teil der Erdoberfläche ein. Es sei klar, daß so übervölkerte Staaten wie Japan und Deutschland mit Begehrlichkeit auf diese ungeheuren, schwach bevölkerten Gebiete blicken. Hier sei ein Zusam­menstoß unvermeidlich, und Frankreich , das weder Veranlassung, noch Wünschhat, sich Mc Rußland zu schlagen, solle keinen.Pakt.mit Rußland schließen. Der bekannte rechtsstehende Außen- polittker de Kerillys meint imEcho de Paris", er wäre unbedingt für eine Allianz mit Rußland , wenn dort nicht die Bolschewiki an der Macht wären. Dagegen ist die Linke aus­nahmslos für den Pakt. So schreibt Pierre Do­minique in der einflußreichenRepublique": Heute steht vor uns bloß die Frage: wer stellt fürFrankreich die tödliche Gefährd« r:StalinoderHit- l e r? Ohne Zweifel, Hitler. Damit ist aber die Wahl für uns entschieden." Einer der Schöp­fer der russisch -französischen Annäherung, der frühere Minister de Monzie, meint inPetit Journal":Wenn kein Pakt, was also dann? Deutsch -französische Entente? Der oben verstor­bene berühmte Historiker Bainville hat bei­des verworfen, seine Parole lautete:Weder Pakt mitRußland noch eineEn- tentemit Berlin ! Also vollkommene V e r- einsamung? Für eine solche Politik muß ich mich aber schön bedanken, ich bin k e i n A n hän­ge r v o n S e l b st m o r d." Die Japaner in Rordchina. DemDaily Telegraf" wird unter dem 14. d. M. aus Pei- pina gedrahtet: Die Japaner haben die Kara­wanenverbindung zwischen Urga und Kalgan unterbrochen. Auf dieser Strecke haben über 30.000 Arbeiter bis jetzt an der Straßenausbesse- rung gearbeitet. Die ausländischen militärischen Kreise in Peiping halten es für w e n i g w a h r- scheinlich, daß die Grenzzwischenfälle zu einem Krieg führen werden. Die Verwal­tung von Nordchina soll mehr und mehr in japanische Hände übergehen. Der Politische Rat von Hopei hat sich an das Hauptquartier der Kwantung-Armee mit der Bitte gewandt, Fachleute in die verschiedenen Departements zu entsenden. Zwei japanischeBerater" sind be­reits ernannt. Krise und Wehrkraft. Der Deputterte des pol­nischen Sejtns Krawtschinskij hielt in der Kommission für soziale Fürsorge einen Vortrag über den Gesund­heitszustand der Bevölkerung Polens . ,Jn der letzten Zett", fühtte er aus, ,",sind die Assentierungskom- miffionen gezwungen, säst die Hälfte der Stellungs­pflichtigen angesichts ihres Gesundheitszustandes ab­zulehnen.. Sieben Prozent der jungen Männer sind tuberkulös, 5 Prozent leiden an Herzkrankheiten. Fast 20 Prozent sind wegen schlechten Körperbaus und ähnlichen Gründen untauglich. Und das alles ist Er­gebnis der Unterernährung und Rot. Sehr hoch ist auch", fuhr der Deputierte fott,der Prozentsatz der Säuglingssterblichkeit. Auf je tausend Neugeborene sterben in Polen im ersten Lebensjahr 143. Und in der letzten Zeit ist noch eine entsetzliche Meng« von Todesfällen infolge ungesetzlicher Abtreibungen fest» »zustellen."