Sosialdemokrat
ZENTRALORGAN
DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .
16. Jahrgang
Wichtige
Parteiberatungen
Nachdem am 24. Feber der Vollzugszusschuß getagt hatte, befaßte sich der Parteivorstand
Mittwoch, 26. Feber 1936
Was geht in der
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( einschließlich 5 Heller Porto)
Nr. 48
Rheinzone vor? Gegen soziale Verständnislosigkeit!
Einmarsch am 1. März?
Der Sonderkorrespondent des„ Daily Teleam 25. Feber in ganztägiger Beratung mit aller graph", der gegenwärtig die Rheinzone und das aktuellen politischen Problemen. Die Sißung Saargebiet bereift, berichtet in berichtet in sensa= wurde durch einen Bericht des Parteivorsitzenden tioneller Weise über die deutschen VorGenossen Dr. Czech, eingeleitet, der nach einem lleberblick über die außen politische Lage über alle inner politischen Vorgänge Bericht erstattete. Er stellte dabei insbesonder: fest, daß die Re de Henleins in Prag die leß ten Zweifel über den Charakter der Sudetendeut schen Partei beseitigt habe. Sodann berichtete Genesse Dr. Czech über die vorbereiteten Gesez un Verordnungsentwürfe, kündigte die bevorstehend Einbringung der Bauförderungsvor I age an und berichtete über den Stand der Verlage an und berichtete über den Stand der Ver: handlungen über das Genter System, über
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die Festsetzung des Kunstfetttontin gents, über die Schuldenregelung dc Selbstverwaltungskörper und über die Agrar politit. Ueber die Ernährungsaktion und der. einschlägigen Beschluß berichten wir gesondert.
In der Debatte, an der sich die Genossen Taub, Schäfer( Reichenberg), Nießner ( Brünn ), Pölz I( Aussig ), Wiener, Reiß ner( Bodenbach , Seller( Teplik), 3inner ( Falfenau) und Kern( Troppau ) beteiligten. fam der fortdauernde Notstand der arbeitenden Menschen, aber auch der entschlossene Kampftoille der Gesamtpartei zum Ausdrud.
bereitungen am Rhein . Die demilitarisierte Zone sei vollkommen dafür vorbereitet, von den werden neue Kasernen gebaut und alte indeutschen Truppen besetzt zu werden. Ueberall einen solchen Umfang erreicht, daß bereits das stand gesetzt; die betreffenden Bauarbeiten haben ganze Gebiet einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Einige Kilometer von Saarbrücken sei ein ar per militärischer Flugplass errichtet worden. Man habe daran während des großer ganzen Winters angestrengt gearbeitet. Den Arbeitern wurde ein Schwur abgenom in offiziellen Kreifen die bevorstehende Offupation men, absolut verschwiegen zu sein. Obgleich man felbstverständlich ablengnet und die Behauptung aufstellt, die Kasernen werden für die Polizei gebaut, könne man, wie der Mitarbeiter des„ Daily Telegraph " auf Grund seiner Informationen überzeugt ist, den Einmarsch der deutschen Truppen in die demilitarisierte Zone bereits am 1. März erwarten.
durch Deutschland und Italien ? Nach dem Schlußwort des Genossen Dr. Czech, in dem er auf alle vorgebrachten Wünsche und AnLondon. Der Berichterstatter des Reuterregungen reagierte, wurde der Bericht des Par- Bureaus in Rom erfährt, daß die Besprechungen teivorjizenden einmütig zur Kenntnis ge zwischen dem deutschen Botschafter Freiherrn nommen . Ueber Antrag des Parteisekretäre von Haffell und dem italienischen Ministerpräsi Genossen Taub wurde die Einberufung der Pa r- denten Mussolini ausschließlich den franzöteifonferenz auf den 22. März beschlossen. Sodann berichtete Genosse Taub über die neuersisch sowie trussischen Pakt. be= fiche Schwenkung der Kommunistischen trafen. Wenn der Pakt ratifiziert werden wird, Partei, die eine Verschärfung ihres Kampfes nimmt man an, werde eine Revision des gegen die Sozialdemokratie bedeutet und über die italienisch deutschen Standpunksich daraus notwendigerweise ergebenden Konse= tes notwendig sein, was, wie man erklärt, quenzen. Nach kurzer Debatte wurde die von G noffen Taub beantragte Resolution, die wir noch nichts anderes bedeuten könnte als die Kündirerlautbaren werden, einstimmig beschlossen. Der gung des Locarno Abkommens. Parteivorstand nahm einen Bericht des VorfißenDer Berliner Berichterstatter des Reuterden des Sozialistischen Jugendverbandes, Genoffer Bureaus meldet: Wenn der französisch- sowjetrusern, entgegen und verpflichtete in einem gleichsische Pakt vom französischen Parlament ratififalls einhellig gefaßten Beschluß alle Parteistellen ziert werden wird, wird Deutschland to n st er= in Fortseßung der engen Zusammenarbeit mit dem Jugendverband die Tätigkeit des Verbandsvorstan. des mit allen Mitteln zu unterstützen. Mit Erledigung der laufenden organisatorischen und administrativen Angelegenheiten wurde die arbeitsreiche Tagung abgeschlossen.
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niert sein, und niemand weiß, wie es darauf reagieren wird. Die auswärtigen diplomatischen Beobachter in Berlin vermuten jedoch nicht, daß Deutschland sofort mit irgendeiner provokativen Attion antworten
würde.
Neue Sanktionsthese Englands:
Nicht s'rafen, sondern vorbeugen! Oppositionelle Kritik an Eden
London.( Renter.) Nach Sinclair mel- famttabinetts, wird in konservativen dete sich der Arbeiterparteiler Atlee zum Wort, Kreisen gebilligt, in der liberalen und Labour der erklärte, daß er von der Rede Edens tief ent- Presse aber heftig kritisiert. Man wirft in oppotäuscht sei. Er behauptete, daß die Rede Edens fitionellen Kreisen der Regierung Schwäche und nur eine genaue Erklärung enthalten habe, Unentschlossenheit vor und macht sie für den mögnämlich, daß die britische Regierung bisher lichen Triumph Mussolinis verantwortlich, der feine Entscheidung über die Petroleum - das gesamte kollektive Sicherheitssystem aus den Angeln heben würde.
Keine weitere Schikanierung der Krisenopfer!
In den letzten Monaten ist die Unzufriedenheit der Arbeitslosen mit der Durchfüh rung insbesondere der staatlichen Ernährung 3attion gestiegen. Die Landes- und Bezirksbehörden wenden die Weisungen des Fürsorgeministeriums oft in einer so unsozialen und sogar verständnislosen Weise an, daß unbedingt Abhilfe geschaffen werden muß und wenigstens die schreiendsten Ungerechtigkeiten beseitigt werden müssen. Der Parteivorstand der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei hat sich nun in der Sizung am 25. Feber 1936 über die wir auch an anderer Stelle berichten in eingehender Weise mit der Durchführung der staatlichen Ernährungsaktion befaßt und beschloß nach dem Bericht des Parteivorsitzenden , der durch die Ausführungen einer Reihe von Debatterednern ergänzt wurde, nachstehende Resolution:
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ministerium angeregte und von der Regierung genehmigte Kinder. Der Parteivorstand begrüßt auf das wärmste die vom Gesundheitshilfsaktion, durch welche 9000 Rindern durch sechs Wochen die Mög lichkeit der Erholung gegeben wird. Der Parteivorstand muß aber gleich. zeitig seinem Befremden über die Praris Ausdruck geben, die sich in den herausgebildet hat. Die Anforderungen vieler Bezirke werden von der letzten Monaten bei der Durchführung der Ernährungsaktion Landesbehörde zugestutzt und wir haben einige Fälle zu vermerken, in denen die Gemeinden während einer ganzen Wochenperiode außerstande sind, Ernährungskarten auszufolgen. Dieser von den Landesbehörden beobachtete Vorgang steht im krassen Widerspruch zu den Richtlinien, die das Fürsorgeministerium ausgegeben hat. Durch dieses Verhalten wird auch eine schwere Beunruhigung in weiten Bevölkerungskreisen hervorgerufen und es ist zweifellos Aufgabe der Regierung, alles zu tun, um diesem unmöglichen Zustand ein Ende zu bereiten.
Wir müssen auch wiederholen und ganz kategorisch das Verlangen stel. len, daß die jugendlichen Arbeiter ohne Beibringen des Nachweises der dreimonatigen krankenversicherungspflichtigen Beschäfti gung in die Ernährungsaktion einbezogen werden. Ebenso verlangen wir, daß die fälschlich als Saisonarbeiter bezeichneten Personen in die Ernährungsaktion aufgenommen werden.
Ein Bezirk als Beispiel für viele
Eine anschauliche Illustration zu diesen fürsorge. Die Stellungnahme unserer Forderungen des Parteivorstandes bietet ein Funktionäre zu diesem Problem war notwendig Bericht über eine Konferenz in Komotau , die geworden, weil die Bezirksbehörde über höherem wir deswegen an leitender Stelle bringen, weil Auftrag die Richtlinien über die Durchführung die darin geschilderten Verhältnisse und die der Ernährungsaktion ganz rigoros handhabt und Benachteiligung der Aermiten der Armen auf Streichungen weit über das erträgliche Ausmaß alle Industriegebiete zutreffen vorgenommen hat. So wurden beispielsweise ebenso wie die Empörung unserer Verirauens männer darüber:
Montag, den 24. Feber, fand im ,, Volfs haus" in Komotaut eine Konferenz der sozialdemokratischen Partei- und der Geiverkschaftsfunktionäre statt, die sehr gut beschickt war und Delegierte aus dem ganzen Bezirksgebiet um faßte. Zur Behandlung standen ausschließ lich Fragen der Arbeitslosen
in Neudorf i. Erzgebirge , einer ganz armen, nur von Spitzenklöpplern und einigen wenigen Industriearbeitern besiedelten Gemeinde, 56 Arbeitslose auf einen Schlag von der Ernährungsaktion ausgeschieden.
Diese brutale Maßnahme hat unter den Arbeitslofen des Erzgebirges begreiflicherweise Bestürzung und Empörung hervorgerufen. Aber auch die Arbeitslosen des Industriegebietes sind durch diese Aktionen in große Unruhe versetzt worden, die sich nach dem Referate des Genossen Pers zu schieben. Während die englische Opposition einen er ganz spontan geäußert hat. Zu der durch radikale und rasche Erledigung Mussolinis für die Massenstreichungen verursachten Unzufriedendie beste Sicherung des Friedens auch gegen Hit- heit kommt noch, daß ein Revisor der Landesler und gegen Totio hält, ist das Kabinett augen- behörde eine Kontrolle der Ernährungsaktion scheinlich Ansicht, daß man vorsichtig durchführte und Entscheidungen traf, die von manövrieren müsse, um nicht in eine. Weltkrieg teinerlei sozialer Einsicht, sonzu stolpern. Es gibt für England eben zwei dern ausschließlich von dem Bestreben geleitet Wege, die Gefahren des Eng waren, für den Staat Erivarunpais e 3" zumindern, durch den seine gen auf Kosten der hungrigen Politik hindurch muß: einen raschen Vorstoß, der Arbeitslosen vorzunehmen. Wenn es niemanden zur Besinnung kommen läßt und fer- nach dem Verlangen dieses Beamten ginge, müßtige Tatsachen schafft, oder ein vorsichtiges Vor- ten in der nächsten Zeit noch weitere Streichungen taſten, bei dem man nirgends anstößt. Es scheint, von Arbeitslosen aus den Bezieherlisten erfolgen, daß die Regierung diesen Weg gehen will, viel- denn er vertrat den Standvunkt, daß einige leicht auch deshalb, weil die Delianktion sich nicht hundert Menschen ausgeschie als ein radikales Mittel erweist, sondern ohne en werden müssen, weil deren Lebensunterhalt Teilnahme Ameritas nur eine langsam wirkende nicht bedroht" sei. Es wurden Fälle angeführt, Cranborne, erklärte hierauf, daß die Sank- neuerdings eine gewisse Schwerpunktver- Sanktionsmaßnahme bleiben wird. tionen immer mehr an Wirksamkeit zunehmen schiebung eingetreten. Sowohl die drohende aus denen klar ersichtlich war, daß man bei dieSehr interessant ist die neue Interjem rücksichtslosen Vorgehen auf die soziale Lage und daß darunter zahlreiche italienische Ausfuhr- altung Deutschlands als auch die pretation der Sanktionen durch der betreffenden Familie überhaupt keine Rüdposten leiden. Die italienische Regierung habe ia panischen Vorstäße im Fernen den Unterstaatssekretär Cranborne: die aufgehört, Nachrichten über den Stand der Gold- Often, haben England in seiner Bewegungsfrei Sanktionen seien nicht da, um zu strafen, sondern sicht genommen hat, sondern ganz willkürlich die reserve auszugeben, und das sei sehr bezeichnend. heit beschränkt, lenken seine Blicke vom Mittel- um vorzubeugen. Diese Auffassung läßt Bestimmungen gegen die Bezieher auslegte. Die Sammlung von Eheringen sei für ein so meer an den Rhein und vom Nil an den Jangise- nämlich auch das zu, was bisher England vermeiIn der dem Referat folgenden Debatte gaben großes Bolf ein sehr trauriges Zeichen. Das Ziel tiang und veranlassen es, eine raich: Beilegung den wollte, daß Ser Angreifer doch mitterung über die unverständlichen und unſoziadie Funktionäre ihrer tiefen Erbits der Sanktionen sei nicht zu strafen, sondern vor- des abessinischen Streiies ohne Krieg unter Um einer Belohnung heimkommt. zubeugen. len Maßnahmen der Behörden, die manchmal ständen der radikalen Zösung vorzuzichen, die Denn wenn die Santtionen nicht den Sinn einer England zu Beginn des Jahres anzustreben Strafe haben, brauchen sie auch nicht mit einem geradezu provokatorisch sind, in bewegten Worten schien. Es kommt dazu, daß Frankreich seit dem Passivum für den Angreifer abzuschließen, fon- Ausdruc. Sie können es ganz einfach nicht verSturze Lavals und mit der außenpolitischen dern es würde dann genügen, daß sie kommenden stehen, daß die zentralen Behörden nicht sehen Führung durch landingerade weil Angreifern einfach ein erhöhtes Risiko in Aussicht wollen, wie Flandin anglophil ist und feine Extratouren mit stellen. Diese These, tonsequent zu Ende gedacht, Mussolini tangt eine größere Selbständigkeit| würde aber die Auflösung des Völker erlangt hat und imstande ist, seine Interessen, bundes und den Triumph der Hitdie am Rhein liegen, stärker in den Vordergrund lerien Thejen bedeuten,
sanktionen getroffen habe.
Der Unterstaatssekretär für Aeußeres, Offensichtlich ist in der englischen Politif
Die Debatte wurde dann ohne Abstimmung beendet und das Unterhaus ging in die Debatte über das vorläufige Nachtragsbudget für die
Land, Luft- und Seestreitkräfte ein.
Die Rede Edens vor dem Unterhaus, offen fichtlich nicht so sehr Ausdruck seiner eigenen Ueberzeugung als der Meinung des Gea
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