Seite 2 Samstag, 29. Fever 1936 Nr. 81 fein der Versuchung und allen Geistern der Verneinung ringt? Sieht man nicht die Schadenfreude des interessierten Ausländes, hört man nicht, wie Tag für. Tag iin Hitlerrundfunk aus dem tragisch-gefahrlich'en Tatbestand politisches Kapital geschlagen wird?- Es ist einfach nicht.zu glauben,, daß die tschechische Nachkriegspolitik, deren außenpolitischer Teil in allen Hauptstädten Europas Neid .und Bewunderung geweckt hat, ihre innenpolitischen Aufgaben mit so kleinen taktischen Mittelchen bestreiten will, wie sie in dem zitierten Artikel des„Venkov" empfohlen werden? Wer will von Diskussionsbereitschaft und Versöhnungsgeist rchen, der zugleich entschlossen ist, jeden ehrlichen Nerständigungswillen auf deutscher Seite verbluten zu lassen? Es ist nicht unsere Sache Prognosen zu stellen. Nur soviel sei gesagt: wer nicht fähig oder Willens ist,, sich mit den primitivsten Forderungen des deutschen Aktivismus äüsein- anderzuseyen, der will überhaupt keine Verständigung. Auf die Tauer wird man aber auch auf der tschcchischenRechten nicht mit kleinen taktischen Schachzügen gegenüber lebenswichtigen Proble- men auskommen, die gebieterisch nach einer Losung rufen. Rom . Marschall Badoglio telegraphiert.: Seit Donnerstag Morgen find unsere Truppen an der Erythräa-Front in Bewegung. Von der Somalifront ist nichts Besonderes zu melden, Rom . Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, wird Italien bei den kommenden" Genfer Beratungen über die abeflinische"Frage nicht vertreten sein. Man erklärt die italienische Abwesenheit mit dem nicht vorhandenen Interesse Italiens an den Verhandlungen des Achtzehner-Ausschuffes. Graz. In einem Walde auf dem Schoeckl, einem fast 1500 Meter hohen Ausflugsberg der Grazer, wurden 86 Sozialdemokraten, die dort eine Zusammenkunft abhielten, verhaftet. Warschau . Der neue• tschechoslowakische Gesandte bei der polnischen Republik Dr. Juräj S l ä- v i k hat Freitag mittag dem Präsidenten der Republik Polen Moscicki sein Beglaubigungsschreiben überreicht. Madrid . Arber Anordnung der Polizeidirekiion in Madrid wurden das Sekretariat und die Lokalitäten der faschistischen Partei der„spanischen Phalanx" in Madrid geschloffen. Washington. Präsident Roosevelt wird di« Einführung neuer Steuern Vorschlägen» deren Ertrag zur Finanzierung des neuen Agrarprogrammes und teilweise auch zu der Zahlung der Bons der ehemaligen Frontkämpfer ausreichen würde. Man schätzt die erforderlichen Mittel aus 766 Millionen Dollars. Schwedens Göttwalde'gegen Litwinoff. tR. F.s In der kommunistischen Partei Schwedens ist eine Spaltung eingetreten. Ein Teil der bisherigen Parteileitung wendet sich nach den von ihm ausgegebenen Mitteilungen nicht nur gegen die Einheitsfront mit der Sozialdemokratie — d. h. gegen die Anerkennung der erfolgreichen, positiven Arbeit der sozialdemokratischen Regierung—, ferner gegen die Mitgliedschaft der UDSR im Völkerbund und gegen di«. Sanktionspolitik. Das Organ dieser neuen Gruppe heißt-eigenartigerweise„Proletarische Einigung"! Es scheint, daß sich hier den Leuten vom Schlage eines Klemens Gottwald endlich, ein wirklich entsprechendes„Arbeitsgebiet" eröffnet hat.., Der Gesetzentwurf Iil Der Gesetzentwurf über die Baubewegung, den die Regierung eben dem Abgeordnetenhaus der Nationalversammlung vorgelegt hat, teilt die Materie in.sechs Hauptstücke, von denen die Hauptstücke I bis III die indirekte und die Hauptstücke IV bis Vl die direkte Förderung der Baubewegung behandeln. Nach dem Hauptstück I können Gründe st L ck e für den' Bau von Wohnhäusern, Wirtschaftsgebäuden,-gewerblichen Betriebsstätten, für öffentlichen Zwecken dienende Gebäude und für Kommunikationen, die zu diesen Bauten erforderlich sind,, enteignet werden. Die B a u e r l e i ch t e r u n H e n, welche im II. Hauptstücke enthalten sind, sollen im Interesse der Belebung der Bauunternehmung das Bau- bewilligungsversahren beschleunigen und Abweichungen von den geltenden Bauordnungen ermöglichen?^ Hauptstück III enthält Vorschriften über Steuer^ und Ge.hührenerleichte-, r u n g e n. Die wichtigste derselben ist die Befreiung der Neubauten von der Haussteuer samt Zuschlägen, welche Hausbauten mit Kleinwohnungen-und kleinen Betriebsstätten, di« im Jahre 1937 beendet wexden, auf 24 Jahre und denen, die im Jahre 1938 beendet werden, auf 23 Jahre zukommen soll. Die Gebührenerleichterung besteht in der Befreiung der Uebertragung von Neubauten von der Uebertragungsgebühr innerhalb drei Jahren nach der Bauvollendung. Nach dem IV. Hauptstück kann eine Unterstützung in der Form einer Staatsgarantie, vor allem für Hausbauten für Kleinst-" Wohnungen, ob es sich nun um Mietshäuser,: Ledigenheime, Nachtasyle- oder Familienhäuser! handelt, gewährt werden. Die Staatsgarantie.' kann auch für den Bau von Er h o lu n g sh ei-i m en, für die" Renovierungwon durch Elementar-: katastrophen beschädigten Häusern und für die! Renovierung unbewohnbarer Häuser zu Wohnzwecken erlangt werden. Subjekte dieser Unterstützung können neben Gemeinden und gemein- Klofat gegen Henlein Für Freitag abends hatte die tschechische nationalsozialistische Partei eine Versammlung auf die Slawische Insel in Prag einberufen, auf deren Tagesordnung die Stellung dieser Partei za Henlein und dessen jüngster Rede in Prag war. Bemerkenswert war, daß der Vorsitzende der Partei Klofäö selbst als Redner auftrat. Er beklagte es, daß die Deutschen nicht mehr das Volk Goethes und Herders seien und daß die Humanität unter ihnen keine Heimstätte mehr habe. Insbesondere auf der Deutschen Universität in Präg yerrsM'ein anttdenwkrütischev Geist/"tve«!t Wegen sich me Politiker' Mit den Zuständen an dieser Universität werden befassen müssen. Klo-' fäc nahm auch mit Entschiedenheit gegen jene' Kreise im tschechischen Volke'Stellung, welche" mit Henlein verhandeln wollen. Abg. Prof. Stränskh erklärte, die SdP sei geistig ein Kind der aufgelösten. Parteien, Die geistigen Führer der Tschechoslowakei seien nicht Göring und Goebbels , sondern Masaryk und Benes. Wenn die Tschechoslowakei deren Idealen treu bleiben werde, habe sie nichts zu fürchten. Die Versammlung war massenhaft besucht. ier die Baubewegung nützigen Bauvereinigungen auch Einzelpersonen sein, und zwar insoferne es sich um den Bau von Mietshäusern handelt. Die Staatsgarantie kann bis zu einem Gesamtbeträge von 300 Millionen Kö übernommen werden. Hauptstück V bringt für die Gemeinden neben der Unterstützung in Form einer Staatsgarantie auch /ine. Unterstützung in der Form eines Staatszuschusses, wenn die Gemeinden Mietshäuser für A rm e bauen. In diesem Falle kann der gesmnte Bauaufwand bis auf das Grundstück durch eine garantierte und vorhergehende nicht garantierte Anleihe gedeckt werden. Die Höhe des Zuschusses ist derart festgesetzt, daß die Darlehensannuität drei Prozent nicht übersteigt. Da auch die Gemeinden zur Verbilligung des Mietzinses in diesen Häusern einen weiteren einprozentigen Beitrag leisten, sollen, rechnet, der Entwurf damit!" daß der Mietzins der kleinsten Wohnung in diesen Häusern nicht 600 Xc jährlich übersteigen wird. Ausnahmsweise können mit dieser Unterstützung aucb gemeinnützige Bauvereine, in der Regel im Auftrage und in Stellvertretung der Gemeinden, bauen. Hauptstück VI gibt den Gemeinden und ausnahmsweise auch gemeinnützigen Bauvereinen die Möglichkeit, die Staatsgarantie und den Staatszuschuß im gleichen Umfange für den Bau von Familienhäusern und zur Beschaffung des erforderlichen landwirtschaftlichen Bodens für die Ansiedlung von Arbeitslosen zu erlangen. Hauptstück VII handelt von den Lohn- s ch i e d s g e r i ch t e n, die insbesondere zur" Schlichtung von Stritten berufen sind, die aus den kollektiven Arbeitsverträgen entstehen. Hauptstück VIII enthält gemeinsame und! Schlußbestimmungen. * Die Mieterschutz-Vorlage wurde noch nicht, erledigt, da einige Punkte innerhalb der Koalition noch bereinigt werden müssen. Hodia berichtet dem Ministerrat Prag . In der Freitag abgehältenen Sitzung des Ministerrates erstattete der Vorsitzende der Regierung Bericht über die letzten internationalen Ereignisse. Weiter referierte er über seinen Besuch in Belgrad und behandelte detailliert alle damit zusammenhängenden politischen und wirtschaftlichen Fragen. Nach durchgeführter Debatte wurde der Bericht mit Dan! und Zustimmung zur Kenntnis genommen. Genehmigt-wurden die Maßnahmen der Staatsverwaltung im-Rahmen der Feiern des '86.' Geburtstages des"Präsidenten Masaryk . Die für die Nationalversammlung vorbereiteten Gesetzentwürfe wurden behandelt und genehmigt. Gemäß dem Berichte der Wirtschaftsminister wurde der Regierungsverordnungsentwurf über die Wanderung der bisherigen Vorschriften über die Erzeugung und den Verkauf künstlicher Speisefette genehmigt; gleichzeitig wurden die Grundsätze für die Einführung einer Abgabe auf künstliche Speisefette genehmigt. Iwan Bucharin, der Chefredakteur des Re- gierungs-Zentralorgans der SSSR „Jswestija", besucht dieser Tage'die Tschechoslowakei . Heilte Ernennung Kroftas Wie in politischen Kreisen mit aller Bestimmt- heit verkantet, wird die Ernennung Dr. Kroftas zum Außenminister,«der dir eine Einigung innerhalb der Koalition bereits erfolgt ist, noch am SamStag publiziert werden. Der Präsident der Republik lud Donnerstag, den 27. Feber, die Vertreter des Gerichtswesens zum Mittagessen zu sich. AiUvesend waren: Justizminister. Dr. Ivan Derer , dis Repräfen- tanten der obersten Gerichte, der Oberprokura- turen und Obergerichte sowie auch die Vertreter des Verbandes tschechoslowakischer Richter und der Reichsgewerkschast der deutschen Richter. Keine Berschlechterung der Pensionsversicherung. Die pensionsversicherten Privatangestellten, besonders die weiblichen, sind in der letzten Zeit durch verschiedene Gerüchte stark beunruhigt worden. Diese wollten wissen, daß eine Verschlechterung der Leistungen der Pensionsversicherung unmittelbar bevorstehe. Hartnäckig erhielt sich vor allem die Behauptung, die im Pensionsversicherungs-Gesetz vorgesehene Leistung eines Ausstattungsbeitrages an weibliche Versicherte werde abgeschafft werden. An den Gerüchten ist kein wahres Wort. Für absehbare Zeit ist eine Berschlechterung der Leistungen der Petisionsversicherung nicht zu befürchten. In keiner Weise wird auch an die Wschaffung des Ausstattungsbeitrages gedacht. Beratungen der Kleinen Wirtschaftsentente. Freüag tagte die Plenarsitzung des Wirtschafis- rates der Kleinen Entente , der die Verhandlungsergebnisse der einzelnen Kommissionen, d. i. der gemischten handelspolitischen, Kommission, der Donau -, der Fremden-, der Flug-' und der Eisenbahnverkehrskommission vorgelegt wurden. Daneben wurden Fragen der Handelspolitik verhandelt. Frauen, f heraus zum Frauentag ♦ Die Schweiz beharrt auf dem Verbot der nationalsozialistischen Parteileitungen Bern . Der Bundesrat Motta empfing Freitag den deutschen Gesandten Freiherrn von Weizsaecker und überreichte ihm die vom Bundesrat in seiner Sitzung festgelegte Antwort auf die deutsche Rote vom 20. Feber. In der Antwortnote, die wörtlich nicht veröffentlicht wurde, wird einleitend anerkannt, daß die fremden Kolonien eines Landes das Recht haben, zu geselligen Zwecken züsammenzukommen. Die nätionalsozia- listische Partei, so wird in der Nöte weiter ausgeführt, habe die Eigenschaft und den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Die Leiter der Partei im Auslände, auch wenn sie im Gastlande als Privatperson angesehen würden, gelten in den Augen Deutschlands als Personen, die amtliche Pflichten und Befugnisse zu erfiillen haben. Auch ohne die Ermordung Gustloffs wäre der Bundesrat dazu gekommen, einmal die Frage zu prüfen, ob die Landesleitungen und die Kreisleitungen der NSDAP in der Schweiz tveiter geduldet werden könnten. Zum Schluß wird erklärt, der Bundesrat könne auf seinen Beschluß nicht zurückkommen. W«NhlER, FRAUEN I UND WAFFEN I ? Roman von Manfred Georg Copyright by Dr. M'anfred Georg. Prag Sie waren dort, wo sie saßen, ziemlich allein. Die Mehrzahl der Besucher drängte sich um die Tische in der Nähe des Hauses. Je länger Schumann Haydee betrachtete, Vf unter der Sonne sich wohlig reckte und mit allen" Poren fast sichtbar atmete, desto wunschloser fühlte er sich werden. Wie es ihm genügt hätte, hin "jeden Tag mft ihr hinaufzugehen, am Wege Bemerkungen über kleine Häuser, schöne Autos und putzige Hunde" zu machen und dann den hellen, reinen Gumpoldskirchner auf der Zunge zu spüren oder zu sehen, wie er in der mattbrckunen Kehl ' des Mädchens in kleinen Schluckstößen hinunterrieselte. Hühner pickten an dem buschbewachsenen Abhang eifrig umher, eine Katze sprang geschmeidig auf einen leeren Stuhl neben Haydee, musierte verlangend die Speisen auf dem Tisch, krümmte den Rücken und verschwand mit einem Satz beim heraynahenden Schritt des Kellners. Ouer über den Weg zu seinen Kindern hattc sich Haydee gelagert. Er sah weit hinten in der Ferne Gabriele. Sie ging wie Haydöe. Rudol» und Theffa waren überhaupt nur weihe Schatten ohne Gesichtszüge, die so weit fort waren, daß es ganz ausgeschlossen schien, sie je zu erreichen. Haydee trug auf der linken Hand einen Ring mit einem länglichen roten Stein. Er hatte ih>" sckion oft gesehen, er war bei Ringen sehr emp kindlich. Wenn sie schlecht gefaßt waren; erregte»- sie in ihm einen Widerwillen, der fast bis zum Ekel ging. Sie bemerkte seine« Blick:„Du findest den Ring häßlich?" „Ich mag deine Hand ohne Schmuck lieber." „Ja natürlich," sagte sie, streifte den Ring ab und warf ihn, ehe er es verhindern konnte, in weitem Bogen den Hang hinunter ins Gras. Ein Huhn gackerte flatternd nach, suchte aufgeregt den an ihm vorbeigesausten Gegenstand und fand ihn nicht.„Aber das war doch nicht nötig," meinte e< beschämt. „Nötig?— Ich möchte nicht» daß du an mir etwas häßlich findest." „Um so mehr wirst du an mir häßlich finden. Ich habe zum Beispiel eine von einem Säbel ger- spalttne Schulter, Sie ist vernarbt.'Wer schön sieht es Nicht aus."— Sie ging nicht darauf ein. „Du wirst mich zu Dunaimis mitnehmen? Ich habe so viel von"ihm gelesen. Es gibt ja schon eine Biographie über ihn, nicht wahr?" „Zwei sogar. Er ist wirklich der geheimnis-, vollste Greis, den es gibt. Und der mächtigst». Obwohl viele sagen, daß er kaum noch bei Sinn-n ist. 86 Jahre soll er sein. Wenn er sterben wird, werden drei Kissen mit Orden, den höchsten der Welt, hinter thm hergetragen werden." „Ich bin schon sehr neugierig auf heut- abend. Mit einem berühmten Mann wie mit dir in einer solchen Gesellschaft..." „Wieso denn berühmt? Weil ein paar Schieber mich für einen guten Kaufmann halten?" „Ja, aber Makropulos ist doch mehr. Als Beauftragter von Dunaimis ist er eher ein Diplomat."—„Ja, wenn du die Grenzen so eng ziehst!". Sie lachte. Und Schumann mußte mitlachen Das war ihm so unheimlich, daß er abbrach. Wir lange war das her gewesen, daß er gelacht hatte. Er konnte sich überhaupt nicht mehr daran erinnern. Er horchte in die Luft, als ob er der. Tönen, die schon längst verklungen waren, nachrufen wollte, zu bleiben. „Was machst du denn für ein erschrockenes Gesicht?" fragte Haydee. Er flüsterte:„Es ist so grauenhaft, mir fällt ein, ich bin doch immerzu durch die Straßen gegangen und mit Menschen zusammen gewesen, und alle haben gelacht, mir ist es aber immer nur so gewesen, als rissen sie komischerweise den Mund auf, ohne daß man etwas hörte. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, daß man überhaupt lachen kann. In dieser Welt! Völlig unbegreiflich!" * Brüllendes Gelächter erschütterte den kleinen Festtaum, als gegen Mitternacht der Komiker und Conferencier Blaubusch, den Makropulos außer zwei musikalischen Virtuosen-Schwestern zur Unterhaltung seiner Gäste ins Imperial eingeladen hatte, die neuesten Witze erzählte. Blaubusch hatte rasch das Milieu erfaßt. Außer Ma- kropulos, Lendvai und der Fürstin Satorescu befanden sich noch eine Anzahl Herren im Raum, die man dem Aussehen nach für Gentlemen, dem Beruf nach für Bankiers und dem Benehmen nach für Gangster aus Ämerikafilmen gehalten hätte. Ferner sah man eine bekannte Gesellschaftsschriftstellerin, die zuviel Rot aufgelegt hatte und sich krampfhaft bemühte, ihren Nachbarn zu Attacken herauszufordern, einige Journalisten, mehrere Damen, die alle nur auf Adelstitel reagierten, und eine veritable Erzherzogin aus irgendeiner allen, verschollenen tirolischen Seitenlinie, die bei jedem Witz Blaubuschs ein Gebiß von gelben Pferdezähnen entblößte und heftig in die Hände klatschte. Schumann ging in dieser Versammlung prominenter Köpfe fast unter, während Haydee, in brennendes Rot gekleidet, von den Blicken bald dieses, bald jenes" Mannes auf das Schamloseste ausgezogen wurde. Sie nahm das alles nicht zur Kenntnis. Nur wenn die Fürstin Satorescu ihr mit einem kaum bemerkbaren Kopfheben zutrank, wandte sie sich etwas ängstlich ab. Es wurde viel getrunken. Außer Makropulos und Blaubusch war kaum jemand nüchtern. Beide blieben es aus demselben Grunde: Makropulos, weil er solche Symposia für die herrlichste Gelegenheit hielt, seinen Freunden und Bekannten! wirklich hinter das soignierte Benehmen des Alltags zu kommen. Blaubusch, weil er als Jude sowieso keinen Alkohol verttug, dann aber auch, weil das Honorar dieses Wends hoch war, und er für seine komplizierten Pointen einen klaren Kopf haben mußte. Er schaute verachtungsvoll Lendvai zu, der, sonst von einer geradezu furchtsamen Diskretion, zu seinem Nachbarn, einem Direktor der Oesterreichischen Kreditanstalt, so hemmungslos schwatzte, daß dieser zur Besinnung kam und unauffällig begann, sich Lendvais Worte zu notieren. Als Makropulos dies merkte, kam er langsam heran, schob Lendvai freundschaftlich zur Seite, ging vertraulich plaudernd mit ihm zur Tür hinaus und kam nach tvenigen Minuten allein wieder herein. Immer ungezwungener rollte das Programm ab. Mit innigem Vergnügen bemerkte Blaubusch, wie sich Makropulos an Lendvais Stelle neben den Direktor setzte, der das Manöver als solches gar nicht bemerkt hatte. Der Grieche hatte den andern mit Scherzen und heftigem Zugreden in kurzer Zeit syweit, daß er ihm die Notizen, die er sich gemacht hatte, zeigte. Als er gerade eine neue Zigarette begann, gab ihm Makropulos so ungeschickt Feuer, daß er an das Notizblättchen geriet und es anbrannte. „Sie stecken mich Wohl in Brand," stotterte der Direktor und drückte das drewiertel verkohlte Papier zusammen.„Sie sind ja ein feuriger Herr, kein Wunder, wo ich so viele schöne Frauen hier sehe. Das macht heiß." „Wein löscht, mein Lieber," eiferte Makropulos ihn an,„werden Sie mir nun endlich glauben, daß es Unsinn ist, sich von Vickers nichts zu borgen. Warum weigern Sie sich?"— Der Direktor stieß lange und gründlich auf: „Wie schlecht Sie informiert sind! Furchtbar schlecht!" „Ja, leider diesmal," zuckte Makropulos bedauernd die Achseln. (Fortsetzung folgt.)
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16 (29.2.1936) 51
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