16. Jahrgang
Dienstag, 3. März 1936
IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IM DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK
ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xii., fochova«. Telefon 53C77. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, FRAG.
ElnttlptBis 70 Heller (einschließlich 5 Heller Forle)
Die Nordarmee des Nesus Ras Kassa und———A—" O Ras Seyum geschlagen LLlIl UHllULIß! Eine gewaltige Metzelei in Tembien
Rom. lReuter.) Offiziell wird bekannt gegeben, daß die zweite Schlacht in Tembien mit einem vollkomnrenrn Sieg der Italiener über die Armeen des Raö Kassa und des Ras Seyum endete.
Rom . Marschall Badoglio telegraphiert: Tie zweite Trmbien-Schlacht, dir am 27. Feber durch den Vormarsch des erythräischen Armeekorps vom Norden her und durch den Vormarsch des dritten Armeekorps vom Süden her begann und die in den folgenden Tagen in unbarmherzigen Kämpfen fortgesetzt wurde, endete mit einem vollkommenen Sieg der Italiener. Die Armeen des Ras Kassas und RaS Srjums versuchten vergebens dem Umschließungsmanöver zu entgehen und unternahmen heftige Gegenangriffe einerseits in der Richtung auf den Berg Uaria, andererseits auf den Flügel des dritten Armeekorps. Die feindlichen Abteilungen wurden überall mit ungeheuren Verlusten in die Flucht getrieben und ließen Waffen, Tragtier» und Material aller Art zurück. Zum ersten Male geschah es, daß die abessinischen Abteilungen in Massen ihre Waffen wegwarfen. Dir Reste dieser Armeen, die sich zu retten versuchten, werden ständig verfolgt und durch Flugzeuge bombardiert. Im Hinblick auf daS große Ausmaß der Schlacht und ihre Heftigkeit find unsere Verluste nicht groß. Sie werden bekanntgegeben werden, sobald fie genau festgrstellt sein werden. Die Auflösung auf feiten des Feindes ist vollständig. Rach der Niederlage Ras Drstas und Rds Mulugetas mußten zwei weitere hervorragende abessinische Heerführer die erdrückende llebermacht der italienischen Soldaten zu fühlen bekommen.
Auch wenn man von den bekannten italienischen Uebertreibungen einen Abstrich macht, scheint die Tatsache festzustehen, daß die Nordarmeen des Negus zertrümmert, daß die einzige im Norden noch nicht geschlagene Gruppe, die Les Ras 3 m ruw» vor Aksmn-xjfi jjut wie abgeschnit- ten und Perloren ist. Die Armeeführex des Negus, haben, verleitet durch eine Unterschätzung der modernen Kriegstechnik und durch ihre Erfolge im Kleinkrieg, den unverzeihlichen Fehler begangen, sich der technisch und zuletzt auch zahlenmäßig überlegenen italienischen Armee' in regelrechten Feldschlachten zu stellen. Auch die Niederlage des Ras Testa Damptu bei Dolo hat den RaS Mulageta nicht belehrt. Er hat am Amba Aradam den Kmnpf gegen die schwere Artillerie der Italiener ausgenommen, die ungedeckt in langer Reihe wie aus dem Exerzierplatz auffuhr— da ihr ja nichts geschehen konnte— und binnen acht Minuten die abessinische„Artillerie", ein paar jämmerliche alte Geschütze, in Trümmer schoß. Der Ras Seyum und der Ras Kassa hätten, als die Italiener auch den Amba Aladgi besetzten, schleunigst den Rückzug nach den Furten des Takazzee antreten müssen. Statt dessen blieben sie mitten in der Falle, die ihnen Badoglio gestellt hatte. Flieger, Artillerie und Tanks scheinen den Berichten zufolge furchtbar gewütet zu haben. Diesmal dürften wirklich Tausende Abessinier tot verblieben sein. Immer wieder versuchten die schlecht bewaffneten Krieger des Negus in heldenhaftem Ansturin die feuerspeienden Stellungen der Italiener zu nehmen, immer wieder mähten die Maschinengewehre sie nieder, sandten die Flieger Tod und Verderben aus den Lüften. Die Italiener geben nunmehr selbst zu, daß die Armeen der Rast nicht jene phantastische Stärke besitzen, die sie ihnen zugeschrieben hatten. Ras Kassa soll nurüber 1 5.0 0 0 Mann verfügt. Ras Seyum dürfte ebensoviele Krieger besessen haben. Die Vernichtung dieser beiden Armeen bedeutet wohl die Zertrümmerung der abessinischen Nordfront. Auf dem Wege nach Dessye steht freilich in günstigem Gelände noch eine etwa 12.000 Mann starke Armee. Auch sie wird die Italiener nur aufhalten können, wenn fie auf eine große Schlacht verzichtet. Das Schicksal des Ras Jmru dürfte fich in
den nächsten Tagen erfüllen. Trotzdem haben jene unrecht, die nun von einem vollen Sieg der Italiener sprechen. Noch ist für den Negus nichts verloren, wenn er endlich die Taktik des Kleinkrieges auf der ganzen Linie durchsetzt, wenn er Badoglio ins Leere stoßen läßt und erst dann, wenn die Italiener sich eine Blöße geben, sie durch kleine Unternehmungen beunruhigt. Diese Taktik hat de Bono in schwerste Verlegenheit gebracht, sie hätte vielleicht zum Fall MakalleS geführt, hätte der Negus nicht feine besten Truppen nach Godscham verschieben müssen, wo italienisches Geld einen Aufstand bewirkt hatte. Die Militärkritik wirft mit Recht die Frage auf, ob die Abessinier nach den Niederlagen im Süden und im Norden die moralische Kraft besitzen würden, den zähen Kleinkrieg fortzusetzen. Es taucht weiter die Frage auf, ob der Negus sich gegen die Opposition rebellierender Feudalherren wird halten können. Verloren ist, wie gesagt, der Krieg für ihn noch nicht. Niemand hat abessinische Siege im freien Feld erwartet. Die Italiener können nicht auf Dessye vorgehen,, ohne auch mit ihrem rechten Flügel über den Takazze und gegen den Tana- Se e vorzustoßen. Damit aber kommen sie in gefährliche Nähe der englischen Interesse nzone. Das ist wiederum eine Chance für den Negus, der auch binnen vier bis sechs Wochen mit dem Einsetzen der Regenzeit rechnen darf. Eine andere Frage ist es endlich, üb der Völkerbund sich nunmehr zuern st haften Taten aufraffen wird. Er steht nach sinnlos vertrödelten Wochen heute wieder vor der Gefahr, daß Mussolini den Krieg siegreich beendet und über Genf triumphiert. Das würde f ü r Hitler das Signal, mehr als das, die m o r a- lische Rechtfertigung sein, ebenfalls loszuschlagen und sich seinen Tell von der Beute zu holen. Die„Unabhängigkeit Oesterreichs ", die Sicherheit Mitteleuropas überhaupt wird heute nicht i« der Rheinzone und nicht vor Memel oder Wien , sondern auf der Straße«ach Desshe verteidigt. Siegt Mussolini , so wird keine Macht der' Wett Hitler hindern'können, es seinerseits auch z« versuchen!
Minister Czech I in Dux Vertrauensmänner des Wahlkreises Laun einhellig für die Politik der Partei Sonntag, den 1. März, tagte in Dux der Kreisrat der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei. an dem 80 Delegierte aus allen Bezirken im Wahlkreise Laun teilnahmen. Die Funktionäre erstatteten ausführliche Berichte über den Stand der Organisation und die soziale Lage der arbeitenden Menschen in diesem, von der Krise schwer heimgesuchten Gebiete von Lobositz bis Saaz . Im Mittelpunkt der von hohem sittlichen Ernst der sozialdemokratischen Vertrauenspersonen getragenen Konferenz, stand eine groß angelegte Rede des Partrivorsitzendrn, Minister Genossen Dr. Ludwig Czech . Dieser besprach in zlveistündigen Ausführungen die großen, internationalen, innerpolitischen, wirtschaftspolitischen und sozialen Probleme unserer Zeit, welche die ganze Oeffentlichkeit, besonders aber die Arbeiterschaft zutiefst berühren. Eingehend beschäftigte sich der Minister mit der Außenpolitik und den in ihr vorherrschenden augenblicklichen Tendenzen, berichtete auf dem Gebiete der inneren Staatspolitik über die Rekonstruktion der Regierung und die in Verhandlung stehenden Gesetzesvorlagen, um dann die dringenden sozialen Forderungen der schaffenden Menschen der ihnen gebührenden Betrachtung zu unterziehen. Einen breiten Raum im Referate CzechS nahm die Situation der Arbeitslosen ein, deren Dasein-allo- verantwortungsbewußten Fatloren der Republik bestimmen mutz, den Fragen der Arbeitsbeschaffung und Notstandslinderung erhöhte- res Augenmerk zu schenken. Die deutsche Sozialdemokratie hat gerade auf diesem wichtigen Gebiet innerhalb der Regierung alle Kräfte dem Dienst für eine gesunde Krisenhilfe geopfert. Dr. Czech gab hierauf, einen Ueberblick über die Arbeiten in der Koalition und analysierte die gegen die Sozialdemokratie gerichteten Gegenströmungen. Die K. P. C. habe eine Wendung um 180 Grad vollzogen und durch ihre letzten innerparteilichen Matznahmen alle scheinbaren Erkenntnisse aus den Entwicklungsverhältniffen über Bord geworfen, um nun wieder auf der alten Lüne des Vernichtungskampfes gegen die Sozialdemokratie zu landen. In ausführlicher Weise besprach Minister Czech die Stationen des Weges der Politik im Bereiche der S. d. P„ der sich vom ersten Aufruf zur„Sammlung aller Sudetendeutschen " über Böhm. Leipa bis zur letzten, sogenannten ,„Kul-/ turtagung" in Prag in anschaulicher Plastik als ständige Annäherung an die faschistischen Ideologien der totalitären, nazistischen Regime kennzeichnet. Czech erinnerte daran, wer es gewesen sei, dem die Pflege des wahren deutschen Kultur- gutes und aller Zweige der schöpferischen, befruchtenden Wissenschaft besonders ans Herz gewachsen ist und welche Funktion die Arbeiterbewegung als Kulturfaktor im nationalen und internationalen Rahmen erfüllt. Abschließend erklärte Genosse Czech, daß durch den Ausgang der Präsidentenwahl die antidemokratischen Kräfte in die Schranken gewiesen wurden und hunderttausende deut scher Arbeiter» Angestellter und kleine Leute in den Grenzgebieten der Tschechoslowakischen Republik als treue Hüter der Freiheit stehen, wissend, daß nur in der politischen. Demokratie ihr wirkli- cheS soziales Ziel Erfüllung findet.— Die Rede des Ministers wurde von der Tagung mit stürmischem Beifall entgegengenommen und der Kreisrat stimmte der Politik der Partei und ihrer parlamentarischen Vertretung einhellig zu.
Polnisch -belgische Verhandlungen Brüssel . Montag nachmittags wurde der neue Handelsvertrag zwischen Polen und der bel gisch -luxemburgischen Zollunion von dem polnischen Außenminister Beck und' dem belgischen Außenminister van Zee land unterzeichnet. Der Vertrag gilt zunächst für das Jahr 1936 und ist von da ab vierteljährlich kündbar. Nach der Unterzeichnung hatten Beck und van Zeeland eine lange Unterredung. Der Besuch des polnischen Außenministers in der belgischen Hauptstadt wird drei Tage dauern.• s
Washington . Die Amerikanische Ar- -eilSföderation gibt in einer amtlichen Meldung brkannt, daß im Verlaufe des MonateS Jänner 1936 1,299.000 Arbeitslose neu gemeldet worden find, Di« Gesamtzahl der Arbeitslosen im Jänner wird demnach auf 12,626.000 geschätzt. Washington . Das Schatzamt kündigt die Auslegung einer neuen Anleihe in der Höhe von 1809 Millionen Dollar an. Davon find 800 Millionen zur
Ausfüllung der flüssigen Barreserven für die Arbeitslosenunterstützungen, die Farmer-Rochilfe und di« Auszahlungen für die ehemaligen Frontkämpfer vorgesehen. Insgesamt beansprucht das Schatzamt 1250 Millionen Dollar Bargeld. Dies ist die größte Bargeldforderung seit dem Weltkriege. Die neuen Finanzmaßnahmen erhöben die Staatsschuld auf 31.3 Milliarden Dollar. Dies ist die höchst« Staatsschuld in der Geschichre der Bereinigten Staaten von Amerika .
Oie Flucht vor der Verantwortung Die„Rote Fahne ", das deutsche Blatt der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei , Weitz(wenn nicht zufällig Gottwald einen kilometerlangen Artikel. schreibt) mit ihrem Raum nichts besseres anzufangen als nunmehr Tag für Tag eine nichtswürdige Hetze gegen die Sozialdemokratie und ihre Vertrauensmänner zu betreiben. Keine Schrift ihrer Druckerei scheint der Redaktion groß genug, um dieses klägliche Verleumden und Vernadern sozialdemokratischer Funktionäre, das sich kommunistische Poknik nennt, ihren Lesern recht augenfällig zu machen. Was die Kommunisten in den letzten Wochen trei- ben, die Umkehr, die sie in ihrer Politik vollzogen haben, zwingt den Parteivorstand und alle unsere Organisationen reinen Tisch zu machen. Die Wendung in der kommunistischen Politik, die durch Gottwald hervorgerufen wurde, leit et eine Periode vollkommener Verantwortungslosigkeit der KP E ein. Die Kommunisten haben bei der Wahl des Präsidenten, und bei.der Abstimmung des Budgets begonnen eine realere, ve.rantwoy- tungsbewußtere Politik zu machen und gerade das ist es, was Gottwald und seinen Hintermännern nicht gefällt. Sie machen es sich wieder sehr bequem, sie werden nichts anderes tun als schreien und die Verantwortung für daS Wohl und Wehe der arbeitenden Klaffe der sozialdemokratischen Partei überlassen. Ein Beispiel für diese Flucht der Kommunisten vor der Verantwortung ist die in der „Roten Fahne", veröffentlichte Resolution des ZK-Plenums der KPC, das vom 2s. bis 26> Feber tagte. Es wird da z. B. verlangt, die Arbeiterschaft solle den Kampf gegen die agrarische Rechte führen. ES scheint, daß die Kommunisten glauben, den erfolgreichsten Kampf gegen die Herren Stoupal und Vranh führen zu können, wenn sie— den Taub beschimpfen, von dem sie-den Arbeitern einreden wollen, daß er das Proletariat spalte! Sie verlangen Besserung des Schicksals der Arbeitslosen, aber was haben sie bisher fürdieArbeitslosen getan? Sie haben dafür die Sorge großmütig der Sozialdemokratie überlaffen. Sie verlangen Festigung des Bündnisses der Tschechoslowakischen Republik mit der Sowjetunion und in gleichem Atem ziehen sie gegen die sozialistischen Parteien zu Felde, die allein durch ihre Anteilnahme an der Regierung die Annäherung an die Sowjetunion möglich gemacht habeir. Die ganze Weisheit der Kommunisten erschöpft sich in allerlei M a n.ö v« rn. Sie sind eine Partei der Manövristen. Sie versuchen durch Manöver hie und da einen sozialdemokratischen Jugendlichen zu sich herüberzuziehen, sie gründen nach außen hin neutrale Vereine, um einen oder den anderen Sozialdemokraten für ihre dunklen Zwecke einzuspannen und sie glauben der Arbeiterbewegung wer weiß wie genützt zu habön, wenn sie irgendeinen Proletarier dazu verän- lassen nach Rußland zu fahren, um ihn dann in ihren Dienst zu stellen. S i e b r i n g e n e s z u- Wege, ununterbrochen von der Einheitsfront zu reden und dabei -die Sozialdemokratie lustig anzugreifen. Sie haben nach dem siebenten Weltkongreß wochenlang von der Einheitsfront geredet, jetzt aber charakterisieren sie in ihrer schon erwähnten Resolution diese ihre eigene Politik der Einheitsfront, die sie monatelang betrieben haben, folgendermaßen: . Man unterlag der Tendenz, den Unterschied zwischen der kommunistischen Politik des Klaffenkampfes und der sozialdemickratischen Politik des Klaffenfriedens in der falschen Hoffnung zu ver- wsschen,'daß dadurch und durch«in gutmütiges Zureden den reaktionären Führern die Bildung der Aktionseinheit beschleunigt wird. Und an anderer Stelle; In der KPC..:. begann man zu vergessen, daß die Bildung der Gewerkschaftseinheit auf der Grundlage des Klaffenkampfes ohne Kampf gegen die sozialdemo- k r a t i s ch e P o l i t i k der Klaffen zusammen mit der Bourgeoisie und ohne Wirtschaftskampf gegen di« Unternehmer nicht erreicht 'werden kann. Sie haben also monatelang von der Einheitsfront gesprochen, jetzt aber erzählen sie von