Sosialdemokra

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DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Französische Truppen besetzen die Grenze

Paris . Sonntag wurde bekanntgegeben, daß in den Garnisonen an der Nordostgrenze Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden. In der Nacht von Samstag auf Sonntag früh sind einige Regimenter aus den Garnisonen in Metz und Thionville abgegangen, um die Besahungen der Grenzbefestigungen und der Grenzlager zu er= gänzen. Die Militärabteilungen, hauptsächlich in Ostfrankreich sind in Bereitschaft, die Befesti­gungsarbeiten an der Ostgrenze( die sogenannte Maginot Linie) sind verstärkt und voll besetzt.

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Weitere Entschließungen dürften erst ge­troffen werden, bis der Völkerbundrat konsta­tieren wird, daß Deutschland den Versailler Ver­trag und die Locarno - Abkommen verletzt hat, falls Deutschland dann seine Truppen aus der demilitarisierten Zone nicht abberuft.

Rußland sagt Hilfe zu

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Dienstag, 10. März 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 59

Frankreichs ,, Unannehmbar" Was wird geschchen?

Völkerbundrat für Freitag einberufen

Heute Beratung der Locarno- Signatare in Paris Paris

. Der französische Mini sterrat hat die deutschen Vorschläge am Sonntag vormittags geprüft und sie ausdrücklich für un annehmbar erklärt. Der Ministerrat hat daraufhin den Beschluß gefaßt, unverzüglich gemäß dem Locarno - Pakt den Völkerbundrat mit der Angelegenheit zu be­fassen und vorher mit den Signatarmächten des Locarno - Vertrages zu konferieren.

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Auf telegraphisches Ersuchen Frankreichs hin hat der amtierende Ratsvorsitzende, der australische Dele gierte Bruce, den Völkerbundrat für Freitag, den 13. d. um 11 Uhr vormittags einberufen. Auch die belgische Regierung hatte offiziell die unverzügliche Einberufung des Rates gefordert.

Aus der ruhigen und in entschiedenem Tone werde nicht zulassen, daß Straßburg dem Feuer gehaltenen Rundfunkbotschaft des Ministerpräsi- deutscher Geschütze ausgesetzt werde. denten Sarraut aus der Weigerung, mit Die französische Beschwerde, die eher juri­Paris. Der Sowjetbotschafter Potem Deutschland zu verhandeln, solange es seine stischen Charakter hat, ist recht furz. Sie beschränkt fin versicherte amtlich das französische Außen- Truppen aus der Rheinlandzone nicht ab besich auf eine kurze Darlegung der Patte und be­ministerium, daß die Sowjetregierung der fran- ruft, und aus den von Frankreich an den Ost- sagt, daß Deutschland gewaltsam Arti zösischen Regierung Hilfe im Sinne des grenzen getroffenen militärischen Maßnahmen fel 42 und 43 des Versailler Vertrages, Artikel 1 französisch sowjetischen Abschließt man, daß Frankreich entschlossen ist, in des Locarnoabkommens über die Respektierung tommens garantiere und daß auch in der Beratung der Signatarstaaten des Locarno - der demilitarisierten Rheinlandzone, sowie Arti­Genf die Sowjetdelegation den Standpunkt der pattes wie auch im Völkerbundsrate energisch tel 8 des Locarnoabkommens über das Vorgehen französischen Delegation unterstützen werde. zu handeln. Die gesamte Presse von der bei der Kündigung dieser Abkommen gewaltsam Rechten bis zur Linken nimmt die Botschaft des verlegt hat. Auf Grund dieser Tatsachen fordert Auch Polen bündnistreu Ministerpräsidenten Sarraut zustimmend auf Frankreich die Beschleunigung der Einberufung und hebt in Fettdruck verschiedene Stellen daraus des Bölferbundsrates nach Artikel 4 des Locarno hervor, so insbesondere den Saz: Frankreich abkommens.

London . Nach Informationen des Reuter bureaus haben berufene polnische Kreise in Lon­ don die Nachricht erhalten, daß der französische Botschafter in Warschau die Versicherung erhalten habe, das Polen tren seine Verpflichtungen aus der französisch - polnischen Bundesgenossenschaft er­füllen werde.

Italien bewahrt Reserve

Rom . An amtlichen Stellen wird erklärt: Der italienische Standpunkt nach der Kündigung des Locarnovertrages durch Deutschland ist einstweilen abwarten d. Italien hat fich noch nicht ausgesprochen und bewahrt Reserve. Auch die Schweiz reserviert

Bern . Die schweizerischen Regierungsfreise bewahren in Angelegenheit des deutschen Vor­gehens hinsichtlich des Locarno - Paktes. größte Neutralität und Zurückhaltung. Sie lehnen Er­flärungen mit dem Hinweise ab, daß dem Ent schluß des Reichsfanglers Hitler gegenüber bollkommene Reserve bewahrt werden müsse, da die Schweiz ein Land ist, das von der Angelegenheit nicht direkt berührt wird.

Blomberg trumpft auf

und verschreibt sich dem Führer mit Leib und Seele

Berlin . In der Berliner Oper fand Sonn­tag eine Gedenkfeier für die Striegsgefallenen statt, der u. a. Hitler , die Mitglieder der Regiz rung und viele Diplomaten beiwohnten. Die Fest­rede hielt General Blomberg, der sagte:

Die Sekretariat des Völkerbundes hat unverzüglich auch der deuf­schen Regierung den Tert der französischen Beschwerde mitgeteilt und sie dahin verständigt, daß sie sich im Rate vertreten lassen könne, um ihren Standpunkt zu begründen. In Genf bezweifelt man jedoch, daß Deutschland diesen Weg gehen wird.

Eden für, Wiederaufbau des Friedens

Verurteilung des deutschen Schrittes

aber Prüfung des Angebotes

In London beriet das britische Kabinett am Montag vormittags über die Lage und genehmigte den Text der Rede, die Außenminister Eden am Nachmittag im Unterhaus vortrug. Der Form nach wird darin das deut. sche Vorgehen scharf verurteilt, doch ist die ausdrückliche Erklärung befrem. dend, daß England für die Zeit der neuen Verhandlungen über den Kon. flikt ,, t r o tz" der Kündigung des Locarno - Paktes durch Deutschland sich bei einem Angriff auf Frankreich oder Belgien an die Seite der Ange= griffenen stellen würde. Diese Pflicht sollte doch eigentlich zu selbst. verständlich sein, als daß man darüber viel reden müßte.

In dem Gewirr diplomatischer Verhandlun gen, die nach der Kündigung des Locarno- Abkom mens durch Hitler und den Einmarsch der deut­ schen Truppen im Rheinland geführt werden, ist zunächst am Klarsten die Linie Frankreichs zu erkennen, welches sich auf Grund des Artikels 8 des Locarno - Abkommens, der die Prozedur für die Kündigung festsetzt, und der Artikel 42 bis 44 des Versailler Friedensvertrages sowie der Reso= Tution des Völferbundrates vom 17. April 1935, der die Verlegung der militärischen Bestimmun gen des Versailler Vertrages durch Deutschland verurteilt hat und gleichzeitig finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen festseßt, falls Deutsch­ land die Verträge neuerdings verleben würde, an den Völkerbundrat wenden wird, der Freitag in Genf eine Sigung abhält. Es ist anzunehmen, daß England in dieser Frage gemeinsam mit Frankreich vorgehen und Frankreich im Rat unterstüßen wird. Die Hoffnungen, die man sich in Deutschland gemacht hat, daß England eine von Frankreich wesentlich abweichende Haltung einnehmen wird, werden sich wohl kaum erfüllen. Dafür sprechen die englischen Zeitungsmeldungen. So sagt der ,, Daily Telegraph ", es handle sich um eine flagrante Verletzung der Verträge" und Sunday Times" meint: ,, Wenn wir die Verträge als Feßen Papier ansehen, bleibt nichts übrig, als zu rüsten." Auch der englische Außen­minister stellt trotz des maßvollen Tones seiner Rede fest, daß Deutschlands Schritt ,, das Ver­trauen in jede Vereinbarung, welche die deutsche Regierung in Zukunft schließen würde, tief er­schüttert". Daß Belgien völlig einig mit Frankreich vorgehen wird, daran ist überhaupt nicht zu zweifeln, es wird wohl auch gleich rant reich die Verletzung der Verträge vor den Völker­bund bringen. Ebenso wird Rußland in der Front der Westmächte stehen, um so mehr, als Hitler seine Rede neuerdings zu einem Ausfall gegen die Sowjetunion benügt hat. Was ta Iien betrifft, erkennt man heute schon flarer, was wir in unserem sonntägigen Leitaufsab ge= schrieben haben, daß nämlich Hitler Mussolini aus einer sehr unangenehmen Situation geholfen hat. Die Westmächte werden möglicherweise Italien Konzessionen in der abessinischen Ange legenheit machen, um die Hilfe Mussolinis gegen Hitler zu gewinnen. Auf Polen fann sich Deutschland gewiß nicht verlafen, die zweideu tige Sprache des polnischen Außenministeriums zeugt feineswegs davon, daß Polen gewillt ist, Deutschland zur Seite zu stehen. Schließlich ist noch bemerkenswert, daß die Haltung der Schive i z, auch der deutschen Schweiz , eindeutig gegen Deutschland gerichtet ist.

Was kann nun der Völferbundrat auf Grund des französisch - belgischen Einschreitens tun? Es bestehen da zwei Möglichkeiten. Ent­weder greift man zunächst zu einem juristi

Vor dem Unterhause erklärte Eden u. a., er die Erörterung der neugeschaffenen Lage notwen­habe dem deutschen Botschafter mitgeteilt, daß die dig sein wird, ein tatsächlicher Angriff auf Frank- schen Verfahren, d. h. man wird unter deutsche Handlung im Rheinland die einseireich oder Belgien ereignen sollte, welcher eine fuchen, ob Deutschland auf Grund des französisch­tige Auffündigung eines freiverhan- Verlegung des Artikels 2 des Locarnoabkommens russischen Baftes berechtigt war, den Locarno­delten und frei unterzeichneten Vertrages be- sein würde, die britische Regierung trotz(?) Vertrag zu kündigen, bziv. ob der franco- russische doute. Die Wirkung auf die britische Deffentlich der Auffündigung des Locarnovertrages durch Batt eine Verlegung jener Verpflichtungen be­Deutschland sich durch ihre Ehre für gebunden hal- deutet, die Frankreich in Locarno auf sich genom­feit müsse bedauerlich sein. ten würde, wie es in dem Vertrag vorgesehen ist, men hat. Das wäre eine Prozedur, die sich ver den Angegriffenen zu Hilfe zu dem internationalen Schiedsgerichtshof in Haag eilen. abspielen würde. Eine zweite Möglichkeit läge Eine der wichtigsten Grundlagen des Fries darin, daß die Resolution des Völkerbundrates dens in Westeuropa sei untergraben worden. vom 17. April 1935 in Kraft tritt, d. h. finan Wenn der Friede gesichert werden solle, bestehe ai elle und wirtschaftliche Sant­die Pflicht, ihn wieder aufzutionen gegen Deutschland ergriffen würden. bauen. In diesem Geiste müsse man an die Es ist selbstverständlich, daß ein derartiges Vor­deutschen Vorschläge herangehen. gehen für Deutschland und Europa andere Folgen. Die britische Regierung werde diese Vor- hätte als die Sanktionen gegen Italien , daß etwa schläge mit klarer Einsicht und objektiv priein völliger Boykott Deutschlands das Land, das fen, um festzustellen, in welchem Maße sie sowieso nur wenige Devisen besist, um seine not­geeignet sind, die Struktur des Friedens wie wendigsten Rohstoffe zu laufen, wirtschaftlich bald der zu stärken. in eine fatastrophale Lage bringen könnte.

Das Aufgeben des Locarno - Vertrages und die Besetzung der entmilitarisierten Rhein­landszone haben das Vertrauen in je de Ver­einbarung, welche die deutsche Regierung it Zukunft schließen würde, tief erschüttert. Nie­mand im Unterhause könne diesen Schritt bil­ligen oder entschuldigen. Er versetze dem Grundsatz der Heiligkeit der Verträge einen schweren Schlag.

Deutschland ist heute weit stärker, als das frühere Deutschland es iemals war. Heute fühlen wir uns für immer vereint mit der nationalsoziali­stischen Partei und mit allen ihren Organisatio­nen. Wir könne. die neue Armee nach unserem Er sei jedoch dankbar dafür, sagen zu kön­sigenen Ermessen aufbauen. Wir können dies ge- nen, daß es keinen Grund für die Annahme gebe, rade eben deshalb tun, weil wir Nationalsoziali- daß die gegenwärtige deutsche Geste die Drohung sten sind und die Tradition der alten Reichswehr von Feindseligteiten in sich schließe. fortsetzen. Der Führer ist heute nicht bloß unser Um Mißverständnisse" über die Stellung oberster Kommandant und Vorbild, sondern auch Englands als Unterzeichner des Locarno- Vertra unser Kamerad und wir sind ihm m t Seele ges auszuschließen, halte er es für notwendig zu und Geist ergeben. Wir wollen der erklären, daß, falls sich während der Zeit, die für Welt zeigen, daß ein starkes Deutschland der sicherste Hort des Friedens, der Freiheit und der Ehre ist.

Ras Mulugeta gestorben

Addis Abeba . Aus Quoram wird amtlich ge­meldet, daß Kriegsminister Ras Mulugefa

Angesichts der schweren internationalen Lage dürfe keine Gelegenheit verpasst werden, um diese zu verbessern.

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auch

Durch die Erklärung, daß England die deutschen Anregungen wenn vorher Deutschland fast als vertragsunfähig erklärt wird- gewis senhaft prüfen" will, stellt sich die britische Regierung in einem ge. wissen Gegensatz zu dem U n annehmbar" des französischen Minister. rates. Man muß also vorläufig den Beratungen der Signatare des Locarno­

einer Lungenentzündung erlegen, ist, die er sich Paktes( natürlich mit Ausnahme Deutschlands ), die Dienstag vormittags in

bei den letzten Kämpfen zugezogen hatte.

Paris stattfinden, mit großer Spannung entgegensehen.

Bei alledem aber muß man sich vor Augen halten, daß es noch etwas anderes gibt als juri­stische Verhandlungen und wirtschaftliche Maß­nahmen, daß eine Situation entstehen kann, wo zum letzten Mittel gegriffen wird, daß nämlich die Sprache der Waffen laut wird, was eine Kata­strophe für Europa und für die gesamte abend­ländische Zivilisation wäre. Wir, die mit aller Kraft bestrebt sind, der Menschheit die Hölle und die unermeßlichen Schrecken eines neuerlichen europäischen Krieges zu ersparen, müssen in die ser ernsten Stunde auf die ungeheuren Gefahren aufmerksam machen, die der Schritt Hitlers aus