DienStag, 10. März 1936 Geile 5 Sk. 59 Graf Welczeck, Hitlers neuer Botschafter in Paris Ausland. Die„Front der anständigen Deutschen ** AP. Neuerdings macht im Dritten Reich die „Front der anständigen Deutschen" sehr stark von sich reden, eine Organisation, die insbesondere ehemalige Stahlhelmer umfaßt und in großem Umfange agitatorisch tätig ist. Von dieser Seite find die Flugschriften in großer Zahl verbreitet worden, deren Inhalt kennzeichnend für die Stimmung weiter Kreise im Reich ist. Es wird darin gesagt, daß Deutschland sich einem Abgrunde nähere und daß es rechtzeitiger Vorbereitungen seitens der patriotischen Kreise bedürfe, um die Entstehung eines Chaos zu verhüten. Es sei nicht die Bildung einer neuen Partei geplant, sondern lediglich eine Zusammenfassung aller derer, die folgende Forderungen erhöben: 1. Die Wiederherstellung des, Rechtsstaates. Eine von unverantwortlichen' Machthabern kommandierte Koterie terrorisiere Staat und Voll. Tie Unabhängigkeit der Richter existiere nicht mehr. 2. Freiheit des Gewissens, des Glaubens und der Wissenschaft. Die Knebelung der Gesinnung sei undeutsch. Selbst im engsten Kreise könne niemand aus Furcht vor Denunziationen seine Ueberzeugung bekennen. Verfechter des Glaubens würden verfolgt, die Kirchen dem Parteigebot unterworfen, Propagandisten eines Neuheidentums aust die Jugend losgclaffen. Die Voraussetzungslosigkeit der Forschung sei durch die Liebedienerei einer Asterwissenschaft verdrängt worden, die vor keiner Fälschung zurückschrecke und den Wellruf deutscher Geistesarbeit zerstöre. In wenigen Jahren sei unschätzbares Kulturgut schmählich vergeudet worden. Ter Totalitätsanspruch des Staates im Reich des Geistes sei daher zu bekämpfen. 8. Sauberkeit des deutschen Staates. Dieser sei den Parteileuten ausgeliefert, alle Stellen ohne Rücksicht auf Vorbildung und Eignung besetzt worden. Die Verquickung von Staats- und Parteiämtern sei unentwirrbar. Verkrachte Existenzen hätten das Monopol des Großvcrdienens. Die Selbstverwaltung von Stein Und Hardenberg sei dem Machthunger der Diktatur geopfert worden. Deshalb müsse es heißen: Fort mit Korruption und Bonzentum! Vom Dlrnbaacrnhori Eine Jugenderinnerung von L Walch Im südlichsten Zipfel des Tachauer Bezirkes liegt ein Dörfchen still auf einer Hochebene, die zum Pösfigkauer Bachl und zur Radbusa im Tei- nitzer Bezirke deutlich abfällt. Diesem natürlichen Wege folgt, die Dorfgemarkung im Halbbogen umkreisend, die Schienenbahn des „Bockls", der von Weißensulz her stöhnend gegen Zemschen kriecht und bei Tutz, erleichtert aufatmend, beängstigend schnell gegen Wurken enteilt. Im Westen bilden die letzten Ausläufer des nördlichen Böhmerwaldes einen gefürchteten Wetterwinkel, im übrigen geben sie den gelben Fluren des Ottes einen hübschen grünen Rahmen. Zweimal steigt hier der böhmische Quarzpfahl ans Sonnenlicht und bildet den Rapa- und den Steinbühl , dazwischen liegt unser Dörfchen. Die beiden Berglein sind heute nahezu verschwunden, sie liegen als vorzüglicher Straßenschotter zwischen Weißensulz und Tachau . Das alte Dorfglöckchen auf der Schmiede ist— wie manch anderer— aus dem Weltkriege nicht mehr heimgekehrt, das neue aber schickt in alter Weise seine Diskantstimme noch immer erfolgreich unter die Konkurrenz der Kirchenglocken der Umgebung. In unmittelbarer Nähe des schmucken Schulhauses stand das Häuschen des Dirnbauern« harls. rils ein knorriger Riese, stets die Pfeife im zahnlosen Mund, das gutmütige, breite Gesicht mit Silberstoppeln übersät, die blauen Duxer Fußsocken über die Hosen gezogen, hie Füße in wahren Booten von selbstgemachten Holzschuhen, so lebt der liebe Alte noch heute in meiner Erinnerung. Ein an der Pfeifenspitze befestigtes rotes Gummiringlein gab dieser im Munde den richtigen Hall, ein Paar gutmütige blaue Augen ruhten müde im faltigen Gesicht. 4. Von übexmäßigem Zwang und kostspieliger Reglementierung befreite deutsche Wirtschaftspolitik. Was zur Zeit geschehe, sei systematische Vorbereitung des Bankerotts. Die heutige. Wirtschaftspolitik sei ein Gemisch von Leichtsinn, Dilettantismus und Autarkiewahn und werde von den Verantwortlichen wider besseres Wissen mitgemacht. 8. R e a l i st i s ch e Außenpolitik. Nötig sei eine auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung aufgebaute, aber realistische Außenpolitik, die allein die nötigen Kredite verschaffen könne. Auf den bisherigen Wegen gehe es nicht weiter. Sie führten Deutschland zu einem Zusammenbruch oder einem abenteuerlichen Kriege gegen ein« wett größere Uebermacht als 1914. Es müsse daher beizeiten Vorsorge getroffen werden, ehe es zu spät sei. An den Aktiewbörsen beinahe aller Länder ist im vorigen Jahre eine starke Belebung zu verzeichnen gewesen. Sowohl die Umsätze an Aktten als auch die Kurse haben eine bedeutende Steigerung erfahren. Diese für die Beurtellung der wetteren wirtschaftlichen Entwicklung bemerkenswerte Erscheinung war in den einzelnen Ländern von unterschiedlicher Stärke. Setzen wir den Stand der Aktienkurse stn Jahre 1928 gleich 100, so ergibt sich für die wichtigsten Länder Ende 1938 im Vergleich zum Vorjahre das folgende Bild: Land: Ende Ende 1934 1935 Tschechoslowakei.. 62,5 73,0 Deutsches Reich .' fr•• 9 53,8 60,2 Ver. Staaten v. Nordamerika 46,2 63,7 Großbritannien •••• • 92,3 103,5 Frankreich., •■■ a • 41,9 43,9 Niederlande • ■** 22,6 27,1 Schweiz .. ■ a■■ • 53,7 46,5^ Schweden .« f■• 50,9 54,5 Italien ,«, ■■• 57,0 58,5 Belgien., ■• w■ • 23,9 36,3 Oesterreich.. 51,8 66,2 Polen .., .... • 21,3 20,9 Den neue österreichisch-tschechoslowakische Handelsvertrag Der seit Jahren andauernde, vertragslose Zustand im Handelsverkehr der Tschechoslowakei mit Oesterreich wird nunmehr beendet werden. Die Verhandlungen, die mit Unterbrechung zwei Jahre hindurch zwischen den Delegationen der beiden Staaten geführt worden sind, stehen jetzt vor ihrem Abschluß. ES wird mttgeteilt, daß ein« Grundlage gefunden worden ist, die eine Bereinigung der noch offen stehenden Fragen in kürzester Frist ermöglichen wird. Die Schlußverhandlungen, in denen auch der tschechoslowakische Kohlenexport eine Rolle spielt, sollen so- beschleunigt werden, daß. die Paraphierung des neuen Handelsvertrages während des Aufenthaltes des Ministerpräsidenten Dr. Hodjsa in Wien erfolgen kann. Die Unterzeichnung selbst wird dann unmittelbar darauf erfolgen. Keine Beteiligung Frankreichs an der Olympiade") Wie die»Prager Presse" aus Paris berichtet, ist in den Vorbesprechungen über 4>ie Rückwirkungen etwaiger Sanktionen gegen Deutsch land auch auf die in Berlin angesetzten olympischen Spiele hingewiesen worden. Das franzö sische Olympia-Komitee wurde bereits aufgefordert, die Beteiligung in Berlin schon jetzt a b z u- sagen und die anderen Locarno -Staaten aufzufordern, diesem Beispiele zu folgen. Auch Studentinnen müssen in den Arbeitsdienst. DaS deutsche Reichserziehungsministerium hat Abiturientinnen, die zu studieren beabsichti« gen, verpflichtet, v o r Beginn des Studiums am studentischen Arbeitsdienst teilzunehmen, der 26 Wochen dauert. Land Ende Ende Ungunt••■■■■■ . 45,7 58,4 Rumänien. «■■■■ . 72,1 107,7 Jugoslawien ..».. . 51,7 52,5 Japan . 104,0 104,5 In der Schweiz und in Polen sind demnach die Aktienkurse im Jahre 1935 noch weiter gesunken. In einigen anderen Ländern haben sie sich kaum verändert. Die Mehrzahl hat jedoch eine Steigerung aufzuweisen. Unter den Ländern mit höchster Steigerung befindet sich mit Rumänien, den Vereinigten Staaten , Oesterreich, Ungarn, Belgien auch die Tschechoslowakei . Mtt einem Stand von 73,5 Ende 1935(1928— 100) rangiert die Tschechoslowakei bei der Höhe des KursindexeS für Aktten an vierter Stelle. Selbst in den Bereinigten Staaten«nd in Deutschland liegt der Aktienkursinder viel ttefer als bei uns. Das ist deshalb besonders bemerkenswert, weil die Tschechoslowakei im Produktionsaufschwung hinter dem Tempo anderer Länder zurückbleibt. Die Entwicklung des Profits eilt hier demnach, falls die Spekulation, die in. den Kurssteigerungen zum Ausdruck kommt, richtig ist, der Entwicklung der Produktion voraus. .... Die Prager Mustermesse. Im Messeverlehr kommt immer stärker der bessere Auslandsbesuch zur Geltung. Die Aussteller sind daher im Durchschnitt mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. Spontan heben sie die gute Käuferfrequenz hervor. Es gelang im Laufe des Tages wieder recht ansehnliche Aufträge hereinzunehmen. Besonders groß ist die Zahl der Probeaufträge, von denen sich die Aussteller ein sehr gutes Nachge- schäst versprechen. Am Messemontag trafen noch weitere Käufer ein, wobei wieder die kaufkräftigen Länder England, die Schweiz , Schweden , Belgien , Frankreich und Holland , von Uebersee die Vereinigten Staaten und Argentinien einen hohen Anteil haben. Das Jnlandsgeschäst hat sich ebenfalls besser angelassen als im Herbst. Allerdings machen sich noch immer die Krisenfolgen in gewissen Branchen bemerkbar. Die Wiener Messe wurde Sonntag vormittags ohne Feierlichkeiten eröffnet. Liehe und Geld und Saxophon und Geigen Prag . Der 31jährige Musiker Jaroslav V o- ko UN ist ein Mann von abenteuerlicher Phantasie. Da er ein hübscher Mensch ist, verlegte er sich srüh« zeitig auf den Heiratsschwindel und gilt, dem Polizeibericht nach, als Spezialist auf diesem Gebiet. Das mag stimmen, denn gleich der erste Fall, den die gestern verhandelte Anklage anführt, mutet ganz unwahrscheinlich an. Vokoun brachte es nämlich fettig, das Stubenmädchen eines Stundenhotels, das er mit einer Prostttuietten besuchte, zu ködern, indem er ihr beim Weggehen erzählte, seine Augenblicksgeliebte sei ein Vampyr, wisse von ihm etwas Verfängliches und„halte ihn in ihren Krallen". Er seiRottmeister und müsse jenem schandbaren Weib zu willen sein, weil sie ihm sonst durch Aufdeckung einer Jugendtorheit seine glänzende militärische Karriere verderben und ihn zugrunde richten würde. DaS Stubenmädchen Rosa fing tatsächlich Feuer und liefette dem armen„Rottmeister" auf den ersten Anhieb ihre Ersparnisse von 4000 KL aus. Jaroflav Vokoun war angenehm überrascht von dem leichten Erfolg und übte künftighin seinen Beruf als Heiratsschwindler stets in der Uniform eines Rottmeisters aus und hatte großattige Erfolge. Sein in der»Narodni Politika" veröffentlichtes Inserat, nach welchem»ein Rottmeister eine Dame in mittleren Jahren zwecks Eheschließung suchte", brachte ihm eine Flut von Angeboten, die teilweise als Beweisdokumente den Gerichtsakten beilagen und deren Verlesung Heitetteit im Gerichtssaal hervor- ttef. Als routtnierter Heiratsschwindler verwarf Vokoun alle»tief veranlagten, hübschen, stattlichen" ufw. Bewerbettnnen, die über kein Bargeld verfüg ten. Auch die Besitzerin einer Villa im Wett von 120.000 Kd fand keine Gnade vor ihm, trotz des verführerischen KennwotteS„Graciosa", weil sie kein flüssiges Kapital besaß, das die Mühe gelohnt hätte. Dagegen erwählte er die 88jährige Köchin Franziska, der er gleich beim ersten Zusammentteffen erzählte, er habe in seiner Jugend ein Mädchen ver- führt, daS er nun abfinden müsse. Franziska war bezaubett, erklärte aber, sie müsse sich die Sache erst überlegen. Sie überlegt- nicht lange. Gleich am nächsten Tag schrieb sie einen ftagikomischen Brief, in dem sie ihm nicht nur ihr Sparkaffabuch zur Verfügung stellte, sondern sich mit vielen zärtlichen Worten für ihr Zaudern entschuldigte. Der»süße Mann", wie sie ihn anzureden pflegte, verschwand nach kurzer Zeit und mtt ihm 10.000 KL. Zur gleichen Zeit ließ sich.Rottmeister" B o- k o u n mtt der 34jährigen Schneiderin Marie ein, die er um 1000'KL rupfte: Erst die 30jährige■ ,r' lena, die er, übermütig geworden, gleich bei der ersten Zusammenkunft um 8000 KL anging, schöpfte Verdacht und so kam Vokoun endlich hinter Schloß und Riegel. Bor dem Senat Trost vetteidigte sich der An« gellagte mit beträchtlichem Galgenhumor und erbot sich,„jede beliebige" seiner drei Bräute zu heiraten. Dieser kulante Vorschlag ttef freilich einmüttgen Protest der Bewogenen hervor. Die Bräute haben sich übrigens dadurch zum Leinen Teil entschädigt, daß sie die Instrumente des entgleisten Musikers unter sich austeilten. Die meistgeschädigte Köchin Franziska erhielt ein Saxophon im Wette von 1800 KL, das Stubenmädchen Rosa eine Geige für 460 KL und die Schneidettn Marie eine weitere Geige im Wett von 240 KL nebst einem Koffer und einem Paar Herrenschuhe. Auch Vokoun erhielt das seine, nämlich achtzehn Monate schweren und ver« schärftenKerkerS. rb. Volfeauurtechoft und S&ziolplitife Die Börsen-Welthausse Die Tschechoslowakei mit an der Spitze Beim Harl wohnte dessen vaterloses Enkelkind, der Toni, mit dem mich eine innige Knabenfreundschaft verband. Mit Treue will ich stets seiner gedenken,— er fiel in Galizien . An dem Harl aber hing ich mtt ganzem Kerzen und wenn immer es eine Möglichkeit gab, daheim zu entwischen, schon war ich bei ihm und so bliebs bis zu seinem Tode. Mein sonst so strenger Vater sah meinen Umgang mtt den Bewohnern im Nachbarhause ganz gern und dies um so mehr, als wir zwei gesunden Bürschlein beim Harl in den besten Händen waren, denn er ersetzte uns zwei Lausern mindestens ein Dutzend Kindermädchen. Er hatte mich wirklich gern, so daß die Zuneigung ganz auf Gegenseittgkeit beruhte. Einmal im Herbst gabs eine am Dorf nicht seltene Obstaffäre. Wir Buben gingen über die Aepfel des unteren Nachbarn. Diese Aepfel wurden wegen ihrer anerkannten Güte von uns pünktlich jedes Jahr„geerntet" und ehrlich geteilt. In diesem Jahre aber hatten wir bei der Ernte entschieden Pech. Recht dumm waren wir dem Bauer in die Falle gegangen, unsere Flucht verdiente jedoch heute noch ein Heldengedicht, denn erstaunlich schnell fanden wir unsere steilen Wege über Mauern und Zäune, nachdem wir wie die zeittgen Aepfel vom Baume gesaust waren. Aber ein Opfer gab eS zu beklagen, der Ton blieb in den Händen des grimmen Bauern und wurde jänunerlich verhauen. Wie nicht selten zog dieser Bubenstreich weitere Kreise,' die Alten verfeindeten sich und der Zank ging von Gatten zu Garten. Ich habe alle Ursache, diesen Herbstaben- nicht zu vergessen, denn aus zwei Gründen bleibt er mir für immer in Erinnerung. Erstens erfuhr mein Vater die Ursache des Nachbarzankes und für mich gabS als weniger schmackhafte Nachspeise für die wirklich guten Nachbaräpfel er bärmliche Hiebe und zweitens stand ich starr, als der bestohlene Bauer dem Harl im Zorn die Watte ins Gesicht geiferte:„Du alter Zuchthäusler, schau, daß du wieder ins Kriminal kommst." Der Harl wurde plötzlich still, ging ruhig ins Haus und bald erfuhr ich'S—, das Ungeheure, das Grauenhafte, mein lieber Harl war wirklich ein Mörder, war 15 Jahre gesessen. Vor fast fünfzig Jahren war'S. Der Peter- bauer im Dorf hatte zwei schmucke Buben, die in seltener Brüderfreundschaft lebten. Der ältere, der Harl, hatte die einzige Tochter deS Dirnbauers gefreit und das junge Ehepaar hauste friedlich auf dem stattlichen Hofe. Faschingzeit,__ Faschingdienstag .— Am Nachmittag hatte die Musik die jungen Paare zusammengespielt, von Hof zu Hof tollte ungebunde Faschinglust. Am Abend ging's beim Galn hoch her. So schön wie heute war's noch nie l Unbändig ftckte und stampfte die Jugend in der engen Wittsstube, der fröhlichsten einer war der junge Peterbauer. Der Dirnbauer sah schmunzelnd deS öfteren auf seinen ausgelassenen Bruder, tanzte mit seiner jungen Frau etliche Stückeln und überließ mit den übrigen Verheirateten zeitlich die Wirtsstube den Ledigen und ging seinem Hofe zu. Noch klingen ihm die Witze der Jungen im Ohr, noch sieht er sie lachend um die Haustüre drängen, zu sehen, wie die Ehekrüppel heimwärts ziehen. Er sieht noch seinen Bruder lachend winken, hött noch dessen Juchzer über daS Dorf schallen und geht zu Bette. Morgen ist Aschermittwoch, der graue Alltag, na— die Jungen können sich noch eine Nacht leisten— und schon schläft er ein. Um Mitternacht gibts ein Klirren an den Stubenfenstern des Dirnbauernhofes. Zu Tode erschrocken springt der Bauer aus dem Bette und hört unter dem Toben und Schreien der Nach-, barn die furchtbare Nachricht, daß der Bruder erschlagen im Wirtshause liegt. Der Balzerhaus war's, hört er noch und fast vergehen ihm die Sinne. Stöhnend steht er in der Stube, schreit auf, reist den Schleißschnitzer aus dem Deckbalken und spttngt— wie er ist— hinaus in die Nacht. Wie ein Geist erscheint der Hüne im Gasthause, in dem alles Leben erstorben scheint, er sieht seinen Bruder in einer Blutlache liegen, stiert in die entsetzten Gesichter der ernüchterten Burschen, ersieht den Balzerhans, springt ihn mit einem gräßlichen Fluche an und stößt ihn mtt dem Kanttnesser durch und durch. Erstarrt stehen die Dörfler mn zwei entschwindende junge Leben. Der junge Balzer, her" .vor der Hochzeit und der Uebernahme des väterlichen Hofes steht, stirbt in den Armen seiner Braut, der Bruder des DirnbauerS erkämpft sich trotz einer fürcherlichen Kopfwunde das Leben. Aschermittwoch. Im fahlen Morgenlicht steht das ganze Dors erregt unter den Toren, geflüstett nur geht Wort zu Wort,— durch das Dorf aber schreitet in schweren Ketten, todblaß, doch aufrecht, der Dirnbauer vor den Gendarmen. Wortlos stand er vor seiner Frau, wortlos verläßt er HauS und Hof, starr steht sein Blick. WottloS geht er an den Gruppen der Dörfler vorüber, aufrecht und still geht er seinen Weg, geht den Weg gegen Pfraumberg wie im Traum, geht sttll seinen Weg — ins Zuchthaus. So, mehr lieber Leser, nimm deine Steine der üblichen Nächstenliebe und wirf, beschimpf mii dem zornigen Nachbar den grauen, stillen Mann, Für mich aber bleibt der Dirnbauer mein lieber, lieber Harl,— eine meiner liebsten Jugenderinnerungen.
Ausgabe
16 (10.3.1936) 59
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