Einzelpreis 70 Heller(einschließlich i Heller Forte)IENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHER ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME OES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova ü. telefon 53077.HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG.16. JahrgangDonnerstag, 12. März 1936Nr. 6 tmerhin verpflichtet zu sagen, daß es ihnen bisherin bemerkenswerter Weise gelungen ist, sie gc-heimzuhalten. Wir sind aber genug skeptisch undauch genug unhöflich, um zu behaupten— biszum Beweis des Gegenteils—, daß derzeit unsere Staatsmänner noch keine klare V o r-st e l l n n g davon haben, wie die Gefahr einesdeutschen Angriffs zu beseitigen wäre. Drei Jahremilitärisch machtlosen Hitler gestattet, unter| flagranter und bald auch offizieller Vertragsverletzung eine furchtbare Armee wiederaufzustellen,die heute schon alle Nachbarn Deutschlands be-! ängstigt. Sie hätten wissen müssen, daß alles andere Unheil zwangsläufig folgen wird. Sie habenI alles geschehen lassen. Sind die RegierungenFrankreichs, Englands und Belgiens sich aberwenigstens j e tz t im Klaren? Werden sie endlichverstehen, daß die große Gefahr nichtDeut sch-l a n d schlechtweg ist, sondern dasrevanchelüsterne, brutale, barbarische Deutsch landHitlers?Werden sie immer noch nicht begreifen, daß manmit einem demokratischen Deutschland sich leicht auf einer Basis verständigenwürde, die tatsächlich die Sicherheit aller gewährleistete, während die Gefahr eines plötzlichen, blitzartigen, nicht provozierten Angriffs immer bestehen wird, solange dieses abscheuliche Regime inDeutschland herrschen und über die genügendenMittel verfügen wird, um einen solchen bösenSchlag zu riskieren?Vielleicht werden die französischen, englischen, belgischen Staatsmänner heute diese seitlangem augenscheinliche Wahrheit begreifen. Aber-Begreifen allein genügt nicht.Man muß im Lichte dieser Einsicht handeln!Ausgedrückt in einem einzigen Satz: Man mußdie gegenwärtige Lage dahin charakterisieren, daßdie Sicherheit Belgiens undFrankreichs und der FriedenEuropas das Ende des Hitler-Regimes in Deutschland fordern. Das ist die wahre einzige Lösung.Wird man einwenden,' daß die anderenStaaten auf die innere Herrschaft in Deutschlandkeine Einflußmöglichkeit haben? Das wäre einvölliges Mißverstehen der Wirklichkeit. Dasdeutsche Volk leidet grausam. Die Hitler-Mystikist tot, sein Regime wird verabscheut und kannvon heute auf morgen zusammcnbrechen. Eindiplomatischer äußerer Erfolg, erzielt durch diecharakteristischen Methoden der Brutalität, kanndas Regime retten, eine entscheidende diplomatische Niederlage würde sehr wahrscheinlich feinenZusammenbruch beschleunigen.Die interessierten Regierungen brauchen sichnur genau an ihre, in den internationalen Verträgen verzeichneten Rechte zu halten. Sie habenan den Völkerbund appelliert. Aber dieser Appelldarf und kann sich nicht darauf beschränken, dieletzte Vertragsverletzung aufzuzeigen. Es sind saandere Verletzungen vorausgegangen, vor allemdie Wiederaufrüstung. Der Völkerbundrat hat dieAufgabe, dem internationalen Gesetz Respekt zuverschaffen. Wenn Deutschland sich nicht fügt,mutz man ihm Sanktionen auferlegen. Wir wollen den Frieden, nicht den Krieg. Die militärischen Sanktionen, die der Völkerbundpakt vorsieht,müssen nur befürwortet werden, wenn sich wirklich keine andere Möglichkeit bietet, den Friedenzu retten. Soweit sind wir noch nicht. Wirtschaftliche Sanktionen würden vollkommen genügen, um Hitler das Ende zu bereiten. Vielleicht wird er drohen, Sanktionen, selbstfriedliche, mit Krieg und Einmarsch zu beantworten. Lietze Europa sich durch solche Drohungenimponieren, wäre es verloren. Solche DrohungenHitlers sind nicht ein Zeichen der Stärke, sondernder Schwäche. Sein Regime würde nur einigeWochen einer ernsten Blockade widerstehen können. Die anderen Nationen hätten lediglich loyaldas internationale Recht anzuwenden,— denRest würde das deutsche Volk besorgen. Nach kurzer Zeit wäre die Hitler-Barbarei nur noch eineschreckliche Erinnerung und ein demokratisches undfriedliches Deutschland könnte wieder in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker eintreten.Das ist Politik. Kann man ihr wirklich eineandere klare und logische gegenüberstellen?"snngen ersucht und schließlich den Anstoß zur Verlegung der Beratungen nach Londongegeben haben.Die Anwesenheit der Rheinpaktsignatare undder Bölkerbundmitglieder in London werde auchunmittelbarer der englischen verantwortlichenLeffentlichkeit dir kollektive Pflicht Frankreich undEuropa gegenüber in Erinnerung bringen. London anstatt Genf sei also eine entschieden gün-st i g e r e Wendung und London könne demVölkerbund einen Auftrieb geben.Andere Blätter befürchten dagegen, daß inEngland der„englische Nebel" die Oberhand gewinnen und daß aus den Londoner Beratungenhöchstens eine moralische Verurteilung der deutschen Tat, aber gleichzeitig eine direkte Anregungzu Verhandlungen mit Deutschland entgegen dem.Standpunkt Frankreichs hervorgehen werde.**Winnen. ES ist die tragische Verkettung, die seit1933 immer wieder die mögliche Befreiung Europas vom Alpdruck der Hitlerei an die mögliche Katastrophe eines Weltbrandes bindet.-In Deut sch land, zeigt man sich angesichts der immerhin bedrohlichen Lage sehr sieges-sickier, was besonders in der Rede Go ebbe' S'zum Ausdruck kam, die eine keckeHeraus-forderung Frankreichs getvesen ist.Italien gegen SanktionenEine halbamtliche ErklärungRom.(Strfani.) An politischen Stellenwird erklärt: Die italienische Regierung hat sichnoch nicht entschieden, welchen Standpunkt Italien hinsichtlich der Aufkündigung desLocarno-Vertrages seitens Deutschlands einneh-men wird. Es ist wahr, daß Europa um die Mitwirkung Italiens bei der Lösung verschiedenersich aus der deutschen Entscheidung ergebende«Fragen ersucht, aber Italien kann nicht auf seinegegenwärtige Lage als Staat, gegen den Sanktionen angrwendet werden, vergessen. Es stellt sichdaher gegen jede derartige gemein-same Aktion. Außerdem muß sich Italiendie wohlwollende Geduld vor Augenhalten, die Großbritannien gegenüber Deutschland bekundet. Unter diesen Umstäirden erklärtItalien, daß e^s nicht zweierleiMaß zulassen kann. Das italienischeVolk wünscht nicht, daß gegen irgend einen StaatSanktionen angrwendet werden, wie es nicht will,daß sie ihm gegenüber durchgeführt werden..Entscheidung fällt in LondonWorum es in Wahrheit geht:Der Welt-Kapitalismus bangt um HitlerParis.(Tsch. P. B.) In den politischenCouloirs und in den Morgenblättern fehlt es nichtan Erklärungen und Vermutungen wegen derplötzlichen Wendung in den Pariser Beratungenund der Verlegung der Besprechungen der Rheinpakt-Signatare und der Bölkerbundratsitzung nachLondon.Der größte Teil meint, daß die feste Stellungnahme der französischen Regierung, dirAußenminister Flandin neuerlich bei der Beratung der Signatare und die Regierung imParlamente wiederholt, hat und welcher f a steinstimmig die Mitglieder beider Kammern zugrstimmt haben, d. i. mit Deutschlandnicht zu verhandeln, solange es seine Truppenaus dem Rheinland nicht abberuft, auf die englischen Delegierten bis zu dem Maße gewirkt hat,daß sie ihre Regierung nm neue Wei-.*Cs geht in dem Vorgefecht der Garantie-Mächte offenbar jetzt vor allem darum, daß Frankreich den Briten die volle Verantwortung für eineventuelles Zurückweichen vor Hitler in die Schuheschieben will. Die französische Regierung tritt nach'außen sehr entschieden auf, scheint aber dabei mitdem Widerstand der Engländer als einer sicherenGröße zu rechnen gleich jenem Jähzornigen, derdoch vorsichtig genug ist, seine Freunde fortwährend aufzufordern, sie-möchten ihn um Goticswil-len zurückhalten.Daß Frankreichs moralische Entrüstung über-die englische Schwäche ein Loch hat. darauf habenwir schon wiederholt hingewiesen. England brauchtesich nur darauf zu berufen, daß man gegenHitler nicht schärfer vorgehen dürfe alsg e g en Mu s s o l i n i. Es hat lange genug gedauert, bis Frankreich sich zu den ersten schüchternen Sanktionen gegen Italien herbeiließ. Heutewirft es den Briten bereits vor, daß sie nicht aufder Stelle zur Abberufung der Botschafter greifen. Die Botschafter in Rom aber müßten feitOktober abberufen sein... Die Engländer zeigen eine gewisse Lust zu Verhandlungen. Frankreich ist entrüstet darüber. Aber war es nichtFrankreich, das mit dem Friedensbrecher Mussolini dauernd verhandelte und den größten Wertdarauf legte, daß man auch wä-hrend derSanktionen verhandle?! Hat nichtLaval die Idee propagiert, daß der Angreifergesättigt werden, daß der Angegriffene die Rechnung bezahlen müsse?! Diesen Gedanken, daßLaval der Schuldige sei, entwickelt auchunser französisches Bruderblatt, der„P o p u-laire".Die entscheidende Frage wird sein, ob überhaupt eine der Garantiemächte wirklich den SturzHitlers will. Und hier scheint nicht nur Englandzu zögern, sondern doch Wohl auch das KabinettSarraut-Flandin. So wenig sich die Westmächtean Mussolini ernstlich herangetraut haben, weil siedie„Anarchie" fürchteten, die nach ihm kommenwürde, so wenig Lust haben die Beauftragten desPariser und Londoner Finanzkapitals, durchdenStstrzHitlerseinedeutscheRe-volution heraufzubeschwören. Um diesund nichts anderes geht es in London. Es wird eine Frage der GeschicklichkeitFlandins oder Edens sein, daß einer dem anderndie Verantwortung zuschiebt. Im Grunde aberwollen beide den Pelz waschen, ohne ihn naß zumachen. Sie wollen Deutschland zurückweisen, aberHitler halten, während das Interesse Europasdoch gerade erfordern würde, Hitler zu stürzen undeinem von Hitler befreiten Deutschland den Wegin die europäische Völkergemeinde zu ebnen. Hitler kann gestürzt werden, wenn entsprechende wirt-schaftliche Sanktionen verhängt werden, die mächtige Kreise gegen ihn in Bewegung setzen würdenAber gerade deshalb werden die Westmächte zögern,die geeigneten Sanktionen zu ergreifen.Nicht unterschätzt darf natürlich auch dasMoment der Ang st v o r d e m Kriege werden. In den Ländern der Genfer Front fürchtet man den Krieg— natürlich mit RechtDeutschland allein ist bereit, alles zu riskieren,und weil es den Mut zu einem verbrecherischenHasardspiel hat, der den Andern fehlt, hat es diebessere Chance, die Partie ohne Krieg zu ge-Holland behält Reservistenunter den WaffenHaag. Ministerpräsident Colijn teilteMittwoch im Rundfunk mit, daß dlr Wehrpflichtigen der sogenannten Winterschicht, die am nächstenSamstag ihre Ucbungszrit beendet und eigentlichauf Urlaub für unbestimmte Zeit gehen sollte,soweit es sich um Infanterie und Radfahrer handele, unter den Waffen gehalten werden solle. Dies fei lediglicheine Sicherheitsmaßnahme, die aufgehoben werden würde, sobald sich die europäische Lage beruhigt hätte.Vie einzige Lösung: Hitlers SturzDas Blatt der belgischen Sozialdemokratie, I sie eine solche klare Idee haben, so sind wir im-„Le Peuple", nimmt in seiner Folge vom 1V.März, in höchst beachtenswerter Weise zu der kri tischen Lage Europas Stellung, die durch HitlersBruch des Locarno-Paktes entstanden ist. DerArtikel, dessen Verfasser, der außenpolitische Re dakteur des„Peuple" I e x a s ist, zeichnet sichebenso durch Entschiedenheit des Wollens wieKlarheit des Ausdrucks aus. Wir geben den Arti kel nachstehend wieder und bemerken, daß die er-■ lang haben sie, während die Tatsachen um Rachesten drei Absätze einen in Inhalt und Form sinn- zum Himmel riefen, sich hartnäckig dagegen ge-gemäßen Auszug darftellen, während vom vierten j wehrt, die Wirklichkeit zu sehen. Sie haben einemAbsatz an die wörtliche llebersetzung folgt.Jetzt muß g e h a n d e lt werden! Aber da zu muß man wissen, was man will, den festenWillen haben, zum Ziel zu gelangen. Hitlerweiß, was er will: zur Aufrechterhaltung seinerDiktatur dem enttäuschten deutschen Volke durchkühne Ausfälle in der auswärtigen Politik impo nieren, auch auf die Gefahr eines europäischenBrandes; und die preußische Militärherrschaft inMittel-, Ost- und Westeuropa aufrichten. E r alsoweiß, was er will— doch wissen die Mächte, dieer provoziert, was sie wollen?Daß die Regierungen Frankreichs und Bel giens an den Völkerbund appelliert haben, ist gut.Aber was versprechen sie sich davon? Gesetzt selbstden doch keineswegs sicheren Fall, daß der Gen fer Rat angesichts der Einmütigkeit Frankreichs.Beligens, Englands und Italiens Deutschlanddazu bewegt, seine Truppen aus der demilitari sierten Zone zurückzuziehen? Gesetzt selbst denFall, daß Hitler dem zustimmt— können dannBelgien und Frankreich ruhig schlafen? Bliebenicht dennoch die ständige Gefahr der Invasion,täglich wachsend, täglich deutlicher werdend? Wer den die Staatsmänner, die sich in Genf und Lon don versammeln, es wagen, ihren Völkern zusagen, daß sie zu einer Unterschrift Hitlers Ver trauen haben können?Schon jetzt mangelt es an Einigkeit undSolidarität der Regierungen und der öffentlicher.Meinung in den verschiedenen Locarno-Signatar landern. Es melden sich'Stimmen, die raten, ausdie französische Regierung in mäßigendem Sinneeinzuwirken. Und dabei gibt es doch niemanden.der Frankreich eines ähnlichen Gewaltstreichs fürfähig hielte, wie Hitler ihn begangen hat. Warumalso diese Ratschläge zur Mäßigung? Will man,daß gegen den schuldigen Staat nicht alle Hilfs mittel angewendet werden, zu denen uns das in ternationale Gesetz autorisiert?„Genügen nicht die Lehren der letzten dreiJahre? Will man warten, bis Hitlers Flugzeugeeines Tages Brüssel, Paris oder London bombar dieren und bis seine motorisierten Regimentergenau so rapid Lüttich oder Maastricht besetzen,wie jetzt die Reichswehrbataillone in Köln ein marschierten(während Hitler noch zu seinemWitz von Reichstag sprach)— und bevor die über raschten Botschafter auch nur Zeit hatten, ihrenRegierungen zu telegraphieren?Wenn man auf diese Weise Vorgehen will,dann können wir— ohne die geringste Gefahr,zu irren— Voraussagen, daß die deutsche Inva sion in Belgien und Frankreich nur eine Frageder Zeit, vielleicht einer sehr kurzen Zeit ist. Wennman der Gefahr der Invasion, die kein verant wortlicher Belgier oder Franzose leugnen kann,vermeiden will, dann mutz man etwas tun.!Haben die französischen, englischen und belgischenStaatsmänner eine klare Idee von den ernstenMitteln zur Beseitigung dieser Bedrohung? Wenn