Seite 2 Donnerstag, 19. März 1936 Nr. 67 Hitlers großer Friedensplan diskutiert werden oder ob er an dem.^triegswillen der Franzosen " scheitern soll. Auch dem sudetendeutschen Zeit­genossen wjrd heute schon, weisgemacht, daß an dem vielleicht nahenden Krieg Hitler voll­kommen unschuldig ist, daß die ganze Kriegsschuld von morgen auf Frankreich , Ruß­ land und die Tschechoslowakei fällt. Das hört der sudetendeutsche Staatsbürger im Rundfunk, das liest er in der Zeitung. Die Behörden der Republik , ihre verant­wortlichen Organe sind täglich Zeugen dieser Er­ziehungsarbeit. Es ist Wohl nicht nötig, von den Folgen zu reden, die sich für die Loyalität, für die staats- W i e n.^Eigenbericht.) Auch der dritte Berliandlungstag im Sozialistenprozeß erbrachte keinerlei Beweise für die Behauptung der An­klage, daß die Bereinigte sozialistische Partei im Rahmen einer organisatorischen Gemeinsamkeit mit den Kommunisten gearbeitet und die Wieder­aufstellung und Bewaffnung des Schutzbundes zum Zwecke eines gewaltsamen Umsturzes unter Vorbereitung des Bürgerkrieges angestrebt habe. Aus den Aussagen der beiden mitangeklagten Kommunisten ergibt sich im Gegenteil, datz beide Parteien getrennt nebeneinander bestehen. Die glrichgeschalteten Blätter behaupten zwar, daß kein Interesse für den Prozeß vorhanden sei, was durch dir schwache Besetzung des Auditoriums bewiesen werde, doch ist die Anteilnahme der ausländischen Presse anhaltend groß, während man für das übrige Publikum nur wenige Karten bewilligt hat. Die Wiener Presse berichtet also bewußt eine Un­wahrheit. Sie beschränkt sich im übrigen auf die Wiedergabe der für die Angeklagten ungün­stig e n Prozeßergebniffe, die kärglich genug sind. Heute wurden die ersten Zeugen, und zwar lauter Polizeibeamte, emvernommen Ihre Aussagen gewährten einen tiefen Einblick in die Spitzelmethoden, die die österreichische Polizei im Kampfe gegen die Sozialdemokraten anwendet. Die Nichtzulassung der internationalen Abordnung zum Prozeß widerlegt übrigens die Behauptung, daß kein Interesse für den Prozeß vorhanden sei. Das Protesttelegramm, das de Brouckkre und Ge­nossen nach Paris sandten, hat folgenden Wort­laut: Nach dringenden Schritten bei allen Be­hörden ist uns die Erlaubnis, dem sogenannten Hochverratsprozeß gegen die österreichischen So­zialisten beizuwohncu, endgültig verweigert worden. Wir appellieren an das internationale Gewisse» in bezug auf diesen schändlichen Macht­mißbrauch, wodurch die elementarsten juristischen Garantien verletzt wurden." Die Verhandlung begann mit der Einver­nahme der Leontine Haas, in deren Wohnung die Hauptangeklagten Sailer und F e l l e i s ver­haftet tvurden. Es ergibt sich, daß die Zusam­menkunft offenbar von einem Lockspitzel verraten war und daß sie,, bevor überhaupt etwas Strafbares beraten werden konnte, von der Poli- bürgerliche Gesinnung, für die Verläßlichkeit weiter Kreise des sudetendeutschen Volkes aus dieser Tatsache ergeben. Man wundere sich nicht, wenn sie eines Tages offenliegen werden! Daß man hier, wo es die einzigartige Gelegenheit gäbe, einem größeren deutschen Volksteil die Wahrheit über den katastrophalen Weg der Ber­ liner Politik zu sagen/ diese Gelegenheit nicht nützt, sondern im Gegenteil der zielbewußten Verbreitung der Unschuldslegende Hitlers tatenlos zusieht, ist ein mehr als tschechoslowaki­sches Versäumnis; eS ist ein euro­päisches Unglück; und für uns Deutsche ein nationales Unglück ob e n d r e i n! zei ausgehoben wurde. In der Wohnung wurden illegale Flugschriften gefunden, von denen man annehmen kann, daß sie nicht mit Wissen der Angeklagten in die Wohnung kamen. Die Kommunisten Honner und Fürnberg ver­teidigten sich in sehr wirkungsvollen zusammen­hängenden Reden. Honner umriß die Ziele der KP und sagte, daß eS sich auch für die Kommuni­sten in Oesterreich gegenwärtig nicht um einen gewaltsamen Umsturz und die Entfesselung des Bürgerkrieges, sondern um die Eroberung der Volksrechte mit friedlichen Mitteln handle. Nicht die Bestrebungen der Arbeiter, sondern jene der Legitimisten seien als Hochverrat zu werten. Gäbe es in Oesterreich auch nur die ge­werkschaftliche Freiheit, so würde es nicht notwen­dig sein, illegal zu arbeiten. Eine organisatori­sche Vereinigung der KP mit der Eozialdemokra» tischen Partei habe es n i e gegeben, also könne es auch keine gemeinsame Leitung gegeben haben, der man die Organisierung des blutigen Straßenkamp­fes nachsagt. Dem Angeklagten wurde auf die Frage nach dem Grund seiner Verhaftung von der Polizei geantwortet:Für uns genügt Ihre Vergangenheit, für uns ist Ihr Fall klar, ganz unabhängig davon, was Sie zu Protokoll geben." Als sich der Angeklagte Fürnberg anschickt, ebenfalls eine Rede zu halten, tut der Vorsitzende den klassischen Ausspruch:Je mehr gesagt wird, desto weniger merkt man sich." Fürnberg verweist auf die Tatsache, daß die KP in Oesterreich nicht aufgelöst, sondern nur ihre Tätigkeit eingestellt wurde/ Man habe weder außerhalb noch innerhalb der Vaterländischen Front eine Möglichkeit, eine Aenderung der be­stehenden Zustände mit gesetzlich zulässigen Mit­teln anzuftreben, also bleibe nur die Il­legalität. Dadurch werde die ganze Anklage ad absurdum geführt. In der Anklageschrift stehe das Gegenteil dessen, was Fürnberg bei der Poli­zei zu Protokoll gab. Daß die Oesterreicher Grund haben, mit den jetzigen Verhältnissen unzufrieden zu sein, habe vor kurzem selbst Kardinal Innitzet erklärt. Die Forderung nach Presse« und Organisationsfreiheit habe nichts mit Hoch­verrat zu tun. Es werden dmm drei Angeklagte wegen der Verbreitung illegaler Druckschriften vernommen. Nachmittags begann die Zeugeneinvernahme. Der Polizeioberkommiflär Dr. H a S li n g e r be­streitet die Behauptungen der Angeklagten über seine merkwürdigen VernehmungSmethoden. Ins Kreuzverhör genommen, verläßt ihn sein gutes Gedächtnis. Felleis weist nach, daß den Angeklagten bei der Vernehmung Unwahrhei­ten über ein angebliches Geständnis der Genossen gesagt wurde. Polizeioberkommissär Dr. Berger gibt an, daß die Berichte über die Brünner Konferenz aus ganz verläßlicher Quelle stammen. Daraufhin stellt Sailer fest, daß es sich bei dem Spitzel, der den Bericht gab, nur um einen gewesenen Parteigenossen handeln könne. Wer aber seine ehemaligen Kameraden um Geld verrat«, sei weder verläßlich noch ehrlich, sondern ein ge­meiner Schuft. Der Zeug« Weib darauf keine Antwort. Sailer wird auch nicht gerügt. Das Gericht selbst ist also der Meinung, daß er recht hat. Dr. Berger gestand, daß die Methode, bei der Vernehmung mit Unwahrheiten Geständ­nisse herauszulocken, nicht statthaft ist. Was die übrigen Polizeibeamten erzählen, beweist nur, daß die ehemaligen Sozialisten weder auf der Straße, noch in öffentlichen Lokalen, noch selbst in Privatwohnungen zusammenkommen kön­nen. ohne bespitzelt zu werden. Daß man mit ehe­maligen Parteifreunden spricht, ist verdächtig und belastend. Wer denkt da nicht an den Metternich- schen Vormärz ? Am Donnerstag wird die Zeugeneinvernahme abgeschlossen» Freitag beginnen dir Plädoyers. Interview mit Frau Vandervelde Wien. Der Korrespondent vomH e t Volk" hatte eine Unterredung mit Frau Ban- dervelde, welche der internationalen Abordnung angehört. Diese Abordnung wurde zur Verhand­lung nicht zugelassen. Der Vorfall ist mit der Absendung des Telegramms nach Paris zwar vorläufig abgeschlossen, aber es ist anzunehmen, daß sich die auswärtigen Ministerien mit der Abweisung der Vertreter der Labour Party un­dec Trade Union ebensowenig abfinden werden wie mit der Abweisung der Gattin des stellver­tretenden belgischen Ministerpräsidenten. Der englische Abgeordnete P r i c e wird abends eine Unterredung nut Starhemberg haben und hat um eine Audienz beim Bundesprä­ sidenten angesucht. Frau Vandervelde sagte, daß sie offenbar nicht mehr in den österreichischen Salon paffe. Sie erinnert an ihren Besuch der österreichischen Gefängniff« und daran, daß sie damals gut empfangen wurde. Dann schildert ff« den Leidensweg, der zur Erreichung der Einlaß­karten für diesen Prozeß beschritten werden mußte. Zwar habe man die Abordnung überall höflich empfangen, abeckderJustizmini- ster redete sich auf das Gericht aus und der stellvertretende Gerichtspräsident meinte mit einem Achselzucken, eS sei die Erlan­gung der Karten nach seiner Meinung nicht unmöglich. Er wisse das, denn er sei ejn intelligenter Mensch. Er habe keinen Auf­trag bekommen, keine Karte zu geben, eben- owenig habe er aber einen Auftrag erteilt, eine zu beschaffen. Also lasse sich nichts tun. Nun wartet man ab, ob die Schritte, die vom Ausland her unternommen werden, nicht I doch wirksam sind. Mieterschutzvorlage bleibt unverändert Prag . Der sozialpolitische Ausschuß stand am Mittwoch den ganzen Tag über im Zeichen des Endkampfes um die Mieterschutzvor- l a g e. Das Referat hatte diesmal der slowa- kische Agrarier R y b a r i k, der sich bemühte, die Interessen der kleinen Mieter und der Eigen­tümern von Häusern mft Kleinwohnungen gegen­einander abzuwägen. D u b i c k y dagegen ging» wie erwartet, nochmals zu einem offenen Angriff über und er- klärte, er beharre darauf, daß über die v ö l- l i g e Liquidierung der jetzigen gebundenen Wohnungswirtschaft verhandelt werden müffe, weil angeblich das ganze Wirffchaftsleben unter dem Mieterschutz leide. Zum Schluss« meldete er Abänderunganträge zur Vorlage an. Ihm trat eine ganze Reihe von Rednern entgegen. Schon vorher hatte L a n g r(Nat.- Soz.) eine Aufhebung des Mieterschutzes für Kleinwohnungen in der heutigen Zeit nicht nur als ein soziales Unrecht, sondern als eine gegen dieStaat Sinteressen gerichtete Tat bezeichnet. Später verwahrte sich Genosse T a y e r l e dagegen, den Mieterschutz heute als eine antisoziale Maßnahme hinzustellen, wie Dubicky es tat. Genosse Taub legte die traurige wirtschaftliche Lage der Mieter dar. Es gibt sicher auch unter den Hausbesitzern arme Teufel, aber zweifellos sind d i e Mieter die wirtschaftlich Schwä­cheren. Im Hausbesitz ist keine Entwertung, son­dern im Gegenteil eine Aufwertung erfolgt. Bei den Mietern dagegen kann man von einer all­gemeinen Verschlechterung der Wirtschaftslage sprechen. Dem Abg. Dubicky gegenüber erllärt Redner, gerade der Vertreter einer*":ttei, die die gebundene Wirtschaft sonst absolut nicht perhorresziert, darf die gebundene WohnungSwirtschast nicht als etwas Schädlicher hinstellen. Wenn der Mieterschutz be­reits früher abgebaut worden wäre, müßte der Staat heute daran denken, wieder einen Schutz für die be­dürftigen Mieter einzufiihren. Später suchte Chloupek'(Agr.) die Hin­weise auf die Analogien zwischen der gebundenen Wohnungswirtschaft und der gebundenen Getrei­dewirtschaft zu entkräften. Dr, Suchy(Agr.). plädiert dafür, einen Ausweg zu finden. Schließlich mußte die Debatte resul­tatlosvertagt werden. Am Nachmittag berieten die der Koalition angehörigen Aus- schnßmitglieder längere Zeit mit den Minister« Eerny und Reäas über di« Beilegung der Dif­ferenzen. Schließlich siegte der Standpunkt, den Regierungsentwurf bis auf eine rein stilistische Aenderung im 8 6 unver­ändert zu belassen nnd alle Abänderungs- onttäge auch von KoalitionSfeite abzulehnen. * In diesem Sinne verabschiedete dann um 6 Uhr abends der wieder zusammengetretene Aus­schuß die Vorlage, die Donnerstag ins Plenum kommt. Arbeitslosendebatte in der LandeSvertte- tting. Ein Bericht des LandeSauSschusseS über die Arbeitslosigkeit in Böhmen und die von Staat und Land durchgeführten Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung und zur Unterstützung der Arbeits­losen waren Mittwoch die Grundlage für eine ausführliche Debatte in der Landesvertretung. Für die dcuffchen Sozialdemokraten sprachen die Genossen Lorenz und N o v h. Brünner Tagung von einem Spitzel verraten Keine Verbindung mit den Kommunisten Copyright by Dr. Manfred Georg, Frag 37 MÄNNER, FRAUEN I UND WAFFEN I ' Roman von Manfred Georg| Mit jener Teilnahmslosigkeit, die aus der Konzentration auf sein eigenes Schicksal ebenso kam wie aus der Tatsache, daß ihm weder die Auffassungen der gegenwärtigen spanischen Re­gierung noch die ihrer Gegner interessierten, suchte er in den unruhigen Straßen nach einen: kleinen Hotel. Ein Kellner wies ihm mürrisch ein Zimmer an. Niemand kümmerte sich um ihn. Die Schankstube unten war voll von diskutie­renden Leuten. Mit Mühe fand er jemanden, der ihn: Auskunft gab, wo sich die Volksbibliothek befand. Bor dem kleinen Gebäude standen, wie vor allen städtischen oder öffentlichen Aemtern, zwei bewaffnete Arbeiter, die ihn nach seinem Begehr fragten. Als er den Namen Saavedra nannte, wurde er höflich durchgelassen. Er trat in ein schmales, von hohen Bücher­gestellen, die bis zur Erde reichten, erfülltes Zim- nrer, in dessen Mitte sich ein langer Tisch befand. An seiner unteren Schmalseite' machte bei einer Petroleumlampe ein junges Mädchen Eintragun­gen in eine Liste. Es war gar kein Zweifel, daß dies Gabriele war. Sie hatte das schlichte, starke, blonde Haar der Mutter, ihr ruhiges, harmoni­sches Gesicht mit den Augen, die sie manchmal ohne Veranlassung etwas zukniff und vom Vater einen energischen, aber etwas bitteren, leicht nach unten gebogenen Mund. Die unberingten feinen Hände auch sie ein Erbteil des VaterS lagen auf der Tischplatte. Schumann streckte ihr die Rechte hin und hielt die Hand des Mädchens einen Augenblick zu lang in der Seinen. Sie zog sie verwundert zurück, nickte ihm nur mit dem Kopf zu Platz zu nehmen und verschränkte erwar­tungsvoll die Finger. Die Narbe war wirklich schlecht geheilt. Man hätte sich vorstellen können, daß einer aus Unwillen davor den ganzen Men­schen abgelehnt hätte. Es ist jetzt nicht mehr Besuchszeit. Die Bibliothek ist geschlossen. Sie wird eS auch wegen der Ereignisse vermutlich morgen bleiben." Gabriele sprach spanisch, was Schumann nur ganz schlecht verstand. Ob die Dame deutsch spräche? Gabriele schüttelte den Kopf. Nur wenige Sätze. Aber französisch?" Dies ginge, meinte sie. Schumann wußte nicht, wie beginnen. So sprach er davon, daß er beauftragt sei, die Lage im hiesigen- Industriegebiet zu studieren und eini­ges wirtschaftliches Ouellenmaterial von der Bibliothek erhoffe. Sie gab ihm Auskunft und versprach, soweit irgend etwas vorhanden sei, es bis morgen her­auszusuchen. Allerdings könne sie nicht dafiir garantieren, denn infolge der Unruhen wäre sie sehr in Anspruch genommen. Wieso Sie," fragte Schumann verblüfft. Weil ich einen wichtigen Posten außerhalb dieser Bucharbeit im Augenblick bekleide. Ich habe nämlich für die Organisation der Verpfle­gung zu sorgen." Sie sind Partei?" Aber natürlich. Außer den paar Gruben­besitzern stehen hier alle auf feiten der Auf­ständischen. Es ist ein Elendsgebiet und sollte selbst ganz Spanien sich wieder unterwerfen, hier wird gekämpft werden, weil hier überhaupt nie­mand etwas zu verlieren hat." Sie begann ihm in kurzen Zügen die Lage zu schildern. Ihre Einstellung war an sich pessi­mistisch. Wissen Sie, das Recht ist zweifellos draußen auf'der Seite der Arbeiter. Aber sie haben viel zu lange getvartet. Viele ihrer Füh­rer sind Helden, aber viele sind auch schuld daran, daß man so spät losgeschlagen hat. Ich hab« in Versammlungen vorher vergeblich dagegen ge­kämpft. Wir leben doch nicht auf dem Mond. Wir haben Paris und Wien erlebt. Ich meine, aus solchen Dingen müßte doch ein Volk vom an­dern lernen. Aber, glauben Sie mir, es sind z l viele alte Veteranen am Werk. Brave Leute, gewiß, ehrliche Leute auch, aber sie haben ver- geffen, daß die Massen, die hinter ihnen stehen, gar nichts ausrichten können, wenn sie erst loö- gehen, wenn der Gegner alle Trümpfe, um sie niederzuschlagen, aufgespeichert hat. Herz As daS Geld, Kreuz As die Kirche, Pik AS die Waffen, Karo As die Presse. Madrid hat alles in der Hand. Es braucht nur seine Karten auszuspielen. Ach, ich bin sehr traurig. Sie wollten übrigens vorhin doch deutsch sprechen. Sind Sie aus Deutschland ? Dort kann man wenigsten? organisieren. Aber hier rennt jeder herum und möchte sein bißchen Rest Freiheit, das er noch hat, durchaus und durchum nicht auf­geben. Nicht einmal in der Revolution." Schumann sah in das ernste, traurige Ge­sicht seiner Tochter. Was hatte das Mädchen für wahnsinnige Ideen! Er würde sie bei der Hand nehmen, irgendwo ein Auto chartern, und dann heraus mit ihr aus dem Hexenkessel, Er versuchte einzuhaken: Nein, ich bin nicht auS Deutschland . Ich bin Oesterreicher ." Gabriele hob überrascht den Blick: So? Das interessiert mich sehr. Aber was sagte ich? Ach ja, richtig, vor allem Pik AS die Waffen! Sie haben sicher auf den Straßen gesehen, Gewehre, ein paar selbstgemachte Hand­granaten, ein paar erbeutete Maschinengewehre von der Polizei. Die andern aber werden kom­men mit Tanks und mit Reiterschwadronen, mit Flugzeugen und mit Feldgeschützen. TS find Nar­ren, die so anfangen. Leider. Dabei sind so feine Kerle darunter. Und recht haben sie noch obendrein! Aber sie können keine Verträge mit den Waffenfabrikanten schließen, daS ist daS Un­glück." Schumann tastete sich vorsichtig an Gabriele heran: Aber was geht das alles Sie an? Sie haben doch einen wissenschaftlichen Beruf." Das Mädchen runzelte streng und etwas unwillig die Brauen: ES wundert mich eigentlich, daß Sie so sprechen. ES gibt doch nur zwei Seiten. Ich kann doch nicht im luftleeren Raum leben." Lebe ich denn im luftleeren Raum, fragte sich Schumann. Und zweitens," fuhr Gabriele fort,habe ich als Spanierin die Pflicht mitzuhelfen, datz Spanien wieder ein großes und glückliches Land wird!" Ach, Sie sind Spanierin?" Ja, entschuldigen Sie, daß ich Ihnen mei­nen Namen nicht genannt habe: Dolores Saa­vedra." Und ich heiße.. Schumann murmelle etwas Unverständ­liches. Das heißt," Gabrieles Gesicht hellte sich träumerisch auf,eigentlich bin ich auch Oester- reicherin. Aber das ist schon lange her." Wieso lange her?" «Ja, wir lebten als Kinder in einem Rand­gebiet der Monarchie, mein Vater war im Krieg, meine Mutier starb unterdessen, und eines Tages wurde unser Dorf von den Russen erobert. Kurz vor dem Angriff flohen wir mit unserem Dienst­mädchen. Es war eine schauerliche Nacht. Wir bekamen schließlich, einen Bauernwagen. Unser Mädchen starb unterwegs an einer Lungenent­zündung, und ich kam mit meinen beiden Ge­schwistern zu einem HilkSkomitee, das mich und die beiden Kleinen nach Budapest brachte. Ver­wandte batten wir nicht. (Fortsetzung folgt.)