16. Jahrgang Dienstag, 24. März 1936 Nr. 71 Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Heller Porto] IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEM ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«2. telefon s®z. HERAUSGEBER 1 SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR t DR.(MIL STRAUSS, PRAG. internationale Kundgebung im Wortlaut unseren Lesern zu übermitteln. TaS Mant alle Arbeiter I alle frelheftslledenden Männer und Frauen! kürzt werden kann. Ferner müssen durch gesetzliche Bestimmungen weitere B e t r i e b s e i n- Heilungen und Massenentlassungenverhindert werden. Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, daß, bevor Betriebsneugründungen, Bctriebserweiterungen und die technische Rationalisierung von Betrieben und Betriebsabteilungen bewilligt werden, im Einvernehmen mit den zentralen Fachorganisationen der Arbeiter geprüft wird, ob nicht einem stillgelegten Betriebe der gleichen Industrie im gleichen Gebiete die Wiederaufnahme der Produktion ermöglicht werden kann. Die Konferenz macht darauf aufmerksam, daß im heurigen Jahre der Vertrag des Staates mit der Spiritusgesellschaft abläuft und fordert bei der Neuregelung der Spiritusbewirtschaftung die stärkere Berücksichtigung der öffentlichen Interessen. Ebenso fordert sie eine Revision der Verwertung des Holzes aus den staatlichen Forsten, deren gegen Ivärtige Form einer einzigen kapitalistischen Unternehmung große Gewinne zuschanzt. Landwirtschaft Die Konferenz bekräftigt die positive Ein- stellung der Sozialdemokratie zu einer plan- mäßigen Regelung der landwirt - schaftlichen Produktion, fordert aber, daß dabei auf die Interessen der industriellen Produktion und vor allem cytf den Schutz der Verbraucher Bedacht genommen wird. Ebenso entschieden verlangt sie den Schutz der Kleinbauern und Häusler , insbesondere ihre volle Berücksichtigung bei den auf Betreiben der sozialistischen -Parteien«ingeleiteten Altionen zur Belstellungvon Futtermitteln und die Ausgestaltung dieser Aktionen. Bei der geplanten Regelung des landwirtschaftlichen Ausgleichsverfahrens muß auf die Bedürfnisse der kleinen Landwirte, aber auch der dieser Verhandlungen zu bestimmen haben. Wir können nicht zulassen, daß Hitler den Völkern vorschreibt, welche Vorschläge geprüft werden sollen und welche nicht. Der Frieden der Welt ist in Gefahr. Es gilt, die Zivilisation auf eine sichere Grundlage zu stellen. Nur ein Mittel gibt es, sie zu sichern: die entschlossene Verwirklichung der kollektiven Sicherheit. Die Grundsätze des Pertrages von Locarno müssen verstärkt und erweitert werden; Das Gebiet ihrer Anwendung soll durch den Völkerbund so weit wie möglich ausgedehnt werden. Der Frieden ist ein unteilbares Ganzes. Alle Staaten müssen sich ohne Zaudern zur Hilfeleistung für ein angegriffenes Land vereinigen. Ein Vertrag muß geschlossen Werden, der diese Hilfeleistung sichert und schnelles und einheitliches Handeln zur Unterstützung jedes Opfers eines Angriffes verbürgt. Der Vertrag muß allgemein sein, allen offenstehen, d?n Grundsätzen des Völkerbundes entsprechen und darf daher die Sowjetunion nicht ausschließen, wie Hitler es will. Die internationale Arbeiterbewegung ist, wie sie im Falle des italienisch-abessinischen Konfliktes erklärt hat, und noch heute erklärt, entschlossen, die Gefahren und Verantwortungen einer solchen kollektiven Organisation des Friedens auf sich zu nehmen. Diese Gefahren sind viel geringer als die jeder anderen Politik. Isolierung und das alte System der Militärallianzen führen schließlich zum Krieg. Ein verbrecherischer Angriff kann nicht durch einen moralischen Appell verhindert werden. Jedem, der den Angriff wagen wollte, muß eine überlegene Macht entgegentreten, zu der alle Länder entsprechend einem vereinbarten, Es Gilt, die Zivilisation auf eine » 1_ 11- ie nächste Zeit darstellt: nützlich sein und insbesondere bei entsprechender Regelung der Exportförderung dienen kann. Wir widersetzen uns daher keineswegs grundsätzlich dem Gedanken der Zwangssyndizierung, wir müssen aber gegen die Form der Regelung, wie sie insbesondere in den derzeit abgeführten Verhandlungen über die Zwangssyndizierung in der Textilindustrie vorgeschlagen wird, die ernstesten Bedenken Äihebcn. Wir erblicken in dieser Form der Regelung ein« schwere Schädigung der Arbeiter, der, Konsumenten, aber auch der kleineren und mittleren Unternehmungen. Die Konferenz fordert daher, daß die Errichtung von Zwangssyndikaten nach einheitlichen gesetzlichen Grundsätzen erfolgt. Im Rahmen der Zwangssyndikate ist den zentralen Fachorganisationen der A r b e i t n e h- m e r der mit entscheidende Einfluß zu sichern. Voraussetzung der Syndizierung muß fein, daß Lohn- und Arbeitsverhältnisse durch Kol« lektivv ertrage verbind! lchtge- regelt sind. Sollen die Zwangssyndikate zu einer Belebung des Jnlandmarktes beitragen, dann müssen sie die Voraussetzung schaffen, daß ehestens die Arbeitszeit ohne Lohnentfall v e r- sichere* Grundlage zu stellen** Das Manifest der Sozialistischen Arbeiter-Internationale Wie wir bereits berichtet haben, hat die in London tagende, gemeinsame Konferenz der Sozialifti. schen Arbeiter-Internationale und des Internationalen Gewerkschaftsbundes ein Manifest an dir Weltöffentlichkeit beschlossen, bas wir im AuSzugr bereits Sonntag veröffentlicht haben. Es ist aber notwendig, diese wichtige fest lautet: Vie nächsten Aufgaben der Sozialdemokratie Stellungnahme der Partei zu den innerpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen In der Sonntag, den 22. März, stattgeftin denen Parteikonferenz wurde nach einem Referat des Genossen Tr. Czech und nach einer regen Debatte folgende Entschliessung angenommen, welche ein Arbeitsprogramm der Partei für die Arbeitsbeschaffung Die wirtschaftliche Entwicklung in der Tsche choslowakischen Republik ist Hinter der Erholung, welche in der Weltwirtschaft zu verzeichnen ist, weit zurückgeblieben. Trotz erhöhtem Außenhan delsumsatz, trotz steigender Rohstoffzufuhr und trotz einer in manchen Produktionszweigen nicht unbe trächtlichen Steigerung der Erzeugnisse dauert die schwereDeprefsionan und geht vor allem die Massenarbeitslosigkeit nicht zu- . rück, was um so härtere Folgen hat, als es sich um eine nun schon jahrelang andauernde Arbeitslosig keit handelt, welche ihre Opfer physisch und mora lisch vollkommen erschöpft hat, insbesondere die Jugend zur Verzweiflung treibt und der faschisti schen Demagogie ausliefert. Ohne zu verkennen, daß diese Situation zum Teil durch die fortdauernde weltpolitische Unruhe verschuldet ist, daß sie zum Teil auch in der besonderen Abhängigkeit des tschechoflowakischen Exports von den Welthandelsverhältnissen begründet ist, sprechen wir aus, daß Regierung, Parlament und alle veranttpprtljchen Faktoren ijj x e. B c nxii- Hungen zurBeseitigungderinnern Krisenursachen steigern müssen. Die schwere Notlage aller arbeitenden Volksschichten er-' fordert energische Eingriffe zur Hebung der Pro duktion und damit der Konsumfähigkeit der Massen. Zu diesem Zwecke muß zunächst dieöffent- liche Arbeitsbeschaffung intensiviert werden. Die Konferenz begrüßt die eben in Ver handlung stehende Vorlage über die Baubewegung, fordert jedoch darüber hinaus die beschleunigte In angriffnahme aller öffentlichen Investitionen und die Beschleunigung der Maßnahmen, welche durch Hilfe für die Selbstverwaltung den Bezirken und Gemeinden die Durchführung ge meinnütziger Arbeiten ermöglichen. Die stagnierende, ja teilweise zunehmende Arbeitslosigkeit bei steigende- Produktion beweist, daß die technische Rationalisierung trotz der Krise fortschreitet. Diese Tatsache macht die Berk ürzüngderArbeitszeit und damit die Wiedereingliederung eines Teiles der Arbeitslosen in den Produktionsprozeß aus sozialen Erwägungen immer dringlicher und zu gleich ökonomisch möglich. Neben der Aufteilung des verfügbaren Arbeitsquantms auf eine größere Anzahl von Beschäftigten muß die Einstellung der sozial bedürftigsten Arbeitslosen durch die endliche Verwirklichung der obligatorischen Ar beitsvermittlung gesichert und zugleich dem Gesinnungszwang und Betriebsterror ein Riegel vorgeschoben werden. Nicht minder wichtig als die angeführten Maßnahmen ist die systematische Forderung des Exportes. Die Konferenz verweist neuerlich auf den ganz besonderen Notstand der industriellen Randgebiete de« Staate« und fordert ihre volle Berücksichtigung sowohl bei allen sozialpolitischen Aktionen, als auch bei allen Maßnahmen, die auf die vermehrte Einstellung von Arbeitskräften abzielen. Bei allen diesen Aktionen dürfen ausschließlich das soziale Bedürf nis, keineswegs aber nationalistische oder sonstige Nebenintereffen maßgebend sein. Stellungnahme zu den Zwangssyndlkaten Die Sozialdemokratie hält an ihrer Ueber- zeugung fest» daß nur eine planmäßige Regelung der Pr oduktion auf gemeinwirtschaftlicher. G r u n d- l a g e, die allem die einheitliche Leitung und Unterordnung unter die Interessen der Gesamt heit zu gewährleisten vermag, die Krise wirklich Überwinden kann. Dabei verschließt sich die Kon ferenz keineswegs der Erkenntnis, daß die zweck- Uiäßige Organisation einzelner Industriezweige An An Wieder einmal droht der Welt ernste Gefahr für den Frieden. Wieder einmal will» die Nazidiktatur ihre Ziele durch Wortbruch erreichen. Nicht allein der Vertrag von Versailles ist rücksichtslos zerrissen worden, sondern auch der Ver trag von Locarno, den Deutschland frei geschloffen und Hitler selbst noch im Mai des vergangenen Jahres ausdrücklich anerkannt hat. Die internationale Arbeiterbewegung verurteilt auf das^schärfste diesen verbrecherischen Akt. Die Konferenz stellt mit Befriedigung fest, daß der Völkerbund den Bruch des Vertrages verurteilt hat. Würde ein solcher Bruch von Treu und Glauben geduldet, so würde alles Bertrauen in internationale Verträge und das ganze System der kollektiven Sicherheit zerstört.. Der Zweck dieses jüngsten Gewaltaktes ist klar. Es ist die Vorbereitung zur Befestigung der entmilitarisierten Zone und zur Errichtung von Flughäfen, also eine Vorstufe zum Angriff gegen friedliche Länder im Osten und Westen. Den Vor- loand für diesen Bruch eines feierlichen Versprechens bildet die Behauptung, da der französisch- ruffische Pakt mit dein Vertrag von Locarno, in Widerspruch stehe. Dies zu entscheiden, gibt es ein eifaches Mittel. Im Jahre 1933 hat Hitler die von seinen Vorgängern feierlich ausgesprochene Annahme der Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofes im Haag erneuert: man unterbreite also diese Streitfrage unverzüglich dem Haager Gerichtshof. Bei allen Verhandlungen mit Hitlers Abgesandten aber sind eS die friedliebenden Staaten innerhalb| des Völkerbundes,.die den Inhalt und die Formt ländlichen Gewerbetreibenden Rücksicht genommen werden. Sozialpolitische Forderungen Die Konferenz ist sich bewußt, daß alle Maßnahmen zur Belebung der Produktion und zur öffentlichen Arbeitsbeschaffung innerhalb der .kapitalistischen Gesellschaftsordnung weder die Arbeitslosigkeit dauernd aus der Welt schaffen, noch die Not der arbeitenden Menschen beseitigen können. Daher ist auch die Ausgestaltung des sozialpolitischen Schutzes notwendig. Die Konferenz begrüßt die Aktion des Gesundheitsministers für die erholungs- bedürftigen Kinder der Arbeitslosen und verurteilt mit Entrüstung die Hetze der SdP gegen diese Aktion. Sie begrüßt die Novellierung des KriegSbefchädigtengesetzes, welche trotz mancher Mängel das Los vieler Kriegsinvaliden erleichtern wird, als eine Abschlagszahlung auf die Forderungen der sozialistischen Parteien. Sie begrüßt das Zustandekommen einer Einigung über die S ä n i e r n n g der Bruderladen und fordert, daß der llnaufschiebbarkeit der Regelung Rechnung getragen und die vereinbarte Vorlage ehestens der parlamentarischen Behandlung zugeführt wird. Die Konferenz begrüßt die Aufrechterhaltung des Mi e t e rschutzes für die wirtschaftlich Schwachen und die Notstandsgebiete. Sie fordert die Schaffung eines Mietenausgleichsfonds für die Besitzer von Kleinhäusern, deren Wohnungen unter Mieterschutz stehen. Mit aller Entschiedenheit fordert die Konferenz die Verwirklichung der vom Fürsorgeminister Genoffen NeLas beantragten Vereinfachung und Verbesserung desGeu- t e r S Y st e m s. Sie verurteilt die unsachlicht und unsoziale Agftation gegen die sogenannten S a i sonarbei ter, die, da sie nur wenige Wochen im Jahre Beschäftigung finden und ihrer höheren Entlohnung, längst verlustig gegangen Plan beitragen müssen. Gemäß diesem Zweck muß die Bewaffnung der einzelnen Staaten geregelt werden. In der Verbesserung des Systems der kollektiven ^Sicherheit liegt die einzige Hoffnung auf eine erhebliche Verminderung dieser drückenden Last. Die Abschafftmg der privaten Rüstungsindustrie und des privaten Waffenhandels würde die Sicherheit noch wirksamer gestalten .... Hitler sucht seine Angriffsabsichten unter Friedensbeteuerungen zu verstecken . Hitler spielt sich als Friedensstifter auf. Er kann die Aufrichtigkeit seiner Vorschläge nur dadurch beweisen, daß er im' Einvernehmen mit den anderen Ländern seine Rüstungen durch ein internationales Abkommen begrenzt und sie internationaler Kontrolle unterwirft. Ein Abkommen über die kollektive Sicherheit durch gegenseitige Hilfeleistung und durch Abrüstung müßte die Grundlage bilden, auf der der Völkerbund Deutschland mit gleichen Rechten zum Abschluß eines allgemeinen Vertrages äuffordern soll . Deutschlands Weigerung würde der Beweis seines unentwegten Willens fein, die europäische Ordnung und den Frieden zu stören. Es wäre dann die Pflicht der anderen Regierungen und Völker, den Frieden ohne Hitlerdeutschland zu organisieren und alle Maßnahmen der kollektiven Sicherheit zu treffen, die notwendig sind, um den Frieden aufrecht zu erhalten. Ein dauernder Friede kann nur begründet sein auf soziale Gerechtigkeit und die Beseitigung der wirtschaftlichen Ursachen des Krieges. Darum fordern wir, daß eine entschlossene Bemühung zur Beseitigung dieser Ursachen unternommen werde. Die Organisation des Völkerbundes muß derart ausgestaltet werden, da sie die freie und systematische Erörterung dieser wirtschaftlichen Probleme und eine wirksame Aktion zur Hebung der Lebenshaltung der Arbeiter der ganzen Welt ermöglicht. Wir rufen die Arbeiter auf, alle Kräfte anzuspannen, nm den Faschismus überall zu schlagen und den Weltsozialismus zum Siege zn führen. Wir rufen alle Freunde der Freiheit und des Friedens auf, kraftvoll und unablässig den Kampf gegen den Krieg zu führen. Wir müssen das Gefühl der internationalen Solidarität stärken. Wir fordern die unS angeschlossenen Organisationen auf, alles zu tun, um alle Kräfte, die von gleichem Wollen erfüllt sind, zn einer gewaltigen Bemühung zusammenzufassrn.
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16 (24.3.1936) 71
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