16. Jahrgang Mittwoch, 1. April 1936 Nr. 78 ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag fochova 42. Telefon sm77. HERAUSGEBER) SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG. 1ENTRALORGAN DEE DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Einzelpreis 70 Heller (einsrhließlich j Heller Porte)»». Ribbentrop in London : Heute deutsche Antwortnote Angebot einesmoralischen Waffenstillstandes** London . Botschafter von Mbbrntrop und die übrigen Mitglieder der deutschen Abord­nung sind Dienstag abends 20 Uhr 35 Minuten englischer Zeit auf dem Flugplatz Crovdon ge­landet. Die ,deutsche Antwortnote wird Mittwoch Bormittag Nutzen Minister Ede», durch Botschaf­ter von Mbbrntrop überreicht werden. Protest In Berlin gegen die Kandidatur von 3ung, Krebs und Schubert Berlin.(Tsch. P. B.) Der tschechoslowa­kische Gesandte in Berlin Dr. M a st n H hatte Dienstag eine längere Unterredung mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Bü­low, bei der er ihm eine Protestnote gegen die Kandidatur der ehemaligen tschechoslowakischen Abgeordneten Jung, Krebs und Schu­bert für den deutschen Reichstag überreichte. .Wir haben über die juristische Seit« -der Angelegenheit bereits berichtet. Die genannten l drei Herren können nach dem Staatsangehörigkeits- . vertrag mit Deutschland Üom Jahre 1920 noch nicht t die- reichsdeutsche Staatsbürgerschaft erworben [ haben, weil sie von der Tschechoslowakei noch jn.icht aus dem Siaatsverband ^entlassen worden find. Diese Entlassung könnte ihnen nach dem Vertrag zwar nicht, verweigert wer- I den, da sie ja nachweisen könnten, daß sie ihren i Wohnsitz nach Deutschland verlegt haben, aber sie Phasen es bisher nicht der Mühe für wert befunden, -dieses Ansuchen zu stellen.. Deutschland hat aber -ausdrücklich die Verpflichtung übernommen, Neu­aufnahmen tschechoslowakischer Staatsbürger in den 'Staatsverband erst dann durchzuführen, wenn der ländere Staat die betreffenden Personen aus,feinem ^Staate entlassen hat. Die neugebackenen Reichstags- i Mitglieder sind also noch immer tschechoslowakische Staatsangehörige. Leider kommt die offizielle Intervention nach I erfolgter Wahl etwas spät. Auch läßt die Meldung fnicht ersehen,' ob die deutsche Regierung eine Aiit- wort in Aussicht gestellt hat, bzw. ob das in dem (zitierten Vertrag vorgesehene Schiedsgericht -wird in Funktion treten müssen. Elnstllndiser Generalstreik In ganz Polen proklamiert Warschau . Die sozialistische Partei so- wie alle anderen politischen Arbeiterorganisatio- mcn Polens haben für den 2. April einen e i n- stündigen Demonstrationsstreik gum Zeichen des Protestes gegen die blutige Un­terdrückung der in der vergangenen Woche in Krakau und Czenstochau stattgefundenen Arbei- terdemonstrationen proklamiert. Der Streik fall in allen Privatmrternehm>mgen und auch in den städtischen Unternehmungen in der Zeit zwischen &1 und 12 Uhr durchgeführt werden. Die Behör­den haben umfangreiche Vorbeugungsmaßnah­men getrafen und erklären, entschlossen zu sein, feiner eventuellen Ausbreitung des Streiks«nt- Megrnzutreten. Die der Regierung nahestehende Presse warnt die Arbeiterschaft eindringlichst vor der Beranstaltung eines solchen Streiks. I In der letzten Zeit sind gesteigerte Maßnah­men der Behörden gegen die Arbeiterschaft zu Bemerken. In Kowel und Umgebung, sowie in Blrakau, Lemberg und Czenstochau wurden die­ser Tage zahlreiche Verhaftungen vorgenommett. Diese Maßnahmen stehen zweifellos mit der an­waltenden Gärung unter der Arbeiterschaft in Verbindung, die in den Straßendemonstrationen won Krakau und Czenstochau ihren Ausdruck fan­den. Auch bei den Gerichten läßt sich ein schär« Meres Einschreiten bemerken. Das Bezirks- gericht in Wilna verurteilte 13 Kommuni- Uen, Mitglioder der weißrussischen kommu­ nistischen Partei, zu Kerkerstrafen im Aus« r Maße von 2 bis 8 Jahren. 13 Angelelaste aus dem Wiener < SozlalistenprozeB freiselassen K Wien.(Tsch. P.-B.) Dreizehn der im kürz- Mch beendeten Prozeß gegen die 30 revolutionären Sozialisten freigesprochenen Angeklagten wurden Mm Laufe des Freitag und Samstag in Freiheit gesetzt, da der Staatsanwalt auf eine Nichtig­keitsbeschwerde verzichtet hat. Auch die zwei wegen IMeheimbündelei zu sechs Monaten Gefängnis ver­urteilten Frauen befinden sich bereits in Freiheit. Wiegen das Urteil betreffs der übrigen Angeklag­ten des Prozesses haben bekanntlich der Staats«. Wnwalt und teilweise auch die Verteidiger Nich« Migkeitsbeschwerden eingebracht."* Was man über den Inhalt der deutschen Antwortnote in Berliner politischen Kreisen hört, ist widerspruchsvoll, hoch z'yll der Kern der deut­ schen Vorschläge darin bestehen, daß ein mora­lischer Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich auf vier Mo­na te vorgeschlagen wird. Während dieser Frist soll keine Erhöhung der Truppenbesahungen, weder auf der deutschen noch auf der französischen Seite erfolgen. Diese Bestimmungen soll ein UeberwachungSausschuß kontrollieren, der aus einem Engländer, einem Italiener und einem von diesen beiden ernannten neutralen Mitglied« be­steht. Der übrige. Inhalt der Rote besteht aus theoretischen Erörterungen, die den bekannten deutschen Standpunkt nochmals zu begründen ver­suchen. ' In Paris hofft man trotz' dem Schwanken einiger Mitglieder des Kabinetts Baldwin, daß noch bis zu den Osterfeiertagen die vor der Ein­berufung der Beratungen der vier Locarnomächte nach Brüssel notwendigen direkten Beziehungen zwischen London und Paris erneuert sein werden. Abends wurde aus London gemeldet, daß die Schwierigkeiten dieser Angelegenheit im Schoß des britischen Kabinetts überwunden wurden. Bis in die späten Abendstunden war in Paris über die deutsche Antwort nichts Genaues bekannt. Den letzten Meldungen zufolge, ist diese Antwort ziemlich kurz und enthält weder eine kategorische Ablehnung noch befriedigende Vor­schläge, sondern sie will durch allgemeine Konzes­sionen die Tür zu weiteren Verhandlungen und Verzögerungen offen lassen. Von Konzessionen Deutschlands an Belgien spricht der'heutigeNew Jork Herald", in wel­chem es heißt, Hitler wäre bereit, die deutschen Truppenabteilungcn von der belgischen Grenze in einer bestimmten Entfernung zurückzuziehen, um so offen kundzutun, daß Belgien , das kein Abkommen mit Sowjetrutzland unterzeichnet hat, die Locarnoabmachungen nicht verletzt hat. Konferenz mit Deutschland in Ostende ? Rom . Nach Informationen der Agenzia Stefani wird in den Kreisen der westlichen Groß­mächte erwogen, für Juni oder Juli eine Konfe­renz mit den deutschen Delegierten nach Ostende einzuberufen. Mitglied des Kabinett Baldwin demissioniert London . Der Minister ohne Geschäfts­bereich Lord Eustace Perry ist Dienstag abends zurückgetreten. Wehrwille und Wehrkraft Das Gesetz über die Verteidigung des Staa­tes, das im Entwurf soeben verösfentlicht wurde, hat wohl nur in gewissen Einzelheiten überrascht; d a ß es kommt und gerade jetzt kommt, nimmt niemanden wunder. Nicht nur, haß diesem Gesetz ähnliche Gesetze in anderen Staaten'vorausgegan­gen sind, bedeutet der Faschismus, dessen bloßes Vorhandensein den Frieden ständig.bedroht,' die vollständige Dauermobilisierung der ganzen Na­tion, die planmäßige Kriegsschulung jedes einzel­nen Bürgers, eine Schulung, die schon im frühe­sten Kindesalter beginnt und die Frauen im glei­chen Maße erfaßt wie die Männer. Der Kriegs­treiber Faschismus ist es, der in erster Linie be­griffen hat, daß kommende Kriege Volks­kriege sein werden, in denen ,es den Einsatz sämtlicher geistigen, materiellen und seelischen Kräfte aller Volksteile gilt. Die Angriffsbereit­schaft der faschistischen Länder, ist ein wichtiger Bestandteil ihres Kriegspotentials; die Verteidi­gungsbereitschaft der demokratischen Völker ist für deren Kriegspotentiale nicht minder bedeutungs­voll. So ist denn das Gesetz zur Verteidigung des Staates, über das jetzt in der breitesten Oeffent- lichkeit diskutiert wird, nicht als der Ausdruck des Kriegswillens eines demokratischen Landes zu ver­stehen, sondern als der Ausdruck der großen Sorge vor dem Kriege, dckssen Kommen oder Ausbleiben nicht von dem Willen der demokrati­schen Völker allein abhängt, sondern in erster Linie von den machtpolitischen und persönlichen Bedürfnissen der faschistischen Diktatoren; Die demokratischen Völker haben ihre Freiheiten im Innern nicht zudemZweck«bewahrt, um sie bei einem faschi st i scheu Angriff von außen wehrlos preiszugeb en. Die Konsequenz des demokratischen Behauptungs­willens im Innern ist der Äehauptungswille auch nach außen; und es liegt im Sinne der Demo­kratie, die Verantwortung für den Schutz des Lan­des und seiner Völker- auf die Gesamtheit der Bürger zu übertragen. Allerdings sieht das Gesetz für den Ernstfall die Aufhebung vieler Freiheiten vor; es stellt die Gesamtheit der Staatsbürger unter militärische Aufficht, einen Großteil unter direkte militärische Leitung. Es fordert von dem einzelnen den größt­möglichen Einsatz seiner physischen und geistigen Fähigkeiten und umschreibt zum ersten Male den Begriff der staatlicheu Zuverlässigkeit. Man wird da sorgsam prüfen müssen, daß dieser nun gesetz­lich, festgelegte Begriff derZuverlässigkeit" nicht mißbraucht und nicht etwa gegen ganze Gruppen von Staatsbürgern insbesondere jene, die den Minderheitsnationen angehören angewandt wird, die wohl bereit sind in entscheidender Stunde für den Staat einzustehen und dessen demokra­tische Freiheiten zu verteidigen. Es wird daher über manche Einzelbestimmung des Gesetzes noch zu reden'sein. Zu den bedeutungsvollsten Vorzü­gen der Demokratie gehört eben die Tatsache, daß .diese Diskussion in Freiheit er­folgen kann, während in den faschistischen Län­dern so weitgehende Maßnahmen ganz einfach dekretiert werden und zur Kenntnis genommen werden müssen. Es wäre wünschenswert, daß jener Teil des völkischen Bürgertums, der den Begriff der staatlichen Verläßlichkeit diskutiert, auch sich sechst und seine geistige Haltung in seine kritischen Betrachtungen eiwbezieht. Dieses Bürgertum möge nicht den Kopf in den Sand stÄlen und die ande­ren für so naiv halten, daß man die Hitlersym- pathien in gewissen Kreisen übersieht und daß man daran zweifelt, ob alle Hitlerverehrer in die­sem Lande die demokratische Freiheit gegen Hitler verteidigen werden. Doch sei nochmals gesagt, daß auch wir uns an' der Diskussion, über gewisse Einzelheiten beteiligen werden» weil wir meinen, daß ein Gesetz von so weittragender Bedeutung gewissenhaft geprüft, werden mutz. Die sudetendeutschen Arbeiter erkennen in der Landesverteidigung gegenüber dem faschisti­schen Krjegsstreben eine, politische und soziale Aufgabe, die sie gem.einsam,mit d en Ar­beitern der and erendemokra- ti s ch e n L ä n d e r erfüllen müssen. Und sie ver­binden mit dieser Erkenntnis die Ueberzeugung, daß die Arbeiterschaft in den faschistischen Län­dern, die den Krieg, genau so haßt wie wir, an der Lösung der politischen und sozialen Aufgabe, die in der Friedenssicherung durch den Sturz der faschistischen Diktaturen besteht,..mitzuwirkhp be- Vie Italiener bedrohen Dessie Asmara . Nach einem wochenlangen Marsch durch die Danakil-Wüste besetzten die italienischen Truppen das ganze Sultanat Aussa/ das etwa 380 Kilometer südwestlich von Assab liegt. Die Truppen wurden bei. ihrem Marsch durch 25 Flugzeuge verproviantiert und durch Flugzeug­geschwader gegen feindliche Angriffe gesichert. Die Bevölkerung von Aussa ist größtenteils islamisch und war dem Negus stets feindlich gesinnt. Das Gebiet, das im Jahre 1896 von Menelik erobert wurde, ist etwa 280 Kilometer breit. Der Kriegsberichterstatter des Reuterschen Bureaus meldet: ' Tie Italiener haben die Besetzung des Sul- kanats Aussa.beendet, dessen Boden ungewöhnlich reich und fruchtbar ist. Sie errichten jetzt Garni- wnen tn den wichtigen Zentren dieses Sultanats. Im Nordwesten setzen die Italiener den Bormarsch zum Tanassee fort. Nach Berichten aus eritreischer Quelle nähert sich eine motorisierte italienische Kolonne rasch Gondar. Die Besetzung dieser Stadt wird jeden Augenblick erwartet. Zahlreiche italienische Eingeborenenkolonnen, die vor einigen Wochen mis Assabu und aus Bei- lulu aufgebrochen sind, durchquerten die Danakil- Wüste unter schweren Entbehrungen, die noch durch die sengenden Sonnenstrahlen und durch die unerträgliche Hitze gesteigert wurden. Zahlreiche abessinische Abteilungen erschwerten diesen Vor­marsch durch unaufhörliche Angriffe. Die Dana­kil-Wüste ist vollkommen unfruchtbar, wasserlos und wird bloß von wenigen Nomadenstämmen be­wohnt. Die italienischen Kolonnen mutzten mit Nahrungsmitteln und mit Wasser aus Flugzeugen versehen werden. Deshalb wurden sie von 28 Flugzeugen begleitet, die inr ganzen 8.7 mal in der Wüste landeten. Obzwar dies sehr gefährlich war, ging dennoch kein italienisches Flugzeug verloren. Die italienischen Flugzeuge mußten außerdem mit Maschinengewehrfeuer zahlreich^ feindliche 'Abteilungen zersprengen, unter denen sich auch Kavallerieabteilungen befanden, die die italieni­schen Kolonnen bedrohten. Die Stadt Sardo, die von d'en Italienern besetzt wurde, ist ein wichtiger .Knotenpunkt. Durch die Besetzung dieser Stadt- kamen- die Italiener dem Hauptkarawanenwege sehr nah«, der das abessinische Hochplateau mit dem Röten Meer verbindet. Außerdem fanden sie hier Wasser. Durch di« Besetzung dieses Sultans­tes kam die italienische Eingeborenenarmee Des­sie näher, als die Kolonnen, die gegen die Armee des NeguS vorgehen, die nun beim Aschangi-Sre konzentriert ist. Die schwersten Augenblicke für die italienischen Eingeborenen-Soldaten bei deren Vormarsch im Sultanate Aussa gab es vorwiegend in den Nachtstunden Wenn die Truppen kampier­ten, waren sie von allen Seiten vom Feinde um­geben, der auch in der Finsternis schoß. Die letzte Etappe, das ist etwa 60 Kilometer, wurde vollkommen ohne Wasser überwunden. Die Schwierigkeiten, denen die italienischen Flieger begegneten, wurden noch durch die häufigen Sand­stürme vergrößert. Bei der Landung war es not­wendig, die Flugzeuge auf der Erde festzumachen, damit sie nicht vernichtet werden. Es wurde be­hauptet, daß der Sultan absichtlich in diese Kämpfe nicht eingegriffen hat, da'er abwartete, welche Seite siegreich sein werde. Wahrscheinlich wird er sich jetzt den Italienern cmschließen.» Mussolini verspricht... Rom . Mussolini hat den Präsidenten des internationalen Rotkreuz-Komitees, Professor Max Huber, empfangen, der in Verfolg eines von Mussolini Mitte Jänner an ihn ge­richteten Schreibens betreffend die Kriegführung in Abessinien nach Rom glommen ist. In einer amtlichen Mitteilung über den Empfang Hubers bei Mussolini wird besonders darauf verwiesen, daß der Duce bei dieser'Gelegenheit den Wil­len der italienischen Regierung bekräftigt habe, den wirksamen Schutz des Roten Kreuzes zu ge­währleisten.Ausgehend von ihrer ttefen Ueber­zeugung über, den wirklichen Wert des Roten Kreuzes für alle Staaten", habe die italienische Regierung, in dieser Absicht strenge Wei­sungen gegeben, ivornach das Rote Kreuz- Zeichen peinlich respektiert werden müsse, ebenso Wie auch kein Mißbrauch mit ihm getrieben wer­den dürfe. Oer Negus an die Front Dschibuti . Nach Meldungen aus Addis Abeba wurden in den letzten Tagen auf abessinischer Seite einige Truppenverschieüungen südlich von Socota und vom Aruba Alagi durchgeführt.. Auch wird die Nachricht bestätigt, daß der Negus selbst den Angriff leiten wird.