1 Freitag, 10. April 1936 16. Jahrgang Nr. 86 Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Heller Porto) ie NTBäLOEGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK IRSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH, Redaktion und VERWALTUNG präg xiufochova 42. teiefor sm, HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUS. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR■ DR. EMIL STRAUSS, PRAG . Hilflosiskeit und Ratlosigkeit Verlegenheits-,,Appell“ des Dreizehnerausschusses /Vertagung? in Genf Genf . Der Dreizehueraus-I schuß des Bölkerbundrates Hal beschlossen» an I die Regierungen in Addis Abeba und in Rom folgenden Appell zu richten: „Der Dreizchner-AuSschuß hat von den < Mitteilungen, die die italienische und die abes- finische Regierung über verschiedene V e r- letzungeninternationaler Vereinbarungen Wer die Kriegsführung an den Generalsekretär deS Völkerbundes gerichtet haben, Kenntnis genommen. Er möchte der Erregung Ausdruck geben, die die Weltöffentlichkeit ergriffen hat und richtet an die beiden kriegführenden Staaten einen dringenden Appell, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jeden Verstoß gegen die genannten Abkommen und die Grundsätze deS Völkerrechtes zu verhindern. Der Ausschuß hofft, von den Mächten, an die er diese Aufforderung richtet, Zusicherungen zu erhalten, die dazu geeignet find, die Erregung zu beseitigen, zu deren Wortträger er sich macht." . Der Dreizehner-AuSschuß nahm hierauf den Bericht der juristischen Kommission zur Kenntnis und betraute sie mit einer weiteren Ausgabe, nämlich mit der Feststellung, welches Organ des Völkerbundes die Verpflichtungen der Abkommen über die Art der Kriegsführung geltend machen soll. Die franzöffsche und die englische Delegation haben gestern die notwendigen Vorbereitungen zu den heutigen Verhandlung e n der Signatare der Locarnoab- kommen getroffen. Wenn heute im Dreizehner-Ausschuß des Rotes, der am Vormittag zusammentritt, nichts anderes beschlossen werden wird, und werm Baron Al» ist die Nachrichten bestätigen wird, denen zufolge er keine Instruktionen zu den Beratungen über den abessinisch- italienisch en Konflikt hat, werden die weitere« Berhandlungen über Abessinien auf nächste Woche vertagt werden. Handln unbedingt gegen Sanktionen England für deren Beschleunigung Trotz angestrengten Verhandlungen zwischen der französischen und der englischen Delegation konnten die einem französisch-britischen Einver« Pehmen über das Vorgehen bei der Lösung des italienisch-abessinischen Konfliktes im Wege sie-. henden Haupthindernisse nicht beseitigt werden. 1 Es handelt sich hauptsächlich um das Einschreiten> gegen den Staat, von dem der Rechtsausschuß . festgestellt hat, daß er das Abkommen aus dem i Jahre 1925 betreffend das Verbot einiger kriegS - technischer Mittel, verletzt hat. Außerdem beharrt Minister F l a n d i n auf dem Standpunkt der französischen Regierung, wonach angesichts der gegenwärtigen Situation weitere Sanktionen nicht in Anwendung gebracht werden können, auch wenn die Berhandlungen zur Beilegung des Konfliktes nicht rasch genug zu einem positiven Ergebnis führen. Demgegenüber betonte Minister Eden am Donnerstag neuerdings, daß die englische Delegation Genf so lange nicht zu verlassen beabsich«! tigt, als sie nicht Klarheit darüber haben wird, ob ein Bergleichsabkommen im Rahmen und im Geiste des Völkerbundpaktes möglich oder das I Schiedsverfahren vollkommen gescheitert ist. In diesem letzteren Falle würde die englische Regierung alles unternehmen, damit bereits in der kommenden Woche der 18gliedrige Ausschuß der . Sanktionskonfertnz in Genf zusammentritt und weitere Sanktionen gegen Jta- l i e n beschließt. „e§ gibt vier Lösungen..." Paris . Jules Sauerwe i n, der Genfer Sonderberichterstatter des»Paris Soir", faßt die dcnnerstägige Situation in Genf folgendermaßen zusammen: Es gibt vier Lösungen der Situation: 1. Die englische Lösung: Italien bestrafen und zerbrechen, Hitler gegenüber aber Wohlwollen zeigen. 2. Die Völkerbund - Lösung: Gegen beide Diktatoren, den italienischen wir den deuffchen gleichzeitig energisch vorgehe n. Addis Abeba. (Reuter.) Bereitsfünf Tage hindnrch wütet an der Südfront bei Birkos und weit von Gabre Darre ein« heftige Schlacht. Nach den in der Hauptstadt eingetroffenen Informationen haben beide Seilten große Verluste aufzuweise«. Der ■ Ausgang der«lacht ist bisher unentschieden. Die Städte Saffabameh und Dagabur wurden Mittwoch von italienische« Flugzeugen bombardiert, doch ist der Schaden nicht besonders groß. * Rach einer Stefans-Meldung aus Asmara sind die erpthreischen Armeekorps in raschem Vormarsch auf D e s s i e begriffe«. Ihnen folgen die Divisionen„Alpina" und„Sabando" und Schwarzhemden. Sie haben bereits das große Zynische Ablehnung Berlin . In Berlin ist eine offizielle Stellungnahme zur französischen Denffchrift und zum französischen Gegenvorschlag noch nicht erfolgt. In der Wilhelmstraße sei der erste Eindruck der, daß die französische Denffchrift fast nichts Positives enthalte und nur polemisiere. Was die französischen Gegenvorschläge betrifft, so würden sie gebührend geprüft werden, aber so viel sei schon sicher, daß sie vielAltes und Unpraktisches enthaften. Die gesamt« Morgenpreffe kritisierte gestern in ablehnender Weise das französische Memorandum. Der„Völkische Beobachter" meint, daß die fran zösische Antwort auf den deutschen Friedensplan allen Merkmalen nach leider negativ sei. Auf den klären und logischen Plan der deutschen Regierung habe die französische Regierung mit einem fast endlosen Phrasenschwall geantwortet. Die „Berliner Börsenzeitung" macht Vorhaltungen, daß Frankreich der Meinung sei, mit Deutschland noch immer im Tone ClemenceauS und Poin- cares sprechen zu können. Die französischen Gegenvorschläge hält das Blatt für zur Behandlung ungeeignet. Der„Lokal-Anzeiger" sagt, daß Frankreich 'bis an die Zähne mit seinen Paragraphen, seinen Ansprüchen, seinem Sicherheitswahn und seinem Dünkel bewaffnet bleibe. Die„Kreuzzeitung " schreibt, Deutschland hat Frankreich die Hand gereicht, welche mit kalter Geste abzelehnt wurde, obwohl es sich um das Schicksal Mropas handelt.. britische Verfestigung im Mittelmeer London . Die britischen Marine- und Flug« stützpunfte im Mittelmeer wurden während des vergangenen Winters bedeutend verstärkt und reorganisiert. Hiedurch konnte eine ziemlich große Zahl britischer Kriegsschiffe in den letzten Wochen wieder in. die heimischen Gewässer entsandt werden. Bereits im September hätte die Admiralität die.Sondermaßnahme getroffen, M alta und andere Festungen im Mittelmeer gegen alle Eventualitäten'eineS Fliegerangriffes zu schützen. 3. Die französische Lösnng: Sich mit Italien verständigen» es aber ablehnen, daß die Gewalttat Deutschlands im Rheinland ohne Sanktionen hingenom- men wird. Die englische Lösung kann Frankreich nicht akzeptieren, weil dies die Notwendigkeit in sich schließen würde, gegen Italien Front zu machen in einem Augenblick, wo es von Deutschland bedroht wird. Mer auch die Völkerbundlösung kann Frankreich nicht annehmen, weil es damit riskieren würde, sich gegen zwei Fronten wenden zu müssen, was seine militärischen Kräfte überschreiten würde. 4. Die Praktische Lösnng: Einen Strich durch die Vergangenheit zu machen, es als Tatsache anerkennen, daß Ita lien Abessinien erobert hat, sowie mit der zweiten Taffache sich abzufinden, daß Druffchland das Rheinland mllitärffch besetzt hat und unverzüglich ei» neues L o e a r« o zu schaffe«. Das übrige würde sich in dem konkreten Geist des französische« Planes ergeben. Dorf Zabul, etwa 50 Kilometer von Enda Maria entfernt, besetzt. Im Norden: Vormarsch mit Hindernissen London. (Reuter.) Die italieni schen Armeen setzen im Ä o r d e n ihren Vormarsch fort und rücken in beschleunigtem Tevtpo und in konzentrischem Marsch in, der Rich- tung gegen D e s-s i e vor, ohne bei den Abessi- niern auf ernsten Widerstand zu stoßen. Die Messimer fliehen vor dem Feind, doch sammeln sie sich sicher hinter dem Rücken der Italiener wieder zu kleinen Abteilungen oder Gruppen, und greifen die italienischen Verbindungen nach dem Hinterland an, welche um so leichter verletzbar sein werden, je weiter sie sich erstrecken werden. Die Ankerplätze der britischen Kriegsflotte im Mittelmeer befinden sich in einem solchen Zustande, daß sie jedem Angriffe zur See und in der Luft standhaften können. Zur Ergänzung der Verteidigung für die Kriegsflotte dienen bestimmte Kreuzer, welche für Flugabwehr besonders eingerichtet sind. Es handelt sich noch darum, einige neue Marine st ützpunkte im Mittelmeere in einer weniger exponierten Lage» als es Malta ist, zu schaffen. * London . Im Unterhaus teilte Finanzminister Neville Chamberlain mit, daß die zusätzlichen Ausgaben für das Militärflugwesen im Jahre 1936 rund zehn MillionenPfund Sterling betragen werden. Chamberlain fügte hinzu, er hoffe, nach den Osterfeiertagen in der Lage zu sein, die Nachttagsschätzung für die Ausgaben der Kriegsmarine betteffend den Bau von neuen Einheiten im laufenden Jahr vorlegen zu können. Rüstungsffonds In Polen Warschau . Auf Grund der Vollmacht, die der Sejm der Regierung erteilte, genehmigte der Ministerrat den Verordnungsentwurf des Präsidenten der Republik, durch welchen ein F o n d s für die Nationalverteidigung errichtet wird. Der Fonds wird aus dem Erlös des Verkaufes einiger staatlicher Immobilien, aus budgetären Zuweisungen und anderen Ein- nahmSquellen errichtet werden, die später durch das Gesetz festgesetzt werden. Der Fonds ist für die materielle Ausstattung der polnischen Armee über den Rahmen des normalen Budgets hinaus bestimmt. Neuer Grenzzwischenfall Chardin . Amtlich wird erklärt, daß 14 Mitglieder der sowjetrussischen Geheimpolizei auf m a n d-s ch u r.i.s.ch e m(?). Gebiet östlich von der Station Pograniönaja eine aus einem japanischem Offizier und- vier Soldaten bestehende Streife überfallen haben, wobei" der japanische 'Offizier.getötet wurde. Durdibrndissdiladit tllr die Einheitsfront? Die Kommunisten haben auch nach der Rückkehr des Herrn Gottwald aus Moskau ihr Werben für die Einheitsfront nicht eingestellt. Im Gegenteil! Sie rufen eben jetzt darnach, den 1. Mai 1936 zu einer„Durchbruchsschlacht für die Einheftsfront" zu gestatten. Und es ist selbstverständlich, daß die kommunistische Presse nach wie vor gegen die bösen sozialdemokratischen Führer vom Leder zieht, denen sie nachsagt, daß sie Feinde der Einheitsfront seien, weil sie um ihre Posten zittern und vom Verrate der Klassenfront leben. Und triumphierend verweist sie auf die eben erfolgte organisawrische Vereinigung des kommu nistischen mft dem sozialdemokratischen Jugendverband Spaniens , welche die Vorstufe zur Vereinigung der beiden proletarischen Parteien sei» werde. Ganz abgesehen dabon, daß die sozialistische Jugendbewegung Spaniens von dieser Bereinigung nicht' viel Freude haben wird, ist die glatte Abwicklung der Parttienvereinigung stark zu bezweifeln. Es gibt nämlich auch in Spanien Sozialisten, die das kommunistische Spiel durchschauen und von einer Einheitsfront-Politik oder gar der Vereinigung der beiden Parteien auf der Grundlage einer kommunisttschen oder halbkommunistischen Ideologie keinen Vorteil erwarten, sondern im Gegenteil eine Katastrophe der sozia listischen Politik befürchten. In der spanischen sozialistischen Partei gab eS in der letzten Zeit einen heftigen Kampf um den Sitz des Parteitages. Zwei Städte bewarben sich um die Ehre, den Parteitag beherbergen zu dürfen:'M a d r i d und B a r c e l o n a. Barce lona ist die Stadt der katalanischen Revolutionäre, die neben den Asturiern beim Oktoberauf- stand die schwersten Blutopser gebracht haben. Den katalanischen und asturischen Helden kann also niemand Bereitschaft zum„Klassenverrat" nachsagen. Dennoch befürworten sie, anders als in den Boroktobertagen, eine realistische Politik der Mäßigung, während die Madrider, die früher gemäßigt waren, jetzt den linken Flügel der Partei bilden. Madrid hat gesiegt und damit die Parteilinke. Und gleich konnte man. in der„Roten Fahne.", die sonst für die Einheitsfront wirkt, folgenden frohlockenden Bericht aus Madrid lesen: „Die Abstimmungsergebnisse der Befragung der Provinzseftionen der spanischen Sozialdemo- kratte über den Tagungsort des kommenden Parteitages lassen erkennen, daß die Linke eine überwältigende Mehrheü habenwird. Der Hauptpunkt der Tagesordnung deS Madrider Parteitags wird die Reinigung der Partei von den reformistischen Gegnern der Einheitsfront sein. ES ist zu erwarten, daß die rechten Führer, die nur eine kleine Minderheit in der Partei und in der Parlamentsgruppe sind, aus der Partei ausgeschlossen werden und daß der Parteitag sich vorbehaltlos für die revolutionäre EinheitSftont und für die Vereinigung mit der Kommunistischen Partei Spaniens entscheiden wird." Zwar ist die Nachricht der„Roten Fahne" Iber den Sieg Madrids noch nicht bestätigt, aber man kann schon jetzt sehen: Für die Asturier und Katalanier wäre in-einer von Kommunisten beeinflußten Partei also kein Platz. mehr; mm: wirft sie im Zeichen der Einheitsfront hinaus l Und die Sache wird nicht dadurch besser, daß die„Rote Fahne" lügt, es handle sich um eine kleine Minderheit reformistischer Führer. Die Einheftsfrontwerbung der Kommunisten ist also so gemeint, daß im Falle ihres EHolgeS die Andersdenkenden hinaus gerei- n i g t werden! Die KPC will.sich vorläufig allerdings sogar mit den H e n l e i«-Arbeitern vereinigen. Ein Gegenstück zu dem Erfolg der Einheits- frontbefttebunge« in Spanien gibt es in der Schweiz . Dort hat die Kommunistische Partei die vor einem Jahre im K a n t o n B a s e l mit de» Sozialdemokraten gebildete Einheitsfront zerschlagen. Begründet wurde dieser Schritt damit, daß die sozialdemokratische Kantonsregierung ein un- ttagbareS Finanzprogramm vorgelegt habe. Wie uns aus der Schweiz berichtet wird, handelt es sich bei diesem Ptogramm um einen Versuch, pie Jn- trigen der Reaktion abzuwehren, die auf eine Bc- Und inzwischen geht dat Morden weiter...
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16 (10.4.1936) 86
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