Nr. 87 Hamstag, 11. April 1936 16. Jahrgang Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Meller Forto) IE NTRALORGAN DER DEUTSCHEM SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH, Redaktion und Verwaltung mag xii.,fochova a. teiefon sm. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICH» REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG . Botschafter Hoesch gestorben Das HavaS-Bür» meldet in einer Sonderrundfunkrelation aus London , daß der dortige deutsche Botschafter von Hoesch Freitag um 10 Uhr vormittags plötzlich gestorben ist. Er starb in seinem Zimmer, als er im Begriffe«ar, sich anzukleiden. Den Abend vorher schien er noch vollkommen gesund z« fei«. Leopold von Hoesch stammte, tvie viele seiner diplomatischen Kollegen auS dem Industrie-Adel. Der Mann mit dem klugen Kops hatte eg nicht schwer, vorwärtszukommen. 1907 begann er seine Laufbahn als Attachs in Peking . Daun ging es in rascher Folge nach Paris , Madrid und 1912 erst­malig nach London . Im Jahre 1915 erregten seine Berichte aus Sofia eine, wenn auch nicht stets für ihn bekömmliche Aufmerksamkeit. Er prophezeite den drohenden Zusammenbruch Bulgariens bereits anno 1916. Man schickte den Propheten nicht in di« Wüste, aber man rief ihn zurück nach der Wilhelm- stratze. 1918 aber ging er berestS als Legationsrat nach Christiana. Ein kurzes Gastspiel in Madrid bereitete den Uebergang nach Paris vor, wo er 1928 als Botschaftsrat während des Ruhreinmarsches als Vertreter des abberufenen Botschafters in schwieriger Situation selbständig zu amtieren hatte. Seine Verdienste in dieser Zeit sollen unbestritten bleiben, sie brachten ihn nach Beendigung des Ruhrkampfes die Er­nennung zum Bot sch after. . In Paris wußte sich Leopold von Hoesch bald den Namen eines nicht nur geschickten, sondern auch kenntnisreichen, Kunst und Literatur zugetanen Mannes zu erwerben. Der elegante Junggeselle der Klatsch wußte nichts von galanten Abenteuern, ober viel von repräsentativer Kleiderfülle und Gesellschaftlichkeit" zu berichten, war im Grunde ein ArbcstStier. Dabei. keines, dem man nach des Tageslast die vergangenen Stunden in der Unwirt­lichkeit eines nervösen Temperaments abzukosten gezwungen war. Also im Rahmen seine- Milieus kein schlechter Mann, den man im Herbst 1932 als Nachfolger des damaligen Papenministers von Neurath nach London sandte. Freilich ein verkapp­terLinker", wie mancher ihm bekannte Journalist vermeinte, der Plaudereien für Verbindlichkeiten nehmen mochte. Ein Weltmann mit jener Beamten­psychologie, diedem Staate" an sich zu dienen vermeint oder vorgibt, selbst dann, wenn der Staat nicht nur die Regierung, sondern auch die Berfaffung und die Farbe seiner Entschlüsse ändert. So ist Hoesch auch unter Hitler geblieben. Er, der einst bei seinem Pariser Abschiedsbesuch Herriot die Goethe- Medaille überreicht hatte, durfte nun Reden und Politik desFührers" als die letzte Weisheit ver­treten. Schließlich gab man ihm noch den Wein­reisenden, Herrn von Ribbentrop, eher zum Vor­mund als zum Mitarbeüer. Herr von Ribbentrop hat seinen letzten Aufenthalt in London merkwürdig lange ausgedehnt; diesen merkwürdig langen Auf­enthalt des Herrn von Ribbentrop hat Herr von Hoesch merkwürdig kurz überlebt. Zuviel Aufregung, zu schwere Gorgen oder zu schweres Esten? Mangel an Charakter schützt die Begabung nicht. Gleichschaltung ist kein Schutz vor. dem Tode, sondern nur vor dem Nachruhm., Kurze Osterpause in Genf Diese Lösung der zwei Hauptfragen der Tagesordnung des Dreizrhnerausschustes wird als Kompromiß zwischen der französischen und der englischen These angesehen. Die Englän­der erblicken darin dir Möglichkeit des« n v e r- züglichenEinschreitcns des S a n k- tionenausschusses» falls dies notwen­dig sein sollte. Außerdem gelang es den Englän­dern, die für die Friedensverhandlungen gesetzt« Frist auf eine Woche abzukürzen. Di« französische Delegation wiederum erblickt in dieser Lösung die volle Wahrung der Rechte Italiens und be­urteilt die Möglichkeit einer endgültigen Verein­barung zwischen Italien und Abeffinien ziemlich optimistisch. Zeeland und Ban Zuylen. Die Sit­zung dauerte bis halb 8 Uhr abends und sollte nach einer zweistündigen Pause erneut am Sitz der französischen Delegation wieder ausgenom­men werden. Die Vertreter Frankreichs , Ita­ liens , Englands und Belgiens traten um 23 Uhr 30 Minuten zusammen, um folgendes Kommu­nique auszugeben: Die Bertreter Belgiens » Frankreichs , Eng­lands und Italiens haben die in den Absätzen 3, 4, 5, 6 und 7 des Paragraphen 22 des deutschen Memorandums vom 21. März 1936 enthaltenen Absichten zur Kenntnis genommen es handelt sich hier um das Versprechen der dentschen Regierung, den Stand der Garnisonen im Rhrinlandgrbiet nicht z«erhöhen), des weiteren nahmen sie Rotiz davon, daß die deutsche Regierung k e i n e n Beitrag zur Erleichterung der Verhandlun­gen über neue Verträge geleistet hat, halten es für erforderlich, daß keine Gelegenheit zur Ueber- brückung der Gegensätze verabsäumt wird, und sprechen den Wunsch aus, daß einige Punkte so­wohl im deutschen wie im französischen Memo­randum aufgeklärt werden. Der Vertreter- Englands wird deshalb mit der deutschen Regierung hauptsächlich darüber- Die juristischen Sachverständigen haben fer­ner festgestellt, daß der Dreizehnerausschuß als Organ des Völkerbundes für die Behandlung der Beschwerden über dir Anwendung von Giftgasen durch die Italiener, bzw. über die Grausamkei­ten der Abrffinirr z« st ä n d i g ist. Die Sach­verständigen bereiten für den Ausschuß eine ganze Reihe von Dokumenten, insbesondere von Zeugenaussagen von Funktionären des Interna­tionalen Roten Kreuzes vor. Auf Grund dieser Dokumente wird der DreizehnerauSschuß eine besondere Untersuchung veranstalten und die ent­sprechenden Maßnahmen gegen diese Art der Kriegführung treffen. Französische Anleihe In Holland ? Amsterdam . Nach einem halbamtlichen Be­richt wird über eine französische Anleihe in Hol­ land verhandelt. Es handelt sich um eine Summe von einer Milliarde Franks. Dr. Mannheimer von der Amsterdamer Firma Mendelssohn weilt «hea in Paris . Spanische Präsidentenwahl am 10. Mal Madrid . Die Wahlen der Delegierten, die gemeinsam mit den Abgeordneten den neuen Prä­sidenten der spanischen Republik wählen werden, finden Sonntag, den 26. April, die engeren Wah­len am 3. Mar statt: Die Präsidentenwahl wird am 10. Mai vorgenommen werden. Dritter Fememörder verhaftet Wien . Wie aus Marburg gemeldet wird, ist dort der 22jährige Grazer Wilhelm W ö t s ch» als er bei Refchnik die Grenze zu Fuß überschritt, auf jugoslawischem Gebiete verhaftet worden. Er steht ebenso wie die beiden früher verhafteten Oesterreicher im Verdacht, an dem Fememord in Feldbach , wo der Monteur Hofer ermordet wurde, beteiligt gewesen zu sein. Im Verlaufe der Aufklärung der beiden Fememorde wurden in der Steiermark bisher ungefähr hundert Perso­nen verhaftet. Es handelt sich durchwegs um Mit­glieder der illegalen SS. und Kraftfahrstaffel. Außerdem wurden auch etwa 20 Kraftwagen be­schlagnahmt. sehr chungen resultierende Anregung» sekretär des Bölkerbundes Avenol Regierung zu verhandeln, wurde gegenwärtige Tagung nicht unterbrechen, sonder« nur die Sitzung auf nächsten Don­ner s t a g vertagen. Unterdessen wird Madariaga am Dienstag bei den direkten abessinisch-italienischen Beratungen zugegen sein, zu denen Abessinien den Pariser Gesandten Wolde Mariam und Italien einen Sonder- delegiertn entsenden wird. Im Dreizehnerausschuß wird-betont, daß der Achtzehnerau-schuß f ü r Sank­tionen einberufen werden soll, um die Anwendung eventueller weiterer Sank- tion en gegen Italien in Beratung zu ziehen, wann immer es dessen Vorsitzender Basconcelo für zweckmäig und geboten erachten sollte. Rückfrage in Berlin wegen der Nichtangriffspakte Der Dreizehnerausschuß des Bötterbundrates führte Freitag eine stundenlange, abessinisch-italienischen Konflikt ab. Die ans privaten Brspre- daß der Ausschutzvorfitzende Madariaga und der General- n a ch Rom fahren sollten, um mit der italienische « zum Schluß ab gelehnt. Der Ausschuß wird die Inzwischen direkte Friedensfühler Sonst droht Verschärfung der Sanktionen Genf , lebhafte Debatte über den Genf . Freitag nachmittags traten die Lo- IRichtangriffspakte bedeuten und wie carno-Mächte zu der in der Vorwoche anberaum-! man diese Pakte in die Organisationder kollek- ten Besprechung zusammen. Anwesend waren tiven Sicherheit und in die im Bölkerbundpakt für England Eden, für Frankreich F l a n-- nethaltene« Verträge einfügen kann, d i n und P a u l- B o n t i« r, für Italien Der Bertreter Frankreichs machte Vorbehalte « l° r s. und R°tc» und für Belgien Ban[ betreffend die materiellen A e n d e- r u n g e n, die in der gegenwärtigen Situation in der Rheinlandzone während der Zeit der Ber- handlungen entstehen könnten. In diesem Falle würden die Bertreter der Signatarstaaten unver­züglich zu Beratungen zusammentreten. Die Signatarstaate« haben weiter zur Kenntnis ge­nommen, daß die B e r a t u n g e n der General stabe am 15. April beginnen werden. Weiter wurde beschlossen, den französischen Plan dem Völkerbund zur ein­gehenden Durchberatung zu unterbreiten. Die deutsche Regierung wird aufgefordert werde«, Einzelheiten betreffend einiger Punkte ihres Me­morandums mitzuteilrn. In jedem Falle werden die im Polens Unke marschiert na. Warschau . Als vor einigen Tagen acht Todesopfer blutiger Streik-Unruhen in Krakau von Zehntausenden zu Grabe ge­leitet wurden und die Freien Gewerkschaften an diesem Tage aus eigener Kraft die Aufrechterhal­tung der Ordnung in der aufgewühlten alten pol­nischen Königsstadt durchführten, da standen die Betriebe auch in den anderen Industriezentren des Landes für einige Stunden stift. Ein klerikales Rechtsblatt schrieb unter dem Eindruck dieser schweigenden Demonstration:Wer da glaubte, daß der Sozialismus in Polen tot sei und daß die regierungstreuen Gewerkschaften die Führung der Arbefterschast in die Hände bekommen hätten, der muß jetzt einsehen, daß er sich geirrt hat. Die Sozialistische Partei hat offenbar nicht weniger, sondern mehr Anhänger als vor der Gründung jener Organisationen» die sich spalten sollten." Man darf Worte der Anerkennung aus dem Munde von Gegnern niemals überschätzen. Die Träger der klaffenbewußten Arbeiterbewegung in Polen kennen die Mängel und Schwächen ihrer Organisationen selbst recht gut. Diese stehen in Westgalizien, wo die Erziehung der allen ösrer- ; reichischen Sozialdemokratie nachwirkt, am besten da. In Warschau und anderen nordpolnischen Großstädten lassen sie noch viel zu wünschen übrig. Doch die Ereigniffe der letzten Wochen haben den . Sozialisten in ganz Polen neuesSelbstbe- - wußtsein gegeben. Bis weit in die Reihen des Bürgertums - hinein fand die Haltung der klaffenbewußten Ar- , beiterschaft in den Wirtschaftskämpfen großer Jn- - dustriezweige Verständnis und Billigung. Im , Lodzer Textil-Revier konnten die Gewerkschaften i ihr« Forderungen angesichts dieser Stimmung nach kurzem Streik voll durchsetzen. An den Kra­kauer blutigen Zusammenstößen wagte niemand den Sozialisten die Schuld zu geben. Selbst ein Teil der Regierungspresse zeigte vielmehr deut­liche Unzufriedenheit mit der Haltung der Behör­den, die es nicht durch bösen Willen, aber durch ungeschickte Behandlung eines an sich nicht allzu schwierigen Lohnkonflikts zum Blutvergießen kom­men ließen. Und nicht nur gegenüber dem Regie­rungslager hat die sozialistische Bewegung durch diese und einige ähnliche Vorgänge an stim­mungsmäßigem Einfluß gewonnen. Vor allem zeigte die Haltung weiter Bevölkerungskreise auch, daß die soziale Not die oppositionelle Stimmung nicht nach rechts aus­schlagen läßt, sondern die Reihen der Linken auf­füllt. Die Hoffnungen der polnischen Rechtsradi­kalen, durch antisemitische und regierungsgegne­rische Agitation die Wasser der allgemeinen Un- zuftiedenheit auf ihre eigenen Mühlen zu lenken, haben sich nicht erfüllt. Von den drei großen poli- tischen Gruppierungen Polens , der nationalisti­schen Rechten, dem militaristischen Regierungs- , lager und der demokratischen Linken macht das linke Lager gegenwärtig zweifellos die größten ' Fortschritte. Die polnischen Sozialisten haben seit Jah­resfrist wieder Anhänger aus den Reihen der illegalen kommuni­ stischen Bewegung zurückgewon­nen, die hier zu völliger Unfruchtbarkeit ver- , dämmt ist, weil sie sich noch nicht zur grundsätz- ; lichen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit Polens durchgerungen hat. Die Gründung scheinrevolutionärer Splittergewerkschaften, das Schwanken zwischen wüsten Angriffen auf die so­zialistische Bewegung und Einheitsfront-Vor­schlägen auch an bäuerlich-bürgerliche Gruppen hat die Kommunisten in Polen den Rest ihres An­sehens gekostet. Aber die sozialistische Bewegung hat Zuzug nicht nur von links, sondern auch von rechts aus den Kreisen früherer Pilsudfli-Anhän- ger. Insbesondere aus der Jugend des Regierungslagers haben sich hoff­nungsvolle Gruppen neuerdings der Sozialisti­schen Partei zugewandt. Noch Wichtiger ist im Agrarland Polen die Haltung der B au e r n s ch a f t. Ihre einzige große Partei, die sogenannte Bäuerliche Vollspartei, war in den letzten Jahren von allen Seiten her umworben worden. Die Regierung ver­suchte es mit wirtschaftspolitischen Versprechun­gen, die Rechte mft der in Polen , dem judenreich­sten Lande Europas , besonders bequemen antise­mitischen Parole. Aber die bäuerlichen Maffen, die in Osteuropa auf kleinen und kleinsten Besitzungen ^überwiegend ein durchaus proletarisches Dasein Skgnatarmächte der Loearnoverträge in Genf Mai znsammentreten. 4r. Bor der Sitzung hatte Minister Flandi« dem britischen Außenminister Eden rin n««e8 Memorandum überreicht, in welchem in 13 Punk­ten der Standpunkt der französischen Regierung z« dem deutschen Friedensplan dargelegt wird. Minister Flandin betont« neuerlich, daß die deut­ schen Ariedensvorschläge als negative Aut­or» Kuquini rnrgir»»na»nruurr.wort auf die Anregungen der Unterzeichner des verbandeln, was nach dem deutschen Antrag die I Locarnoabkomm«ns angesehen werden müssen.