Nr. 88

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Sonntaff, 12. April 1936

Leist und Schicksal Europas Das Werk eines sudetendeutschen Sozialisten

Die erschütternde Entwicklung, welche die europäische Politik und Kultur seit dem Welt­kriege genommen hat, die jahrelange Krise der Wirtschaft, welche Millionen von Menschen hun­gern und in dumpfer Verzweiflung leben läßt, der Triumph des Faschismus, der alle Menschlich­keit und Hochkultur Niedertritt, hat die Frage nach dem Sein oder Nichtsein der abendläi^ischen Zi­vilisation erneut gestellt. Kommt ein.Neuer Welt­krieg, dann wird alle europäische Kultur in einem Meec von Blut untergehen, bleibt uns der. Friede, aber auch der Kapitalismus erhalten, dann ist dies nur möglich bei dauernder Arbeitslosigkeit von Millionen und herabgesetzter Lebenshaltung eines großen Teiles der arbeitenden Menschen. Ende mit Schrecken oder Schrek- ken ohne Ende scheint das Schick­sal Europas ..Stehen wir wirklich vor dem Untergang des Abendlandes oder gibt es noch einen Ausweg aus der Hölle von Hunger, Krieg und Barbarei? Aas dem Ringen um dieses Problem ist das Buch des Genoffen Dr. Emil F r a n z e l gebo­ren, ein kühnes und bedeutendes Werk, in Anlage und Absicht am ehesten dem letzten Buche Hendrik de Mans vergleichbar.*) Mit großer Entschlos­senheit, mit der schweren Artillerie umfassender Kenntnisse auf dem Gebiete der politischen, wirt­schaftlichen und Geistesgeschichte greift der Ver- faffer die kapitalistische Welt an aber nicht nur das. Äüch viele uns liebgewordene und selbst­verständliche Auffassungen, die wir in der Zeit vor 1914 in uns ausgenommen haben und die felsenfest schienen, werden von Franzel berannt, so daß das Buch heftig umstritten werden, von einer Seite vielleicht leidenschaftliche Ableh­nung, von der andern stürmische Zustimmung finden wird. Der Unterschied zwischen Franzel und den bisherigen marxistischen Autoren besteht schon in dem Ausgangspunkt seiner Untersuchung. Wäh­rend diese meist die Epoche der kapitalistischen Wirtschaft untersucht, die Entwicklungskräfte der bürgerlichen Gesellschaft aufgedeckt haben und daraus ein Bild der künftigen Entwicklung der Menschheit zum Sozialismus zn gewinnen trach­teten, sieht Franzel im kapitalistischen Zeitalter nur ein Zwischenspiel. Heute, da es um milleniäre Entscheidungen geht, kann uns das. 19. Jahrhundert nicht alles sagen und seine Staatstheorien, als Analysen von bleibendem Wert und notwendig, versagen doch vor -en konstruktiven Aufgaben dieser Zeit. Dagegen «nag der Rückbli ck auf den Ursprung «ben-l.ändischer S taa tlichkeit dem Suchen nach Sinn und Ziel günstig sein» Deswegen gibt uns der Verfasser ein um­fassendes Bild der Entwicklung des Abendlandes feit dem Zusammenbruch der römischen Welt, worin er nicht einfach Tatsache an Tatsache reiht, sondern in der historischen Darstellung die Trieb­kräfte der Kulturentwicklung unter Betonung eines eigenartigen Standpunktes und einer lei­denschaftlichen, rücksichts- und kompromißlosen Parteinahme darlegt. Hervorstechend an FranzelS Darstellung ist die große Bedeutung, die er dem Christen- tum in der Kulturentwicklung Europas beilegt. Die christliche Kirche erscheint ihm einesteils als die Reaktion auf das Machtprinzip und den schrankenlosen Individualismus des Römertums,

*) Emil Franzel : Abendländische Revolu­tion, Geist und Schicksal Europas . Verlag Eugen Prager, Preis XL 28..

demgegenüber sie die soziale Bindung der Men­schen vertritt, andererseits als der Gegenspieler des heidnisch-germanischen Barbarentums, als die Idee der Vereinigung der Völker und der Schaffung des Friedens an Stelle von Chaos und Kampf. Das Christentum hat nicht nur große kulturelle Werte aus dem Altertum in die germanisch-romanisch-slawische Welt Europas ge­rettet, es bedeutete die Einheit Europas gegen­über jenen, welche diesen Erdteil immer wieder zu zerreißen und zu atomisieren versuchten. Zu die­ser Auffassung ist Franzel wahrscheinlich gelangt, weil er in der heidnischen Barbarei, in der Ras­senlehre, in dem Ungeist des Hakenkreuztums den eigentlichen Feind sieht, der Europa in den Un­tergang zu ziehen droht. Er mag damit Recht haben, daß die katholische Religiosität menschlicher ist als die Hitler-Streichersche Barbarei. Hat aber die Kirche den herrschenden Gewalten gegenüber stets das höhere Element dargestellt, insbesondere seit sie im untergehendcn Römerreich Staatsreli­gion geworden war? Gewiß, sie hat im beginnen­den Mittelalter auf dem Gebiet der Wirtschaft und des Geistes Gewaltiges geleistet aber schon gegenüber den Arabern war das katholische Spa­ nien nicht das höherstehende Element und die in der Neuzeit auftretende Freiheit des Geistes hat die Kirche tödlich gehaßt. Die soziale Funktion der Kirche war nicht zu allen Zeiten dieselbe sie hat auch seit der Machtergreifung Mussolinis eine starke Anpassung an die Ständestaatsideo­logie bewiesen, von der sie jetzt abzurücken be­ginnt und Brüning war ebenso der Schrittmacher Hitlers wie Papen. Ebenso fordert eine andere Anschauung Franzels zur Kritik heraus. Franzel geht, um die Entlvicklungskräfte Europas zu erkennen, aufs Mittelalter zurück. Dagegen ist nichts einzuwenden und was der bürgerlich« Aufkläricht über dasfinstere" Mittelalter uns zu sagen wußte, ist von der historischen Forschung schon längst als Kinderei erkannt. Die feudale Gesell­schaft hat in ihrer Blütezeit für die Erschließung und Besiedlung Europas Ungeheueres geleistet und die Barbaren der Völkerwanderung zu Acker­bauern und Städtebürgern gemacht. Erst in der Zeit ihrer Zersetzung begann die schamlose. Aus­beutung der Bauern, die zu den Bauernkriegen geführt hat. Aber auch der Kapitalismus hat das Gesicht der Welt verändert und war eine unge­heuere Triebkraft der Geschichte, er hat ganz an­dere Wunderwerke geschaffen als ägyptische Pyra­miden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen, wie Marx sagt, er hat die Besied­lung der ganzen Welt ermöglichte freilich,hat. er den Naturvölkern Alkohol-und Syphilis gebracht und verpestet, wie Franzel richtig bemerkt, mit seinem Verwesungsgestank das ganze Jahrhun­dert. Aber auch die feudale Gesell­schaft des Mittelalters war eine Klassengesellschaft, die zwar nicht die Qualen der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals gekannt hat, aber die Ausbeutung der beherrschten Bauern, durch die herrschenden Grundherren sah wie der Kapitalismus die Aus­beutung des Proletariats durch den Kapitalisten. War also auch das Mittelalter in seiner Blüte­zeit nicht finsterer und grausamer als etwa das 19. Jahrhundert, mag es zum Teile, aber auch nur zum Teile richtig sein, daßder europäische Sozialismus auch den Geist der Inbrunst, der Hingabe, der Solidarität, den ihm nicht Antike und Humanismus, sondern Mittelalter und Go­tik einhauchen müssens nicht entbehren kann" daß derGeist des Mittelalters... sozialistisch" gewesen ist, erscheint als eine fteberschätzung ge­

wisser Entwicklungskräfte und Einrichtungen des Hochmittelalters, die. dem Verfasser den Vorwurf eintragen wiro, er gebe die Parole«Zurück zum Mittelalter" aus. Mag sein, daß derselbe kühn« Schwung die Kämpfer um die sozialistische Um­gestaltung der Welt beseelen wird, wie die Bau­meister der gotischen Dome, die Entwicklung von mehr als einem halben Jahrtausend hat die Welt und mit ihr die Menschen geändert und nicht nur im bösen die Revolution der Zukunft kann ihre Vorbilder nicht aus der Vergangenheit beziehen, es gilt eine Welt aufzu- b au en, für die es in den frühe­ren Jahrhunderten und Jahr­tausenden wohlein Gleichnis, a b e r k e i n M o d e l l g ich t. Aehnliche Bedenken müssen gegen Franzels Auffassung der N e u z e i t als einer Epoche des Verfalls geltend gemackt werden. Gewiß, wir Angehörigen der älteren und mittleren Generation sind erzogen worden im Glauben an den mensch­lichen Fortschritt, zu Beginn des 20. Jahrhun­derts erschien uns die Menschheit in unaufhalt­samem Aufstieg begriffen. Diese unsere Vorstel­lung haben Weltkrieg und Weltkrise zerstört und wir wissen, daß die Entwicklung des Menschenge­schlechtes sich nicht in stetig aufsteigender Linie bewegt, daß vielmehr in ewiger Dialektik Wellen­berg und Wellental mit einander abwechseln und daß der Sozialismus in den heftigsten sozialen Erschütterungen geboren werden wird. Dennoch kann ich mich zur Meinung Franzels nicht beken­nen, daß die Neuzeit eineEpoche des Zerfalls der abendländischen. Gesellschaft" ist, während ihm das Mittelalter alsdie Periode organischer Entfaltung" erscheint. Diese Ansicht des Autors hat seine Ursache darin, daß er stets den Hoch­kapitalismus vor sich sieht, der in der Tat alle Elemente der Zersetzung in sich trägt. Franzel sagt von der Neuzeit: Es ist wesentlich für diese Ordnung, daß sie keine ist, niemals ein« sein kann, daß sie immer Un-Ordnung bleibt, die sich von dem Bewegungs­prozeß freilich Ordnung auf der nächsten Stufe, im größeren Raum, in der nächsten Epoche verspricht, aber in ebendiesen nur vor dem größeren ChaoS steht. Neue Märkte, neue Kolonien, noch diese Fa­brik, noch jene Erfindung, noch ein Gesetz und noch «ine Verordnung erstrebt die Menschheit der bür­gerlich-kapitalistischen Welt, immer in dein Wahn, damit endlich Ruhe, LebenSraum, Zeit gewonnen zu haben, dabei endlich rasten und verweilen zu können. Aber der neu« Markt, die neuen Rohstofte, Patente. Maschinen, Institutionen schäften ein Doppeltes an neuen Rätseln, Aufgaben, Verwir­rungen. Jedes neue Recht gebiert notwendig Un­recht, jeder neue Erwerbszweig schafft neue Arme, Arbeitslose, Scheiternde, jeder neue Markt mehrt den Ueberfluß, jede neue Ware den Hunger. Der ' einzige S.imr. dieser dynamischen, etpig bewegten, ' hästendtn,' ftöttschresteNden Unordtwstg' ist ibtxt der Fortschritt an sich, gezeugt vom Widersinn, als der sich jeder zurückgelegte Schritt erweist. Im Ueber- fluß zu ersticken, scheint das Los dieser Gesell­schaft, das heute Millionen und Abermillionen be­wußt geworden ist. Fest steht, daß keine Gesellschaftsordnung so viel Chaos in die Welt gebracht hat wie der Ka­pitalismus, daß keiner Gesellschaft wie der bür­gerlichen der arbeitende Mensch mehr war als eine Zahl, eine Maschine, Hat aber nicht auch der Feudalismus Aufstieg und Niedergang mitge­macht? Man erinnere sich nur, daß auch die feu­dale Gesellschaft im 18. Jahrhundert eine Krise mitmachte, daß die Landwirtschaft infolge der Bauernversklavung verfiel, ivährend der Nah­rungsmittelbedarf der Städte als Folge der ge­werblichen Entwicklung stieg. So geriet auch da­mals das Abendland in eine Sackgasse, aus der es nur durch die revolutionäre Bauernbefreiung herausgelangte. Hat doch der Kapitalismus den

Sin« Erinnerung an die Hofburg Karl Fleißner, Kanonier vom Kaiserhaus bitzenregiment, geht mit seinem Leutnant, nach­dem ihre Batterie an der russischen Front voll­kommen vernichtet worden war, nach Wien . Neugierig und befangen wandelte der Ka­nonier Karl Fleißner, dessen Heimat wett hinten im waldumwachsenen Grenzland ist, durch die Straßen der großen Donaustadt. Mit der Zeit, die in der Wienerstadt ganz angenehm dahingeht, macht Kanonier Fleißner die Bekanntschaft weiterer zehn Offiziersburschen, die so wie er jeden Mittag in den Prater fahren, um ihre Menage zu holen. Da hat sich, obwohl die elf in sehr verschie­denen Winkeln der Doppelmonarchie zu Hause waren, gar bald eine wirkliche Kameradschaft her­ausgebildet. Sobald es die Dienswbliegenheiten zuließen, war die Zehnerschaft mit ihrem Führer, dem Wie­ner Poldi Latschner, auf der Straße, um kreuz und guer durch Wien zu wandern. Einmal schlendern alle elf wieder recht lässig vom Prater kommend durch die Straßen. Als sich die Kameradschaft fast müde ge­schaut, bemerkt Poldi Latschner: Habt ihr denn schon einmal die Hofburg gesehen?" Allgemeine Verneinung und der Wunsch, sie heute noch zu schauen. Bereitwillig übernimmt der Doldi Latschner die Führung. Unterwegs zählt er noch in schnel­ler Reihenfolge die Sehenswürdigkeiten auf, die es da gibt.

Und schon treten sie in den Burghof ein. Ein grandioser HauSblock mit unheimlichen Fen­sterreihen liegt vor den Blicken der Zehnerschaft. Schon beginnt Poldi Latschner:Hier in diesem Flügel wohnte der Kronprinz Ferdinand, das dort oben waren die Gemächer der Kaiserin Elisabeth" da ertönt ein Pfiff. Der Kanonier Karl Fleißner blickt zurück und bemerk einen Zugsführer, der ihm winkt. Sagt er zu dem Wiener :Du, Poldi, da hinten winkt ein Zugsführer I" Gibt ihm der Latschner zur Antwort:Scher dich nicht um ihn, gehen wir weiter!" Gesagt, getan. Da erschallt der Pfiff schril­ler, herrischer. Nun wenden sich alle elf zurück. Karl Fleißner geht allein einige Schritte zum pfeifenden Zugsführer hin, da brüllt dieser: Alle zusammen Herkommen!" Die Zehnerschaft mit ihrem Führer macht Kehrt und marschiert dem brüllenden Manne zu. Der führt sie in ein Wachzimmer und fragt nun ganz burschikos:Ja, Männer, wo kommt denn ihr her?" und Poldi Latschner gibt für alle Antwort. Und von welchem Regiment bist du?" be­ginnt der Zuzsführer den Ersten zu fragen. Der nennt seine Regimrntsnummcr und fügt bei:Und Offiziersdiener." Der Zweite macht es gleichfalls so, ebenso der Dritte. Da zieht ein breites Lachen über des Zugs- führerS Gesicht und er beginnt hintereinander zu ftagen:Auch Offiziersbursch? Du auch? Du mich?" Und als er festgestellt, daß alle elf den gleichen Dienst erfüllen, reißt er eine Nebentür auf und brüllt:Herr Feldwebel, kommen Sie I mal rein! Schau'n Sie, was ich gefangen habe.

elf Pfeifendeckell Was soll ich mtt ihnen machen?" Erwidert die Mutter der Kompagnie:Auf­mischen, daß die Knochen prasseln!" und verläßt die Wachstube wieder. Da schwindet mit einemmale der burschikose Zug aus dem Antlitz des Zugsführers und im Kommandoton schallt eS:Antreten in ein Glied!" Darauf folgen Salutterübungen, einzeln, gemeinsam, einzeln, gemeinsam, eine volle Stunde lang. Der Latschner will einmal ganz schüchtern nach dem Grunde ihres Hierseins ftagen, da fährt ihm der Dreimalgesternte grob über den Mund. Das hat die Zehnerschaft mit ihrem Hofbürgfüh­rer zur Kenntnis genommen und ist ganz still geblieben. Nach den Salutierübungen folgt die tiefe Kniebeuge. Eine Ewigkeit scheint es den elf Hof- burzbesuchern, bevor dieeins" über die Lippen des Zugsführers kommt. Ebenso macht er es mtt derzwei". Schweißperlen fallen auf die ausgetretenen Ziegelsteine. Der Atem pfeift, die Knochen, das- Wadenfleisch schmerzen. Eine kurze Paus«, und wieder erschallt das Kommando:Habt acht! Hüsten fest! Tiefe Kniebeuge! Zum Wippen! Uebt, eins eins, zwei, eins zwei eins zweil" Erst wie der Besternte sieht, daß Karl Fleiß- nH und ein Kamerad umgesunken sind, stellt er dieWippübung" ein. Während die beiden endlich hochkrabbeln, schreit der Zugsführer wieder nach dem Feld­webel. Was er nun weitermachen solle? Der schreit ihm zur Antwort zurück:Schmeiß sie raus!" Bevor er dies zur Tat werden läßt, fragt!

Vie Genfer13 Die Weltöffentlichkeit ist entrüstet, daß der Schiffbrüchige und der Haifisch nicht Frieden halten wollen...!

Aufstieg der geschichtslosen Jiationen, des Prole­tariats, die Demokratie, die Verbreitung von Kenntnissen bis tief in die Arbeitermaffen ge­bracht, also die Voraussetzungen des Sozialismus schaffen geholfen! Gewiß ist, wie Franzel meint, auch der Proletarier ein Geschöpf der bürgerlichen Welt hat doch schon Lassalle gesagt, daß die Arbeiterklasse die Läster ihrer Unterdrücker hat, die ihr nicht geziemen. Aber auch die bürgerliche Ge­sellschaft hat ihren Raum in der Geschichte, sie weist Größe und Niedergang auf und hat ihr Teil beigetragen zur Kulturentwicklung der Menschheit so wie die orientalischen Despo­tien, die griechisch« Demokratie, das Römerreich und das christlich-germanische Mittelalter. Diese hier vertretene Auffassung, daß die feudale Gesellschaft ebenso eine Klassengesellschaft ist wie der Kapitalismus , ist aber kein Hindernis einer fruchtbaren Selbstkritik der sozialistischen B e w e g u n g, deren Notwendigkeit ich ebenso empfinde wie Dr. Fran­zel. Diese Kritik ergibt sich schon^daraus, daß der Vorkriegskapitalismus wirtschaftlich und so­zial ein ganz anderes Gesicht getragen hat als unsere Zeit. Mit dem I n d u st r i e- kapitalismus ist auch der In­dust riesozialismus erschüt­tertworden. Während früher das Industrie­proletariat gewachsen ist, steigt dessen Anteil an der Gesamtbevölkerung heute nicht mehr, das Verhältnis der Jndustriearbeiterfchast zu den Mittelklassen hat eine weit größere Bedeutung als ehedem. Nicht nur die brittschen Arbeiter, deren Le­bensstandard durch den Reichtum des Empire sicht­licht bedingt und"zum guten Teil von Kolonialskla­ven erarbeitet war, die Arbeiter und Sozialisten aller Länder dachten in den Gesetzen der kapitali - strschen Entwicklung. Sie glaubten an di« Dauer und den Segen der Industrialisierung, die ihnen zugleich unabsehbares Wachstum des industriellen Proletariats und damit die Erreichung der zahlen­mäßigen Mehrheit im demokratischen Wählerheer und im Parlament verhieß. Die Aenderung der ökonomisch-sozialen Vor­aussetzungen unserer Arbeit müssen auch zu einer

der Zugsführer jeden einzelnen, wo seine Hei­mat ist. Als die Reihe an Poldi Latschner kommt und dieser sagt:Bon Wien", springt ihn der Ge- wapige an und brWt:Sag es noch einmal, daß du von Wien bist, und ich schlag dir die Goschen auseinander! Hast du draußen im Burghof das mit der Erde gleichgelegte Brett gesehen?" Ja," erwidert Poldi Latschner. Und am Ende dieses Brettes die Stange mit der kleinen Fahne?" fragt der Zugsführer weiter. -Ja-* Und du weißt als Wiener nicht, daß man vor dieser Fahne salutieren muß?" Nein, Herr Zugsführer." Dann bist du ein Dreck und kein Wiener !" Packt ihn beim Krage« und stößt ihn zur Türe hinaus. Packt den Karl Fleißner, der sich so unbändig auf die Hofburg gefreut, und macht eS mtt ihm ebenso, und mit den anderen nicht minder sanft. Im Eilschritt machen alle elf zum Burgtor. Da brüllt von oben eine Wache:Nun, was ists?" und mit einer strammen Kopfwendung reißen dir elf den letzten Salut an den Mützenschirm. Erst als sie weitab von der Hofburg sind, be­ginnen alle zehn über Poldi Latschner herzufallen, der den schönen Sommernachmittag zur Hölle ge­macht hat. Poldi schupft verlegen die Schultern und meint:!Das habe ich nicht gewußt!" Seither lebt in dem Erinnern des Karl Fleißner die Hofburg als etwas Böses, Gespen­stisches, Grausiges. Josef Egerer.