«r. 98 SamStag, 25. April 1936 Seit, 5 Volksfront und KP Etwas über kommunistischen Sozialfaschismus Scheitei« gestörte«. In Innsbruck starb der ehemalige sozialdemokratische Nationalrat Wil­helm' Scheibein im 68. Lübensjahre. Scheibein spielte im letzten österreichischen Parlament eine Art historische Rolle. Er war es, der durch irrtümliche Abgabe zweier auf seinen Namen lautenden Stimm­zettel bei' der Abstimmung über die Frage der Ahn­dung des Eisenbahnerstreikes im Jahre 1933 den Anlah zur Ausschaltung des Parlamentes gab. Ter zrveire Stimmzettel hätte von dem sozialdemokra­tischen Abgeordneten Abram abgegeben werden sollen. Im Verlauf der darüber entstandenen Geschäfts- ordnungsdebatte legten alle drei Hauspräsidenten ihre Funktionen nieder, wodurch der damalige Bundes­kanzler Tx. Dollfuß die Handhabe zur Ausschaltung des Parlaments erhielt. Scheibein wirkte ein ganzes Leben lang für die Interessen der Arbeiterklasse, er war ein eifriger Vertreter seiner Klasse, deren Ver­trauen er im hervorragenden Maße genoß. Sein Werk setzen im schwarzen Lande Tirol die jungen Illegalen fort, die er erzogen hat. Japaner fördern Dpinmienchr. Miß Muriel Lester ist eben von einer Studienreise nach China heimgekehrt und erzählt, imDaily Herald": Meine Untersuchungen haben ergeben, daß die Anstrengun­gen der Chinesen, die Herstellung von' Opium und den Handel mit diesem Rauschgift auszurorten, durch die Japaner fortwährend sabotiert- werden. Dabei wird von dem abgezwungenen Vorrecht. der Exterritorialität reichlich Gebrauch gemacht.- In den letzten drei Jahren haben Japa­ner die bereits unterdrückten Giftbuden wieder auf­gerichtet.^ In Futschou allein sind jetzt 378 japani­sche Opiumhöhlen..In Amoy steht man ganz all­gemein Firmenschilder:Hier gutes Opinm". Chinesische Detektivs stnd beauftragt, die Kunden zu verfolgen, aber diese werden im Schutz kräftiger Wäch­ter aus Formosa heimgeleitet, die vor den Opium­laden bereitstehen und nicht zögern, über die De­tektivs herzufällen.. In der. entmilitarisierten Zone liegt die' hübsche Stadt Tschangli. Die Chinesen hatten dort die Giftbuden zerstört, aber die Japa­ner haben 157 neue und dazu Pfandleihen, Spiel­häuser und Bordelle erstehen lassen. Ich weiß, sagt Miß Lester^ daß auch Briten sich in Sachen des Gifrhandels schlecht benommen haben, aber das kann kein Grund sein, über den traurigen Stand dieser Angelegenheit zu schweigen. Zum Schluß meint sie, die japanische Bollsvergiftung erwecke eine um so kräftigere ch i n e s i s ch e A b w e h r, die sich in die Reformbewegung umsetzt. Schulkind erstreik. In. Marchfield im Staate Illinois (USA ) versuchten fast 2600 Kinder durch «inen Streik die Entlastung eines unbeliebten Schul­lehrers zu erzwingen. Zehn Tage hatte der Streik gedauert, und während dieser Tage verhandelten die Behörden und die Eltern mit den Rädelsführern des Streiks ebenfalls Kindern natürlich ohne deren-Erlaubnis kein Kind in die Schule zu gehen wagte. Ter Streik endere schließlich mir einem Kompromiß. Die Lehrer versprachen, in Zukunft alle notwendig werdenden Strafen mit dem Elternrat zu besprechen. .Der Part von Lincoln . Man kennt das Bild­nis Don Abraham Lincoln, dem Sklavenbefreier, auf dem er'mit einem Kinn- und Backenbart abgebildet ist. Ein interessanter Fund, der jetzt in den Archiven grmachr worden ist, erklärt diese Barttracht. Es stellt fich heraus, daß Lincoln in der ersten Zeit immer rastert ging.. Aber aus einem eben gefundenen Brief und, aus der Antwort Lincolns darauf erfährt man, daß er fich auf Bitten einer kleinen Schülerin «ntschloffen bar,'fich einen Bart stehen zu lassen. Diese, Grace Badell, schrieb ihm im Jahre 1860, daß er wesentlich männlicher auSsehen würde, wenn er einen Bart trüge, weil er ein eingefallenes Ge­sicht. hab«.. Di« damals Elfjährige glaubte sagen zu können, daß er nur mit Bart zum Präsidenren ge­wählt werden würde. Seltsamerweise nahm Lincoln diesen Brief' sehr ernst. Er würdigte ihn nicht nur einer persönlichen Antwort, sondern erkannte aucki die Argumente als stichhaltig an. Er fürchte nur, schrieb er, daß, da er bisher keinen Bart getragen hab«, die Leute ibn für eitel halten könnten. Es gibt fast keinen Artikel, keinen Aufruf in der kommunistischen Preffe, es gibt keine Rede eines Kommunisten, die nicht Mit einem Hymnus auf die Volksfront in Frankreich und Spanien enden, und darauf gestützt, auch die Volksfront in der Tschechoslowakischen Republik fordern. Weni­ger enthusiastisch aber wird gesagt, was die Volks­front in jenen Ländern därstellt. Darüber breitet das Gottwaldsche AK schamhaft den Mantel der neuen Linie..Deshalb müssen wir.den unifor­mierten Kommunisten einmal ganz klar. sagen, daß diese diversen Volksfronten, bom kommuni­stischen Standpunkt aus gesehen, ganz ordinärer Sozialfaschismus stnd wie man früher zu sagen pflegte.. Von den Kommunisten wird die Sache so dargestellt, als ob überall dort, wo die sogenannte Volksfront besteht, die Kommu­tt i st e n u, n d i h r e P r i n z i p i e n im Vordergründe stünden. In Frankreich steht an der Spitze der Volks­front der bürgerliche Radikale Daladier , der sorgsam darauf achtet, daß in das Programm der Volksfront sich ja keine Forderungen einnisten, die über das bürgerlich-kapitalistische Regime, hinaus­führen. Daß die KP Frankreichs sich dieser Füh­rung der Volksfront anpaßt, beweist nicht nur das Programm der Volksfront, sondern vor allem auch der Führer der KPF T h o r e z, der in einer Rede, die der Rundfunk über ganz Frankreich ver­breitete, sagte: Wir haben die Trikolore unserer Väter mit der roren Fahne unserer Hoffnungen versöhnt!.." Vorderhand führt Daladier dieTrikolore Unserer Väter" der Volksfront voran, und hinter­drein marschieren sehr folgsam die Kommunisten mit der roten Fahne ihrer Hoffnungen"- In Spanien hat die Kommunistische Partei den Parteivorstand der sozialdemokratischen Par­tei öffentlich aufgefordert, sofort mit ihr Verhandlungen über die Schaffung einer ein­heitlichen, proletarischen Partei zur Durch­führung der bürgerlich-demo- k'r a t i s ch e n Revolution aufzunehmen." Auch über dieseführende Rolle" der KP Spaniens erzählt die kommunistische Presse sehr wenig. Neben diesen Volksfronten in Europa gibt es aber auch noch einen, von der kommunistischen Presse gänzlich totgeschwiegenen Versuch der Bil-. düng einer Volksfront in China . Volksfront unter Einschluß von Tschang-Kai-Schek, jenem Tschang-Kai-Schek, der schon einmal eine ver­hängnisvolle Rolle im Leben der KP Chinas ge­spielt hat. Vom Jahre 1924 bis 1927 bestand nicht nur eine Einheitsfront mit der bürgerlichen Partei der Kuomingtang und ihrem Führer üustand Der 10. Allrussisch« Kongreß des Komsomol. Am 15. April hat der am 10. April eröffnete Komsomol-Kongreß eine feierliche Sitzung im Moskauer Großen Theater zusammen mit den Vertretern der Roten Armee abgehalten. Der Komsomol ist der Chef der Kriegsmarine und der Luftstreitkräfte der USSR, und diese Sitzung sollte die Einigkeit der j u n g en Sowjet­patrioten mit der'Arinee demon­strieren. Vor einem gigantischen Bildnis von Sta­ lin , das mit. Blumen dekoriert ist, steht unbeweg­lich eine' Ehrenwache. Hinter dem Tisch des Prä­sidiums sitzen der Stellvertreter des Verteidi- gungskommissars Gamarnik, die Marschälle der Sowjetunion : Jegorow , der Chef des General­stabes, und Budjonny , der Oberkommandierende der Sowjetkavallerie, und andere Sowjetgeneräle. Tschang-Kai-Schek, sondern auf Befehl Sta­ lins wurde die KP Chinas damals faktisch auf­gelöst und ihre Mitglieder in die Kuomintang ge-; drängt. Im Frühjahr 1927 wendete plötzlich Tschang-Kai-Schek seine kommunistenfreundliche Politik um 180 Grad und schlug gegen die Kom-, munisten los. Die Reste der KP Chinas sowie alle ihre Hilfsorganisationen wurden verboten, alle früher offiziellen, militärischen und zivilen Helfer, und Ratgeber aus China ausgewiesen und die Kuomintang-Regierung brach die Beziehungen zu Sowjetrußland ab. Die Komintern , d. h. die Sowjetregierung, will aus außenpolitischen Grün­den nun auch die Volksfront in China mit Tschang-Kai-Schek. Deshalb.stand dort ein Gottwald, der in China Wan-Min heißt, auf und dekretierte:' .,.. jetzt brauchen wir eine Wendung auf allen Gebieten unserer Tätigkeit. Man muß ent- schloffen mit unseren ernsten linkssrkkiererischen Fehlern aufräumen. Was Tschang-Kai-Schek per­sönlich anbetrifft, so erklären wir offen,: Wenn er wirklich den Krieg gegen die Rote Armee einstellt, und seine Waffen gegen den japanischen Imperia­lismus kehrt,.so wird ihm die KP Chinas und die Sowjerregierung, trotz seiner zahlreichen Verbre­chen an Volk und Land, nicht nur die Dtöglichkeit geben, seine Schuld vor Volk und Land zu tilgen, sondern auch bereit sein, in gemeinsamer Front mit ihm und seinen Truppen gegen den japanischen Im­perialismus zu kämpfen." Wan-Min schlägt außerdem in einem.Artikel, in der Zeitschrift.Kommunistische' Internatio­nale" ein neues Programm der KP Chinas vor, das sich auf die chinesischen Gebiete erstreckt, die die KP selbst als Sowjetgebiete bezeichnet. Die Hauptpunkte dieses Programms lauten: Der Boden der militärischen Grundbesitzer, die heute wirklich am bewaffneten Kampf gegen den japanischen Imperialismus und für die Ret­tung des Vaterlandes teilnehmen, darf nicht kon­fisziert werden...'. Die Steuerpolitik muß im Sinne einer größeren Entwicklungsfreiheit des privaten Handels und der Industrie revidiert wer­den.... Alle übermäßigen Forderungen der Arbei­ter und Landarbeiter sind zu vermeiden; di« soge­nannte Arbeiterkontrolle der Produktion ist vorläu­fig einzustellen..'. Heranziehung nicht nur der bürgerlichen Fachleute, sondern auch anderer bür­gerlicher Elemente zur Arbeit in den entsprechen­den Sowjetorganen." Diese Blitzlichtaufnabmen aus der Werkstatt der Volksfronten zeigen ein Bild, auf dem von prinzipiellen kommunistischen Forderungen über­haupt nichts mehr zu sehen ist. In der Tschecho­slowakischen Republik m u ß es Gottwald vorder« händ noch anders wollen. Die Sitzung wird durch drfi Generalsekretär des Komsomol, Kossarew, der di« Uniform eines Flie­gers trägt, eröffnet. Wenn die Schicksalsstuyde schlägt, wird in die unüberwindlichen Reihen der Roten Armee, führte Kossarew aus, sich die ganze, nach Millionen zahlende Stalin -Jugend der Sow­ jetunion einreihen. Weder die Kriegstugend des Samurai noch die Macht des kriegerischen Bändi- ten in der braunen Uniform mit. dem Hakenkreuz werden diejenigen retten können, die einen An­griff auf uns wagen. Nach Kossarew hat der Kom­mandierende der Kriegsmarine Orlow seinen Be­richt an denChef", d. h. an den Komsomol der USSR, erstattet Dann folgte der Bericht des Obcrkommandierenden der Luftstreitkräfte, Alks- nis:Wir wollen und werden-. h e r, b e s s e r u n d s ch N e l l er f l i e- gen a l s a l l e!" Den größten Beifall hat aber der Kommandierende der U-Boot-Flotte im Fernost, Holostjakow, geerntet. Nach diesen Reden wurden auf einmal alle Türen geöffnet und im Parterre des Theaters erschienen Züge von T a n- l ist en und Maschinengewehrab- t e i l u n g e n, die im Parademarsch vor dem Tisch des Präsidiums vorbeizogen.(Prawda", 14.16; 4.)..'".... i. Duisburg ,(A. P.) Wegen Vorbereitung zum Hochverrat rst diesmal die ganze Belegschaft eines Betriebes,, insgesamt. 400 Mann, angeklagt. Es handelt sich um die Arbeiter der hiesigen Brotfabrik Germania". Vier Häftling« sind während der Un- tersuchungShafi von der Gestapo erschlagen worben, nämlich die Arbeiter Bittner, Hitz, Morsmann und Nöten. Herkktssaat kurioser Stritt um einen Bücherschrank (Prager Obtrgericht.)'. ts Prag . Ein merkwürdiger Zivilprozeß'wurde die­ser Tage vom hiesigen-Obergericht in zweiter In­stanz erledigt;' Ein fiesiger Arzt bestellte bei einer Mäbelfirma einen Bücherschrank guter Ausführung, der prompt geliefert wurde. Es war ein schönes Stück, wenig­stens äußerlich. Leider hatte aber dieser schöne und teuere Bücherschrank nebst einigen anderen.' einen sehr unangenehmen"Mangel, nämlich'den, daß fich ferne Türen nicht ohne weiteres öffnen und schließen ließen. Wenigstens reicht«.die Kraft eines Menschen nicht dazu aus und es bedürfte der vereinten An­strengungen der gesamten Familie, einschließlich der Hausgehilfin, um dieses kostbare Möbel aufzuschlie­ßen. Auf die Beschwerde des Arztes erklärte der Chef der betreffenden Firma, daß diese Widerspenstigkeit des Schrankes nur eine vorübergehende Erscheinung sei.-Das frische Holz habe sich noch nicht richtig äb- gelagert undarbeite" noch. Dann wurde an hem Schränk noch ein wenig berumgehobelt und herum­gefeilt, worauf dem glücklichen Inhaber versichert wurde, haß nun alles in bester Ordnung sei. Das war nun..leider nicht der Fall, wie.der Arzt bald nachher feststellen mußte. Denn nach Ein- lagerung seiner Hausbibliothek mußte der Doktor konstatieren, daß der Schrank einfach nicht aufzu­bringen war und es kostete viele Mühe,.ehe'es den Fachleuten gelang, mit Ach und Krach seine Türen zu öffnen. Der Arzt stellte hierauf den Bücherschrank der liefernden Firma als unbrauchbar, zur Verfü­gung und ersuchte sie, das unbrauchbare Möbel bald­möglichst abzuholen. Wer nun glauben würde, daß der betreffende Lieferant beschämt war und; sich, als reeller Geschäftsmann,- seinem Kunden zu emschul- dtgen suchte, würde schwer irrem Im, Gegenteil dieser Möbelfabrikanr beschloß,'den Arzt unter Beru­fung auf den Lieferungsvertrag zu belangen und veranlaßte ein Geldinstitut, mit dem er in ständiger Geschäftsverbindung steht, seine Forderung zu über­nehmen und den Arzt auf Bezahlung des Kaufpreises von 5000 Kd zu klagen. Ohne auf die Frage der kaufmännischen Anständigkeit ein­zugehen, muß man sich doch wundern, daß eine Sparkasse, die ja doch über Rechtskonsulenten ver­fügt, sich«ine derartig faule Forderung zur Ein­treibung abtreten ließ. Der Prozeß ging denn auch in erster Instanz vor dem-hiesigen Kreisgericht ver­loren, da das Gericht natürlich dahin erkannte, daß von der Fälligkeit der eingeklagten Forderung nicht gesprochen werden könne, da die gelieferte Sache nicht gebrauchsfähig.war. Bereits in der ersten Instanz betrugen die Anwaltskosten ungefähr die Hälfte, des eingeklagten Betrages! ' Der Anwalt der klagenden Partei legte indes­sen Berufung«in, in der er geltend machte, daß der Besteller nicht ausdrücklich ausgemacht habe, daß der Bücherschrank in tadellosem Zustande geliefert wer­den müsse und daß er ohne weiteres aufzuschlirßen seil!) Der Vertreter des beklagten Arztes Dr. M e I- l a n polemisierte mit dieser äußerst merkwürdigen Ansicht des Klagevertreters, indem er darauf ver­wies, daß nach dieser Aufiassung etwa auch ein Autobändler für«in fahrtunfäbiges Auto von dem Käufer mit gleichem.Liecht" Bezahlung verlangen könnt«, weil jm' Kaufvertrag nicht ausdrücklich aus­gemacht war, daß der Wagen auch wirklich fahren könne. Das Obergericht b e st ä t i.g t e selbstver­ständlich vollinhaltlich das Urteil der ersten Instanz. rb. Die versunkenen Galeonen .- Es gab eine Zeit, da war der Atlantische Ozean ein spanisches Binnenmeer, Mittel- oder Südamerika nur eine perifer gelegene Provinz Spaniens . Die Reise nach dem neuen Kontinent war kein, Abenteuer auf Leben und Tod, keine Fährt ins Ungewisse mehr. Die Aussendung von Kolonisten, die Ausreise von kaufmännischen Pio­nieren, die Verpflanzung vor^ spanischen Hand­werkern in das neue Land, die Auswechslung von Beamten waren alltägliche, unsensationelle Ereig­nisse geworden. Die Ausnutzung des Landes ge­schah mit, System. Hatte man auch den von Ko­ lumbus begonnenen Sklavenhandel sehr rasch fal- len lassen, so betrieb man dafür den Anbau von Kulturpflanzen, die Ausnützung des Holzreich­tums, den Abbau der Bodenschätze in großem Stile. Jm Handelsverkehr gab es einen regel­rechten Fahrplan: Zweimal jährlich hollen dir spanischen Galeonen Segelschiffe, die ihren Namen von der den Galeeren ähnlichen Form hatten die Schätze Amerikas nach dem Mutter­land. Ursprünglich bestand diese Handelsflotte aus zwölf Galeonen, die auf die Namen der zwölf Apostel getauft waren. Sie segelten unter dem Schutz von Kriegsschiffen. Von Cadiz ausfah­rend, berührten sie die Kanarischen Inseln, such­ten die kleinen Inseln Tobagos und Grenada an der Nordküste von Südamerika auf, legten an der Mündung des Rio de la Hacha , im heutigen Ko ­lumbien, und in Cartagena , ebenfalls in Kolum- I bien, an. Hier, in Cartagena , lagen sie zwei| Monate vor Anker und nahmen die verschiedenen Goldvorräte an Bord, die im Lauf des bergan-^ genen Halbjahrs angesammelt worden waren. Dann steuerten sie nach Norden, nach Habana und Veracruz in Neuspanien, dem heutigen Mexiko . Von dort aus kehrten sie in diretterer Linie nach Europa zurück. Eine solche Flotte mit riesigen Schätzen an Gold, Silber und Edelsteinen durchquerte auch im Sommer 1702 den Ozean. Sie bestand aus zwan­zig Galeonen, die von zwanzig französischen Kriegsschiffen unter dem Kommando des Vicomte de Chllteau-Renault eskortiert waren. ES waren die Zeiten des Spanischen Erbfolgekrieges; so­eben waren Holland und England auf feiten des Kaisers Leopold I . in den Krieg eingetreten. Die Nachricht von der Kriegserllärung der beiden großen Seemächte erreichte die am 11. Juni von Veracruz abgegangene Flotte unterwegs. Es wurde ein Kriegsrat abgehalten, in dem man beschloß, nickt den Heimathafen Cadiz anzulaufen, weil man fürchtet«, am Kap von Sao Vicente, an der Südwestecke von Portugal , quf feindliche Streitkräfte zu stoßen, sondern zunächst bei Vigo , in der Provinz Galitien, Zuflucht zu suchen. Dort langte man am 22. September an und ankert« im Inneren der sogenannten-Ria", d. h. der erwei­terten Flußmündung. Man begann Ausbesse-, e rungsarbeiten auf den Schiften vorzunehmen und sandte Boten nach Cadiz 'ab. um zu erfahren, wie über die mitgebrackssen Schätze verfügt werden sollte. Zu Beginn des Oktobers erschien an der I Flußmündung die englisch -holländische Flotte mit über hundert Seglern. Sie durchbrach die Ab- - sperrungskette der französischen Kriegsschiffe und. griff die Handelsflotte an. Nach heftigem, aber { für die Spanier aussichtslosem Kampfe beschlossen Velasco, der Führer der spanischen Flotte, und Chäteau-Renault , die Schiffe zu verbrennen oder anzubohren. Es geschah, und seitdem liegen die Gold- und Silberbarren und die werwollen Steine auf dem Grund der Bucht von Vigo . Es sind schon verschiedene Versuche gemacht worden, sie zu heben. Schon einige Monate nach ihrer Versenkung versuchte es ein Neffe Chäteau- RenaUlts. Jm Jahre 1924 ließ sich ein Schwede, Wolters, eine Lizenz erteilen. Aber alle Bemü­hungen, auch spätere, scheiterten an der Unzuläng­lichkeit der technischen Mittel. Man gelangte zwar aufs Deck mancher Schiffe;, aber es gelang nicht, in die inneren Räume vorzudringen. Da­bei liegen die Fahrzeuge in ziemlich seichtem Was­ser, in der Schlucht von Rande. Ihre Lage ist be­kannt; noch vor nicht langer Zeit könnt« man- so­gar bei Ebbe die Mastspitz« des einen Schiffes aus dem Wasser ragen sehen. Die Bevölkerung der Küste hat den Galeonen eigene Namen gegeben, die seit Generattonen in Gebrauch sind. Für di« Fischer sind sie so. altvertraut und so selbstver­ständlich da wie die Buchten und Felsen der Küste, (die Riffe ihres Heimatgewässers. Sie sjnd ihnen Orientierungspunkte wie Bojen im Meer, Land­zungen, Bergspitzen. Sie wissen, wann sie über den-Almirante" wegsegeln, wie sie zwischen dem! Espicho" und derCruceta" durchfahren müssen,| um denChäterneau", denTelleiro", den ,,So- telo", di<-Trella" zu erreichen. Sie sehen- unter sich denToxo" und kennen damit.die Entfernung zum Strand; sie segeln über dieMadeira " weg und wissen, wann sie in ihrem Hafen ländcri werden:. Diese Schätze sollen nun, mehr als zweihun- dert Jahre nach ihrer Versenkung, gehoben wer­den. Man hat eine Gesellschaft gegründet; sie ist rein spanisch, da alle Angebote fremden Kapitals kategorisch abgewiesen wurden. Das Kapital be­trägt vier Millionen Pesetas . Man gibt Grün- dergktien aus, zu 5000 Pesetas, außerdem Aktien zu 100 und.500 Pesetas. Die zu 100 sind be­reits erschöpft. Die Gesellschaft setzt sich aus Finattzleuten und Technikern zusammen. Die Bergungsarbeiten werden nach dem Plan des In­genieurs Moxo ausgeführt, der im wesentlichen darin besteht, Schiff für Schiff mit einem großen Kasten zu bedecken, der durch das Einführen kom­primierter Luft von Wasser entleert wird, so daß in seinem Innern in aller Ruhe die Durchsuchung ynd Entleerung des Schiffes erfolgen kann. Dies« moderne Schatzgräberei findet in Spa­ nien allgemeines Interesse. Per Spanier ist ein leidenschaftlicher Lotteriespieler. Dazu kommt, daß dieses rein technisch-merkantile Unternehmen vom Glorienschein der großen historischen Epoche des Landes umwittert und vom Märchenzauber exottscher Schätze übersttahlt ist. Dir versunkenen Galeonen von Vigo , wenn ihre Bergung auch ganz einfach ein Finanzunternehmen ist, sind ein Stück Romantik der Gegenwart.' Max Barth.