Mittwoch, 29. April 1936Seite 5. Rr. 191Känguruh als AutowächterWie bei uns Hunde in.Herrchens" Abwesenheitdie Autos bewachen, so hat dieser australischeFarmer ein Känguruh als Aufpaffer in seinenWagen gesetzt. Vielleicht hält die Angst vor einem.Mnnhaken" die Autodiebe ab.Drei„Ordensburgen" sind jetzt im DrittenReich feierlich eingeweiht worden und als viertesoll die auszubauende Marienburg dazu kommen.Um einen Turm aus ungefügen Steinen herumHeinere Behausungen und das Ganze ist immereine Kaserne zur Heranbildung erbgesunder, mutboller, rassekundiger, vor allem sportmeisterlicher,streng soldatisch ausgebildeter Führer, die einstdie Lücken füllen sollen, welche der Tod in denHeldenbestand von heute reißt. Alfred Rosenberg? Geist beseelt diese Burgen. Eben hat dieser Reichskulturleiter zu Cressien in Pommern denKreisleitern dargelegt, die Nazirevolution weede-erst dann gesiegt haben, wenn aus Kern und Keimen eine auch nach außen sichtbareTat erwachsen sei. Was er meint, ist klar. DenVerlust der deutschbaltischen Herrlichkeit kann ernicht verschmerzen, zumal er zu ihren Nutznießerngehörte. Der Eroberungskrieg gegen Sowjetrußland und die Unterjochung der Baltischen Staatensoll diese„nach außen sichtbare Tat" sein.TaS Geheimnis der Lokomotive Nr. 13.. Nachfünfzig Jahren ist jetzt das Geheimnis der Lokomotive Nr. 13, das vor einem halben.Jahrhundertganz Amerika beschäftigte, durch Zufall aufgeklärtworden. Damals lebte in Kansas City ein dänischer Ingenieur immens Oskar Hansen! Er konstruierte«ine Lokomotive, die besonders schnell fahren sollte. Aber die Versuche ergaben, daß dasModell nichts taugte und nur für Güterzüge zu verwenden war. Hansen, der sein ganzes Geld in denBau der Lokomotive, der er den Namen„Nr. 13"gab, hineingesteckt hatte, wurde durch den Mißerfolgtrübsinnig und mußte in einer Irrenanstalt interniert werden. Eines Tages nun gelang es ihm,von dort zu entkommen, sich der Maschine zu bemächtigen und mit einem ganzen Güterzug davonzufahren. Das Unglück wollte es, daß dieser Zugmü Dynamit geladen war. Es kam am Ufer desColorado-Fluffes zu einer Katastrophe. Man fandHansen tot an der Strecke, die zertrümmerten Wagen, aber keine Spur von der Lokomotive. Trotzeifrigstem Suchens blieb sie verschwunden, und erstjetzt hat man sie bei Drainage-Arbeiten im Colorado-Fluß einige Meter tief im Schlamm eingegraben gefunden.Ter„Louvre" hei Nacht. Die diesjährigen Pariser Festwochen werden für die'Fremden eine besondere Sehenswürdigkeit bieten:, das weltberühmteMuseum Louvre wird erstmalig nicht nur am Tag«,sondern auch bei Nacht zugänglich sein. Zur Zeitist man damit beschäftigt, die Beleuchtungsanlagenfür diesen Zweck einzubauen, und man kann sich vorstellen, wie phantastisch die Säle mit den großenSphinxen oder die Venus von Milo im Lichte derScheinwerfer aussehen werden. Die Eröffnung wirdin feierlicher Form durch den Präsidenten der Republik Mitte Mai stattfinden.Nackte Sekretärin gesucht. Man glaubt immer,daß Nacktkultur die große Mode in Amerika ist. ZumGlück sind wir jetzt in der Lage, diese völlig falscheVorstellung von den amerikanischen Sitten richtigzustellen, und zwar an einem Vorgang, der keinenZweifel über die Unbeliebtheit der Nacktkultur läßt.Ein großer Nudistenklub von New Aork inseriertedor kurzem mehrmals in fast allen großen Tageszeitungen, daß er eine Sekretärin suche. Wochenlang hat sich keine amerikanische junge Dame gemeldet. Endlich erschien eine. Wie man hört, ist sieabgewiesen worden. Nehmen wir an, daß der Grundnicht der war, daß sie sich den Gesetzen des Klubnicht sügen wollte, sondern, daß sie nicht imstandewar, 440 Silben pro Minute zu stenographieren...Warnung. Die ungarische Sozialdemokratiewarnt alle Genoffen vor einem Mann namens FranzH e j a- H o y o s, der sich hierzulande herumtreibiund sich fälschlich als Berichterstatter der„Ntpszava"ausgibt.Kein„zweiter Schlieffenplan“Volkswirtschaft und SozialpolitikDie Diskussion über die Frage, ob die Rheinland-Besetzung auf einen neuen„Schlieffenplan"des Großen Generalftabs schließen lasse, also aufeinen überraschenden und umfassenden AngriffDeutschlands gegen Frankreich, wird in der internationalen Presse lebhaft fortgesetzt.Wir haben kürzlich die Ansicht eines Korrespondenten unseres Blattes, der sich auf militärwissenschaftliche Informationen aus dem Westenstützte, der Auffassung des Genossen F r a n z e lgegenübergestellt, der im„Kampf" einen„zweitenSchlieffenplan" als höchst unwahrscheinlich, wennnichr als hirnrissig hinstellte. In der Zeitschrift„Europa"(Paris) finden wir eine interessante Abhandlung von Jean de Vigne, derzu dem gleichen Ergebnis kommt wie Franzel.Er schildert die Entwicklung der deutschen Operationspläne von Moltke.<senior) bis zu Schliessenund faßt seine Ansicht abschließend folgendermaßenzusammen:„Die vermutliche Gesamtlage des deutschen Befestigungssystems im Rheinland sowie die Voraussetzung, daß Deutschland seinen politischen Lapsusvon 1914 nicht mit einem Durchmarsch durch Holland wiederholt, weist aber darauf hin, daß derGroße Generalstab offensichtlich bemüht ist, zurTradition der Moltkeschen Strategie zurückzukehren und sich nicht miteinem zweiten Schlieffenplän zu befassen. Das bedeutet: stärkste Defensiveim Westen unter Ausnutzung'größter operativerVerschiebungen mittels Eisenbahnen und Autoftra-Dle Entwicklung der Grundverhältnisse In der SowjetunionMit welchen kolossalen Schwierigkeiten dersozialistische Aufbau in Rußland verknüpft ist, bezeugt die paradoxale Tatsache, daß noch heute,20 Jahre nach der Sozialisierung des gesamtenGrund und Bodens, sich auf dem Lande noch immer Verhältnisse entwickeln» die der Oekonomikund der Psychologie der Privat-eigentumsgesellschaft entstammen.Die Sowjetpresse meldet sehr viel Fälle einerBodenspekulation. Am krassesten sinddie Fälle der AusbeutungderKolchos-bauern durch die Sowchosen, diegroßen Güter, die unmittelbar dem Staate gehören und durch Lohnarbeiter bebaut werden,während die Kolchosen eine Art Produktivgenos-senschasten sind. Der Kolchos„Wpered", in Sta-rodub(Ukraine) hat einen großen Mangel anWeideplätzen und ist deshalb genötigt, bei dembenachbarten Sowchos„Krasny Oktjabrj" Wiesenland zu pachten. Der Pachtzins besteht in derVerpflichtung, zu jeder Zeitkauf Anforderung derSowchosverwaltung, all« Feldarbeiten auf denSowchosgütern zu leisten.(„Jswestija", 2. 4.)Ein anderer Sowchos verpachtet unter denselbenBedingungen 1750 Hektar an eine Reihe von benachbarten Kolchosen, womit die Sowchosverwaltung, im Grunde genommen, fast umsonst Arbeitskräfte in ihrL, Verfügung bekommt. SolcheVerträge erinnern stark an die vorrevolutionärenBeziehungen zwischen den Gutsbesitzern undBauerngemeinden. Es gibt Kolchose, die bei derBodenverteilung sehr gut weggekommen sind, esgibt wieder andere, die stark an Bodenmangelleiden. Die„reichen" Kolchosen verpachten nunin der Regel Boden an„arme" gegen Zurver-fügungstellen der Arbeitskraft. Die Bodenspekulation, die von der Sowj^tpreffc als eine Massenerscheinung geschildert wird, beschränkt sich keineswegs auf die Beziehungen zwischen den einzelnenSowchosen und Kolchosen. Sie entwickelt sich auchinnerhalb einzelner Kolchose.So berichtet der Saratower Korrespondent derMoskauer„Prawda" über einen folgenden Fall,der wenn nicht typisch ist, jedenfalls ziemlich ostVorkommen soll: Die Verwaltung eines Kolchos,also der Vorsitzende und die Verwaltungsmitglieder, haben aus der dem Kolchos gehörenden Bodenfläche etwa 250 Hektar für ihren persönlichenBedarf in Anspruch genommen. Einen kleinenTeil davon haben sie zu relativ niedrigen Preisen an die sogenannten„aktiven Kolchosmitglie-der" verpachtet, um sie an dem Geschäft zu interessieren. Der Rest wurde zu Phantasiepreisen nichtnur an Einzelbauern, also Nichtmitglieder desKolchos, sondern sogar an verschiedene Regierungsbehörden verpachtet. Interessant ist aber folgendes: Die Einzelbauern, die auf diese Weise zurBenutzung des Kolchosboden gelangten, haben ihnnur zum Teil selbst bebaut. Einen Teil dieses vonihnen gepachteten Kolchosbodens verpachteten dieEinzelbauern weiter an die„nichtaktiven" Kolchosbauern, also Kolchosmitglieder, die'wederParteiaNgehürige sind, noch sich irgendwo andershervorgetan habens„Krise der Persönlichkeiten"Eine der bezeichnenden Merkmale der Kammerwahlen ist die„K r i s e der Persönlichkeit^ n", nämlich die abnehmende Beliebtheit bekannter Politiker. Zahlreiche Parteiführer und politisch stark exponierte Persönlichkeiten, deren Wiederwahl im ersten Wahlgang—ebenso wie bei den stüheren Kammerwahlen—mit Bestimmtheit erwartet wurde, sind in einerecht schwierige Situation geraten. So z. B. inMarseille der Kammervorsitzende und ehemaligeSozialist Fernand B o u i s s o n, in Lille derBürgermeister, der Sozialist Salengro, inSceaux der sozialistische Führer Jean L o n-tzen, die vor allem im Rheinland sthr zahlreich findund bereits zum Teil gNt ausgebaut wurden. Da-,gegen, falls es die verschiedensten, in Anrechnungzu bringenden politischen Umstände gestatten,größte Offensive im Osten und Südosten.Die Festungsanlagen cm der schweizerischen»Grenze lassen den Schluß zu, daß auch sie ausschließlich der Verteidigung gegen einen von Süden erwarteten stanzösischen Durchbruch durch die Schweiz,wie man in Berlin glaubt, dienen. Wie bereits erwähnt, scheint ein deutscher Durchmarsch durch Holland deshalb höchst unwahrscheinlich, weil dadurcheinmal die deutsche Front um mehrere hundert Kilometer verlängert würde, sodann aber auch, weil da?Kanal- und Flußsystem in Holland einen Durchmarsch für Truppenmassen unmöglich macht. Dasdeutsche Heer besitzt überhaupt nicht so viele technische Truppen, daß es über alle die gewaltig breitenFlüsse Hollands Brücken zu schlagen in der Lagewäre. Aus diesen und anderen, hier nicht zu erörternden Erwägungen heraus scheint uns ein AngriffDeutschlands im Westen unwahrscheinlich, eS müßtedenn sein, daß die Geheimniffe der Festungszerstö-rung einen unerhörten Grad erreicht haben, daß deralte Moltke nicht gesiegt hat, sondern der zweiteSchlieffen."Es liegt also nahe, auch aus diesen Ansichtenden, Schluß zu ziehen, zu dem E. Franzel im„Kampf" gelangt ist: daß Hitler im Donauraum offensiv werden und daß feinHaupt st oß Wien gelten wird.g u e t, in Lyon der Bürgermeister und Führerder Radikalen H e r r i o t, in Bordeaux der Neosozialist Bürgermeister M a r q u e t, weiter derehemalige Minister de M o n z i e» der Vorsitzende des radikalen Klubs und stellvertretendeVorsitzende der Regierung Justizminister D e l-b o t, der Minister für nationale Erziehung, derRadikale G u e r n u t, der Minister für Luftfahrt, der Neosozialist D s a t, Führer der Volksfront B e r g e r y, von den Abgeordneten derMitte und der Rechten die ehemaligen MinisterGermain M a r^t i n, Paul Reynauld-Oberst F a b r y, der Führer der vaterländischenJugend Taittinger u. a.Die„MUde" des Austrofaschismus. Obwohlmit Ausnahme von Sailer, Emhart undF e l l e i s alle Angeklagten des Wiener Sozialistenprozesses infolge der Einrechnung der Untersuchungshaft ihre Strafe bereits verbüßt haben,ist nur ein Teil der Genossen enthaftet worden.Die Genossen Sailer, Felleis, Fischer,Gr i l l,-K n e chtelsdorser, K r e is k Yund die Genossin Emhart befinden sich nochweiter im StraslandeSgericht. Bei allen diesen hatder Staatsanwalt Berufung wegen zu geringenStrafausmaßes erhoben. Die Genossen Rauscher, der eine Strafe von zehn Monaten erhielt, die längst verbüßt ist, H o n n e r undF ü r.n b e r g, die letzteren haben bloß vier Mo-«ate Arrest erhalten, befinden sich auf der Polizeiund sollen in der nächsten Zeit nach Wöllersdorfüberstellt werden.Außenhandel In NahrungsmittelnAm Außenhandel der tschechoslowakischen Republik haben die Nahrungsmittel einen bedeutenden Anteil. Nach der vom Statistischen Staatramt veröffentlichten Ueberstcht über den Spezial-Außenhandel imJahre 1935 waren die Nahrungsmittel an der Einfuhr insgesamt mit etwa 23 Prozent, an der Ausfuhr mit etwa 7 Prozent beteiligt. Es betrug dieEinfuhr der folgenden, in der Hauptsache Nahrungsmittel umfassenden Warengruppen: Obst, Gemüse,Pflanzen 511,2 Millionen Kronen, Getreide, Hülsenfrüchte, Mehl, Reis 283,5 Mllionen Kronen, Fette179.2 Millionen Kronen, Schlacht- und Zuchtvieh160.3 Millionen Kronen, Südfrüchte 148,6 Millionen Kronen, Kolonialwaren 128,0 Millionen Kronen,Eßwaren 62,4 Millionen Kronen und Getränke 31,6Millionen Kronen,Im einzelnen seien von den«ingeführten Warender Nahrungsmittelgruppen folgende hervorgehoben(in Mllionen Kronen): Rinder für 151, Schweinefür 184, Brotgetreide und Mehl für 70, Mais für72, Reis für 87, Kaffee für 77, Schweinefett für 57,Obst und Gemüse für 823, Pflanzenöle für 58, Weinfür 25, Pomeranzen für 42,9, Mandarinen für 7,4,Tomaten für 3,0, Heringe für 7,1.Kakao bezw. Kakaobohnen wurden im ganzenfür 41,1 Millionen Kronen eingeführt, von denen für24,6 Millionen Kronen aus Britisch-Aequatorial-Afrika kamen. Die Hauptlieferungsländer de^ Tschechoslowakei sind Brasilien, das für 29,5 MllionenKronen lieferte, und Guatemala, aus dem für 25,6Mllionen Kronen Kaffee bezogen wurde.In, der Ausfuhr von Nahrungsmitteln aus derTschechoslowakei stehen die Warengruppen Getreide,Mais, Hülsenfrüchte, Mehl, Reis mit 222,3 Millionen Kronen und Obst, Gemüse, Pflanzen mit 228,2Mllionen Kronen an erster Stelle. Der Anteil an derGesamtauSfuhr beträgt bei beiden je 2,8 Prozent.Den dritten Platz nimmt der Zucker rin. Die Zuckerausfuhr betrug 1985 137 Mllionen Kronen oder 1,7Prozent der Gesamtausfuhr.Im Vergleich zu früheren Jahren ist di« Nah-rungsmineleinfuhr der Tschechoslowakei ganz erheblich zurückgegangen. Diese Entwicklung ist einmal eineFolge der Agrarpolitik. Durch sie ist die Einfuhr vonBrotgetreide überflüssig gemacht worden. Des weiteren wurde die Vieheinfuhr stark gedrosselt. Auch fürdie Butter-, Fett- und Eiereinfuhr gilt das gleiche.Außerdem wird dieser durch Devisen« und zollpolitische Maßnahmen herbeigesührte Rückgang noch verstärkt durch die in den Krisenjahren bedeutend geringeren Einkommensverhältniffe der Mhrheit der Bevölkerung.Wenn auch der Außenhandel mit Nahrungsmitteln für unseren Staat eine passive Bilanz aufweist,so hat doch die Erfahrung gezeigt,, daß die Drosselungihrer Einfuhr sich in der ungünstigsten Weis« auf dieAusfuhr unserer industriellen Waren und damit aufden Beschäftigungsstand in unserer Industrie aus»wirkt. Darum dürfen Bemühungen, die den Aufschwung unserer Wirtschaft zum Ziele haben, nichtdurch weitere Droffelungsmaßnahmen der Nahrungs-mitteleinfuhr durchkreuzt werden. Das Ziel kann nurerreicht werden durch eine Kursänderung der Agrarpolitik und durch die Besserung der sozialen Lage derbreiten Bevölkerungsschichten.Akadcmlsdicr Ehrgeiz, der im Kerker endetDer Roman einer gescheiterten StudentinPrag. Marie Martine k, 23 Jahre alt,Studentin der Rechte, verheiratet— angeklagt desVerbrechens des Betruges, des Diebstahls und derfälschlichen Bezichfigung... Die während der ganzen Verhandlung heftig weinende Angeklagte warvoll geständig. Es ist ein sonderbarer Fall, der davor dem Strafsenat Beck aufgerollt wurde.Die Angeklagte hatte sich in den Kopf gefetzt,Advokatin zu werden, während ihre Eltern sie unterallen Umständen verheiraten wollten. Sie ließ sichgegen den Willen ihrer Eltern an der Brünner juristischen Fakultät inskribieren und lehnte verschiedene,ihr präsentierte Bewerber ab, bis sie schließlich dochdem Drangen ihrer Mutter nachgab und«inen Zollbeamten zum Mann nahm. Für ihren Gatten verspürte sie durchaus keine Liebe, zumal er ihr dieFortsetzung des geliebten Studiums verbot^Die engstirnige Hoffnung der Eltern, ihre Tochter unterallen Umständen durch Verheiratung an einen pen-sionsberechtigten Gatten zu versorgen, schlug fehl,denn die Ehe scheiterte nach kurzer Dauer und wurdegeschieden. Marie hielt aber an ihrem Ideal fest unsetzte ihr Rechtsstudium fort, wobei es ihr freilichsehr elend ging. Ab und zu ließ ihr ihr Gatte einekleine Unterstützung zukommen und noch seltener ihreEltern, die nach dem Zusammenbruch der Ehe für denakademischen Ehrgeiz ihrer Tochter noch wenigerübrig hatten als vorher.Eine? TageS wurde das Brünner.Kaunib-Kolleg", das Studentinnenheim, in welchem dieMartinek wohnte, durch die Nachricht alarmiert, daßder dort, wohnenden Kandidatin der, Medizin Alexandra C h a m r a d ein auf 1300 K£ lautendesPostsparkassabuch nebst der dazugehörigen Legitimation entwendet wurde. Die Verluftträgerin erstattetesofort die Verlustanzeige und erwirkte die Sperrungdes Sparbuches. Durch diese Maßnahme hielt siesich für gesichert— wenigstens gegen größere Verluste, da von einem Postsparkassenbuch pro Tag nur300 Kl abgehoben werden können uNd die Sperredes entwendeten Buches sofort durchgeführt wurde.Wie groß war daher das Staunen der Verlustträge-rin, als man sie bei einem späteren Besuch auf derPostdirektion mit offenkundigem Mißtrauen behandelte. Zu ihrem Schrecken mußte sie erfahren, daßpicht nur ihre 1800 KC abgehoben, sondern im Wegeeiner raffinierten Fälschung noch weitere 1100 Közu unrecht bei verschiedenen Postämtern behobenwurden. Es kostete Frl. Chamrad keine geringeMühe, die argwöhnischen Beamten von ihrer Unschuldzu überzeugen. Der Verdacht lenkte sich aber baldauf die Angeklagte, die inzwischen spurlos ausBrünn verschwunden war und erst nach einiger Zeitin Prag aufgegriffen wurde. Sie gestand denn auchdie Tat ein und erklärte auch die äußerst raffinierteArt, in der sie da? gestohlene Sparbuch trotz derSperre hatte verwerten können.Da sie wußte, daß ihre bestohlen« Kollegin dasSparbuch hatte sperren lassen, erschien sie unter Vorlage einer gefälschten Vollmacht bei der BrünnerPostdirektion und erklärte, daß ihre angeblich schwererkrankte Kollegin Chamrad sie beauftragt habe, dieAufhebung der Sperre zu erwirken, da das Spar-kaffabuch gar nicht gestohlen worden, sondern imWäschekasten verräumt worden sei. Das Amt warzwar zunächst mißtrauisch, aber die vorgelegte Vollmacht in Verbindung mit der Hochschülerlegitimationder Angeklagten verschaffte ihr schließlich doch Vertrauen und die Sperre des Sparbuches wurde aufgehoben, worauf die Diebin binnen wenigen Tagenden eingelegten Betrag abhob. Als das Guthabenfast erschöpft war, wollte es der Zufall, daß ihr beiAufgabe eines Pakets beim Brünner Postamt fünfder unachtsame Beamte die Stampiglie in Reichweiteder Martinek liegen ließ und sich für einen Augenblick enffernte. Blitzschnell drückte nun die Martinekdie Stampiglie in die nächste freie Rubrik ihresSparbuches und fälschte dann zu Hause in aller Gemütsruhe eine„Einlage" von 2830 K£ dazu, wovonsie bei anderen Postämtern 1100 KC abhob. Dannwurde ihr der Boden zu heiß und sie verschwand nachPrag. Leider ließ die Bestohlene allzuviel Zeit verstreichen, ehe sie sich neuerlich nach dem Schicksalihres Sparbuches erkundigte. Sonst hätte die Martinek die Sache nicht so weit treiben können.Ganz unbegreiflich bleibt, warum die Martinekihren gewesenen Gatten bei ihrer Verhaftung ganzgrundlos beschuldigte, Devisenschmuggel betrieben zuhaben. Wohl der Ausbruch eines hysterischen und unvernünftigen Haßgefühls, das sich auf diese WeiseLuft machte. Die Verteidigung der Angeklagten beschränkte sich auf die Erklärung, sie müsse die Straftaten im Zustand geistiger Verwirrung' begangenhaben. Unzurechnungsfähig im Sinne unseres Strafgesetzes ist sie aber keinesfalls und so lautete das Urteil auf sechs Monate schweren um dverschärften Kerkers unbedingt.rb.