Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Chaos in Addis Abeba  

Flucht des Negus

Nervosität in London  

Aus Addis Abeba   find im Laufe des 1. und

2. Mai die widersprechendsten Gerüchte eingelangt.

Die Nachricht von der Abreiſe des Regus und der

brechen wird.

Sonntag, 3. Mai 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 104

Der 1.Mai der sudetendeutschen  

Überall große Aufmärsche

Sozialdemokratie

für die Demokratie und gegen den Faschismus

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kaiserlichen Familie nach Djibuti   wurde mehrere Male wiederholt und wieder dementiert. Nach den Testen Meldungen scheint der Negus, nachdem Wolfenverhangener grauer Himmel, von die faschistische Entfesselung der Kriegsgefahr schon beginnt sie zurückzufluten! Und unsere Or­feine Aufforderungen zur allgemeinen Volts- dem manchmal leichter Regen niederrieselt. Ein und die begriffen hatten, daß der Kampf der ganisationen, die so herrlich sich bewährt haben, bewaffnung und Verteidigung der Pässe ergebnis- fühler, unfreundlicher Morgen. Aber die Ar- Sozialdemokratie um die Erhaltung der Demo- fönnen zum Gegenangriff schreiten! Sie haben los geblieben waren, doch abgerei ft zu sein. beiter und Arbeiterinnen lassen sich durch das kratie und des Friedens auch Kampf für sie, für diesen ersten Mai zu einem herrlichen Kampftag Man nimmt in London   an, daß damit jeder ungünstige Wetter nicht abschrecken. Wohl sind ihre Freiheit, für Leben und Glück ihrer Fami- für die Demokratie und wider den Faschismus Widerstand aufhören und die letzte Armee Abessie- Kleider und Schuhe noch schlechter, noch dünner lien ist.. gemacht! Die mehr als hundertfünfzig Maiver­niens, die des Ras Nasibu, die bei Sasabeneh als am ersten Mai des Vorjahres. Aber damals Wir wissen gut genug, daß immer noch auch sammlungen der deutschen   Sozialdemokratie- ebenfalls geschlagen worden ist, zusammen sind sie durch peitschendes Schneegestöber mar- viele Proletarier dem trügerischen Bilde der das waren nicht nur ebensoviele Bekundungen Der Vormarsch der Italiener, der ohne der Italiener, der ohne schiert wie könnte sie drohender Regen, wie Volksgemeinschaft" folgen, daß noch lange nicht der Treue der Arbeiter zur sozialistischen   Idee Systematik und angesichts des fehlenden Wider fönnte sie die Kühle des Tages abhalten vom alle, die ihrer Klassenlage nach zu uns gehören, sie waren auch nicht nur Heerschau über die standes ohne Sicherungen erfolgt, so daß die Ko- Zug nach den Bezirksstätten, vom Marsche zur den Weg zu uns zurück gefunden haben. Zu kurz Scharen derer, die zur Verteidigung der Demo­lonnen Badoglios fich auf 100 bis 150 Kilometer Feier ihres Tages, des Tages der Arbeiter! ist ein Jahr, als daß es hätte allen Betörten po- fratie bereit sind sie waren auch hundertfünf­Länge auseinandergezogen haben, scheint durch Aber nicht nur die Ungunst des Wetters ist litische Ernüchterung geben können. Aber zum| aigfaches Signal zum Angriff, zu neuem Vor­die beginnende Regenzeit immerhin ins Stocken zu überwinden! Da stehen, wenn die Arbeiter Stehen gebracht ist die faschistische Welle- und| marsch! geraten zu sein. Für die italienischen Pioniere aus ihren Wohnorten hinausziehen auf die handelt es sich jetzt nur noch um einen& a mv Landstraßen, beobachtend ,, Volfsgemeinschaftler" mit den Elementen, nicht mehr mit den Kriegern der Amhara  . Es zeigt sich aber am Wege, sich genau die Leute betrachtend, die jekt, wie toll es war, die abessinischen Armeen es wagen, den ersten Mai als sozialistischen Fest­int Feber und März im offenen Kampf zu tag zu feiern, mit den Sozialdemokraten zu mar­opfern, statt sie bereit zu halten für den jest ein schieren! Da sind Photoaparate bereit, die Vor­tretenden Fall, daß die Italiener weit auseinan- beimarschierenden im Bilde festzuhalten! Und dergezogen, über riesige Gebiete verstreut und von die Marschierenden wissen: jedes dieser Bilder den tropischen Regengüffen behindert, durch den ist eine schwarze Liste. In ein paar Tagen schon, Angriff weniger noch intakter Truppen aufs am kommenden Samstag vielleicht schon fann äußerste gefährdet werden. Aber nun fehlen Arbeitsverlust die Strafe für ihre Treue zur diese Truppen, nicht so sehr, weil sie völlig ver­nichtet worden wären, als infolge der vani- sozialistischen Idee sein. Und kann man nicht je­fchen Stimmung, die sich nach den Feld- den Sozialdemokraten entlassen, so gibt es doch Schlachten im Norden, nach den Giftg a 3- mancherlei andere Mittel, den Terror spielen zu Angriffen und Bombardements der ita- lassen gegen die Roten  ... lienischen Barbaren eingestellt hat.

Rundfunk- Rede Dr. Czechs

am 1. Mai in der Prager   deutschen Arbeitersendung Die von hunderttausenden Genossen bei uns nußbringender Arbeit verdrängt sind, lechzen nach und jenseits der Grenzen gehörte Rede, die der Wiedereingliederung in den Produktionspro­unser Parteivorsitzender Minister Genosse Dr. zeß. Aber die Produktion und der Verkehr sind in Ludwig Czech   am 1. Mai in der deutschen   Ar- weiten Gebieten gelähmt, und vielfach ganz ab beitersendung des Prager Rundfunks hielt, gestorben, die Fabrikstore geschlossen, die Oefen hatte folgenden Wortlaut: gelöscht, die Maschinen trok hundertfältigen Bes darfes kaltgestellt. Denn der Kapitalismus   ist un­fähig, die zerbrochene Wirtschaft wiederaufzurich­die Millionen arbeitshungriger Menschen wieder ten, sie wieder in Gang zu bringen und damit dem Nährstand zuzuführen. Noch läßt er den Ge­danken, daß er endgültig abgewirtschaftet habe, nicht aufkommen. Noch immer erkennt er die Aus­

Meine lieben Freunde!

Die Deutsche sozialdemokratische Arbeiter­partei in der Tschechoslowakischen Republik ent­bietet 3hnen zum Maientag innigsten Freund schaftsgruß.

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Allerdings lang lang, ist es her.

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Es ist wie in den alten Zeiten, wie in den In Lo'n don scheint man jest, sehr spät Jahren zwischen 1890 und 1900, wie damals, Alle bisherigen Maikundgebungen hatten stets erst, zu merken, in welche üble Situation als so viele, so viele Arbeiter ihren Idealismus, ihr den jeweiligen Verhältnissen entsprechendes weglosigkeit seiner Lage nicht. Noch klammert er England durch den Zusammenbruch Abejft ihre Begeisterung für den ersten Mai büßen caratteristisches Gepräge. Mit tiefer Wehmut ge- fich trampfhaft an seine letzten Machtpositionen, niens tommt. Samstag nachmittags wurde im mußten mit Aussperrung, mit Entlassung, mit denken wir jener herrlichen Maientage, die Feit- die er durch bezahlte Schergen zu stüßen sucht. Foreign office ficberhaft konferiert, ohne daß man zu einem Ergebnis gekommen wäre. Eng- kleinlich- gehässiger Verfolgung. Aber wie da- und Freudentage waren mit fröhlichen Gesän- Aber seine verzweifelten Anstrengungen sind um­land hat Abessinien in den Krieg gehest, indem mals auch jetzt: die Arbeiter feierten ihren ersten gen, schwungvollen Prologen, begeisternden Fest- sonst. Weit über den Kreis des Proletariates hin reden und einer Feiertagsstimmung, die die Ar- aus besteht kein Zweifel mehr darüber, daß be­es den Glauben in die ,, kollektive Sicherheit" und Mai, den sozialistischen, den roten ersten Mai! beiterschaft- an dem einen Tage die reits die letzte Stunde des Kapitalismus geschla  = die Vertragsfähigkeit der europäischen   Mächte Und weil wieder, wie einst, Mut und Mühsale des Lebens, ihre harten Kämpfe, aber gen habe und daß uns lediglich die Ablösung des nährte und wohl auch die Hoffnung, daß Abeffi- Opferbereitschaft Voraussetzung der Teilnahme auch alle Rückschläge vergessen ließ. Die Arbeiter tapitalistischen Wirtschaftssystems durch eine so­nien Waffen erhalten würde. England hat dann an den Maifeiern sind, genügt es nicht, die Mar- schöpften aus diesen Festtagen immer wieder neue zialistische Neuordnung die Menschheit aus dem nicht fähig oder nicht gewillt, die einzig wirksamen schierenden und die an den Versammlungen teil- Kraft zu neuer Arbeit und neuen Kämpfen. wirtschaftlichen Chaos herauszuführen vermag. Mittel gegen Italien   zu ergreifen, Abessinien Die sozialistische Arbeiterklasse hat dies schon faltblütig geopfert. Es kommt jest in die vernehmenden zu zählen. Sie müssen gewertet wer­diente Lage, daß es, nachdem es keine abes- den als einsatzbereite Kämpfer, als die tapfersten In den letzten Jahrzehnten änderte sich das längst erkannt. Sie sieht ihre Aufgabe klar vor finische Regierung mehr gibt und Mussolini   tat- Verteidiger der Demokratie unseres Landes, als Bild. Es kam der Weltkrieg mit seinen grauen- sich. Sie stellt sich beherzt und mit der größten sächlich Herr des Landes ist, selbst wird mit Rom   die zähesten Streiter gegen den Faschismus! haften Auswirkungen. Es kamen die furchtbaren Hingabe in ihren Dienst und ist entschlossen, bei verhandeln müssen, um die britischen Intereffen Schlechtes Wetter, das manchen Arbeiter Krisenjahre, die Massenarbeitslosigkeit, die bitte dem Umbau der Wirtschaft mit Hand anzulegen zu sichern. und manche Arbeitersfrau, für die Schonung ren Wirtschaftsnöte der arbeitenden Schichten. Es und das unabwendbare Schicksal des kapitalisti­des letzten Anzuges, des letzten Kleides zu einem tamen die schweren Erschütterungen der Arbeiter- schen Wirtschaftssystems durch plan volle bewegung. Dichte Giftnebel verwirrten den Weg und zielflare Aufbauarbeit bejie­Paris. Die Samstag abends beim fran lebenswichtigen Problem geworden ist, vom Mi- bes Proletariates. Es fam die Zerschlagung der geln zu helfen. Dabei verkennt sie in keinem zösischen Außenministerium aus Addis Abeba   ein- marschieren abhielt. Kaum noch verhüllter Ter- proletarischen Reihen durch das kommunistische Augenblick die tausendfältigen Hindernisse und gegangenen Depeschen bestätigen, daß sich der Negus im letzten Moment der Kaiserin und den ror der Volksgenossen Nazi. Und doch große, Verbrechen und damit wieder die Stunde der Schwierigkeiten, die auf dem Weg zum Ziele lie­übrigen Mitgliedern der abessinischen Herrscher- herrliche Aufmärsche! Und doch gewaltige Ver- Feinde der Arbeiterklasse. Und wieder war die gen. Aber sie weiß, daß niemand anderer als familie, welche die Hauptstadt in einem Sonder- sammlungen! Und doch Maifundgebungen, die Reaktion obenan. Der Faschismus erlebte einen fie diese schwerige Aufgabe meistern kann. Sie zug verlassen haben und heute Nacht in Dschibuti   nicht nur Beweise der Unerschütterlichkeit unse- einzigartigen Aufstieg. Er zog ein Land nach dem weiß, daß nur sie ihre notleidenden Brüder aus eintreffen werden, angeschlossen hat. In rer Kader sind, sondern vielerorts schon wieder anderen in seine Bannsphäre und feierte überall dem kapitalistischen   Elend zu erretten, Addis Abeba   wurde vormittags eine Reihe von den neuen Aufstieg unserer Bewegung offenbar- blutige Orgien. Er vernichtete die jahrzehntelan- allein sie einem menschwenwürdigen Dasein zu gen Errungenschaften der Arbeiterklasse. Er znführen vermag. Häusern ausgeraubt; insbesondere soll der ten! löschte die Freiheit ganzer Völker aus. Er zer- Doch diese schwierige Aufgabe wird kaiserliche Palast geplündert wor­Sie glaubten nach den Wahlen schon trium- störte ihre demokratischen Einrichtungen. Erraubte nur gelöst werden können, wenn es ge den sein. Die französischen   Staatsangehörigen baben auf der franzöfifchen Gesandtschaft zu- phieren zu können über die Sozialdemokratie. ihnen den Lebensatem und ruinierte ihre Wirt- lingt, den Faschismus, der die letzte flucht gesucht, wo Maßnahmen für ihre Sicherheit Sie meinten nun leichtes Spiel zu haben, wähn- schaft. Er verwandelte Europa   in ein einziges Stütze des zusammenbrechenden Kapi­ten durch Zwang und Lockung, durch den Ge- großes Konzentrations- und Heerlager. Er schuf brauch von Zuckerbrot und Peitsche, durch Mas- in allen seinen Teilen die gefährlichsten Brand- talismus ist, aus seinen Machtpositionen senschauspiele von prahlerischen Kundgebungen berde und legte schließlich ein Feuer, das Europa   zu werfen. Der Faschismus, das ist der auch jene von uns reißen zu können, die am 19. in jedem Augenblick in Brand zu stecken vermag. Noch niemals seit dem Weltkrieg Feind Nummer 11 Mai dem faschistischen Ansturm standgehalten Der Faschismus, das ist der Krieg. hatten. Und siehe: sie wedten den lagerten so finstere Wolken über Euro­Trot! Das erbitterte ,, Nun erst recht! ,, Und zupa. Nie zuvor lagen so schwere Schat. Bis an die Zähne bewaffnet, zwingt er der gan­denen, die durch den nationalfaschistischen An- ten über dem 1. Mai! Noch nie seit dem zen Welt ein fieberhaftes Rüsten auf, das an sich griff zusammengeschweißt wurden zu einer un- Weltkrieg stand die internationale so schon die größte Kriegsgefahr in sich birgt. Der Zehn Tote bei einer ägyptischen zerstörbaren Gemeinschaft, gesellten sich jene, die zialistische Arbeiterklasse vor so schick Faschismus will den Krieg, weil er ihn braucht, Wählerversammlung ein Jahr des Erlebens der Volksgemeinschaft" falsschweren Aufgaben als gerade in um seine geknuteten Völker gewaltsam niederhal ten zu können. London  . Im Verlaufe einer Wahlverfammernüchtert und enttäuscht hat, die gelernt haben, dieser Stunde. Wir aber brauchen den Frieden, ohne lung in der Nähe von Zagazio( Aegypten  ) ent- hinter die Maste der Prediger der Nationsge- Blicken wir um uns! Trok unermeßlichen den es keine Freiheit und feine Kultur, stand zwischen politischen Gegnern eine wilde meinschaft zu schauen und die die Frage des Un- Reichtums und Ueberflusses auf der einen Seite fein Brot und keine ben gibt. Wir brauchen Schießerei, bei der zehn Personen geternehmeregoismus erblickt hatten. Und es fa- sehen wir entseglichsten Notstand auf der anderen. die Verständigung, das herzlichste Zus tötet und viele andere verlegt wurden. men jene dazu, die aufgeschreckt wurden durch Millionen arbeitsfreudiger Menschen, die aus sammenleben und die innigste Zusammenarbeit

getroffen wurden.

Auch die Mitglieder der abeffinischen Regie­rung haben Samstag vormittags Addis Abeba  berlaffen und das kaiserliche Archiv mitgenommen. Sie sind in Automobilen in westlicher Rich­fung davongefahren. Man ist der Ansicht, daß sie fich nach Gornai begeben haben.

nur sie