Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

31

Donnerstag, 7. Mai 1936

am Ruder wäre, so fönnte sie faum eine andere Politik einschlagen als diejenige, welche die gegenwärtige Regierung betreibt.

Genf und London sind ratlos! fit in eigen and beter

Eden gibt die Niederlage zu Es wird weiter gewurstelt Mussolini Herr der Lage

Die Debatte, die das englische Unterhaus Mittwoch über das Budget des Außenministe­riums abführte und die den Anlaß zu einer außenpolitischen Erklärung Edens bot, zeigte den kläglichen Niederbruch der britischen Politik und des Systems der kollektiven Sicherheit in dem ganzen trostlosen Umfang, den die Katastrophe bereits angenommen hat. Eden mußte das Versa­gen des Völkerbundes und die Niederlage der britischen Politik unumwunden zugeben, er ver= mochte aber auch keinerlei brauchbare Vorschläge für die Zukunft zu erstatten. Die Parole des Festhaltens an dem System, das eben zusammengebrochen ist, kann nur als die Losung des Fortfrettens bezeichnet werden.

Unterdessen erwägen verschiedene kleinere Staaten, so die skandinavischen Königreiche und Holland ernstlich den Austritt aus dem Völkerbund, der sich ja unfähig gezeigt hat, einem kleinen Staat wirksam zu helfen. Auch in Belgrad , wo die Tagung der Kleinen Entente eröffnet wurde, fielen harte Worte gegen Genf .

Mussolini läßt verkünden, daß es für ihn nur die totalitäre Lösung gebe: Annegion ganz Abessiniens ohne Einschränkungen. Man wird zugeben müssen, daß dies auch die einzige ehrliche Gewaltlösung ist, die einzige, die dem kläglichen Versagen Englands und des Bundes entspricht und die wenigstens nicht mit irgendeinem moralischen Mäntelchen behängt wer­den könnte( Mandat etc.). Widerlich wirkt es freilich, wenn manche Blätter schreiben, daß Jta­lien die einzige Macht sei, die heute in Aebessinien dei Ruhe herstellen könne. Das heißt, den Brandstifter zum Löschen herbeirufen und ihn ob seiner Tüchtigkeit beloben!

In einem Interview mit Ward Price versucht Mussolini , sich mit England wieder besser zu stellen. Italien sei jest saturiert und werde nichts weiter verlangen. Es ist durchaus anzu nehmen, daß sich unter den europäischen Diplomaten genug Schwachsinnige finden werden, dic das glauben und die Mussolini jezt bis zum Beweis des Gegenteils für ein friedfertiges Element halten werden.

Ueber den Fragebogen an Hitler hat Eden in der Debatte nichts Konfretes aus­gesagt. Man wird sich nicht wundern dürfen, wenn der Fragebogen inzwischen zu einem harm= losen Freundschaftsbrief geworden ist. Die Gen fer Mächte haben ja durch ihre klägliche Haltung vor Mussolini selbst die moralische Legitimation preisgegeben, mit der sie Deutschland imponieren fönnten. Daß Hitler alles daransehen wird, einen Erfolg einzuheimsen, der sich mit dem Italiens meffen kann, ist selbstverständlich. Europa fann sich noch glücklich schäzen, wenn Hitler sich auf die Forderung nach kolonien festlegt und Mitteleuropa noch eine Schonzeit gibt. Gegen die Kolonialforderung wird nach dem Erempel Abessinien wenig Ernsthaftes vorzubringen sein. Will man der Katastrophe Europas entgehen, so wird man aber die Zeit bis zu einem Vorstoß Hitlers oder Mussolinis an der Donau ausnügen müffen, um über eine neue Form der Sicherheit ernst haft nachzudenken!

Rededuell Dalton- Eden

London.( Reuter.) Mittwoch begann im je inzige Sanktion, die augen­überfüllten Unterhaus die Debatte über die aus- blicklichen Erfolg gehabt hätte, u. zw. das wärtige Politif. Als erster sprach der labouristis Verbot der Benüßung des Suez­sche Abgeordnete Dalton, ehemaliger Unter- tanals für Italien . staatssekretär im britischen Außenministerium. In seiner Rede beantragte er die Herabseßung des Budgets des Außenamtes. Die Opposition, sagte er, wünscht auch etwas über die Verhand lungen mit der deutschen Regierung und den In halt des Fragebogens an Deutschland zu erfahren.

Die umgehenden Gewaltdrohungen gegen die Tschechoslowakei und Oesterreich können uns genügend erregen, obzwar uns die Versicherung zuteil wurde, daß bis zur Beendigung der olympischen Spiele für den Frieden keine Ge­fahr besteht.

Die Sperrung des Suezkanals hätte eine mili­tärische Aktion unausweichlich zur Folge gehabt.

Wenn die Opposition den Wunsch hegt, daß militärische Schritte unternommen werden, muß ich sie darauf aufmerksam machen, daß der Suezkanal nicht durch Schiffe aus Papier ge= sperrt werden kann. Wenn die Regierung nicht auf militärische Sanktionen drängt, tut sie dies, um einen Krieg zu vermeiden und keineswegs aus Furcht vor dem schließlichen Ergebnis. Im Hinblick auf die Stellungnahme zahlreicher Re­Wir sind darüber glücklich, sagte Dalton unter gierungen gegenüber den Sanktionen stellt Eden dem Gelächter bei der Opposition, wissen aber die Frage, ob die Opposition wirklich glaube, daß froßdem, daß die deutsche Wiederaufrüstung rasch der Völkerbund tatsächlich mit Stimmeneinhel­und gefahrdrohend fortschreitet ligkeit die Sperrung des Suezkanals beschließen tönnte. Hiezu berechtigte niemals auch nur die geringste Hoffnung, und wenn die Labourparay

Der Regierung macht Dalton hauptsächlich zum Vorwurf, daß sie für den Ausbruch des italienisch- abeiinischen Krieges verantwortlich sei und es unterlassen habe, die Verpflichtungen hauptsächlich aus dem Artikel 16 des Völker­bundpattes durchzuführen.

Dalton jagte weiter, daß die Opposition trissen möchte, was die Regierung bei dem gegen wärtigen Stand des italienisch- abessinischen Kon­fliftes tun werde, da

nach seiner Anschauung kein Grund zur An erkennung des italienischen Sieges, und zur Aufhebung der Sanktionen bestehe.

Wir müssen, fuhr Eden fort, der Situation

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Hinsichtlich des fünftigen Verhaltens erklärte Eden, es sei klar, daß der Völkerbund seine Tätig­teit fortseßen müsse. In der gegenärtigen Welt sei der Völkerbund zur Regelung internationaler Angelegenheiten absolut notwendig..

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Nr. 107

Achtzehn Jahre

Herr Henlein hat wieder einmal geruht,

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ins Auge blicken und den Miserfolg des eine politische Kundgebung zu erlassen. Es ge­Völkerbundes sowie unsere eigenen schah dies in Bilin am 1. Mai. Der Führer be­Enttäuschungen zugeben. Dem Instrument mühte sich höchstpersönlich in die Mauern dieses des Völkerbundes und der Vorstellung einer tol- Städtchens, weil er sich von seinem Auftreten eine Teftiven Sicherheit wurde unzweifelhaft gute Wirkung auf die am kommenden Sonntag Schlag versetzt. Wir dürfen uns nicht scheuen, durchzuführende Bezirkswahl verspricht. Man darf aus dieser Prüfung eine Lehre zu ziehen. Indem allerdings bezweifeln, daß die Bevölkerung, so­wir angesichts der Ereignisse über unser Ver- fern sie willens und imstande ist, die Erkenntnisse halten schlüssig werden wollen, müssen wir der des Stammesführers zu analysieren, am 10. Mai Welt erklären, welchen Weg wir einzuschlagen be- die von Henlein gewünschte Entscheidung fällen Es waren altgewohnte Töne, die man absichtigen, also was wir tun und was wir nicht würde. tun werden, denn es gibt nichts Gefährlicheres da zu hören bekam. Also sprach er: Wenn des­als eine Außenpolitif, die auf Irrealitäten halb heute gewisse Parteien sagen: Ihr erreicht beruht. nichts, die Erfolge werden wir erringen!, dannt antworte ich: Ihr habt 18 Jahre Zeit gehabt, die Dinge zu meistern, heute gehen wir sie an, und Der Bericht der zwar auf der ganzen Front." Henleinpresse läßt nicht erkennen, ob es an dieser Stelle besonderen Beifall gab. Aber wir wollen bekennen, daß sie zumindest ironische Zustimmung verdient hätte. Achtzehn Jahre! Das sind genau vier Jahre mehr als die vierzehn Jahre der Schmach", von denen Hitler so lange gelebt hat. Im nächsten Jahr werden es dann neunzehn sein Hinsichtlich der britischen Politik sei der am und später zwanzig, eine endlose Kette. Und so kommenden Montag beginnenden Tagung des gewissenhaft Henlein den Lauf der Jahre vermer­Völkerbundrates, erflärte Eden, daß es unter den fen wird, so geflissentlich wird er vergessen, daß heutigen Umständen nicht unvernünftig sein er vor genau einem Jahre einen anderen werde, zu verlangen, daß den Vertretern der Ablauf des Geschehens versprochen hat Regierung so wie bisher auch bei dieser Ge- und daß also in die achtzehn Jahre zumindest legenheit bis zu einem geivissen Maße das Ber­trauen ausgesprochen werde. Die Aftion, welche eingeleitet werden muß, muß follettiv icin und wir werden unsere Rolle in dieser Attion spielen.

Wir müssen uns jetzt vergegenwärtigen, daß der Völkerbund weder den Ausbruch des Krieges zu verhindern, noch den Krieg selbst nach dessen Ausbruch einzustellen vermocht hat. Diese Er­scheinung muß gut durchstudiert werden.

SANKTIONEN

RUNE GANFT

,, Begräbnis dritter Klasse" und die lachenden Erben

ein Jahr der nichterfüllten Versprechungen Hen­Teins eingeschlossen ist. Und wenn man den Auf­bruch der Sudetendeutschen zu Hitler vom Tage des Eintrittes Henleins in die Politik an rechnen will, also vom Oftober 1933, muß man von den achtzehn Jahren des Herrn Henlein, immerhin die Kleinigkeit von zweieinhalb Jahren abzie= hen. Wir wollen uns aber mit der Betrachtung des einen letzten Jahres bescheiden, das vom 19. Mai an datiert. Ja, es sind fast achtzehn Jahre seit der Staatsgründung verflossen, und es ist bedauerlich, daß Henlein damals nicht dabei war. Die Dinge hierzulande und wahrscheinlich auch im übrigen Europa wären sicherlich anders gelaufen. Im leßten Teil der achtzehn Jahre hat also Henlein wacker mitgetan. So, wie er eben konnte. Und das Sudetendeutschtum, das ihm in der Mehrheit gefolgt ist, hat die Hoffnung haben müſſen weil sie in ihm durch eine eifrige Flü­sterpropaganda genährt wurde, es werde nach dem 19. Mai alles anders werden. Sieh da: vor jenen Maiwahlen hat der Henlein von den siebzehn Jahren geredet! Und die Sudeten = deutschen haben ihm den Auftrag erteilt, die Aera dieser unfreundlichen siebzehn Jahre ab zu= fchließen. Und jetzt redet er von den a cht= zehn, als ob es nicht 67 Henleinparlamentarier gäbe, als ob es keinen 19. Mai 1935 gegeben hätte. Wozu, so darf man wohl fragen, hat sich das Sudetendeutschtum am 19. Mai 1935 so für Henlein exponiert, wenn der Stammesführer durch den Hinweis auf die achtzehn Jahre, in denen auch sein Wirken" steckt, seine absolute Ohnmacht, sein Unvermögen eingesteht, an die Reihe der schlechten Jahre eine solche von guten anzufügen und sie von eins an zu

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Wesemann drei Jahre! er über genügend andere Mittel zur Sicherung des numerieren? Wenn man den Henlein so agieren

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Bern.( SDA) In dem Baseler Prozeß wegen der Entführung des reichsdeutschen Journalisten Jacob aus der Schweiz wurde heute der Ange. klagte, der Agent provocateur Wese Es wurde die Ansicht ausgesprochen, daß der mann, zu drei Jahren Kerker ver­demokratische Sinn der übrigen Länder einem derartigen Vorgehen auch nicht zustimmen könne, urteilt. Die Hauptaufgabe des Unterhauses werde es nach der Erklärung Daltons jezt sein, die erschütterte Autorität des Kollektivsystems ernstlich zu ber

Sicherung des Franc

Francs verfügt.

und sich an den Lauf der Jahre anflammern sieht, der die Agitation so fröhlich fortplätschern läßt, Vor einer Panik und tendienziösen Speku­kann ihm, dem Agitator, wohl zum Troste das lationen warnen die Rechtsblätter ebenso, wie die ißwort gesagt werden: Jetzt kommen noch sie­Linkspresse, die die Bevölkerung und die Sparer ben schlechte Jahre, dann ist die gute Zeit vor­zur Ruhe ermahnen. Leon Blum schreibt im bei! Bor einem Jahr, ja, da hieß es, daß die Leitartikel des offiziellen Blattes der Sozialisti Not des Sudetendeutschtums durch Henlein ein schen Partei Populaire", daß die Finanz- und Ende finden werde, und zwar rasch. Zehntau Währungspanit gleichermaßen unbegründet wie sende machten sich bereit, die verschiedensten Po­Linksfront alle ihre Macht und Autorität zur Ge- ten anzutreten, die man ihnen verheißen hatte.

fundung und Belebung der Volkswirtschaft ein jezen werde.

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,, Volksgemeinschaft", das war die Zauberformel, das war das Sesam - tu dich auf!" und heute redet sich der große Politiker Henlein darauf aus, daß das System" weiterregiere, ohne ihm Mi­Der Londoner Gesandte des nisterstühle anzubieten. Und er gesteht ein, daß Paris . Die Regierung Sarraut verhandelt er für den Fall, daß dieses Angebot ausbleibt, Negus nicht mehr anerkannt? fein anderes Rezept hat als das Schimpfen auf mit dem Generalgouverneur der Bank von Frank­London. Der abessinische Gesandte in Lon- das" System" und auf die Parteien, die zwar reich Tannery über geeignete Maßnahmen, durch welche die Spekulation verhindert werden don befindet sich nicht unter den Botschaftern und mehr erreicht haben als die große Sdp, dafür foll. Die Regierung beabsichtigt, eine strenge Ston- Gesandten von mehr als 50 Ländern, die sich in aber auch weniger versprachen: Auch dem Hitler trolle der Bankinstitute, sowie der Einzelperso- den Buckinghampalast begeben werden, um dem ist bei der Maifeier 1934 das Malheuer passiert, nen anzuordnen, die Gold und Devisen ankaufen englischen Könige ihre neuen Beglaubigungs- daß er den vierzehn Jahren der Schmach" ganz und sie wird genau feststellen laſſen, zu welchem schreiben zu überreichen. Auf die Frage, wodurch einfach ein fünfzehntes anfügte. Der Jah­Zwecke dies geschicht. Aeußerste Mittel, wie es dies verursacht wurde, erklärt Gesandter Martin: reskalender Henleins ist kein Wegweiser für das Der Völferbund hat dies gewußt, erklärte 3. B. ein Goldembargo ist, erwägt der Finanz- Mein neues Beglaubigungsschreiben ist bisher Sudetendeutschtum. Das wird dem Stammesfüh rer noch flargemacht werden. Eden, aber in Wirklichkeit gab es nur eine minister nach seiner eigenen Erklärung nicht, da nicht eingelangt."

teidigen. Minister Eden, der hierauf das Wort er griff, erklärte, daß die Situation, vor die heute Großbritannien und alle Mitglieder des Bölfer­bundes gestellt seien, schwierig und voll von Ent­täuschungen sei.

Eine schwache Seite der Sanktionen sei es, daß ihr Erfolg nicht augenblicklich eintreten

Tonnte.

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