Tt. 115
Gamstag, 16. Mai 1936
Seitr 3
fudetendeu istfter Zeitspiele t
Seine Reminiszenz an das große Morden vor zwanzig Jahren, das man heute im Eifer der neuen KrirgSvorbereitung beinahe schon vergessen hat! Nur soviel sei gesagt, daß man„Niemandsland" jenen schmalen streife» Landes nannte, der zwischen den feindlichen Gräben lag, als die Fronten im Stellungskrieg erstarrt Ivaren. Auf jenem schmalen, granatendurchpflüg- leir stück Land, das die Völker des Kontinents in zwei sich haßerfüllt gegenüberstehende Parteien schied, gedieh keine Freude, sondern nur der stumme oder laut brüllende Schmerz, es trug kein Leben, nur tote Menschen und tote Tiere, dort regierte weder Kaiser noch König, sondern nur die kalte Majestät deS Todes, obzwar der sinnlose Tod, den die Menschen dort starben, nichts majestätisches an sich hatte. Das Niemandsland, das wir heute betreten, das sind die ausgebeuteten, zerwühlten und von den Besitzern verlassenen Kohlenfelder Nordwest- böhmens. Solange der Abbau gewinnbringend erschien, fraß sich der Bergbau uuaufhaltsmn in die Erde hinein, zerstörte Wasserläufe, Teiche, Wiesen und Wälder, doch als die Flöze an Mächtigkeit abnahmen und abbauunwürdig wurden, stellte man die weitere Förderung ein uüd ließ eine geschändete, mit tausend blutenden, Wunden behaftete Landschaft achtlos zurück. Was kümmerte den Unternehmer der mißhandelte, unbrauchbar gewordene Boden! Das Bergbaukapital kann sich nicht von Gefühlsanwandlungen leiten lassen; wo es nichts mehr verdienen kann, da ergreift es die Flucht. Lehmhalten, zerwühlte Tagbaue, brennende Abraumlöcher, wassergefüllte„Pingen " bildeten eine zur Wüstenei gewordene Landschaft und blieben verlassen. Niemand kümmerte sich um den unfruchtbaren Boden: das Land war zum Nieman d SE a u d^gcwordetr.!. Die Jahre des Brennstoffmangels nach"dem Krieg und noch mehr die Jahre der großen Krise brachten die noch vereinzelt lagernden Kohlenreste zu neuen Ehren. Arbeitslose schlossen sich zu Gruppen zusammen und fingen an, den begehrten Brennstoff avzuvauen, mrd als das zutage liegende Gut erschöpft war, ging man daran, einfache, schmale Schächte zu bauen, um die tiefer liegenden Schichten erreichen zu können. Die gewonnene Kohle verkauften sie meistens an Ort
und Stelle an andere Arbeitslose, die sie wieder mit Handwagen bis in weit entfernte Orte führten. So suchte und fand eine große Anzahl armer Menschen einen geringen Verdienst, bis— ja bis sich die Bergbaubesitzer besannen, daß sie in den von ihnen verunstalteten und lange Zeit unbeachteten Gebiet noch eine Funktion zu erfüllen hatten I Sie konnten es nicht ertragen, daß einige arme Teufel dort einige Kronen herausholten, wo sie selbst Millionen verdient hatten und sie riefen nach der Staatsgewalt. Das Bergbaukapital glich hier durchaus dem bösartigen Kettenhund, der einige in Sicherheit gebrachte Knochen zwar nicht selbst fressen kann, der sie aber mit Zähnen und Klauen gegen den hungrigen Köter verteidigt, dem die dürren Knochen als ein immerhin respektables Fressen erscheinen, llnd die staatlichen Behörden, die sich bisher auch sehr wenig um die dreckigen Abraumlöcher gekümmert hatten, begannen mit seltener Schnelligkeit und Bereitwilligkeit die Heiligkeit der Besitzrechte zu wahren. Seitdem schicken sie immer wieder die Gendarmerie in die Abbaugebiete, und da die Arbeitslosen nie die Grundbegriffe des kapitalistischen Wirtschafts- shstems. begreifen werden und immer wieder in die Schächte hineinsteigen. Um darin ein mageres Stück Brot zu verdienen, wird dieser Kampf um das Niemandsland erst dann zu Ende sein, wenn das letzte Stück zurückgelassener Kohle verwittert oder verbrannt sein wird. Wir verlassen die staubige Straße und gehen auf einen holperigen, um kleine Hügel sich herumwindenden Weg in das Abbaugebiet hinein.
Immer wieder kommen uns schwer beladene, von Männern, Frauen und Kindern gezogene und geschobene Kohlenwagen entgegen. Auf den kleinen | Wägen türmen sich die gefüllten Säcke und man ! wundert sich, daß die gebrechlichen Gefährte die schwere Last aushalten. Viele Arbeitslose haben keinen eigenen Wagen und müßen sich einen aus- ! borgen. Um ihnen das zu erleichtern, hat sich in | den Braunkohlengebieten ein neuer Erwerbszweig |gebildet und das ist der der Handwagenverleiher. Nun kann der gänzlich Unbemittelte von dem ge- ! schäftstüchtigen- Verleiher, der dreißig oder vier- \ zig Wagen gleichzeitig laufen hat, gegen eine täg
liche Miete von drei bis vier Kronen einen Wagen ausborgen. Kein Elend ist so groß, daß man nicht noch einen Gewinn daraus schöpfen könnte l Wir schauen in das riesige Kraterloch eines aufgelassenen Tagbaues hinab. Das Bild, das wir sehen, ähnelt einer Mondlandschaft: Trichter neben Trichter, von kleinen Hügeln getrennt, be- | decken den Boden. Rotkiesige Gruben, Haufen schwarzer Lösche, gelbe Lehmflächen und mit weißer Asche bedeckte, ausgebrannte Kohlenlöcher liegen nebeneinander. Daneben aber breitet sich ein großer, dunkelgrün schimmernder Teich, aus, der ! der Landschaft eine eigenartige Note gibt. Doch auch er gebiert und enthält keinerlei Leben; wo [ seine Wellen an das Ufer schlagen, dehnt sich keine grüne Rasenfläche aus, nur ein schmaler, schwefliger Streifen säumt seine Ufer. Das Wasser bil- ! det hier ein Totes Meer im kleinen. Neben uns dringt Rauch aus der trügerischen Erde, die letzten Kohlenreste in der Erde verbrennen langsam zu roter Asche. Wenig später sind wir bei den wilden Kohlengräbern, die allen verhängten Strafen zum Trotz immer wieder durch die engen Schächte in die Erde hinabsteigen und die gewonnene Kohle im einfachen Haspelbetrieb ans Tageslicht fördern. Um jeden Schacht sitzen oder stehen eine größere Anzahl Menschen herum und warten darauf, bis sie die emporaehobene Kohle aussieben und in Säcke füllen können. Sie warten oft fünf, sechs oder acht Stunden lang, denn der oft umgewühlte Boden wird immer ärmer an dem begehrten Gut und damit das„wilde Kohlengraben" immer weniger ertragreich. Ueberhaupt ist die geförderte Menge bei weitem geringer, als die um ihren Profit bangenden Kohlenhändler der Oeffentlich- keit einreden wollen. Es gibt natürlich keine Sta- ! tistik übet die Förderung, wie es ja auch keine Statistik über die dabei verschütteten und erstickten Bergleute gibt, doch dürften kaum mehr als 10:000 Tonnen jährlich im gesamten Braunkohlengebiet herausgeholt werden, und das ist sehr wenig im Vergleich zu unseren 20 Millionen Ton-' nen Jahresförderung. Die Arbeitslosen, die so lange Zeit um die Schachtöffnung Herumsitzen, langweilen sich sehr i in den endlosen stunden, und wenn sie ein Stück Zeitungspapier in die Hand bekommen, dann lesen sie es durch von der ersten bis zur letzten Zeile. Sie beachten sogar die so uninteressanten Wirtschaftsnachrichten. Da lesen sie vielleicht auch, daß die Duxer Kohlengesellschaft, der der Boden gehört, dem sie ihre Kohle entnehmen, im vorigen Jahr einen Reingewinn von 3,086.000 Kö erzielt hat und 200 Kronen pro Aktie an Dividende auszahlte, oder sie lesen weiter, daß die Böhmische Handelsgesellsibaft, die Besitzerin der Tagbau- Wüstenei jenseits der Straße, einen Gewinn von 17,845.000 Kronen verteilte, und wenn auch der ! Leser sehr wenig vom Attienwesen versteht, so sagt \ er sich doch, daß in dieser Welt etwas in verdamm- ter Unordnung sein muß, wenn solche Riesengewinne und so grenzenloses Elend nebeneinander bestehen könne, wie er es täglich vor Augen hat. Aber wenn er nun stundenlang über das und noch über andereunerfreuliche Erscheinungen in dieser Welt nachgedacht hat, dann kann es geschehen, daß der kleine Förderbetrieb plötzlich anhält, weil die Häuer fluchtartig ihren Stollen wegen Gasgefahr verlassen müssen, und wenn es das Verhängnis will, dann bleibt einer unten und
| kamt nur als Leiche geborgen werden.— Dann bleiben auch die andern kleinen Schächte stehen, denn es kommt eine Kommission, die jeden weiteren Abbau streng verbietet. Doch wenn die würdigen Männer noch dabei sind, die Kommissionsspesen zu kassieren, beginnt der Betrieb von neuem. Daß es im Kampf um die verwitternde Kohle nicht nur Verwundete, Gaskranke und Tote, sondern auch Gefangene gibt, sahen wir schon eine Viertelstunde nach, unserem Eintreffen bei den kleinen Schächten. Auf den Alarmruf eines Burschen geriet alles in wilde Bewegung. Jeder ergriff seinen Karren und rannte mit ihm über Stock und Stein davon. Wenige Augenblicke später sahen wir die Ursache der überstürzten Flucht: von der Straße her kam in Schwarmlime eine Abteilung Gendarmerie über das hüglige Gelände heranmarschiert. Einige abfahrenoe Wagen wurden ! angehalten und ihre Besitzer aufiwtiert. In lveni- | gen Sekunden war bei allen Schächten das Seil | losgelöst und in den Schacht geworfen, war die Haspel irgendwo vergraben worden. Beladens Wagen, gefüllte Säcke, Siebe und Holzböcke ließ man ruhig stehen und rannte davon. Einige der Flüchtenden wurden von den Gendarmen festgehalten, her weitaus grüßte Teil aber entkam. Die Eingefangenen zeigen keilte besoitdcrc Aufregung, sie kennen schon die Taxe, die hier bezahlt werden muß» sie heißt Haft im Bezirksgefängnis von einem bis zu sechs Tagen, bei sehr miserabler Kost. Als die schwerbewaffneten Hüter der Ordnung bei dem von Menschen verlassenen Durcheinander angelangt waren, gingen sie mit gewichtigen Schritten um die Schächte herum und schauten hinein. Natürlich wissen sie, daß unten Männer bei Karpidflämmchen sitzen und zur Oberfläche herauflauschen und rufen hinunter, daß sie heraufkommen sollen. Das fällt den Untcn- fitzenden gar nicht ein, sie machen vielleicht gerade Frühstück und legen dabei auf die Gesellschaft der Gendarmen gar keinen Wert, sie wissen anch, daß keiner von denen da oben fünfundzwanzig Meter tief zu den dreckigen Kohlengräbern herabkriechen wird und die Gendarmen wissen, daß das die Untensitzenden wissen, und also ist auf keiner Seite Grund zur Aufregung vorhanden, wenn nicht die Gendarmen mit dem strikten Auftrag gekommen sind, die Schächte zu sprengen. Dann allerdings kommen die beobachtenden Kollegen herbei und
ziehen die Eingeschlossenen mit Serken heraus. Auch der Tod in diesem Niemandsland hat nichts begehrenswertes an sich. Diesmal kommt kein einziger Kohlengräber | aus seinem Schacht heraus. Dir Gendarmen wif- | seit offensichtlich nicht recht, was sie tun sollen, i Auf den nahen Halden stehen die Geflüchteten und i schauen ihnen zu. Vor einem beladenen Kohlenwagen liegt ein großer schwarzer Zughund und blinzelt sie gleichgültig an. Vielleicht denkt er, daß ihm ja nichts geschehen kann. Hunde sind straffrei, sie werden nicht wie gefährliche Tiere hinter eisenbeschtagenc Türen gesperrt. Eingesperrt wird | nur der Mensch, der also oft viel schlechter daran ist alH mancher Hund. Als die Gendarmen einige Zeit herumgestiegen waren, gingen sie zu ihren Wagen zurück und fuhren zum nächsten Abbaufeld weiter. Es war. in | den letzten vierundzwanzig Stunden die fünfte I Razzia, die sie hier gemacht hatten, aber den Hunger der Menschen, der sie dazu treibt, aus diesem unfruchtbaren Boden ein Stück Brot her- auszuwirtschaften," kann man nicht durch Polizeimaßnahmen aus der Welt schaffen. Man gebe I den Hungernden Arbeit oder ausreichende Unter- ! stützuitgen, dann wird sich kein Teufel um den ! verwüsteten Boden mehr kümmern. Zehn Minuten später siird die Schächte wie- ! der im vollen Betrieb. Trotz Gendarmerie, Gas- I gefahr, drohenden Wassereinbrüchen und Erd- I rutschen.
Oie Prager deutsche Arbeitersendung bringt in dieser Woche: Sonntag, 17. Mai, 14.30 bis 14.45 Uhr: Ziviler Luftschutz und Gemeinde(Bruno Schwab- Wegstädtl ); M i t t w och, 20. Mai, 18.20 bis 18.40 Uhr: Bodenbach, die Stadt des Reichsjugendtages(Franz Keßler, Bürgermeister von Bodenbach); F r e i t a g, 22. Mai, 18.35 bis 18.45 Uhr: Aktuelle zehn Minuten; Sonntag, 24. Mai, 14.30 bis 14.45 Uhr: Vom Muschclgcld zum Scheck(Fritz B i e l i g k).
Hierin liegt seine Kraft!
Nur wenn der Körper Reserven besitzt, kann er die Arbeit meistern. Deshalb das Essen mit Ceres, dem 100% reinen Pflanzenfett, zubereiten— darin liegt seine ganze Kraft I
Militärverrat eines Henleinfunktionärs Zehn Jahre schweren Kerker Das Kaschauer Divisionsgrricht fällte gestern nach zweitägiger geheimer Verhandlung das Urteil in dem Prozeß gegen den des Verbrechens des Militärverrates angeklagten Soldaten des 110. Dragonerrrgimentes Iosef S ch l n sch, i der in Berrhovo garnisonirrt war. Schlnsch wurde zu zehn Jahren schweren Kerkers und zum Verlust der bürgerlichen ! Rechte für fünf Jahre verurteilt.\ Aus dem I öffentlichen Urteil geht hervor, daß der Verttr- teilte vor Antritt des Militärdienstes : Mitglied der anfgrlösten nationalsozia- listischen Partei und später führender Funktionär der sndetendeutschen Partei war. Während seines im Troppaurr Gebiet verbrachten ordentlichen Urlaubs verriet | er wichtige Militärgeheimnisse. Sowohl der Ver- I urteilte wie auch der Staatsanwalt haben sich drei Tage Bedenkzeit erbeten. Wieder eine politische Verhaftung in Aussig . Von der Aussiger Polizei wurde abermals eine politische Verhaftung vorgenommen. Es handelt iich.w.ü.. eüten gewissen,K.„ der seit längerer Zeit in' einem Geschäft am Marktplatz-tätig war.—• Die'wiederholten Verhaftungen, die in letzter Zeit in Aussig zu verzeichnen waren, werfen ein bedenkliches Licht auf die Zuverlässigkeit bestimmter politischer Kreise.
3. Bundesturnfest
Die um ein Viertel ermäßigten Tauerfestkarten für Erwachsene und Kinder können bis 31. Mai bei allen Funktionären des Atus, der Partei und Gewerkschaften bestellt, bzw. bezogen werden, L e tz t e r B e st e l l t a g: 31. Mai. lag der Atus-Wanderung: 17. Mai Sonntag wandern wir. Sonntag werben mtd marschieren wir. Genossinnen und Genossen, Arbeiterkindei! schließt euch an, wandert am 17. Mai mit uns, dem Atus. Wir tragen zur Wanderung unsere Atus- I kleidung, unsere blauen Bluse» oder Hemden. Wir tragen ab 17. Mai unser Ätus- oder Parteiabzeichen.
Donnerstag, den 28. Mai, im P r a- gerRundfunkvon 18 Uhr 10(.6 Uhr 10)! bis 18 Uhr 25(6 Uhr 25) Vortrag über das 3. Bundesturnfest.