Seite 4 Nr. 118 Mittwoch, 20. Mai 1936 Stürmischer Mai Jcujesoeuigfedten s. s. 1. 4. s. 13. 14. 1. 2 8. 4. 8. 12. 13. 18. 5. S. 7. 21. 35. 26 Aus mehreren spanischen Provinzen werden schwere Unwetterschäden gemeldet. Wolkenbruchartiger Regen, verbunden mit einem plötzlichen Absinken der Temperatur, haben weite Strecken Landes unter Wasser gesetzt. In der Provinz Saragossa sind mehrere Flüsse über die Ufer getreten und haben den ganzen Bezirk von Cala- tayud unter Wasser gesetzt. Die Straßen glichen reißenden Bächen. Bei Rcttungsarbeiten wurden 16 Personen verlebt und ins Krankenhaus eingeliefert. Die Eisenbahnzüge der Strecke Barcelona —-Madrid können nur mit großer Vorsicht fahren und halten unterwegs mehrer« Stunden. In Plasencia sind 90 Häuser unter Wasser gesetzt, von denen bereits 10 eingestürzt sind. In vielen Bezirken gilt die Ernte als vollständig verloren. Mehere Fabriken haben infolge der Hochwasserschäden ihren Betrieb einstellen müssen. Seit 40 Jahren bat man ein derartiges Hochwasser nicht mehr erlebt. In Torrija und Canada ist die Maschinenanlage des Elektrizitätswrkes vom Hochwasser zerstört wor ben. Tomänek war ursprünglich Handelslehrer, war dann bei einer bosnischen Bank beschäftigt, kam in die Landesbank nach Prag und hat hier, insbesondere nach dem Umsturz, eine bedeutsame Rolle gespielt. Bei der Sanierung einer Reihe vün Banken hat er sich außerordentliche Verdienste erworben und er galt als einer der kenntnisreichsten Bankdirektoren der Republik . Erst vor zwei Jahren wurde Tomänek Generaldirektor, erkrankte aber bald und ist nach längerem Leiden nunmehr gestorben. Er war ein außerordentlich liebenswürdiger, korrekter und gerechter Mensch, der sich allgemeiner Beliebtheit erfreute und sein Tod bedeutet für dieses bedeutsame Institut einen schweren Verlust.. Astronomische Expedition nach Japan . Dienstag vor 3 Uhr nachmittags trat die aus Dr. Huberi Sloukä, Dr. Karel Hujer und RRC Zdenck Kopal bestehende tschechoslowakische Exkursion die Reise nach Japan an, um dort die Sonnenfinsternis zu beobachten. Auf dem Prager Wilsonbahnhof hatten sich zur Verabschiedung der japanische Geschäftsträger Noboro Ogawa mit Legationssekretär Dr. Coudenhobe, ferner die Vertreter der Presse und zahlreiche persönliche Freunde eingefunden. Militärflieger tödlich abgestürzt. Dienstag nach 14 Uhr ist auf dem Prager Flugplatz beim Einüben des Schießens auf ein Bodenziel der Feldpilot Flieger- Zugsführer Frantisek Vecer vom Flieger-Regiment Nr. 1 mit dem Flugzeuge N 534-79 abgestürzt.. Der Pilot war sofort tot. Tas Unglück wurde dadurch verschuldet, daß das Flugzeug in einen Wirbelwind geriet, durch den es zu Boden gerissen wurde. Sieben auf einen Streich,(mb) In Pozo Azul(Nicaragua ) hat eine Bäuerin sieben Kinder zur Welt gebracht.(Sicbenlinge, nicht sieben im Verlauf einiger Jahre). Vier sind gleich nach der Geburt gestorben; die anderen drei und die Mutter sind in kritischem Zustand ins Krankenhaus nach Rivas City gebracht worden. Traditions-Manie in England. Seitdem es sich herauSgestellt har, daß auch der junge König Eduard VIII . uralte Traditionen würdigt und zu pflegen beabsichtigt, ist eine wahre Traditionsmanie ausgebrochen, und man kann täglich in allen Zeitungen Mitteilungen finden, welche Traditionen sich bis heute erhalten haben. So zahlt zum Beispiel die Hafenverwaltung von Winchelsea bis heute ein Gehalt von allerdings nur anderthalb Pfund jährlich für einen besonderen Wächter, der eigentlich Tag und Nacht übers Meer auSzulugen hat, ob nicht Dieser treue und Bambinatos. Er schützt Hirschkäfer, Sumpf-Schildkröte und rote Waldameise. Herr Göring ist ein Humanist! j. e. Generaldirektor Tomänek gestorben. Diens tag ist im Alter von 69 Jähren der Generaldirek tor der Landesbank, Ferdinand Tomänek, gestor«| eine französische Flotte im Anzuge sei. den; 18 Dörfer bleiben dadurch ohne Lichtversorgung. » Nach Meldungen aps den Schwarzmeerhäfen herrscht seit einigen Tagen im ganzen Gebiet des Schwarzen und des Asowschen Meeres ein schwerer Nördöststurm, der die ganze Schiffahrt lahmgelcgt hat. Die Hafenbehörden von Noworos- sijks, Odessa und anderenSchwarzmeerhäfen haben die Einfahrt von Schiffen verboten. An Land hat der Sturm bereits große Verheerungen angerichtet. Dächer wurden abgedeckt und Häuser beschädigt.. Die Verkehrsverbindungen sind teilweise unterbrochen. Große Schäden haben die Gartenkulturen und Weinberge erlitten. * lieber Washington hat Montag abends ein schwerer Sturm gewütet, wobei ein großes Zirkuszelt, in dem 16.000 Zuschauer versammelt waren, umgerissen wurde. Dabei wurden zwei Menschen getötet.— In das Gebäude des Kapitols hat der Blitz eingeschlagen, ohne jedoch einen Schaden anzurichten. Göring schützt Narzissen, Aurikel und Edelweiß Am^23. März 1936 erschien das deutsche Reichsgesetzblatt, Teil I, Nr. 25. Diese Nummer des Reichsgesetzblattes enthält die Verordnung zum Schutze der wildwachsenden Pflanzen und der nichtjagbaren wildlebenden Tiere(Naturschutzverordnung) vom 18. März 1936. Am 7. März 1986 wurde die Remilitarisierung der Rheinlandzone von der Hitler -Regierung beschlossen, elf Tage später wurde von dieser selben Regierung, ein Gesetz beschlossen(unterzeichnet allein vom Reichsforstmeister Göring), darin es unter anderem heißt: ..8 4 Es ist... verboten, wildwachsende Pflanzen der folgenden Arten zu beschädigen oder von ihrem Standort zu entfernen: Strautzfatn, Struthiopteris Germimica Willd. Hirschznnge. Seolopendrium vulgare Smith. Königsfarn. Osmund« regalis L. Gelbe Narzisse, Narciffus pseudonarciffus L. Orchideen, Knabenkräuter, Orchidaceae. Großes Windröschen, Anemone silvestris L. Akelei, Aquilegia, alle einheimischen Arten.. Seidelbast, Sttinrösl, Daphne, alle einhe'm. Arten. 20. Alpenveilchen, Cyclamen europaem. 21. Aurikel, Primula auriculh , L. 23. Enzian, Gentania. 24. Edelweiß, Leontopodium älpinum L. § 5 Es ist... verboten, die unterirdischen Teile (Wurzelstöcke, Zwiebeln) oder die Rosetten wildwachsender Pflanzen der folgenden Arten zu beschädigen oder von ihrem Standort zu entfernen: 1. Maiglöckchen, CouvaIlaria majalis L. 2. Meerzwiebel, Scilla. 3. Wilde Hhazimhe. Muscari. 4. Gemeines Schneeglöckchen, GalanthuS nivalis L. Großes Schneeglöckchen, Märzenbecher, L. v. L. Schwertel, Siegwurz, Gladiolus. Christrose, Schwarze Nieswurz, Helleborus Niger L. Alle Rosetten tragenden(rosettig beblätterten) Steiybrecharten,' Saxifraga. Himmelschlüssel, Primel, Primula. 8 24. Die folgenden Tierarten sind geschützt: Igel. 2. Dw Spitzmäuse., 3. Die Fledermäuse. Die Sump-Schildkröt«. Mauer-Eidechse. Blindschleiche. Ringelnatter. 20. Die Kröten und Unken aller Arten der Gattungen: Buso, Alytes, Pelrlates und Bem- binätos. Laubfrosch. Hirschkäfer. Rote Waldameise. Es ist verboten, Tiere dieser Arten mutwillig zu töten oder sie zum Zwecke der Aneignung zu fangen<.. lebend oder tot—<’' Eier, Larven. Puppen und Nester der geschützten Jnsektenarten mitzüsii^ren, zu versenden, halten, auszuführen, andern zu überlassen, zu er-; werben, in Gewahrsam zu nehmen oder bei solchen Handlungen mitzuwirkeu." Strafen bis zu zwei Jähren Gefängnis be. drohen den Uebertreter dieser Verordnung. Welche Humanität! Wehe, wer einem Hirschkäfer, einem Igel, einer Spitzmaus, einer Maurr^Eidechse oder einer Blindschleiche, wehe wer einer Ringelnatter etwas zu Leide tut. Herr Göring hat sich nicht geschämt, dies Gesetz zu unterschreiben. Der Brandstifter vom 27. Feber 1933 und der Mörder vom 30. Juni 1934 und zahllosen anderen Tagen steht vor der Welt als Schöpfer ihres humansten Pflanzen- und Tierschutzgesetzes! Wo gibt es sonst noch ein Gesetz zum Schutze der Blindschleichen, Fledermäuse und Sumpf-Schildkröten? Wo gibt es an 150.000 Konzentrations- lager-Jnsassen, Polizei- und Gerichtsgefangene, die, gemartert, wie es die Sittengeschichte der Erde bisher nicht kannte, zu Tode gefoltert wie Erich Mühsam , langsam in Raten hingerichtet wie Carl von Ossietzky , Litten, Nierendorf und all die anderen aus Papenburg , Spandau , dem Columbia-Haus und der Ueberhölle Dachau , der Welt ein Beispiel ohnegleichen bieten.(Durch 1200 Tage schon!) Wo gibt es über 400.000 Juden, die, be- raubt, vogelfrei, ohne Existenzmöglichkeit, geäch- trt, zum Untergang verurteilt, ihre Tage in Angst und die Nächte in Tränen verbringen? Wo gibt es eine Führerclique, die aus Verbrechen: besteht, deren Macht sich einzig auf Lüge und Mord gründet, Lüge und Mord voy solchem Format in Ouanti- und Oualität, daß Shakespeares Richardfiguren Waisenknaben sanfter Liebe dagegen sind? Wo in der Welt ist das alles Wirklichkeit geworden und nicht Alp schlafloser Nächte? Wo? Im Dritten Reich ! Aber Herr Göring schützt gelbe Narzissen, Aurikel und Edelweiß. Herr Göring schützt Igel , Laubfrosch, Mauer-Eidechse, Blindschleiche und Ringelnatt einschließlich der I terchen. ■ f•---■ J Herr Göring schützt Kröten und Unken aller feikzu«' Arten der Gattungen Bufo, Alytes, Pelobates Wächter, der die jahrhundertelange Gefahr einer französischen Landung auf englischem Boden abwenden soll, heißt Jimmy Baden.— Eine nicht minder merkwürdige Pflicht hat der Pfarrer des kleinen Ortes Sibson in Leicestershire : er muß jeden Abend Punkt 8 Uhr die Sturmglocke läuten. Dafür erhält die Gemeinde das Recht, 20 Hektar zu bearbeiten. Dies geht auf eine Erbschaftsbestimmung zurück, die fast 200 Jahre alt ist. ,Damals wurde ein Bewohner der Ortschaft in Sturm und Rebel durch den Klang der Glocke auf den richtigen Weg gebracht, unp er hat bei seinem Tode aus Tank für diese Errettung verfügt,, daß nunmehr die Glocke bis in alle Ewigkeit jeden Abend läuten sollte, um herumirrende Seelen zu leiten.— Es gibt niemanden, der geheiligte Traditionen zu durchbrechen wagt. Sogar die vier Abgeordneten der unabhängigen Ar- beiterpartei im Unterhaus fügen sich ihr. Voller Verachtung pflegen sie nicht im Gehrock zu den Sitzungen zu kommen, sondern im Sportdreß. Aber sie benötigen einen Zylinder. Tenn um die Aufmerksamkeit des Speakers auf sich zu lenken und das Wort zu ergreifen, hat man eben einen Zylinder und keinen weichen Filzhut auszusehcn. Da die vier dieses Requisit nicht besaßen, borgten sie sich einen Zylinder aus und haben' es auch nicht übelgenommen, als ein liberaler Abgeordneter nach diesem Vorgang ihnen einen Zylinder für parlamentarische Zwecke schenkte. 40 Fischer vom Asowschen und Schwarzen Meer- Fischer ei trust, die vor fünf Tagen auf Fischerbooten zum Delphmfcküg ausfuhren, sind seither verschollen. Windhose. In der wesrbulgarischen Stadt Dup- nica hat eine Windhose ein Haus zerstört. Unter den Trümmern wurden die Leichen von drei Frauen und einem Mädchen geborgen. Eine Frau und ihre beiden Kinder wurden schwer verwundet. Massenverurteilung,(mb.) In New Nork find sechs Gangster zum Tode verurteilt worden wegen der Ermordung des Prooklyner Autobuschauffeurs Espito. Interesse für klassische Philologie— geringe Berufsaussichten. Die Zahl der Studierenden der klassischen Philologie an der Prager deutschen Universität hat außerordentlich stark zugenommen. Gegenüber einem Durchschnitt von etwa 20 Hörern im Jahre 1932 und früher ist sie im Wintersemester 1935/36 auf 105 gestiegen, davon allein 50 im ersten Jahrgang. Für Griechisch-Latein bestehen- heute in der Tschechoslowakei nurmehr zehn Gymnasien, darunter drei geistliche. Der Bedarf an Lehrkräften dieser Fachgruppe ist somit sehr gering, anders verhält es sich nur, wenn Latein mit einem anderen Lehrfache verbunden werden soll. Bon der Universität wurden die Msttelschuldirektionen nunmehr ersucht, dahin zu wirken, daß sich nur jene Schüler dem Lateinstudium widmen, die eine ausgesprochene Begabung für klassisch« Philologie besitzen. Wahrscheinliches Wetter Mittwoch:/Wechselnd bewölkt, stellenweiseNeigung z» Regcnfällcix oder Gewitter. Erhöhte Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht, Ostwind. Donnerstag: Allgemeine Wetterlage unsicher. Vom Rundfunk UnMilMiwarlM w«n Programmai . Donnerstag Prag , Sender L.: 7.00 Konzert aus Karlsbad . 13.45 Schallplatten. 17.35 Deutsche Sendung, Reportage von der Arbeitstagung der deutschen Bezirks» bildungSausschüsse und Büchereiräte, mit Ansprachen von Dr. Krofta, Dr. Spina, Abg. Falsch, Direktor Zäk. 18.10 Männerchöre .— Sender S.: 14.30 Deutsche Sendung: Böhmerwäldlerstund« mit HanS Multerer.— Brünn: 12.15 Kinderchor. 17.50 Teuische Sendung: Bettelstudent, Operette von Millöcker.— Prehburg: 9.30 Slowakische Volkslieder. 16.00 Nachmittagskonzert.— Mähr.-Ostrau : 11.10 Klassische Musik. 17.50 Deutsche Sendung: Urba« nowsti: 25 Jahre seit dem Tode Gustav Mahlers. Hauptmann Sdiorsdi Von Albert Dnudistel (Schluß.) Täglich exerzierten sie von nun an im Walde. Sie übten an den Feind heranschleichen; sie übten Berständigungspfiffe und versahen an ihren Pfaden die Bäume mit unauffälligen Merkmalen, nach denen sie sich im Vorkriechen gegen Schwalenberg orientierten. Am Anfang der zweiten Woche legten sie vor lauter Tatendrang auf dem Schwalenberger Gebiet eine Birke um und kamen auf den Einfall, nach den täglichen Manövern, an dem gefällten Baum ein Lagerfeuer anzuzünden und im Scheine der Flammen aus dem Buche„Der Krieg" voUulesen und dann, bis die Glut verglimme, das Gelesene zu besprechen. . An. einem Sonntag feierten sie den ersten Sieg im Feindesland; sie hatten auf einem Schwalenberger Acker, der an den Wald grenzte, vier Tauben erlegt. Drei davon traf Hannes. Er wurde vom Hauptmann in Anerkennung seiner hervorragenden Leistung zum Unteroffizier ernannt. Die Tauben wurden an der gefällten Birke gerupft und ausgeschlachtet, dann auf einen Draht gereiht und über dem Lagerfeuer geröstet. Als sie das Mal beendet hatten, befahl Georg, künftig müßten die Jüngsten größere Portionen bekommen, damit aus ib:en kräftige Soldaten würden...„Fein" sagte der Kleine und leckte das Fett von seinen Fingern. Während sie dann die Glut deS Feuers tot- fchlugen, erklärte der Hauptmann, es müsse endlich ernst gemacht werden; morgen würde er die erste Schleichpatrouille nach Schwalenberg an führen, deren Aufgabe eS sei, als" Tribut eine Gans oder drei Hühner oder drei Enten einzuholen. Konrad und Hannes stimmten begeistert zu. Die anderen, stocherten, verlegen in der. Asche,. Bei der nächsten Zusammenkunft bestand das Bataillon nur noch aus acht„Mann". Die zwei die fehlten, hielt die Angst zurück! Sie wurden geächtet. Die Schleichpatrouille erfüllte ihre Aufgabe gewissenhaft; sie erbeutete einen Hahn, zwei Enten, eine Gans und ein Spanferkel, dem sie mit einem Taschentuch die Schnauze zubanden. Heimlich brachten ssie die Beute in den Ställen der Aermsten ihres Dorfes unter... Acht Tage später erschien Georg mit einer Pistole im Walde, die er seinem Großvater entwendet hatte. Er war ein alter Trommelrevolver; zwanzig Reservepatronen, die er in einem Karton fand, verbarg er in einem Fuchsbau. Jeder durfte einen Schuß abfeuern, um standhaft und zielsicher zu werden. In der folgenden Woche erlegten sie in einer Schwalenberger Schonung, in der das Wild zutraulich war, ein Reh. Nun aber standen sie ratlos vor dem Werk. In ihr Dorf durften sie die Beute nicht bringen; auch durste niemand etwas darüber erfahren. Sie verscharrten das Tier, be- trachteten den Fall als„Vergeltungsmaßregel" und wurden verschlossen zueinander, zumal sie gar bald hörten, daß der Förster den Schüssen im Walde nachspürte. Auch hatte das Spanferkel und das fremde Geflügel Aufsehen erregt. Das Bataillon, das nun bloß noch aus fünf Mitgliedern Bestand, wechselte seinen Lagerplatz hinter eine mit verwilderten Tannen bewachsene Anhöhe. Und Georg beschwor seine Getreuen, daß sie sich jetzt ganz auf Schwalenberg einzustcllen hätten, vor allem müßten sie dem Gerichtsvollzieher die Kuh wegtreiben, dann sei ihre Hauptaufgabe erfüllt. Mehrere Tage versuchten sie an das Gehöft des Gerichtsvollziehers heranzukoinmen, denn die Schwalenberger ließen, nachdem sie die Diebstähle entdeckt hatten, ihre Wachhunde von der Kette los. Alle Versuche der Kolonne—4» nannte sich das Bataillon, seit es nur noch aus fünf bestand— die Kuh zu erobern, mißlangen. Aus Zorn darüber ging Georg zu dem Plan über, die Scheune des Gerichtsvollziehers abzubrennen... An dem Nachmittag, den er für die Anlegung des Brandes bestimmte, lauerte er hinter der Anhöhe auf die Ankunft der anderen. Er hockte auf einem Baumstumpf und wartete und wartete. Vor ihm stand eine Konservenbüchse voll Petroleum . Er ließ Streichhölzer abbrennen, zündete kleine Fallholzstückchen an und spielte ungeduldig mit dem Feuer. Bei jedem Geräusch, das der Wind verursachte, schrak er zusammen. Plötzlich horchte er mit angespannten Sinnen. Ihm wars, als habe er ein dumpfes Tappen auf dem Waldboden gehört. Es wurde dunkel, immer dunkler. Es war ganz stille. Er merkte nicht, daß der Wind, der sich drehte, das Geräusch nicht zu ihm ließ. Dann aber kam es ihm vor, als bummse es auf dem Waldboden wie Gelaufe auf Strümpfen. Flüsternd rief er in die Finsternis:„Konrad? Ludwig? Hannes? Julius?" Niemand antwortete. Plötzlich kam das Geräusch auf ihn zu. ganz deutlich, immer lauter, immer lauter. Zaghaft zündete er ein Streichholz an, hielt es hoch und— da starrte er in das entgeisterte Antlitz seiner Mutter. Hinter ihr standen seine Kameraden. Das Zündholz entfiel seiner Hand. „Komm, Georg", sagte die Mutter,„komm mit, nach Hausei" Wortlos richtete er sich auf. Wortlos ging er neben ihr dahin. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und sagte besänftigend:„Die anderen haben dich nicht verraten; sie wollten dich nur bewahren!" Er schtvieg und steckte stinc Hand in die Hosentasche. Da ttaf ihn aus dem Dunkel das grelle Lickst einer Taschenlampe. „Nicht leuchten!" rief die Mutter aus Angst um ihn,„nicht leuchten! Nicht leuchten!" Er stutzte. Schnell hielt sie ihre Hand vor sein Gesicht. Und da sah er durch das Licht, das die gespreizte Hand, die ihn schützte, schattenhaft, gespenstig erscheinen ließ, den Förster. Georg wich zurück, nahm seine Hand, die die Pistole umkrampfte, an seine Schläfe. Und— da krachte sein letzter Schuß. Lautlos sank er um- Am viertem Tag nach meiner Ankunft in Glashuden setzte ich mich, als es zu dämmern begann, wieder in die Gaststube, an den großen, runden Tisch. Die Plätze waren noch leer. Ich schrieb all das, was ich über Georg erfahren hatte, nieder. Als ich aufschaute, saßen die Bauern wie-, der bei mir. Keiner sprach. Und die Wanduhr tickte und tickte. Die Tür öffnete sich. Der alte Bauer kam herein und flüsterte, indem er sich zwischen zwei Köpfen über den Tisch neigte:„Auf seinem Grab liegt seit Sonnenuntergang ein Kranz; da steht drauf: Dem kleinen Georg! Die Bauern von Schwalenberg!" Und da erhoben sich die Seelen, eine nach der anderen, und murmelten eine nach der anderen:„'n Nacht!" Und schweigend gingen sie zur Ruhe. r
Ausgabe
16 (20.5.1936) 118
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten