Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

16. Jahrgang

Panamerikanischer

Völkerbund? Washington  . Kolumbien   hat einen Antrag auf Errichtung eines amerikanischen Völ= ferbundes eingebracht. Vorbedingung für die Er­richtung desselben wäre die Aufhebung der Pan­amerika- Union sowie der Monroe- Doktrin  . Der Panamerikanische Völkerbund würde mit Geni usammenarbeiten und sich von einem ähnlichen Pakte, wie es der Völkerbundpakt ist, feiten lassen.

Donnerstag, 21. Mai 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 119

Oesterreichs   Arbeiter fordern Freiheit Eine zerstörte Jllusion

Ein Vorstoß bei Schuschnigg  

Jetzt wird bekannt, daß die österreichischen Arbeiter einen sehr bedeutsamen Vorstoß unter nommen haben, um die Wiederherstellung ihrer Freiheiten zu erreichen.

Zur Tagung der Exekutive einem Memorandum festgehalten, das die der SAI

Am 30. April begab sich eine Delegation aus einer in der Wiener Arbeiterkammer   tagenden Konferenz zum Bundeskanzler Schuschnigg  , imm ihm die Forderungen der österreichischen Arbeiter zu überbringen. Diese Forderungen wurden in Abordnung dem Bundeskanzler übergab. An der Abordnung waren Vertrauensmänner aus fast allen Wiener   Großbetrieben, vor allem aber aus der Metallindustrie, beteiligt. An der Konferenz in der Arbeiterkammer   hatten mehr als 100 Be­triebsobmänner teilgenommen. Das dem Bun­deskanzler überreichte Memorandum enthält ein Bekenntnis zur Unabhängigkeit Desterreichs, ver­langt aber mit der größten Entschiedenheit die Wiederherstellung der wirtschaftlichen und politi­fchen Rechte der Arbeiterklasse.

Verträge würden verschlechtert oder nicht einge­halten und die Gewerkschaft sei nicht imstande, diesem Uebelstand abzuhelfen. Oesterreichs   Arbei­terschaft, politisch und gewerkschaftlich gut durch schult, erkenne klar und deutlich die tieferen Ur­sachen des sozialen Rückschrittes.

Polens   Rückkehr zur sea Offiziers- Regierung

-m.( Warschau  .) Der polnische Regierungs­wechsel, welcher das im letzten Herbst gebildete Kabinett der linken" Pilsudski  - Anhänger wieder durch die politische Führung eines strammen Ge­nerals abgelöst hat, zeigt, daß eine autori täre Staatsform nicht ohne weite resaufdem Wege allmählicher Entwidlung Vor aller Deffentlichkeit bekenne sie sich dazu, und schrittweiser Kompromisse daß eine wirkliche Besserung der wirtschaftlichen in eine Demokratie zurück verwana und sozialen Verhältnisse nur zu erreichen sei, delt werden kann. Das polnische Pilsudski­wenn die Arbeiter- und Angestelltenschaft das Regime bot Hoffnungen dieser Art größeren Raum volle Selbstbestimmungsrecht in freien und un- als etwa die faschistische Diktatur Italiens   oder abhängigen Organisationen gegeben wird. Sie die nationalsozialistische Herrschaft im Deutschen  verlange Selbstverwaltung und Selbstbestim- Reich. War doch hier nicht nur die Einrichtung des mung in allen den Interessen der Arbeiter und Parlaments und des allgemeinen Wahlrechts for= Angestellten dienenden Organisationen. Selbst- mell bestehen geblieben, sondern auch ein gewisses verwaltung und Selbstbestimmung sei aller- Maß an Pressefreiheit, gewerkschaftlichen Koali­dings nicht jener Zustand, der heute als tionsrechten und vor allem die legale Wirksamkeit ,, Selbstverwaltung und Selbstbestimmung" oppositioneller Parteien. Allerdings haben es die hingestellt werde. Erfinder der jetzigen polnischen Verfassung ver Das Memorandum fordert dann eine wirt- standen, diesen Rechten einen Teil ihrer früheren schaftliche und politische General- Amneſtie und Verbindung der einzelnen demokratischen Einrich­Bedeutung zu nehmen, indem sie die sinnvolle verweist darauf, daß Oesterreich in seinem Kampfe tungen miteinander auflösten. Da das allgemeine um die Unabhängigkeit alle träfte heranziehen müsse, die für diese Unabhängigkeit eintreten. Wahlrecht nicht mehr für Kandidaten der politi­Wenn die Regierung um die Unabhängigkeit schen Parteien ausgeübt werden kann, verlor das Warschauer   Parlament den Charakter einer Es werde immer deutlicher, daß zwischen den Desterreichs kämpfen wolle, dann müsse sie den Internationale, zur Sozialistischen Erziehungs- Zusagen, die nach den Feberereignissen gemacht Zustand aufheben, der die Arbeiter und Angestell- Bolksvertretung, um sich in eine beratende Kör­Internationale und zur Sozialistischen Sport- wurden und den wirklichen Ereignissen auf wirt- ten unter ein Sonderrecht stellt und sie zu Men- perschaft des Regierungslagers zu verwandeln. Trotzdem waren doch wenigstens die einzelnen Be­Internationale. Es wurde beschlossen, der Sozia- fchaftlichem und politischem Gebiet ein sichtbarer schen zweiter Kategorie macht. Arbeiter und Anstandteile übrig geblieben, die zu einer freiheit­listischen Erziehungs- Internationale für den Neu und weitgehender Gegenjas besteht. Die Löhne gestellte dürften heute weder ihre Gesinnung fret lichen Staatsleitung notwendig sind. Schon eine und Gehälter würden trotz ständig gesteigerter Le- befunden, noch ihre Meinung fagen, noch sich in Wahlreform hätte genügt, um die Grundlagen benshaltungskosten ständig gekürzt. Die Preissen- freien, unabhängigen Organisationen zusammen­fungsaftion bleibe weit hinter den Erwartungen schließen. Die Wiederherstellung der Freiheits  - dafür wieder zusammenzufügen. Gerade darum ist einer solchen Entwicklung durch die jetzige Ka­zurück, die Erneuerung der Kollektivverträge stoße rechte für die Arbeiterschaft sei das Gebot der binetts- Umbildung rechtzeitig vorgebeugt worden. auf den Widerstand der Unternehmer. Bestehende Stunde.

Wir haben bereits das Wesentliche über die Tagung der Exekutive der Sozialistischen Arbei­ter- Internationale, welche vom 16. bis 18. Mai 1936 in Brüssel   versammelt war, gebracht und tragen noch nach, daß die Exekutive neben den umfangreichen politischen Debatten noch eine Reihe organisatorischer Fragen erledigte. Zum Kongreß des Internationalen Gewerkschaftsbun­ des  , der im Juli in London   stattfinden wird, wurden als Delegierte bestimmt: de Broucère, Adler, Compton   und Gillies. Adler berichtete über die Beziehungen zur Sozialistischen Jugend­

aufbau ihrer Organisation eine Subvention zu geben. In das Büro der SAJ wurden neu ge­wählt: Bouchery( Belgien  ) und Hedtoft- Hansen ( Dänemark  ).

In dem Memorandum heißt es, daß die unge­heure Erregung der Arbeiterschaft nicht nur aus den Vorgängen der letzten Zeit zu erklären sei, sondern daß die letzte Ursache in den Ereig­nissen vom Feber 1934 zu finden ist.

Schicksalsfragen des Völkerbundes

Der bisherige Ministerpräsident Koscial­to wifi, ein liberaler Beamter, ist nicht ge= stürzt worden. Er hat vielmehr selbst die wei= Annäherung zwischen Staat und Bolt formuliert tere Durchführung seiner Aufgabe, welche als worden war, vorläufig aufgegeben, nachdem die blutigen Erwerbslosenunruhen in Südpolen die Wirkungen der Wirtschaftskrise auf die Stimmung der arbeitenden Massen erkennen ließen. Die finanziellen Mittel zur Arbeitsbeschaffung sind beschränkt, eine Kreditinflation nach deutschem Schachts, über welche die amtlichen Warschauer Wirtschaftsorgane sehr kritische Darstellungen ver= öffentlichen, nicht erst versuchen. Wenn die Er­folge im Kampf gegen die Wirtschaftskrise nicht

jenen Mitgliedsstaaten vor, die bereit sind, eine solche Verpflichtung zu übernehmen. Alle anderen Mitgliedsstaaten sollen sich verpflichten, dem an Das amerikanische   Projekt eines| beschränken. Der Artikel 16 des Völkerbund gegriffenen Staate ſowie seinen Bundesgenossen auf der Ban- amerikanischen Union pattes, auf dem das Sanktionssystem beruht, soll finanzielle und wirtschaftliche Hilfe zu gewähren bafierenden Sonder- Völkerbundes im Sinne der abgeschafft werden, ebenso wie alle anderen und den Angreifer finanziell und wirtschaftlich zu Monroe- Doktrin  ( ,, Amerika   den Amerika   Artikel, die irgendeine Verpflichtung der Mit- boykottieren. nern!") nimmt immer deutlichere Umrisse an gliedsstaaten zur gegenseitigen Unterstübung Alle diese Projekte beweisen, erstens, daß die und steht ernsthaft zur Diskussion. Auf der festlegen. Die Annahme dieses Projektes würde heutige Organisation des Völkerbundes niemans Muster will Polen   nach den Erfahrungen Doktor andern Seite bricht sich in Europa   die Erkennt das Ende des Völkerbundes als den befriedigt, und zweitens, daß die Interessen nis Bahn, die ja auch dem Flandin- Tar- einer politischen Institution beder Mitgliedsstaaten und der verschiedenen Grup­dieuschen Plan zugrundeliegt, daß es nötig sei, deuten. Im engen Zusammenhang mit diesem pen der Mitgliedsstaaten weit auseinandergehen. einen europäischen   Bund zu gründen. Dieser Plan steht auch das andere englische Projekt der Die Zukunft des Völkerbundes wird vor allem

meinſame der widerstreitenden Interessen auf einen Generalnenner zu bringen und diesem ge= meinsamen Programm einen organisatorischen Ausdruck zu geben.

Wiederausdehnung der Volksrechte nach der Mei­

nung der maßgebenden polnischen Machthaber

Gedanke wird neuerdings auch in sozialistischen regionalen Aufteilung der davon abhängen, ob es gelingen wird, das Ge rasch kommen fönnen, so ist auch eine erhebliche Kreisen start vertreten. In bürgerlichen Kreiſen europäischen   Staaten, von dem wir wird er gegenwärtig von so bewährten Freunden fürzlich berichtet haben. Auf der unlängit in Genf  der Völkerbundsidee und Förderern des Völ- stattgefundenen Konferenz der sieben ,, ne u- ferbundes wie Prof. Rauchberg unterstüßt, tralen" Staaten(   Schweden,   Norwegen, der dieser Tage im Prager Tagblatt" eine   Dänemark,   Finnland,   Schweiz,   Holland und europäisch gerichtete Reform des Völkerbundes   Spanien) hat nur der holländische Außenminister empfohlen hat. de Graef, den Standpunkt vertreten, daß der Völ­ferbund überhaupt nicht reformbedürftig sei. Alle anderen Teilnehmer der Konferenz vertraten die Ansicht, man solle den Völkerbund

Ueber die Beurteilung der Lage in   Genfer Kreisen kommt uns folgender Eigenbericht zu: In   Genfer Kreisen ist man gegenwärtig

Sender   Jerusalem gestört Weitere ernste Lage in Palästina  Jerusalem. Dienstag abends durchschnitten unbekannte Täter die Drähte zwischen dem Rund­gramm war deshalb gestört.

damit beschäftigt, die Vorschläge zur Reform des entscheidend reformieren. Im funkstudio und der Sendestation. Das Radiopro- sident General Skladkowski die wichtig=

wesentlichen handelt es sich bei diesen Plänen der ,, Neutralen" um drei Punkte:

einstweilen nicht möglich. In den Händen hun­gernder Menschen würden diese Rechte Werkzeuge werden, die sich gegen die heutige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung fehren könnten. So riefen die Politiker der Richtung Koscialfowiti selbst nach Armeeführung an der Regierungsgewalt. Daraus Stärkung der Autorität" durch Beteiligung der ist es auch zu erklären, daß der neue Ministerprä­sten Wirtschaftsressorts wieder mit Männern des In   Jaffa ist der Torpedobootszerstörer bisherigen Kabinetts besezen konnte. Das Innen­1. Der   Völkerbund soll seine Bestrebungen"   Beagle" eingetroffen. Im Hafen stießen strei- ministerium behielt er sich allerdings selbst vor, tende Araber mit arabischen Aufladern, welche die und das Justizministerium besetzte er mit einem Arbeit wieder aufnehmen wollten, zusammen. Die Staatsanwalt, der sich gerade durch Vorgehen our Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung ge- gegen die Führer der demokratischen Oppositions­troffenen Ausnahmsverfügungen bleiben weiter- parteien Sozialisten wie Dr. Ziebermann und hin in Geltung. In   Gaza und Nazareth tam es zu Demonstra- sterpräsidenten   Witos- bemerkbar gemacht hatte. 2. Der Artikel 19, der die Revision der tionen, die allerdings in Ruhe liquidiert wurden. Die Außenpolitik blieb nach dieser Wendung unhaltbaren Verträge vorsieht, soll Seit Beginn der Unruhen, dem 19. April, wurden selbstverständlich unter der Leitung des Obersten eine Erweiterung erfahren. Man soll den Kriegen im ganzen 814 Araber und 53 Juden verhaf- Beck, welcher in der Regierung Koscialkowski der vorbeugen, indem man die Verhältnisse beseitigt, tet. Die Deffentlichkeit wurde durch den Rund- äußerste rechte Flügelmann gewesen war, jetzt aber die zwangsläufig zu einem Striege führen. funk darauf aufmerksam gemacht, daß die Eisen- eine größere Anzahl von gleichgesinnten Stüßen bahnstrecken durch britisches Militär bewacht sind im Ministerrat vorfindet. und daß jeder, der sich den Geleisen nähert, dies auf eigene Gefahr tue.

Bauern- Parlamentarier wie den früheren Mini­

Völkerbundes, die von verschiedenen Seiten zur Diskussion gestellt sind, zu studieren. Auf der im September fälligen Bundesversamm Iung soll die Reform des Völkerbundes zum auf die Aufrechterhaltung des Friedens in Hauptgegenstand der Verhandlungen werden. Für   Europa konzentrieren; er könne nicht seine die fünftige Gestaltung des Völkerbundes und so- Tätigkeit auf Ajien oder Amerita ausdehnen aus gar ſeine Eriſtenz jelbit wird natürlich viel da- dem einfachen Grunde, weil ihm jede Macht dazu bon abhängen, wie der gegenwärtige Konflikt fehle. zwischen   Genf und   Rom ablaufen und was für ein Ende er nehmen wird. Eine große Bedeutung hat auch die Frage des Eintritts oder des Nichtein­tritts   Deutschlands in den Völkerbund, ebenso wie die Stellungnahme der neuen   französischen Regies rung. Einen wesentlichen Einfluß auf die Geschicke 3. Dagegen soll gegen die Angreifer das des Völkerbundes kann auch die von Roose belt geplante ,, i gaderamerikani System der Sanktionen voll und ganz zur An­ichen Nationen" haben, deren eventuelle wendung kommen. Die ökonomischen und mili­Begründung wahrscheinlich den Austritt der ame- tärischen Sanktionen sollen nicht mehr dem Gut­Lifaniden collins Dem Genfer Völkerbund dünken der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen Lektüre des Braunbuches"- Gefängnis die herrschende Richtung in Bolen zur Machi  Berlin. Das Sondergericht in   Braunschweig brachte, kürzlich einmal erflärt, wir werden nicht nach sich ziehen würde. Am weitesten in der Rich- werden, sondern sollen obligatorisch sein und auto­tung einer Abschwächung des heutigen Systems matisch eintreten. Man spricht auch von einem verhandelte gegen fünf Angeklagte, denen zur durch eine Stubentür wieder hinausgehen." Der der kollektiven Sicherheit geht ein Vorschlag Reformprojekt, das mit dem Namen des fran- Lait gelegt wurde, daß sie ein aus   Leipzig zuge- iezige Regierungswechsel hat gezeigt, daß der sogenanntes Braunbuch" einander Ernst solcher Worte nicht unterschätzt werden darf. der englischen Konservativen, zösischen Völkerbundsdelegierten Paul Bon= sendetes hinter dem auch ein bedeutender Teil des Kabi- cour verknüpft iſt. Paul-   Boncour schlägt den gegenseitig zum Lesen geborgt hätten. Die An- Der entscheidende Machtfaktor, der netts Baldwin steht. Danach soll sich die Tätig- Abschluß eines Paktes der gegenfet geklagten waren im wesentlichen reständig. Die nach Mißerfolgen früherer autoritärer Methoden feit des Bölferbundes fünftighin lediglich auf tigen militärischen Hilfe im Rah- Angeklagten wurden zu Gefängnisstrafen von auf die halbe Wendung zur Demokratie im Herbst Vermittlung und schiedsgerichtliche Befugnisse men des heutigen Völkerbundes zwischen allen pier Monaten bis eineinviertel Jahren verurteilt, hingewirkt hatte, war die Arme e gewesen. Sie

,, Wir sind über eine Brücke in   Warschau ein geritten," so hat einer der namhaftesten Pilsudski­Offiziere in Erinnerung an den Bürgerkrieg, der