Sonntag, 24. Mai 1936

Nr. 122

16. Jahrgang

'ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii.,fochova«L Telefon sxtz. HERAUSGEBER« SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

Ehiztlprals 70 IWInr («inschli.Blich$ Haller Porto)

IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

7 Tage Alles für den Reichsjugend- und Kreisarbeitertag:

Werbt I Agitiert! Arbeitet!

Negus nach London unterwegs Bis Gibraltar auf einem britischen Kreuzer Jerusalem . Der Negus ist in Beglei­tung seiner zwei Söhne» der Prinzessin Tsahai» seines Sekretärs und des Ras Kassa nach Haifa abgereist und hat sich dort an Bord des britischen KreuzersCapetown " begeben» der Samstag um 23 Uhr Haifa mit dem Kurs auf Gibraltar ver­läßt. Dir Kaiserin bleibt vorläufig in Jerusalem . Bon Gibraltar wird sich der Negus wahrschein­lich auf einem Paffagierdampfrr nachLondon begeben. Wie der amtliche britische Radiodirnst berichtet» ist noch nicht bekannt» wie lange sich der Regus in England aushalten wird.

Hollands Bischöfe gegen den Nationalsozialismus Amsterdam Nach einem Hirtenbrief des holländischen Episkopats werden die heiligen Sa­kramente jenen holländischen Katholiken» welche Nationalsozialisten sind» nicht mehr erteilt werden. In dem Hirtenbrief wird erklärt, der holländische Episkopats sei fest davon überzeugt, daß die In­teressen der holländischen katholischen Kirche i n gefährlicher Weise bedroht wären, wenn die Nationalsozialisten zur Macht gelangen würde«.

Spanisches Sondersericht gegen faschistische Richter Madrid . Dem Parlament wurde ein Gesetz­entwurf vorgelegt» der Strafmaßnahmen gegen Richter Vorsicht, die gegen die Verfassung ver­stoßen haben. Darnach werden die beschuldigten Richter vor ein S o n d e r g e r i ch t gestellt wer­den, das sich aus fünf ordentlichen Richtern des Obersten Gerichtshofes und zwölf Geschworenen zusammensetzt. Berufung kann beim Obersten Gerichtshof eingelegt lverden. Das Gesetz soll rückwirkende Kraft haben.

Palästina Wir hören zwar, daß Sie Lire bekommen, im Interesse der nordischen Sache, liebe ara­bische Brüder, nehmen Sie doch auch ein paar Mark an!

Mißglückter Nazl-Ueberfall auf Starhembergs Schloß Feuergefecht mit Gendarmen/ Zwei Tote, acht Verhaftete

Wien . Der oberösterreichische Sicherheits­direktor verlautbart: In der Nacht vom 22. auf den 23. Mai unternahmen nationalsozialistische Parteigänger einen Einbruchsversuch in das Fürstlich-Starhembergschr Schloß Waren berg in Oberösterreich , weil sie dort offenbar Waffen des Heimatschutzrs vermuteten. Da die Behörden rechtzeitig von dieser Absicht Kenntnis erlangt hatten» war das Schloß entsprechend gesichert und es konnte der Anschlag vereitelt werde». Beim Einschreiten der Gendarmerie eröffne­ten die Nationalsozialisten das F eu e r, das von den Gendarmen erwidert werden mußte. Hiebei wurde einer der Angreifer getötet, ein zweiter schwer'vrrwundet. Die einschreitenden Gendarmen blieben unverletzt. Acht Nationalsozialisten, die an der Tat be­teiligt waren, wurden festgenommen und emge- liefert. Der Ueberfall forderte noch rin weiteres Opfer: Der zweite schwerverletzte Nationalsozia­list starb Samstag vormittag« in Linz im Kran­kenhaus des Gefängnisses.

Abessinien. Pierre Mille , ein Fachmann auf kolonialwirtschaftlichem Gebiete, schreibt imE x- c e l s i o r": Die Tatsache, daß italienische Trup­penabteilungen Abessinien bis hart an die fran­ zösische Grenze besetzt haben, ist umso ernster, als die römische Regierung die Ansicht vertreten will, daß das gesamte abessinische Staatsterritorium seit der Abreise des Negus als herrenloses Land angesehen werden soll und daß aus diesem Grunde keine vorherigen Abkommen und Verträge Gültig­keit besitzen. Frankreich , welches auf seine 80 Kilometer Wüste in Dschibuti angewiesen ist, ist tödlich getroffen, weil auch dieses Stück Land ihm von einer Macht genommen werden könnte, die die hochgelegenen Gebirgsplateaus Abessiniens besetzen wird. Könne man diese Un­sicherheit in Sachen des Hafens zulassen, welcher der einzige Zufluchtsort zwischen Marseille und Madagaskar , Saigon , China und Neu-Kaledo- nien für die französischen Handelsdampfer, U- Boote und Hhdroavione ist? Auch die diplomatische Korrespondentin des BlattesL'Oeuvre" in Genf Madame Ta- b o u i s befaßt sich mit dem Schicksal Französisch- Somalilands. Die französischen Interessen in Abessinien sind für das französische Kolonialreich unschätzbar. Der Hafen in Dschibuti bildet ein unentbehrliches Bindeglied zwischen Frank­ reich , Jndochina, Neu-Kaledonien und Madagas­ kar . Wenn der Fall eintreten sollte, daß Frank­ reich um diesen Hafen käme, würden die fran-

Kaunas . Das Standgericht in Kaunas verhandelte am Samstag einen Prozeß gegen eine Gruppe von 17 Personen, welche Ende 1935 in einem Rachbarstaate Flugblätt er druckten, die in drei Bezirken in Litauen ver­breitet wurden. In den Flugblättern wurden die Landwirte aufgefordert, keine Steuern mehr zu zahle«, die Gesetze nicht zu beachten und die(fa­schistische) litauische Regierung zu stürzen. In anderen Flugblättern wurden die lokalen Behör­den terrorisiert und die Ortsfunktionäre mit dem

Der Havas-Korrefpondent in Wien meldet zu dem Ueberfall auf das Schloß Waxrnberg» daß über die Motive dieses Ueberfalles Stillschweigen bewahrt wird. Trotzdem glaubt man» daß die An­greifer damit rechneten, daß Starhemberg, der eben in Wien weilt, sich auf seinem Landsitze befinden wird. Auch ein Hochverratsprozeß Von 60 Nazi 45 freigesprochen Graz. Der Hochverratsprozetz gegen 60 Eggenberger Nationalsozialisten,, der am Montag dieser Woche begonnen hatte, wurde Samstag zu Ende geführt. Die beiden Hauptangeklagten wur­den wegen Hochverrates zu 18 Monaten, bzw. einem Jahr schweren Kerkers verurteilt. Ferner wurden zwölf Angeklagte wegen Geheimbündelei zu Arreststrafen von sechs Wochen bis vier Mona­ten und ein Angeklagter wegen Uebertragung des Waffenpatentes verurteilt. Die übrigen Ange­klagten wurden freigesprochen. DieStaatsanwall- schaft meldete die Nichtigkeitsbeschwerde an, erhob aber gegen die Enthaftung der Freigesprochenen keine Einwendung.

zösischen Schiffe nicht bloß eine Haltestelle zwi­schen Marseille und Hanoi verlieren, sondern es würde auch das französische Kolonial-Prestige im Femen Osten einen derartigen Schlag erhalten, daß es sich schwer von ihm erholen könnte. Die Be­deutung Dschibutis ist von der französischen Eisenbahn nach A d d i s A b e b a ab- hängig. Es ist bereits heute offensichtlich, daß die Italiener bestrebt sind, mit allen Mitteln die Bahn anzukaufen, oder sie durch Ueberleitung des Verkehrs nach Assab zu entwerten. Dies würde aber das Ende Dschibutis bedeuten«,

Acht Monate Gefängnis für den Chefredakteur derAction Francaise Paris . Das Pariser Gericht verurteilte den Chefredakteur derAction Frangaise" Charles Maurras zu acht Monaten Gefäng­nis unbedingt wegen eines Artikels, in welchem er offensichtlich zur Ermordung politischer Gegner und insbesondere Leon Blums aufgefordert hatte.

Arabische Führer Interniert Jerusalem. Mit Rücksicht auf die andauemde Spannung-zwischen den-Arabern und den Juden hat die Regierung von Palästina strenge Maß­nahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung an­geordnet. Durch ein eben erschienenes Dekret wird die Internierung einiger arabischer Führer an bestimmten Stellen verfügt.

Tode und mit der Brandlegung bedroht, wenn sie der Aufforderung zur Riederlegung ihrer amt­lichen Funktionen nicht nachkämen. Alle Angeklagten wurden verurteilt, u. zw. sieben zum Tode, sechs zu lebenslänglicher Zwangsarbeit» drei zu je 15 Jahren Zwangs­arbeit und rin Angeklagter zu einemJahr Gefäng­nis. Drei der zmn Tode verurteilten Angeklag­ten wurden vom Präsidenten der Republik begna­digt.

Die Luftwaffe im abessinischen Krieg (E. Bl.) Lassen sich aus den Erfahrungen, welche die Italiener bei ihrem Raubkrieg mit der Luftwaffe gemacht haben, Schlüsse auf den Kampstvert dieser Waffe in einem etwaigen euro­ päischen Krieg ziehen? Es ist klar'und wird von allen Sachverstän­digen betont, daß solche Schlüsse nur in begrenz­tem Umfang und nur mit großer Vorsicht gezogen werden können. Und doch, es handelt sich um die erste größere Erfahrung mit der modernen Luft­waffe in einem wirklichen Krieg. Wahr ist die Hauptwirkung, welche die Mili­tärwissenschaft von den Fliegern erwartet:/ die FerMvirkung über Länder und Meere auf die gro­ßen See- und Lufthäfen, auf Industriezentren. Großstädte und Berkehrsmittelpunfte konnten nicht in Erscheinung treten, der Luftschutz kam kaum anders als durch die Flucht der Bevölkerung aus den bedrohten Orten zur Geltung. Derak­tive Luftschutz" erfolgte nur an wenigen Orten durch Fliegerabwehrkanonen und es wird von Kritikern Englands hervorgehoben, daß es weder durch eine entsprechende Anleihe an»das überfallene Land noch durch ernste Durchführung der Sanktionen eine entschloßene Haltung ge­zeigt, ganz besonders aber bei der Ausrüstung mit Flugzeugen und Abwehrgeschützen Abessinien im Stich gelassen hat. Demgegen steht Italiens Luftflotte in der ersten Reihe, der Zahl wie der modernen Ausrü­stung und der Führung nach. Ein italienischer General, D o u h e t, hat die Theorie des totalen Luftkrieges geschaffen, ein zweiter, B a l b o, mit einer eigens ausgebildeten Mannschaft die ersten Geschwaderflüge über Kontinente und Ozeane or­ganisiert. In einer eigens erbautenFliegerstadt", Guidonia bei Rom , haben dann Theorie und Pra­xis der militärischen Luftfahrt einen Konzentra­tionspunkt erhalten. Sowohl der Zahl als der Kriegsverwendung nach waren diese Vorkehrungen in Abessinien nur teilweise in Verwendung. Und doch ist es richtig, was ein Betrachter des Krieges mit Staunen feststellt,' daß Italiens Kriegsfüh­rung nicht dem Größenverhältnis der modernen Großmacht zu dem kriegsschwachen Kolonialstaal entsprach, sondern daß Italien sich mit voller Wucht, als gelle es einen Kampf um das eigene Sein oder Nichtsein, auf den kleüien Gegner stürzte. Mit rasender Steigerung antwortete es auf die Gegenwehr des tapferen Völkchens und daraus wie aus dem Ausbleiben jeder wirksamen Hilfe für Abessinien erklärt sich das rasche Ende des Krieges. Nur aus der Eigenart der militärischen Auf­gabe erklärt es sich daher, wenn die italienische Luftflotte nur ausnahmsweise als eine selbstän­dige Waffengattung auftrat, d. h. ohne Infan­terie und Artillerie operierte. Italien als erste Macht hat die selbständige Luftwaffe geschaffen und beabsichtigt deren Einsetzung in einem eurö-- päischen Krieg. Trotzdem konnte man in drei Fäl­len Beweise von der grausamen Durchschlags­kraft der bloßen Fliegerwirkung erhalten, Um Mitte September wurde eine Schlüsselstellung der Ogadenfront, inGorrohei, durch bloßes Flie­gerbombardement genommen. Der Kommandant, Awefork, soll(nach einem Bericht derNeuen Zürcher Zeitung ") dem Negus versprochen haben, die Stellung um jeden Preis zu halten. Awefork wurde durch Bombensplitter getötet; nach mehr­tägigem mörderischem Abwurf von Sprengbom­ben floh die Besatzung des Lagers nach Norden und ließ viel Kriegsmaterial zurück; die italie­nische Landtruppe rückte ohne Widerstand in die verlassenen Stellungen ein. Am 29. März wurde die Stadt Harrar von 35 Fliegern durch dreistündiges Bewerfen mit Brandbomben einge- äschert. In seiner Furchtbarkeit ist dieser Unter­gang einer Stadt nur ein kleines Abbild dessen, was einer Großstadt bevorstünde, auf die, wie be­deutende Militärs(z. B. Altrock für den Fall Berlins ) geschildert haben, viele Tausende von Brandbomben abgeworfen würden. Die dritte Art von Fliegerbomben, die Giftgasbomben, schei­nen nicht die einzige, aber die ausschlaggebende Wirkung bei der Zurückdrängung der abessinischen Nordfront im März und April geübt zu haben. Anfangs hielten sich die Italiener an das Verbot der Anwendung von Giftgasen.(Das Verbot war auf der Waffenhandelskonferenz zu Genf , 1925, beschlossen und u. a. von Italien un-

Späte Einsicht... Französische Befürchtungen wegen Dschibuti Paris . Die Pariser Presse beschäftigt sich nunmehr sehr ernsthaft mit der Frage des Schut­zes der französischen Interessen und Rechte in

Faschistenterror In Litauen Vier Hinrichtungen wegen Flugblattpropaganda