Nr. 122 Sonntag, 24. Mai 1936 Seite 5 DMsMrts-ckast uml Fleisch* und Fettverbrauch In der Tschechoslowakei Ueber sechs Millionen Stüde Vieh werden jährlich geschlachtet und verzehrt Nach den Erhebungen des Statistischen Staatsamtes über die Produktion und den Verbrauch von Fleisch und Fett im ganzen Staatsgebiet sind im Jahre 1935 insgesamt 6,425.718 Stück Vieh geschlachtet worden. Und zwar: Geschlachl. St. Gesamtlebendgew. in Meterzentnern Rinder 764.640 2,752.442 Kälber 963.615 481.795 Schweine 4,004.512 2,758.814 Schafe 137.942 48.282 Lämmer 68.885 4.822 Ziegen 59.135 17.737 Zickel 393.957 15.754 Pferde 30.857 108.074 Fohlen u. Esel 2215 1.096 Die daraus gewonnenen Fleischmengen verteilen sich auf die einzelnen Fleischarten wie folgt: Schweinefleisch 1,913.366 Meterzentner oder 46.4%, Rindfleisch 1,717.990 Meterzentner oder 4i.6%, Kalbfleisch 385.448 Meterzentner oder 9.3%, Pferdefleisch 54.035 Meterzentner oder 1.3%, Schöpsenfleisch 29.432 Meterzentner oder 0.7%, Zickelfleisch 12.608 Meterzentner oder 0.3%, Ziegenfleisch 10.646 Meterzentner oder 0.3% und Lammfleisch 3858 Meterzentner oder 0.1 Prozent. Bon den geschlachteten Tieren waren ausländischer Herkunft in Prozent: bei den Rindern 0.1, bei den Schweinen 4.9 und bei den Schafen 10.7. Alles übrige geschlachtete Vieh stammte aus dem Inland. Bei dem durch die inländischen Schlachtungen gewonnenen Schweinefett entfallen 22.6 auf ausländische Schweine. Der Verbrauch an Fleisch und Fett blieb 1935 berechnet, nicht unerheblich hinter dem des Jahres 1934 zurück. Der durchschnittliche Verbrauch je Einwohner be- trua in Kilogramm: Rindfleisch 11.36, Rindstalg 0.81, Schweinefleisch 12.65, Schweinefett 4.42, Fleisch aller Arten 27.29, Fette insgesamt 5.25. In den letzten sieben Jahren zeigt der Durchschnittsverbrauch von Fleisch und Fett auf einen Einwohner berechnet, diese Entwicklung:. Fleisch in Kg. Fett in Kg. 1935 27.29 5.25 1934 28.50 5.44 1933 25.43 5.14 1932 27.23 5.59 1931 28.70 6.12 1930 28.10 6.51 1929 28.70 6.80 Es ist demnach in dem Fleisch« und Fettverbrauch gegenüber dem Stand vor der Krise ein nicht unbeträchtlicher Rückgang zu verzeichnen. Er beträgt beim Fettverbrauch mehr als 20%. Dabei kommen die Krisenwirkungen auf den Fleisch- und Fettverbrauch in diesen Ziffern noch nicht einmal voll zum Ausdruck. Eine Aufgliederung der Entwicklung des Durchschnittsverbrauches nach den Bevölkerungsschichten würde ergeben, daß bei den Lohnarbeitern und den Arbeitslosen die Abnahme des Fleisch- und Fettvcrbrauchs in den Krisenjahren viel stärker ist, während er sich bei den Bauern und den Unternehmern gehalten hat oder gar gestiegen ist. Darum mutz die angestrebte Regulierung der Viehproduktion unter dem Gesichtspunkt erfolgen, durch sie zu einer Steigerung des Verbrauchs bei im ganzen und auf den Kopf der Bevölkerung| der Mehrheit unseres Volkes zu gelangen. Dec Heilfonds der öffentlichen Ansestellten Zur Novelle des Gesetzes über die direkten Steuern Ter Hcilfonds der öffentlichen Angestellten hat der Regierung und Nationalversammlung folgendes LsiMp.rLg.duui,,.voraeleät^.,,....- iS, Als im. Zusammenhänge mit der Verhandlung über die Novelle des Gesetzes über direkte Steuern die Frage aktuell wurde, ob die Vertragsärzte, die die Versicherten der Krankenversicherung und.Heilfonds behandeln, die Erwerbsteuer zahlen sollen, haben wir die matzgebenden Stellen darauf aufmerksam gemacht, was für katastrophale Folgen es für die Träger der Kran- kenversicherung mit freier Aerztewahl haben würde, wenn gesetzlich verfügt werden sollte, datz das Verhältnis dieser Aerzte zu den Trägern der Krankenversicherungen ein Dienswcrhältnis ist. Wir haben auch darauf hingewiescn, datz die Vertragsärzte infolge Kodifizierung ihrer Dienststellung pensions- und krankenversichert fein mutzten, was für die Versicherungsinstitutionen mit freier Aerztewahl eine Belastung der Regie mit einigen Millionen bedeuten würde, die nur damit gedeckt werden könnte, datz den Versicherten die VcrsickerungSleiftungen herabgesetzt werden müßten. Tie wirtschaftliche Situation des Heilfonds der öffentlichen Angestellten zwingt uns zu diesem Schritt und nicht vielleicht, datz wir den Aerzten eine Zusicherung für den Fall der Invalidität, des Alters oder im Todesfälle nicht vergönnen würden. In der Zeit, in welcher wir unsere Einkommen nicht erhöhen können, können wir leider neue Ausgaben nicht genehmigen, auch nicht, wenn sie die Sozialversicherung der Aerzte bezwecken sollen, die in einer für uns unermeßlich belastenden Form geregelt werden soll. Wir haben gleichzeitig darauf aufmerksam gewacht, datz die Versicherten des Heilfonds der öffentlichen Angestellten schon jetzt auf die Bcrsicherungsleistungen außer dem Versicherungsbeiträge ungefähr 20 Millionen jährlich zuzablen, was wiederum ein Fünftel des Einkommens aus den Versicherungsbeiträgen ausmacht. Wir haben schließlich daraus aufmerksam gemacht, daß die Perstcherten nicht mehr belastet werden können und eine Herabsetzung der Versichtrungsleistungen nicht möglich ist. Tie Krankenversicherung bildet heute einen unbedingt notwendigen Bestandteil der Bezüge der öffentlichen Anaestellten. Dieser Stand würde durch die bedeutenden Gehaltsabzüge schwer getroffen. Wenn noch die Krankenversicherung der öffentlichen Angestellten verschlechtert werden sollte, hätte dies katastrophale Folgen nicht nur für die wirtschaftliche Gebarung dieser öffentlich- rechtlichen Versicherungsanstalten, sondern auch für die wirtschaftliche' und soziale Stellung der staatlichen und öffentlichen Angestellten. Von allen Stellen, die wir auf diese Umstände aufmerksam gemacht haben und bei denen wir auch persönlich intervenierten, erhielten wir die Versicherung, daß bei der Novellisierung des Gesetzes über die direkten Steuern darauf geachtet wird, datz die wirtschaftliche Gebarung des Heilfonds der öffentlichen Angestellten und der übrigen Träger der Krankenversicherung mit freier Aerztewahl keinen Schaden erleidet und daß auch dem Stande der Staats- und öffentlichen Angestellten nicht unrecht getan wird. Auch wurde nach den amtlichen Nachrichten bei der Verhandlung des Antrages der Novelle auf die Regelung dieser Frage in diesem Sinne gedacht. Wir erfahren jedoch, da« im letzten Augen« blick der Antrag abgeändert wurde. Als Faktoren, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Heil- ^fonLö der öffentlichen Angestellten verantwortlich sind, warnen wir vor'dieser Wendung, welche keine sachliche Begründung hat und nur durch den Eingriff jener Machthaber erwirkt wurde, die an einer entgegengesetzten Entscheidung direkt inter» esiiert sind. Weil wir so eine direkte Unterstützung der politischen Macht nicht haben, verweisen wir nochmals auf die katastrophalen Folgen, die kommen müßten, wenn der Standpunkt in dieser Sache geändert werden sollte und bitten, datz diese Folgen vor der definitiven Entscheidung noch einmal in Erwägung gezogen werden. Sollte dies jedoch trotzdem nicht geschehen, werden die Schichten der öffentlichen Angestellten selbst beurteilen, ob eine gesetzliche Regelung gerecht ist, die zum Vorteile von einigen tausenden, wirtschaftlich gesicherten Bewohnern unermeßliche finanzielle Opfer von hunderttausenden Staats- und öffentlichen Angestellten fordert, deren wirtschaftliche und soziale Ver''cherung schon jetzt unter dem Durchschnitte ist. Wir bitten, datz uns diese letzte Bemerkung nicht bös genommen wird, denn wir erachten es für unsere Pflicht, bis zum letzten Augenblick und mit allen Rechtsmitteln die gerechten Jnteresien der hunderttausend Versicherten zu schützen, wozu wir durch das Gesetz berufen sind. Wir sind überzeugt, daß es der Regierung und den gesetzgebenden Körpern nicht oleichgültig sein kann, wenn Plauderei am Plakate Wer Reisen macht, hat oft Gelegenheit, festzustellen, datz Plakatreklame heute zu den wirksamsten Werbemitteln des Fremdeiwerkehrs gehört. Ich kannte einen Engländer, der nur nach Taormina ging, weil er auf allen englischen Bahnhöfen diese zauberhaften Plakate von Taor mina gesehen hatte, solange, bis er sich entschloß, auch das wirkliche Taormina kennen zu lernen. Er war, wie er mir sagte, ein wenig enttäuscht, denn ganz so blau war der Himmel doch nicht wie auf dem Reklameplakat und auch die Blüten nicht so leuchtend. Aber immerhin genügte es, datz er seit Jahren immer wieder nach Sizilien geht. Jeder wird sich an ähnliche Fälle erinnern können. Wenn man heute auf einem Bahnsteig den Schnellzug erwartet oder in einer Hotelhalle sitzt und den Blick über die wunderbaren Plakate und farbigen Zeichnungen gleiten läßt, muß man unbedingt Sehnsucht nach dem Schönen bekommen, das man so eindringlich dargestellt sieht. In der Schtveiz, dem klassischen Land des Fremdenverkehrs, begegnet man— ebenso wie in Oesterreich — auf > Schritt und Tritt den wunderbarsten Reklame- | bildern der großen Höhenotte, sie sind künstlerisch l vollendet und psychologisch richtig ausgeführt und l sprechen eine stumme, aber eindringliche Sprache. Man sieht auch schöne Plakate aus den nordischen ! Staaten, aus Frankreich , neuerdings hat Rutz- i land sich auch in diesem Zweig der Propaganda zu sich die Erbitterung der Staats- und öffentlichen' Angestellten, deren Lebensunterhalt fortwährend herabgesetzt wird, steiaect und wenn bei so einer zahlreichen und verantwortlichen Schichte der Nation das Gefühl eines weiteren Unrechtes ent* steht, das dadurch gesteigert wird, daß diesmal die Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen' Stellung nicht im öffentlichen Interesse geschieht, sondern zum privaten Vorteil. Schließlich machen wir darauf aufmerksam,' datz«ine Verschlechterung der Krankenversicherung ^ der öffentlichen Angestellten auch ungünstige Fol- gen für die Staatsverwaltung haben müßte,, weil der Staat daran Interesse haben muß, daß, seine Angestellten in voller körperlicher und seeli-' scher Frische ihren Verpflichtungen nachkommen können. l JUDr7 Josef Kotek m. p. Vorsitzender des Heilfonds der öffentlichen M Angestellten. Alfr. Bittner m. p., Jos. Brcstxik m. P.. Fr. Groh! m. p.. Mir. Hrejsa m. p., E. Ianovskh m. p., Dez. Kantor m. p.. Rich. Kreschel m. p„ I. KLi- vänek m. p., M. Länskä m. p.. Fr. Libis m. p., Iar. Martan m. p„ Moh. Mladn m. p.. Dr. M. Otoupalik m. p., Iindr. ProkÄk m. p., I. Rubes m. p.. Fr. Seidl m.' p., I. Stipänek m. P., Wnt. Urban m. p., Frant. UZäk m. p., I. Velickh m. p.. Fr. Blk m. p., Dr.- Al. Vondrich m. p., Fr. Walter m. p., Jos. Zäpotockh m. p. Mitglieder des Zentralausschusses des Heilfonds der öffentlichen Angestellten. 3470 Ein neues Werk deS antifaschistischen DichterS: I g n a z i o Silone Brot««d Wein Roman aus dem AUtag des saschistischen Italien Preis geb. KC 56.— Zu beziehen durch di« Zentralstelle für das Bildungswesen, Prag XII., Slezska 13. Zum 50. Todestag Rankes Vor 50 Jahren, am 23. Mai 1886, starb in Ber lin der berühmte deutsche Geschichtsforscher Leo pold von Ranke . Ranke war gebürtig in Wiehe im Regierungsbezirk Merseburg und ein Zögling der Fürstenschule Pforta . Bereits mit 23 Jahren wurde Ranke Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder und sieben Jahre später Professor an der Universität Berlin. Seine umfangreichen Geschichtsforschungen legte er in zahlreichen Werken nieder, die auch heute noch eine schier unversieg- liche Quelle geschichtlichen Wissens und dank ihrer monumentalen Prosa eine genußreiche Lektüre sind. Rankes Geschichtsauffassung war noch individualistisch und er übersah zu sehr die objektiven Kräfte(Oekonomie, Raum, Technik usw.), dennoch bleibt Rankes Forscher- und literarische Leistung unvergänglich bestehen. Abrüstung und Diktaturen Von L£on Blum „Wer den Frieden wM, mutz die Tyrannei bekämpfen. Jede Einzelperson und jede Gemeinschaft, die sich zur Mitarbeit an der Organisierung des Friedens bereit erklärt, mutz auf den Sturz der Diktaturen hinarbeiten. In dem heutigen Europa besteht die Diktatur ungestraft. Wir haben nur allzuoft das schimpfliche und entwürdigende Paradoxon erlebt, datz Staatsmänner, die sich ihrer Friedensarbeit rühmen, dem krassesten und brutalsten Faschismus besonders duldsam und wohlwollend entgegenkommen. Hätten die Bereinigten Staaten, England und Frankreich den muffolinischen Faschismus isoliert und in„Quarantäne" gesetzt, dann wäre er heute bereits erledigt. Der Kamps zwischen Freiheit und Diktatur ist in Europa entbrannt. Die freien Staaten haben die Möglichkeit, die Diktaturregierungen auf friedliche Weise zu beseitigen und dieses größte Friedenshindernis aus dem Wege zu räumen. Ja, die Diktatur ist an sich ein Friedenshindernis. Sie ist ein Hindernis, weil sie alle internationalen Verträge illusorisch macht und noch aus vielen anderen Gründen, die zu oft aufgeführt sind, als daß ich länger bei ihnen verweile: weil sie den Nationalstolz übersteigern und die Empörung im Innern durch Eroberungen und Siege ablenken mutz. Ja, die freien Staaten müssen die Diktaturen bekämpfen und sie auf friedliche Weise beseitigen. Sie müssen Schluß machen mit dem bequemen Sophismus, daß man allen Regierungen, die ibre Nation offiziell vertreten, gleichgültig welcher Art sie seien, gleiche Achtung bezeigen muß, daß die inneren Verhältnisse eines Landes uns nichts angehen. Dieser Sophismus kann vor der Macht der Tatsachen nicht bestehen. Die Diktatur ist keine bloß innere Angelegenheit eines Volkes, sie ist vor allem eine internationale Angelegenheit, denn sie stellt an sich eine Kriegsgefahr dar und durchkreuzt alle Versuche zur Stabilisierung des Friedens. Alle Diktaturen sind Feinde der freien Staa, ten. Wir denken nicht daran, Krieg gegen sie zu führen, aber im Interesse des Weltfriedens verweigern wir ihnen systematisch jede Art von Sympathie, von Unterstützung und von Beistand. Im Namen des Friedens schließen wir sie aus der internationalen Gemeinschaft aus." (Aus: Leon Blum , Ohne Abrüstung kein Friede. Deutsche Ausgabe. Berlin 1931, Verlag von I. H. W. Dietz Nachf.) Mussolini auf dem Balkan.(AP.) In Bul garien sind zur Zeit wieder starke italienische Einflüsse am-Werk, die darauf hinzielen, den bulgari -' schen Revisionismus zu ermutigen und- zur Aktivität zu drängen. Dies Treiben italienischer Agenten findet seine Bestätigung in der Haltung der italienischen Presse, die im gleichen Sinne agitiert. Insbesondere hat kürzlich ein Artikel der„Stampa " große- Aufsehen erregt, der geradezu geeignet ist, den Haß Bulgariens gegen die Türkei zu schüren. Und zwar wird erklärt, daß die Türkei in letzter Zeit sieben Divisionen an der bulgarischen Grenze konzentriert habe und gewillt sei, die neutrale Zone in Thrazien aufzuheben. Die autoritäre bulgarische Regierung müßte demgegenüber, wenn das nationale Gewissen der Bulgaren noch nicht vollständig unrer- gegangen sei, einen Korridor zum Aegäischen Meer fordern. Man sieht, die Tatsache, daß Musso lini in Ostafrika freie Hand hat, wirkt s i ch bereits aus, und zwar abermals im Sinne einer Beunruhigung. Nachdem der Versuch, Griechenland zur Abkehr von der Balkanentente zu bewegen, gescheitert ist, wird die Türkei unter Feuer genommen, und zwar auf dem Wege, den bulgarischen Revisionismus auszunutzen und zu schüren. Tie Quertreibereien auf dem Balkan , die mit den italienischen Bemühungen in Albanien begannen und schon sehr zur Beunruhigung Jugoslawiens beigetragen haben, dienen nicht gerade der Aufrichtung der „Friedensfront", die Europa braucht. beachtlichen Leistungen aufgeschwungen und ein Bild vom nächtlichen Leningrad , mit dem Kontrast von dunklem Wasser und leuchtenden Häuserfenstern gehört zum Schönsten, was man in dieser Art sieht, sogar Lettland und Litauen , das langsame Spanien und das weitabgelegene Portu gal sprechen zu dem Beschauer und sagen es nicht nur durch die Blume, sondern durch die Leuchtkraft der Farben und di« künstlerische Vollkommenheit der bildlichen Darstellung. Alle Staaten haben die Wichtigkeit dieser Art Propaganda erkannt und die besten Hände in ihren Dienst gestellt. Fast alle, genauer gesagt. Denn wir, die Tschechoslowakei , sind nicht darunter. Zwischen den internationalen Plakatreihen der großen-Bahnhöfe in Westeuropa hängt auch manchmal ein Plakat der Tschechoslowakei . Dem Patrioten wird traurig zu Mute: wenn er hinschaut und aufrichtig ist sich selbst gegenüber, muß er erkennen, daß unsere Plakate kläglich anmuten neben dem, was die anderen Staaten bringen. Ich lveiß nicht, woran es liegt, die Farben sind matt, die Bilder uninteressant und langweilig, die Ausführung schmeckt verdammt, nach „sparen" und„billig". Neben den Plakaten auS allen anderen Weltgegenden fristen unsere ein Aschenbrödeldasein. Niemand schaut auf sie und wenn der Blick doch darüber fällt, so wendet er sich mit einem Ausdruck des Bedauerns ab, über I ein Land, das so arm ist an Naturschönhcltcn... ! Ueberdies find sie o f t nur englisch und französisch, zum Unterschied von den russischen, lettländischen, rumänischen, die man oft a u ch deutsch sieht. Vor allem aber die Ausführung! Jedes kleine Kind bei uns weiß, wie reich die Tschechoslowakei an schönen Gegenden ist, an alten Burgen, an malerischen Stellen, an interessanten Städte», an Kurorten von Weltruf. Was würden beispielsweise die Schweizer Plakatschöpfer machen, hätten sie eine Stadt wie Prag zur Verfügung! In Zürich sieht man jetzt überall ein neues Plakat, das in wunderbarer Ausführung den Zürcker See, mit einem Teil des Geländes, und einer großen Stadtfahne darüber zeigt. Das Plakat ist so schön, daß sogar die Zürcher davor stehen bleiben. Was ließe sich aus Prag , um nur ein Beispiel zu nennen, alles herausholen! Man muß nicht immer gletscherbedeckte Viertausender oder weltberühmte Kunstwerke zeigen. Manchmal kann man mit einem Hausdurchblick, einem Torbogen,, einem Stück Wasser, Land und Himmel weit größere Wirkungen herauSholen, wie wir aus den Erfolgen der modernen Photographie wissen. Jetzt, zu Beginn der Reisesaison, prangen in allen valutastarken.Weststaaten von Europa die Werbe- Plakate der Länder, welchen Fremdenverkehrswerbung eine Herzensangelegenheit ist. Unsere Plakate sieht man verschwindend selten und wenn ... ES scheint, datz wir uns nach den Mißerfolgen deS vergangenen Jahres auch Heuer wieder die erste Chance haben entgehen lassen. JosefWechsberg.
Ausgabe
16 (24.5.1936) 122
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten