Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Donnerstag, 28. Mai 1936

Wehranleihe angenommen

Koalition für besondere Berücksichtigung der Notstandsgebiete Begünstigungen auch für ordentliche Steuerzahler

mit ihr wie mit Staatsbürgern zweiter Klasse ber­jahre.

Der tschechische Genosse Polach und der Na­tionalsozialist Bergmann stellten die Forderung auf, daß an der Verteidigung des Staates niemand verdienen dürfe und die Opfer, die der Staats­berteidigung gebracht werden, gerecht auf alle Be­völkerungsschichten aufgeteilt werden.

Prag . Das Abgeordnetenhaus nahm Mitt-| ihnen in der Berufung reklamierten Betrages, Die Kommunist en stellten, um ihre ab­woch gegen Abend nach durchgeführter Debatte, höchstens aber von 25 Prozent der beanständeten lehnende Haltung einigermaßen begründen zu kön­in denen sich die Vertreter der einzelnen Parteien Steuervorschreibung gewährt werden soll, falls sie nen, durch Kopecky u. a. die Forderung auf, daß die auf kurze Erklärungen beschränkten, in beiden für denselben Betrag die dreiprozentige Anleihe Anleihe für die vermögenden Schichten einen Lesungen die Wehranleihe mit einer von zeichnen, alle Rekurse zurückziehen und ihre 3wangscharakter haben solle. Die KPC der Koalition beantragten Aenderung an, wonach schriftliche Zustimmung geben, daß die Steuer- wäre für eine Wehranleihe, wenn ihre Konstruk auch ordentlichen Stewerzahlern und gutschrift zur Bezahlung der laufenden Steuern tion und ihre Bestimmung den kommunistischen An­trägen entsprechen würde; so aber werde sich die nicht nur reuigen Steuerdefraudanten Begünsti- für 1935 und die folgenden Jahre verwendet kommunistische Fraktion der Stimme enthalten. gungen bei der Zeichnung gewährt werden sollen. wird, also feine Barrüdzahlung In der Debatte hatte Genosse de Witte erfolgt. namens unserer Partei an die maßgebenden Fak­toren den Appell gerichtet, mit der großzügigen Arbeitsbeschaffung aus dem Erträgnis der An­leihe vor allem dort einzusetzen, wo die Arbeits­losigkeit schon einen derartigen Grad erreicht hat, daß sie sich nicht nur physisch, sondern auch bereits geistig und moralisch verhängnisvoll auswirkt, also vor allem in den deutschen Rand­gebieten des Staates.

Es hatte schon der Finanzminister in seinem Erposé am Dienstag gewisse Zusagen in dieser Richtung gemacht. In den Kcalitionsverhandlun= gen gelang es nun, diese Zusicherungen in die Form einer von der gesamten Koalition beantrag ten und vom Hause auch angenommenen Rejo Iution zu kleiden, in der ausdrücklich von der Regierung verlangt wird, daß bei der Vergebung von Arbeiten in den einzelnen Bezirken in erster Linie Rücksicht auf die Arbeitslosen des eige ntent Bezirkes genommen werde, daß ferner bei Lieferungen vor allem die Betriebe in den größten Rotstandsgebieten berücksichtigt werden sollen. Da die größten Not­standsgebiete zumeist im deutschen Gebiete liegen, so ist bei konsequenter Durchführung der in dieser Resolution niedergelegten Grundsäße für unsere deutschen Elendsgebiete im Gefolge der Wehranleihe eine fühlbare Erleichterung zu

hoffen.

Diesen Gesichtspunkten konnte sich auch die SdP nicht entziehen, die noch am Vormittag im Ausschuß erklärt hatte, sie wissenoch nicht,

Außer den Sprechern der Koalitionsparteien er­klärten auch die Vertreter der Nationalen Vereini gung und der Faschisten, bedingungslos für die Vor­lage zu stimmen. Die deutschen Christlichsozialen beteiligten sich wieder im Ausschuß noch im Plenum

In der Debatte zur Wehranleihe brachte Esterhazy ( Ung. Chr.- Soz.) wiederum Be­schwerden der ungarischen Minderheit vor, daß man an der Debatte.

Neue Arbeitsmöglichkeiten für die

Eine Erklärung des Genossen de Witte

Namens unserer Fraktion de Witte folgende Erklärung ab:

gab Genoffe

Unsere Stellungnahme zu der vorliegenden An­leiheermächtigung ist durch unsere erst jüngst erfolgte Stellungnahme zu dem Geseze über die Staatsver­teidigung von selbst gegeben. Wenn der Staat daran geht, seine Verteidigung auszubauen, so ist es die elbstverständliche Konsequenz, daß ihm die dazu notwendigen materiellen und technischen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.

Wir begrüßen es, daß die Erklärung des Herrn

deutschen Gebiete

notleidenden Massen, in deren Namen wir hier sprechen, sondern vom Gesichtspunkte einer weit­blickenden und verantwortungsbewußten Staats­politik aus erheben wir darum die Forderung, daß das Erträgnis der Anleihe nach einem groß­zügigen Plan dazu verwendet wird, die Arbeitslosigkeit dort zu be kämpfen, wo sie am drückend sten ist, wo sie nicht nur in ihren physischen, sondern auch in ihren geistigen und moralischen Auswirkungen am verhängnisvollsten ist.

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 125

Ein Führer der Demokratie

In allen Gebieten der Republik wird heute dessen gedacht, daß der Präsident der Republik , Dr. Eduard Beneš , seinen 52. Geburtstag feiert. Jeder deutsche Sozialist dieses Landes weig und darüber hinaus wissen es alle sozialis

es

-

1

stischen Parteien der übrigen Länder- was der Präsident für den Staat, seine demokratische Ver­fassung und die Freiheit der Arbeiterbewegung Wir waren uns schon am für uns bedeutet. 18. Dezember 1935 dessen bewußt, daß die Wahl Beneš zum Präsidenten einen Markstein auf dem Wenn dies gejicheht, dann wird die Anleihe ihre Finanzministers neuerlich den unbedingten Sendung als eine Verteidigungsanleihe im höchsten Wege in eine bessere Zukunft ist und daß damit Friedens willen unserer Staatspolitik un- und edelsten Sinne erfüllen. Sie wird dann dem die Demokratie den stärksten Bürgen terstrichen hat. Wir können so die in Verhandlung Staate nicht nur die technische Ausrüstung geben, und Bundesgenossen erhalten hat, ſtehende Vorlage als weiteres Glied in der konse- deren Notwendigkeit wir uneingeschränkt anerkennen. der nach dem Abgang Masaryks möglich war. quenten Politik der Friedenssicherung erblicken, zu sondern sie wird ihm auch neue fittliche der wir uns bekennen. Wir wissen, daß der Friede Kräfte zuführen, die im Sinne der Ideale unseres In der Person des Staatspräsidenten er­heute nur durch die unüberwindliche Kraft und Staates und unseres derzeitigen Staatspräsidenten scheint ein doppelter Wille zusammengefaßt, der Stärke der friedenswilligen Staaten erhalten wer­den kann. Unsere Republik dient darum mit dem die wahren Grundlagen des Staates sind. Sie wird gerade jetzt für Europa und die gesamte Stultur­nicht nur seinem Schuß nach außen, sondern in welt notwendiger erscheint denn je: Friede Schuß ihrer Sicherheit auch der allgemeinen Sicherheit einer von tausendfältigen Gefahren be- ebenso hohem Maße seiner inneren Festigung dienen. in der Außenpolitit, Demokratie In der zuversichtlichen Erwartung, daß die im Innern! Beneš hat öfters in Reden drohten Welt. Verteidigungsanleihe in den Dienſt dieſer hohen Auf- und Schriften darauf hingewiesen, daß ohne gabe gestellt wird, stimmen wir der Vorlage zu. Demokratie der Friede nicht erhalten werden

Wir unterstreichen aber auch die Ausführungen was fic tun folle. Am Nachmittag erklärte des Herrn Finanzministers über die wirtschaft­liche und vor allem sozialpolitische dann ihr Sprecher in der Plenardebatte, daß die Bedeutung der Anleihe. So sehr unter EdP trotz allen sonstigen Bedenken mit Rücksicht den herrschenden Verhältnissen die technische Ausrü­auf die Arbeitsbeschaffung für die Vorlage stung als Mittel der Verteidigung im Vordergrund stimmen werde. steht, so eindringlich muß betont werden, daß die Gegen die Wehranleihe stimmten lediglich Verteidigung des Staates auf ihr allein nicht beru die Kommunisten, während die ungarischen Par- hen kann, sondern daß dazu der Abwehrwille lamentarier sich von der Abstimmung abfentiert und die Abwehrfähigkeit der Bevöl ferung unerläßliche Vorausset hatten. 8ung ist.

Am Vormittag fonnte der Budgetausschuß, der die Anleihe beraten sollte, zunächst stunden­lang nicht zusammentreten, da innerhalb der Koalition gewisse Schwierigkeiten aufgetaucht waren. Die tschechischen Sozialdemokraten ver= wahrten sich mit Recht dagegen, daß man durch die Steueramnestie und die Zusicherung der Steuerfreiheit für die dreiprozentige Anleihe lediglich den Steuerdefraudanten Begünstigungen bei der Anleihezeichnung gewähre. Da eine Eini gung in der kurzen Zeit nicht möglich war, wurde die Vorlage schließlich vom Ausschuß unverändert angenommen und die geplante Aenderung erst im Plenum auf Grund eines Koalitions antrages vorgenommen.

Zugleich mit der Wehranleihe wurde auch der zweite Punkt der Tagesordnung, der Jni­tiativantrag der tschechischen Genossen auf A u f= hebung der Stempelpflicht für Gesuche Arbeitsloser um Stellen im öffentlichen Dienst, vom Hause genehmigt.

fönne. Ich glaube", so sagte er einst im Parla­ment ,,, daß der Friede nur möglich ist durch die Demokratie". Friede und Demokratie bedeutet heute Menschlichkeit und Aufrechterhaltung der Kultur, Krieg und faschistische Diktatur aber Barbarei und Untergang aller großen Errungen­schaften der Menschheit. Beneš hat oft dargetan, daß auch in den internationalen Beziehungen der Staaten die Demokratie gewahrt werden müsse, d. H. alle strittigen Fragen durch friedliche Aus­einandersetzung bereinigt werden müßten und daß der Völkerbund die demokratische Einrichtung sei, auch die kleineren in welcher die Staaten

Gemeindewahlnovelle geändert Die Beschaffung von Arbeit, die wir als zentrales Problem unserer Nach kurzer Debatte genehmigte das Haus Politik immer und immer wieder hervorgehoben auch noch die Novelle zur Gemeindewahlordnung, haben, der systematische Kampf gewonach durchgefallene Wahlgruppen der Gemeinde gen die Arbeitslosigkeit zur fünftig die Kosten der Stimmzettel zu ersetzen gleichberechtigt nebeneinander sißen und gemein­Hebung des physischen und moralischen Zustandes haben. Die Bestimmung, daß die zuständige Be- sam entscheiden können. Die Gefahr für den der breiten Massen der Bevölkerung, auf deren hörde in Ausnahmsfällen von Eintreibung dieser Völkerbund und die Gefahr für Europa gehen Kraft die Kraft des Staates beruht, ist darum eine der hervorragendsten Aufgaben auch im In- Kosten nach freiem Ermessen absehen kann, stieß von den zwei faschistischen Zentren Berlin und im Ausschuß auf Widerspruch und wurde schließ Rom aus: Faschismus ist Krieg, Demokratie ist teresse der Staatsverteidigung. Es geht daher nicht um eine bloße Neben- lich gestrichen. Die kommunistischen Sprecher Friede. wirkung der Anleihe, es geht um den machten aus der Novelle gar einen großen An- Deswegen werden aber die demokratischen Kern des Problems, wenn wir die Er- griff gegen das allgemeine Wahlrecht und gegen Staaten nicht ruhig zuschauen, wie die faschisti­wartung aussprechen, daß die Verwendung der die Selbstverwaltung. Gleichzeitig mit der No- schen Staaten rüsten und den Krieg vorbereiten. Anleihe plan mäßig in das gesamte Arbeits- velle wurden auch Resolutionen angenommen, in Wollen wir unsere Freiheit erhalten und sie beschaffungsproblem eingegliedert wird. denen die gesetzliche Regelung der Numerierung unseren Kindern bewahren, dann müssen wir sie der Kandidatenlisten bei Gemeindewahlen und nicht nur mit Worten verteidigen. Wir wollen eine Novellierung des Gesetzes über die ständigen mit allen unseren Nachbarn in Frieden leben und Wählerlisten gefordert wird..

Gerade in den industriellen Rand Demnach soll auch den Steuerzahlern, die gebieten des Staates, in den Gebieten mit ihrer Steuerpflicht ordnungsgemäß nachgekommen überwiegend deutscher Bevölkerung, welche sind, eine Begünstigung bei der Anleihezeichnung durch den Niedergang der kapitalistischen Wirtschaft, eingeräumt werden. Zu diesem Zwecke wurde ein durch den Zusammenbruch des Exportes am härtesten neuer Paragraph 5 eingeschoben, der besagt, daß betroffen sind, stehen seit Jahren hunderttausende solchen Steuerzahlern, welche gegen Steuervor- Menschen außerhalb der Betriebe. Sie sehen ange= schreibungen aus den Jahren 1927 bis 1934 zwar fichts des Versagens der Privatwirtschaft ihre Hoff­Berufung eingelegt, die vorgeschriebenen Steuern aber samt Zuschlägen bereits bezahlt haben, eine Steuergutschrift in der Höhe des von

Vandervelde beim König

Brüffel. König Leopold III. begann Mitt woch die üblichen Beratungen zur Beseitigung der Regierungstrise. The der König der Belgier eine definitive Entscheidung über die Persönlichkeit trifft, will er mit allen politischen Führern Be­ratungen pflegen. Die erste Persönlichkeit, mit der König Leopold in Beratungen eintrat, war der Vorsitzende der sozialistischen Partei Bel­ giens , Vandervelde.

nungen auf Wiedereingliederung in die Produktion von Tag zu Tag dahinschwinden. Sie können ange­sichts der fortschreitenden Rationalisierung selbst von einer besseren Konjunktur keine wesentliche Er­leichterung ihres Schicksals erwarten.

*

Ermächtigungsgesetz

nächste Woche

Die Nächste Sißung findet Donnerstag, den 4. Juni, uni 11 Uhr vormittags statt. Auf der Tagesordnung steht neben der Kunstfettabgabe noch die Verlängerung des wirtschaftlichen Er­Hier helfend einzugreifen, hier die Er ist en a- mächtigungsgesezes, gegen die im Ausschuß u. a. möglich feiten zu schaffen, zu deren Schaffung auch die tschechischen Nationalsozialisten aufge­der niedergehende Kapitalismus nicht mehr fähig ist, treten waren. Ihr Sprecher hatte zunächst nur ist darum nicht bloß eine soziale Verpflichtung einer Verlängerung auf ein halbes Jahr zustim­des Staates. Es ist eine Aufgabe im höchsten men wollen, doch wurde nach dem Eingreifen des Ministerpräsidenten in die Verhandlungen die Interesse des Staatesielbst. Der Staat darf um seiner selbst willen die Vorlage vom Ausschuß in der Regierungsfassung Massen der arbeitenden Menschen in unseren Not­standsgebieten nicht der Verzweiflung anheim- angenommen. An größeren Arbeiten hat das Par­fallen lassen, die von den Feinden des Staates lament vor den Ferien dann noch die Steuer und der Demokratie in schamloser Weise ausge- novelle, das Eisenbahngesetz und die bentet werden und zu einer Gefahr für den Staat Gleichstellung der vierten Etappe der Staatlichen zu werden drohen. Nicht bloß im Interesse der Pensionisten vor sich.

viel lieber würden wir all unsere Kraft den Werken des Friedens widmen. Aber wir dürfen nicht wehrlos sein, denn das würde für die faschi­stischen Gewalthaber geradezu ein Anreiz sein, diese Insel der Demokratie zu überschwemmen. Die Demokratie muf wehrhaft sein oder sie wird nicht sein. und in so schiverer Zeit brauchen wir einen Führer wie Beneš, der schon vor mehr als einem Jahrzehnt die moralische Pflicht der Verteidigung der Demokratie verkündet hat: ,, Die Demokra­ tie ", so legte er es dar ,,, hat auch eine welt­anschauliche Pflicht: Die Pflicht, ihre Eristenz zu erhalten. Wer die Freiheit und die Demokratie nicht zu verteidis gen vermag, ist ihrer nicht wert."

Für den Idealisten, den Friedensfreund, für jenen, dessen Ziel die Herrschaft der Humani­tät im Leben der Völker ist, ist die Zeit des Faschismus und der Barbarei hart und man muß Mittel anwenden, zu denen man sich nur schwer