Sonntag, 7. Juni 1936 16. Jahrgang ERSCHEIN! MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii., fochova«r. telefon sxn. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS , PRAG . IENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Einzelpreis 70 Heller (einschließlich 5 Heller Porto) Kurze, aber inhaltsreiche. Erklärung Blums Das Programm der Linksregierung Die Kammer spricht Blum mit 384 gegen 210 Stimmen das Vertrauen aus Die Bukarester Zusammenkunft erster * Die Regierungsmehrheit unterbrach sehr häufig durch lebhaften Beifall und zustimmende Rufe die einzelnen Absätze des Regicrungspro- grammes. Das Zentrum schloß sich hei den die Friedensliebe Frankreichs erwähnenden Passus dem Beifall an. be- des I I Paris. Das Kabinett Leon Bl « mstellte sich Samstag Nachmittag dem Parlamente mit einer Regiernngserklärung vor, welche in der Kammer Ministerpräsident Lion Blum, im Senate der Bizepräsident der Regierung und Minister für Nationalverteidignng D a l a d i e r verlas. Leon Blum stellte nach der Debatte die Vertrauensfrage. Mit einem Stimmenverhält­nis von 384 gegen 210 Stimme» wurde ihm das Vertraue « ausgesprochen. Ferner wird die Regierung dem Parlamente ein System der Vereinfachung und Erleichterung des Steuersystems unterbreiten, welches die Bedin ­gungen der Produktion und des Handels crleich-1 darüber aus, daß die Regierung gegen die Deval- tern wird........: Neue Steuern nur für Reiche Die Regierung wird neue Steuern nur den großen Vermögen auserlesen. Sie wird Steuerhinterziehungen bekämpfen und die Belebung der allgemeinen Unternehmertätig ­keit sowie der französischen Wirtschaft fördern und zur Linderung der Arbeitslosigkeit beitragen, um allen jenen, welche durch ihre Arbeit den tatsäch ­lichen Reichtum des Landes schaffen, Wohlstand und Sicherheit zu geben. Schutz der Republik Wir werden dir republikanische Ordnung sichern. Wir. werde» die Gesetze der rrpubliktz- nischen Verteidigung mit ruhiger Festigkeit an ­wenden. Wir werden zeigen, daß wir alle Verwaltungen und öffentlichen Dienste mit, republikanischem Geiste erfüllen und seine unerschütterliche Re ­spektierung gewährleisten werden. Die Regierung ist sich durchaus im Klaren über die Schwierigkeiten, die sie erwarten und Will sie auch dem Lande nicht verhehlen. Ast wenigen Tagen wird die Regierung öffentlich eine erste Bilanz der wirtschaftlichen und finan ­ziellen Lage aufstellen, wie sie sich zu Beginn der gegenwärtigen Legislaturperiode darstellt. In d.. i gleichen Geiste und der glei ­chen Entschlossenheit wird das Kabinett die Füh ­rung der internationalen Angelegenheiten in Angriff nehmen. Der Wille des Landes ist klar: Das Land will den Frieden, und zwar einstimmig, es will den ungeteilten Frieden mit allen Rationen der Welt und für alle Nationen der Welt. In der Einleitung heißt es in der Regierungs­erklärung, daß die aus den letzten Kaunnerwahlen hcrvorgegangene Mehrheit die mächtigste und klarst« Mehrheit darstellt, die jemals in der Geschichte der Französischen Republik zu ver­zeichnen ist. Das französische Volk hat seinen uner­schütterlichen Willen kundgetan, die demokratischen "Freiheiten gegen alle Versuche der Gewalt und der List zu schützen. Das Volk hat seine Entschlossenheit bekräftigt, neue Wege zur Bekämpfung der Krise zu suchen. Die Gesetzentwürfe ! Zu Beginn der nächsten Woche wird die Re­gierung der Kämmer einen Komplex von Geset­zen einbringen und die Kammer bitten, daß sie sie rasch erledige. Diese Gesetze werden betreffen: Die Amnestie, dir 40-Stundrn-Arbeitswochr, die Kollektibvrrträge, die bezahlten Urlaube, einen Plan für große öffentliche Arbeiten zur wirtschaftlichen, sanitären und wissenschaftlichen Ausrüstung, für den Sport und den Fremden­verkehr, die Verstaatlichung der Kriegswaffen- herstrllung, die Schaffung eines Grtreideamtes, (welches als Beispiel für die Aufwertung an­derer landwirtschaftlichen Erzeugnisse dienen soll, wie des Weines, des Fleisches und der Milch), die Verlängerung der Schulzeit, einer Reform der Satzungen der Bank von Frank­reich, die das Vorherrschen nationaler Interes­sen in der Verwaltung der Bank garantiert, ferner eine erste Abänderung der Notverordnun­gen zugunsten der am meisten betroffenen Gruppen der Angestellten der öffentlichen Dienste und der ehemaligen Frontkämpfer. Sobald diese Maßnahmen angenommen sein werden, wird die Regierung dem Parlamente eine zweite Serie von Vorschlägen unterbrei­ten, welche die Schaffung eines Stawtsfonds für Arbeitslose, die Versicherung gegen Katastrophen in der Landwirtschaft und Erleichterungen der land­wirtschaftlichen Schuldenlast, ein neues Pen- stonsregime, welches die bejahrten Arbeiter sowohl in den Städten als auf dem Lande vor der Rot schützen wird, betreffen. vation ist. Sturmszenen rief der rechtsradikale. Depu­tierte Vallat hervor, als er den Minister­präsidenten mit antisemitischen Schlagworten an­griff. Vallat mäßigte sich aber in dem Augenblick, in welchem der Kammerpräsident Herriot Diszi- plinarmittel ankündigte, die fiir Vallat den E n t- z u g der Diäten für eine gewisse Zeit deutet hätten.. Die Sitzung mußte wegen Lärms eine Zeitlang unterbrochen werden. Schlußwort Blums . Leon Blürtt erwiderte ckbends.' Er" führte hierbei aus:Wir", sind Sozialisten/ aber das Land. hat nicht den Sozial isteii- allein, noch den proletarischen Parteien die" Mehrheit gegeben. Wir sind in der. Regierung. pm. das.Programm der Volks-öinksfront zu verwirklichen. Wir wer­dest das auf verfassungsmäßigem Wege und unter allen gesetzlichen Garantien tun. Dir Arbeiterklasse wünscht eine Verbesse­rung ihrer Situation, aber sie will sie in Ruhe erreichen. Die Streikbewegung ist ernst, der Streik hat wirklich eine»roße Ausdehnung ge­nommen, aber die Arbeiter bewahre« überall Ruhe. Sie haben zwar die Fabriken besetzt, in keinem Falle aber ist es zu Zusammenstößen, wie so oft in der Vergangenheit, gekommen. Ein Streik ist zwar keine legale Form, man muß sich aber des­sen bewußt werden, daß die Hauptursache der Unzufriedenheit der arbei­tenden Schichten und damit des gegenwärtigen Streikes in der sehr langen Dauer der Krise und Rot der Arbetterklasse zu suchen ist. Wechsel in der Leitung der Bank von Frankreich Paris. Der Ministrrrat genehmigte ei« Dekret, mit dem der Generalprokurator des Rech­nungshofes Labeprie mit der Ausübung der Funktion des Gouverneurs der Bank von Frank­reich an Stelle des bisherigen Gouverneurs be­traut wird. Der. Ministerpräsident stimmte der sofortigen Debatte über die Regierungserklärung zu. Als Redner ergriff der der Rechten angehörige Dpu- tirte Fernand Laurent das Wert. Er erklärte, das Vertrauen könne nur dann votiert werden, wenn ein Programm der Regierung besteht. Die­ses geht aber, aus der Regierungserklärung nicht hervor. Der zweite Redner, Paul Rey« nault(Zentrum), spricht seine Verwunderung Bukarest. Präsident Dr. Benes kam SamStag vormittags um 10 Uhr in Bukarest an. Auf deni Bahnhof wurde er von König Carol, der gesamten Regierung mit dem Ministerpräsi­denten T a t a r e s e u und Außenminister Tituleseu an der Spitze, dem diplomatischen Korps und zahlreichen anderen Würdenträgern empfangen. Rach der Begrüssung schritt Dr. Benes die Ehrenkompanie ab, worauf er in festlichem Zuge in das königliche Palais geleitet wurde. Prinz Pavle von Jugoslawien , welcher kurz darauf in Bukarest ankam, wurde mit dem­selben Zeremoniell empfangen. Zu Mittag wurde in der rumänischen Haupt­stadt, die Festkleid trägt, eine große Truppen­parade abgehaltrn. Zur Begrüßung der Staats­oberhäupter sind in Bukarest 10.000 Bürger-, meister von Städten und Gemeinden erschienen. Rach einem. Galadiner empfing Präsident Dr. Benes am Nachmittag den Ministerpräsi­denten Tataresru und den Außenminister Tituleseu. Gegen Abend begab sich der Prä­sident auf die ffchechoslowakische Gesandtschaft, wo er die Vertreter der ffchechoslowakischrn Kolonie empfing. Vor einem Bürgerkrieg in China Dir Spannung zwischen dem Südwestlichen Politischen Rat in Canton, der ein Stütz- puntt der linken Kuomintang ist, und der Zentralregierung in Nanking ist in den letzten Mona­te» wieder akut geworden, nachdem es eine Zeitlang den Anschein hatte, als ob diese Spannung weniger scharf geworden sei. Abgesehen von den innenpolitischen Differenzen(Nanking vertritt die zentralistische Richtung gegenüber den Föderalistischen Tendenzen von Canton), handelt es sich da vor allem um das Bc r h ä l 1 n i s z u Japan. In Nanking scheint in den letzten Mo­naten jene Richtung die Oberhand zu gewinnen, die in dieser oder jener Form zu einer Brrstän- digung» ja zu einer engeren Entente mit Japan neigt. Marschall Chiangkaischek glaubt offen­bar nicht an die Möglichkeit eines erfolgreichen Widerstandes gegen die japanischen Urbergriffe in Rordchina, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit und nicht bei dem jetzigen Zustand der chinesi­schen Wehrkraft. Ein Krieg mit Japan in der heutigen Situation würde bestimmt zu einer Katastrophe für China führen. Auch die allgemeine weltpolitische Situation ist für China un­günstig, da man weder von englischer noch von russischer Seite eine tatkräftige Unterstützung er­warten darf. Die Bereinigten Staaten find aber gegenwärtig und wohl ijs zu der Präsidenten­wahl im November zu sehr durch innenpolitische Kämpfe in Anspruch genommen, um einen Einfluß auf die fernöstlichen Ereignisse zu nehmen. Die Cantoner Bewegung richtet sich weniger gegen Japan als gegen die Regierung Chiangkaischeks. Die Kau ton es en können auch p r a k t i s ch«ich t s g e g e n I a p a n unternehmen: die Entfernung zwischen Canton und Peiping ist fast ebenso groß wie zwischen Madrid und Berlin. Eine größere politische Be- deutung haben die Ereignisse in der Provinz F« kie n, die der japanischen Insel Formosa (Taiwan) gegenüber liegt. Dir Aufstandsbewegung in Fukien ist wahrscheinlich auf japanische Einflüsse zurückzuführen , Japan erhebt seit langer Zeit Anspruch auf eine besondere Stellung in dieser Provinz, die heute zum Machtbereich von Canton gehört. Vie Erschütterung der SdP Unter dem wachsenden Druck der Rebellio­nen in den verschiedensten Parteikaders hat sich die SdP endlich entschlossen, durch einenAuf­ruf" des Gottsöbersten und durch einen spalten­langen Artikel S a n d n e r s in derRundschau" - die;3eit" bringt daraus nur einen kurzen Auszug- einiges zur Erklärung der Revolte verlauten zu lassen. Nach der.Darstellung Sand- ners handle es sich lediglich um ein halbes Dut­zend Männer, die erste Machtpositionen in der Partei beanspruchten, ohne noch dasletzte Ver­trauen des Führers" zu besitzen. Sandner plau­dert dabei bedauernd aus, daß Henleins Leib­gardedurch Monate hindurch über Vorgänge geschwiegen" hat, die sie eigentlichschon frühzei- tig zum entscheidenden Eingreifen hätte"veran­lassen sollen". Diejenigen, denen am vorbildlichen Funktionieren der SdP gelegen ist, dürften und müßten also nun dem Herrn Henlein den Vor­wurf machen, daß seine göttliche Fähigkeit, Ord­nung zu machen, monatelang versagte, obwohl, wie Sandner weiter feststellt, die SdPseit den ersten Tagen ihres Bestandes unter den Forde­rungen dieser Anspruchsvollen schwer zu leiden gehabt haj"! Und diese Anspruchsvollen hätten nun in offener Rebellion ihre Forderungen zu erzwingen getrachtet. Als Rebellanten zählt Sandner die Herren Haider, Stnagon, Brehm und Dr. Kreiß! und als mit ihnen solidarisierend die Herren Kasper und den Achg. Liebl auf. Dem Herrn Haider wird vorgeworfen, daß er obzwar er nicht einmal Parteimitglied war(und es bis heute nicht ist), von Henlein als dessen Stellvertreter eingesetzt zu werden wünschte; da­zu. hielt mag ihn noch für nicht genügend be­währt, aber man"machte ihmwiederholt verschie­dene weitgehende Angebote", die wiederum dem Herrn Haider nicht als genügend verlockend er­schienen. Wohlgemerkt: man wollte ihm große Positionen einräumen, obzwar er. nicht einmal der Partei angehörte l. So also schaut die Wirtschaft iy.her, Füh­rung derVolksgemeinschaft'" aus! Draußen, im sudetendeutschen Gebiet, trejben die Henleins, wo sie können, den Arbeitern und Angestellten die Arbeitsplätze ab, wenn die. der.Totalität" Ab­holden nicht das Mitgliedsbücher der SdP besit­zen aber in der Hauptleitung werden Leute, die nicht eimnal wie sagt SaNdner?:die pri- mitivste Voraussetzung jeglicher Mitarbeit", näm­lich den Beitritt zur SdP nachweisen,, zu den höchsten Ehrenämtern der Partei herangezogen! Da wird es nun niemanden mehr wundernehmen, wenn wir mitteilen Herr Sandner selber gibt da? nicht Mm Vesten daß auch in der Redak­tion des SdP-Zentralorgans, derZeit", Redak­teure sitzen und saßen/die der SdP gar nicht an­gehören. Man hat uns sogar berichtet, daß die Mehrzahl der.Zeit"-Redakteure nicht SdP- Mitglieder sind. Was sie aber nicht hindert, jeden Tag alle diejenigen anderen, die nicht der SdP antzehörtn, alsaußerhalb der Volksgemeinschaft" Stehende und also als Deutsche minderen Gra­des zu" disqualifizieren! Dem Herrn S m a g o n wirft Sandner vor, daß er in der Mähr.-Schönberger Kreisleitung intrigierte, statt zu arbeitens Und Herr B r eh in hätte Aehnliches getan, obzwar"man ihm als Zei­chen^vorbehaltlosen Vertrauens"" sogar eine Jahreskarte auf der Eisenbahn verliehen hatte! Wie nobel diese Verleihung, wie nobel jetzt der Vorwurf ihrethalben! K r e i tz l hätte sich mit den Genannten so­lidarisch erklärt und Kasper: und Liebl, zwei Männer höchstenFührer"-Vertrauens, hätten mitgetan. Diese sechs also hättendas Vertrauen der Massen erschüttert und den Glauben an den Wie­deraufstieg des Sudetendeutschtums untergraben". Nun, wenn Herr Sandner glaubt, daß Lis große Masse der SdP-Anhänger von diesen seinen Erklärungen befriedigt sein wird, befindet er sich unseres Erachtens ganz elend auf dem Holzweg. Nach der Darstellung des Herrn Sandner wäre anzunehmen, daß die ganze Revolte in der SdP lediglich auf den Ehrgeiz eines halben Dutzend Männer zurückzuführen sei. In Wirklichkeit aber rech ellieren doch H underte und T a u- sende, und wahrhaftig nicht deshalb, weil sie sich kränkten, daß der Herr Brehm oder der Herr Smagon noch nicht zu SdP-Generalen ernannt wurden. Nein, sie rebellieren, weil sie mit der Polttik und Taktik der Partei nicht einverstanden