Seite 2 Sonntag, 7. Juni 1936 Nr. 133 sind, weil sie die vor allem im Sozialpolitischen reaktionäre Haltung der Partei verurteilen und weil sie empört sind über die Methoden, die sich der Führerklüngel zurechtgelegt hat. Herr Sandner ist jetzt vom Allmächtigen mit der Durchführung der„Läuterungsaktion" betraut. Wäre er Göring und lebte er in Berlin , dann könnte er das halbe Dutzend und noch einige mehr an die Wand stellen, den Rest der Rebellen mit Konzentrationslager bestrafen oder doch bedrohen. So aber wird er nur reden und verhandeln, auf den Tisch schlagen und mit Enthüllungen drohen können— was aber die Bedrohten totstcher mit dem freundlichen Hinweis darauf beantworten werden, daß sie selber auch einiges Nette über die SdP zu erzählen hätten. Und vielleicht werden die von Sandner schon jetzt namentlich Verfemten, die Ausgeschlossenen und. Ausgetretenen, in der Presse sofort manches verlauten lassen, noch ehe Herr Sandner mit der„Läute- rungsäktion" im ersten Parteikreis fertig zu sein glauben wird. Der Krach in der SdP Aeäbietet alles, was je an Zerwürfnissen innerhalb einer sudetendeut schen Partei zu verzeichnen war. Niemals ist in einer deutschbürgerlichen Partei hierzulande— vott den Sozialdemokraten natürlich gar nicht zu reden— eine solch« Rebellion von Uirterführern und Geführten gegen die Parteileitung zutage« getreten. Selbst die Kommunisten, die bisher den Rekord an Garniturenwechseln und dergleichen hielten und die mehr als ein Jahrzehnt hindurch mit«Säuberung saktionen" die angestrebten Ziele immer mehr verfehlten, können sich darin mit den Henleins nicht messen, bei denen di« Geschichte„Läuterung saktion" heißt. Nun stehen innerhalb der„Einheitspartei" die einen gegen die anderen. Welche Konsequenzen das noch für das innere Getriebe der SdP und für ihre politische Stellung innerhalb des Sudetendeutschtums und innerhalb des Staates haben wird, läßt sich nicht Voraussagen. Auch jetzt noch möge sich niemand zu der Illusion verleiten lassen, daß die.SdP nun gleich radikal zu- sammenbrechen werde. Eines aber steht fest: der Nimbus ist gewichen, die Zweifel beginnen zu nagen, die„Totalität" fängt an, sich durch sich selber zu verbluten. Und deffen freuen wir uns vom ganzen Herzen, weil wir überzeugt sind, daß die Ernüchterung in der SdP und über sie notwendige Voraussetzung für einen wahren Aufstieg des arbeitenden sudetendeutschen Volles ist. IMe Strelklage Paris . Samstag, am elften Tage des Arbeiterstreikes, hat dieser sowohl in den verschiedenen Fachgruppen als auch unter dem Ladenpersonal eine weitere Ausbreitung erfahren. Alle großen Warenhäuser sind geschloffen. Nur eines von ihnen»«Bon Marchs", meldet, daß es den Angestellten«inen bezahlten Urlaub gewährt. Es scheint, daß sich der Streik in den nächsten Stunden auch auf die Theaterbediensteten sowie auf das Personal der Biographen und der Filmateliers aubbreiten wird. So wie in den vergangenen Tagen ist auch heute in Paris der Verkehr gesichert. Für die Versorgung von Paris ist im vollen Maße und allseitig gesorgt. Die Wasser«, Gas und Elektrizitätsversorgung funktioniert normal, ebenso wie der Dienst in den Zentral« Markthallen. Die Arbeiter des SchlachthofeS haben wieder den Dienst angetreten, denn ihren Forderungen wurde entsprochen. Von nirgends wird eine Störung der Ordnung gemeldet. Früh sind wieder alle Blätter erschienen, aber das Hachette-ExpedittonSbüro und die Chauffeure der Transportgesellschaften streiken. Deshalb unterblieb die Versendung der Zettungen in die Provinz. In den Citroen- Werken wurde zwischen Arbeitgebern und der Ar« bettevschaft keine Einigung erzielt. AuS diesem Grunde haben die Arbeiter neuerdings dre Fabrik besetzt. Der Streik in Lille brettet sich in einer Reihe weiterer Betriebe aus. Im Gebiete vcn Lille besetzten die Arbeiter in vollkommener Ruhe ungefähr 200 Fabriken. Vle Taktik der französischen Kommunisten (AP.) Die künftige Taktik der französischen Kommunisten im ganzen genommen ist zur Zeit noch so wenig eindeutig, wie sie es bisher in Einzelfragen, z. B. in der Stellung zur Armee, ist. Dort haben wir ein Schwanken zwischen der alten Taktik der Armeezersetzung, der antimilitaristischen und defaitistischen Propaganda einerseits und der neuen, durch das französisch-russische Bündnis und die Gefahr seitens des Dritten Rei» ches gebotenen Linie der positiven Einstellung zur nationalen Verteidigung und den Bedürfnissen des französischen Heeres. Dies Schwanken ist nicht verwunderlich, denn der neuen Praxis ist die Theorie, die unverändert blieb, nicht angepaßt worden. Auf der einen Seite haben wir die Weigerung, an der Regierung teihunehmen, den Ruf der„Humanitt" nach drakonischen Maßnahmen in wirtschaftlicher Hinsicht, die, wie das Bemühen zur Beruhigung der Wirtschaft angesichts der Kapitalflucht und der Goldabwanderung zeigt, keineswegs im Sinne der Regierung Lion Blum liegen, ferner den Vorschlag zur Bildung einer einheitlichen Arbeiterpartei und den Ruf zur Schaffung von Komitees der republikanischen Verteidigung und Uebevwachung, die die Tätigkeit der Regierung kontrollieren und eine Art Nebenregierung bilden sollen. Das würde bedeuten, die Sozialisten zu bevormunden und die Volksfront unter rein kommunistischen Einfluß zu bringen. Es gibt aber auch viele andere Momente. Der kommnistische Fraktionsführer forderte in einer Rede die Intensivierung des französischen Sports und bezeichnete es als beschämend für Frankreich , daß die ftanzösischen Sportsleute international überall ins Hintertreffen gerieten. Er forderte 1 Milliarde Francs zur Anlage vtzsii Stadien und SporHlätzen. Weiter kündigte er Anträge zur— Hebung der Geburtenziffer an. Dies hat ungeheures Aufsehen ausgelöst. Ferner wurde bekanntgegeben, daß die Vermögensabgabe sich nicht auf Vermögen über 800.000 Francs, sondern erst auf Vermögen über 1 Million Francs erstrecken solle. Bon den Sparern, Gewerbetreibenden und Landwirten wurde das beifällig ausgenommen. Zur Kolonialfrage äußerte die„Hu- manite" entgegen der bisherigen Forderung der „Befreiung vom Joch des französischen Imperialismus", man begnüge sich mit der Einsetzung einer parlamentarischenUntersuchungSkommiffion, die die Lage in Nordafrika und Jndochina zu überprüfen haben werde. Die KPF hat augenblicklich einen Januskopf. Die Arbeitsvermittlung Unternehmerangriffe gegen den Entwurf des Fürsorgeministeriums Der Initiative der Sozialdemokraten ist es zu danken, daß eine von der Arbeiterschaft sett Jahren vertretene Forderung der Verwirklichung jetzt ein Stück näher gebracht worden ist. Das Sozialfürsorgeministerium hat vor kurzem dem interministeriellen Verfahren einen neuen E n t- wurfüber die Errichtung von Arbeitsvermittlungsämtern zugeleitet, der ein« baldige parlamentarische Erledigung finden soll. Dieser Entwurf berücksichtigt weitgehend die Anregungen der Gewerkschaften. Wird er Gesetz, so ist damit das große sozialpolittsche Aufbauwerk in twr Tschechoslowakischen Republik wieder ein gutes Stück weiter gebracht worden. Aber eben das wollen die Gegner einer fortschrittlichen sozialpolitfichen Gesetzgebung verhindern. Mit voller Wucht stürmen die Unternehmer- svndizi in Arttkeln, die die bürgerlichen Zeitungen ohne Unterschied der Nationalität bereitwilligst veröffentlichen, gegen den Entwurf an, und die Handelskammern und Jndustriellenberbände fabrizieren in ihren schleunigst einberufenen Ausschußsitzungen Protestentschließungen. Die sachlichen G r L n d e für die ganzstaalliche Regelung der Arbeitsvermittlung, für die Errichtung von Vermittlungsämtern, für die Einführung des Meldezwanges, für den Bedarf an Arbeitern und der obligatorischen Verpftichtung, Neueinstellungen nurmehr durch die Vermittlungsstelle vorzunehmen, werden von den Unternehmern einfach ignoriert. Daß die Dauer-MassenarbeitSlofigkett die Mängel der privaten Arbeitsvermittlung unerträglich gemacht, daß durch sie die Arbeitslosigkeit von Tausenden arbeitsbereiten Menschen verlängert und ihr Elend vermehrt worden ist, daran gehen sie achtlos vorüber. Daß gerade in den Krisen« jähren sich durch das Verhalten der Unternehmer Mißstände über Mißstände herausgebildet haben und zahlreiche Fälle zu verzeichnen sind, wo der Gesinnungsterror gegen die Arbeiter nachweislich ist, das alles wird in den Unternehmerkundgebungen gegen den Gesetzentwurf über die Arbeitsvermittlungsämter verschwiegen. Aber es wird um so vollkommener der alte Trick geübt, die wahren Gründe der Gegnerschaft gegen diesen geplanten sozialpolittschen Akt zu der, heimlichen und dafür um so lauter über die Schädigung der Wirtschaft und deS kleinen Angestellten und über den angeblichen„Widerspruch zu den grundlegenden BerfaffungSrechten" zu klagen. Der Unternehmerspudikus Dr. Milto Kotrba bedauert in der„Bohemia" in einem Artikel„Irrwege der Arbeitsvermittlung" den kleinen strebsamen Angestellten, der sich dann nicht mehr nach einer befferen Stelle umschen könne. Der ArbeltgeberauSschuß des-- tschechoslowakischen Jndustriellenye.rbandeS wendet siH dagegen, daß der Arbeitsvermittlung „Aufgaben übertragen werden sollen, di« in keinem Zusammenhang mit ihr stehen" und daß„sie sich auf alle Zweige der Lohnarbeit beziehen soll". Deutlicher ist schon dieser Satz der Entschließung: „Ebensowenig kann allerdings dem beantragten Rechte der Arbeitsvermittlungsstcllcn zuge« stimmt werden, auf die Bedingungen der ArbeitS- verhältniffeS Einfluß zu nehmen und in Lohnstrtt« ten gegen den Arbeitgeber zu kämpfen. Die Folgen des Verbotes, daß die Arbeitsvermittlungsstellen für einen Betrieb, in dem ein Stteik oder ein« Aussperrung ausgebrochen ist, keine Arbeitskräfte vermitteln dürfen, find leicht abzusehen, wenn der Arbeitgeber keine anderen Kräfte aufnehmen darf als jene, die ihm die Arbeitsvermittlungsstelle zuweist. DieS würde einen d irekten A n- reiz zu ständigen Stritten aus oft kleinlichen Gründen bedeuten und in seinen Folgen auch zu einer Desorganisation in den Kreisen der Arbeitnehmer führen." Ja, wenn in dem Entwurf die Arbeitsvermitt- lungsämter zur Vermittlung von Streikbrechern verpflichtet würden, dann würden die Industriellen ihm keinen Widerstand entgegensetzen und auch nicht über Verletzung von BerfaffungSgrundsätzen klagen. Aber weil das Gesetz die Arbeiter vor der Unternrhmerwillkür, vor dem sich breitmachenden Terror gegen die Irenen Anhänger der Sozialdemokratie«nd der freien Gewerkschaften schütze« und damit den demokratischen Grundsätzen auch auf dem sozialen Boden unseres Staates den Weg ebne« will— darum wollen die Industriellen alS Gegner der Demokratte»nd als Feinde des sozialpolittschen Fortschritts den Entwurf zu Fall bringe«. Das Blatt der Hochfinanz Sorgen der»Bohemia" Die„Bohemia" hat Sorgen. Nicht etwa deswegen, weil es im sudetendeutschen Gebiet zehntausende von Erwerbslosen gibt, sondern— weil in der geplanten Steuernovelle„bei den Abzugsposten zur Besserung der Erwerbsteuer- Grundlage Bestimmungen ausgenommen werden» welche die unter dem Titel„Gehälter" gezahlten Beiträge nur bis zu einer Höhe von 250.000 Kö als Abzugsposten anerkennen." Die„Bchemia" tut dabei so, als ob es sich nicht um das Luxuseinkommen von ein paar Bank- und Fabrikdirektoren handelte, sondern um den Staat, der durch eine Senkung der hohen Einkommen um Steuern kämel Welche Heuchelei in dieser Begründung liegt, zeigt sich schon ein paar Zeilen ttefer, da das Blatt davon spricht, es handle sich bei diesen hohen Gehältern nur um Ausnahmen, ohne dcwei zu bedenken» daß dann der Sttuer- entgang für den Staat gar keine Rolle spiell. Es ist unnötig, mit der„Bohemia" lange zu polemisieren, es genügt festzustellen, daß im Jahre 1936, da zehntausende deutscher Volksgenossen keine Arbeit haben und auf die Ernährungskarten angewiesen sind, die„Bohemia" einen Feldzug für jene führt, die ein Jahreseinkommen von mehr als 250.000 Kö haben. Wer da noch daran zweifelt, daß die„Bohemia" ein Blatt der Hochfinanz ist, der ist unbelehrbar. Präsident«nd Regierung für die Berteidi- gungsanleihe. Der Präsident der Republik hat vor seiner Abreise nach Bukarest hinsichtlich brr persönlichen Zeichnung der' NaaiSvetttidlgurW- anleihe, an der er sich mit einem bedeutenden Bettage beteiligen wird, Dispositionen getroffen. Ebenso haben die Mttglieder der Regierung, beschlossen, daß sich jedes von ihnen der Zeichnung der Staatsverteidigungsanleihe, und zwar jedes Mitglied mit dem gleichen Betrage» beteiligen wird. Die Betriebs« usschußwahlen im Bräuhaus in Pilseu hatten folgendes Ergebnis: Die Kandidatenliste Nr. 1 des Verbandes der Angestellten der Lebensmittel-Jndusttie(sozialdemokratisch) erhielt 522 Stimmen und 7 Mandate, die Kandidatenliste Nr. 2 der Bereinigung der Brauerei- Angestellten der nationalsozialistischen Partei 286 Stimmen und 3 Mandate, die Nationale Bereinigung 42 Stimmen und kein Mandat. 6 Wir suchen ein Land Roman einer Emigration Von Robert Grötzsch Aber wenn die Nächte. über ihm dunkeln» dann träumt der Platz von denen, die ihn schufen, die ihm Leben gäben und. ihn hegten. Dann träumt er von der Heiterkeit spielender junger Menschen, träumt von den Vätern und Müttern, die sich in seinem Birkensande lagerten, träumt von der Freiheit» die sich im Brausen jedes Frühlings ankündigt... Auch den Sportwart— er war inzwischen sozialdemokrattscher Stadtverordneter geworden — fing man. Sein Westenfutter barg verbotene Literatur. An einer Straßenecke versetzte er den zwei Braunen einige Stöße und enttam. Er heißt Karl Herkner und dies ist die Geschichte seines Platzes. Hl. Ka p i t e l. Der Mai wurde wärmer und wärmer. Die Bauern warteten auf Regen, aber es reichte nur hin und wieder zu einem Gewitterguß. Die Natur war zu zeitig aufgestanden. Apfelbaum und Flieder blühten dicht nacheinander. Die fünf Burschen der Spinne lagen am Wasser. Was sollte man anderes tun nach der Arbeit! In drei Tagen hatten sie ihr neues Heim so stürmisch angepackt, daß sich die Wände nicht wieder kannten. Acht Zimmer würden drau- werden und eine große Eßstube. Ihre Arbeitssachen fleckten von Kalk und Farbe. MoseS Verkäuferpfötchen waren vom Ziegelgreifen rauh und wund. Wirklich wohl fühlte sich dabei nur Frosch. Ein Ziegelstein wurde in seinen Flossen klein und bescheiden. Aber herrlich war es für alle, gegen Abend am Flusse zu lager»;md den Schiffen nachzuschauen, die weiter unten eilig hinter den ersten Brückenpfeilern von Liwsch verschwanden. Sie hockten im llfersande. Wenn Dampfer vorüberglittrn, rauschte der Gischt der Kielwellen über ihre Zehen hinweg. ”„Das mußte gar nicht so kommen", sagte Frosch und dehnte seinen großen, knochigen Körper.„Mensch, nach dem fünften März lagen wir Reichsbannerleute alle auf der Lauer. Ein Kommando von der Gauleitung— und in zwei Stunden wär die ganze Stadt in unfern Händen gewesen." ,^uer Kaff, jawohl, bet war schnell erobert"» meinte Pettr, während Paul zustimmend die letzten Worte wiederholte.—„Aber die jrotzen Städte! Die Reichswehr , mein Lieber, die Polizei, Stahlhelm und Nazi— alle jejen uns! Hamm die Kommunisten wat jewagt? Wir Hamm nischte davon jehört, nich Paul!" Der nickte eifrig. „Unsre ganze Politik mußte eben anders sein", meinte der Kleine. Di« Drei stimmten zu. Nur MoseS schwieg und schaute überS Wasser, dessen Spiegel tröstlich dahin welltt. Immer derselbe Quätsch, hier genau wie in der Villa Wanja.. A jeden Tag dieselbe Platte: hätte, hätte... wenn, wenn... Als ob an der Nieder- lage nicht daS ganze Proletariat schuldig wäre! Es hatte auch gar keinen Zusammenhang mit dem Gespräch, als Frosch plötzlich drohte:„Wenn Herkner mich nochmal so anraunzt wie gestern früh, da fliegt ihm vielleicht mal'n Ziegel an Schädll" Gings gar nicht mehr, dann gab'S noch etwas anderes: hinüber gehen ins Dritte Reich, da bin ich, fragt mich was. Oho, man könnte aflerhand verraten, wenn man zum Lump werden wollte! Er sah schräg an den anderen vorbei, warf wütend einen Stein rücklings über die Böschung hinweg, die hinter ihnen zu den We!- denbüschen empor stieg. Da oben, an den Büschen entlang, lief ein schmaler Pfad einsam zur Stadt. Moses behielt dies«» Uferpfad gut im Auge, und so entdeckte er das Mädchen wieder zuerst. Langsam kam sie, mit ihrem Badeanzug im Lederriemen, an den Büschen entlang. MoseS hob im Sitzen den Kopf, Frosch schaute neugierig auf und bald sahen alle in der gleichen Richtung. -„Da is sie wieder", meinte Peter. Seit drei Tagen hatte das Mädchen neben den Burschen gebadet. Immer blieben fünfzig Meter Abstand. Immer kleidete sie sich im Weidengebüsch aus. .vielleicht iS ihr weiter unten das Wasser zu dreckig." Von weit drunten, wo eine Badeanstalt dunkel aus dem Wasser stieg, scholl das Gelärm badender Kinder. Jetzt trat daS Mädchen aus dem Gebüsch, stülpte die blaue Badekappe überS Haar, ttippelte durch Steingeröll zum Wasser. „Feines Kerlchen", schmunzelte Frosch, „schlank, aber dabei"— und er machte mit seinen Händen wellige, rundende Bewegungen Wer seinen knochigen Leib. „Wollen der Herr fteundlichst die Schnauze mäßigest", mahnte Moses leise, ,chas Wasser ttägt ihr Gebrüll auf hundert Meter, Herr! Sie verscheuchen die einzige Wassernixe, die sich zu uns heraus wagt!" Frosch schwieg. Er hätte gern auch so geantwortet, aber sowie er dazu ansetzte, gefroren ihm die Worte. Keine Kunst, so'n lausiger Heringsbändiger lernt's eben hinter der Laden- tafel, aber wenn er einen Ziegel hob, kriegte er Blutblasen. „Spitzeln wird se woll'n", sagte der Kleine und spie ins Wasser.„Was? Nee? Mensch, wie war'n daS bei der Billa Wanja, wollte die nich ooch spitzeln?" MoseS stand auf. ,^S ist nicht alles Spitze- line, was Bubikopf hat. Kleiner".... Mit frischen Stößen schwamm das Mädchen in den Strom hinaus. Die blaue Kappe hüpfte Wer dem Wasser■.. Bon oben hörte man Stimmen. Herkner und Schwarzer kamen den Weg entlang.„Achtung, Schnauze, unsre Bonzen", knurrte Frosch. „Gusti hätte mal mitkommen können", hörte man Herkner.„Wäre gut für sie, die Luft"... Schwarzer schwieg. Was will man machen, wenn so'ne Frau nicht aus dem Bau'rauSzu- lriegen ist. War sie mit der Küche fertig, ging das Flicken los. Die fiinf Burschen kraulten und prusteten im Sttome, aber das Mädchen holte" keiner mehr ein. Sie stieg drüben schon ans andre Ufer und lief ein Stück stromauf. Unschlüssig ttudelten die Fünf auf der Stelle— da taucht« es auf, weit vraußen: lange Holzstöße, eine rott Fahne, drei Mann vorn an den Rudern. Der Kleine, der die schärfften Augen hatte, erkannte es zuerst: den Einschnitt des Fähnchens und den Alten. Alle schwammen aufgeregt ans Ufer und brüllten zu den Weiden hinauf:„Unser Floß, unser Floß!" Herkner und Schwarzer stiegen in die Badehosen, dann standen alle auf einem Häuft». Jawohl, das war der Alle und drei Mann; einer mochte in der Hauptstadt dazugekommen sein. Dem Kleinen blieb der Mund offen: vor fünf Tagen an der Billa Wanja und jetzt schwamm das Holz erst hier vorbei. Herrgott, hatten die Zeit... Alle rillen stromauf, ins Wasser, schwammen hinWer, winkten dem Allen zu:„Tag, Vater, s bohem, s bohem!" Der Alte kam an den Randbalken und half einem nach dem andern herauf. Knickebeinig und tticht gekrümmt turntt er auf dem glttschigen Holz dahin, als wolltt er jeden Augenblick ins Wasser fallen und lief doch sicherer als ttgend- einer. Wie gefällte Riesen lagen die Stämme aufeinander, knorrig und in langer Wucht. Durch di« Fwßlöcher gurr"te die Flut. (Fortsetzung folgt.)!
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16 (7.6.1936) 133
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