Nr. 133

Sonntag, 7. Juni 1936

Seite 3

Sudetendeutscfier Zeitspiegel Vandervelde betraut

Die offene Rebellion

Ausbruch der Revolte in Bodenbach und Aussig

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In Bodenbach und Tetschen , bisher Aufschluß geben soll. Es ist allerdings, so schreibt berläßlichen Hochburgen der SdPẞ, fanden dieser die Deutsche Landpost", zu bezweifeln, daß Kon­Tage stürmisch verlaufene SdP 3u- rad Henlein dieser Zitierung Folge leistet und in fammenfünfte statt, in denen von der Görfau wirklich Rede und Antwort steht, denn er Hauptleitung verlangt wurde, das gegen den Ab- würde noch dazu ohne seinen Adlatus Doktor geordneten Lie b I- Görfau eingeleitete Diszipli-| Brand, gegen den sich eine immer stärker werdende narverfahren sofort einzustellen. Die Versamm- Erregung in Anhängerkreisen der SdP richtet lungen beschäftigten sich weiter mit den Anschuldi- bei diesem Rededuell wahrscheinlich den gungen gegen die Hauptleitung, daß sie mit den Kürzeren ziehen. Finanzen der Partei arge Mißwirtschaft treibe. Falls das isziplinarverfahren gegen Liebl nicht zurückgezogen werde, sollen entsprechende Maßz­nahmen angewendet werden.

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In Aussig , wo die SdP- Leute in beson­derer Manier fämpften, stehen große Ereignisse be­bor.

Der Bezirksleiter Dr. Tauche, Beamter der Brauerei Großpriesen , kann die streitenden Brü­der nur unter größten Anstrengungen besänftigen. Der Fall des Geschäftsstellenleiters Weber, zu des­fen Ungunsten junge Leute aus Prag eine Unter­bilanz von 10.000 feststellten, beschäftigt heftig die Gemüter.

In Schreckenstein haben frühere füh­rende Nationalsozialisten, die jetzt der Henleinpar tei angehören, die Parole ausgegeben, aus der SdP auszutreten, oder besondere Gruppen in der Partei zu bilden und sich bereitzuhalten, der von Simm neuzugründenden Partei beizutreten. Die früheren Nazis, die in Schreckenstein dominie­ren, sind mit der Politik der Henlein, Brand, Sandner nicht zufrieden. Das Arbeiterelement, besonders die Ordner, die von jeher einen Un­ruheherd bildeten, stehen in scharfer Opposition zu der Ortsgruppenleitung, zu deren Vorsitzenden, Architekt Brosche, sie kein Vertrauen haben.

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In einer stürmisch verlaufenen Versammlung der Ortsgruppe Nesto mit der SdP regnete es Mitgliedsbücher zurück. Selbst bisher äußerst zu­verlässige Funktionäre wollen nicht mehr mittun. Krach auch in Görkau

Eine christlichsoziale Stimme

Das Volk" in Jägerndorf schreibt in einem Leitartifel über die Partei der Uneinigen" unter anderem:

Die jüngste Entwicklung dieser deutschen Einigkeit ist besonders eklatant und äußerst sich bereits in Parteitagsraufereien, in Massenhinaus­schmissen, in Erklärungen und Gegenerklärungen. Die Schwierigkeit, ein ideologisches Konglomerat von der Zusammensetzung der SdP zu regieren, haben wir von Anfang an betont. Dies hier aber ist noch etwas ganz anderes: dieselbe Unduld­samkeit, rechthaberische Dickschädligkeit, rücksichtslose Draufgängerschaft, die sich ehedem gegen andere deutsche Parteien wendete, die er= plodiert jezt in der eigenen Ba rade.... Diese Aufbrüchler, diese alleinberech­tigten Sprecher des Sudetendeutschtums, diese Volksgemeinschaftler sie haben den Mund sooo voll genommen von Einigkeit und Einigkeit un jetzt schmeißen sie einander heraus! Sie sollten sich schämen, der Welt ein solches Schauspiel vor zuführen...

Der Kameradschaftsbund besteht weiter

Die Prager Presse" stellt folgende Behauptungen auf:

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1. Daß der Kameradschaftsbund unter welchem Namen immer weiterbesteht und sich sowohl innerpolitisch wie außenpolitisch in einer Weise betätigt, von der zwar die große Mehrheit der Partei Konrad Henleins nichts weiß, die aber immerhin wie die letzten Ereignisse bewiesen haben bestimmte Kreise innerhalb der SdP sehr lebhaft beschäftigen.

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Auch der Heimatsbezirk des Abg. Liebl, Görkau , hat sich nun gegen die Leitung der 2. Daß dieser Kameradschaftsbund Statu­SdP gestellt. In einer Versammlung der SdP= Ortsleiter des Bezirkes, die dieser Tage stattfand ten besitzt, die ob sie nun in diesem oder jenem und an der über 100 Personen teilnahmen, spra- Dokument oder überhaupt nicht schriftlich nieder­chen sich alle Anivesenden unbedingt für gelegt sind jedenfalls geheim gehalten Abg. Liebl aus. Die Hauptleitung hatte zu werden. dieser Versammlung zwei Vertreter geschickt, die gegen Liebl Stellung nahmen, aber ihr Verhalten rief eine derartige Erregung hervor,

daß es zu Tätlichkeiten gegen die Vertreter der Hauptleitung gekommen wäre, wenn der Abg. Liebl nicht besänftigend eingegriffen hätte.

3. Daß es in Bad Ullersdorf in Nord­ mähren und im Schloßrestaurant Sell­brunn bei Salzburg zu Zusammenfünf ten dieses Kameradschaftsbundes gekommen ist,

die gleichfalls geheimgehalten wurden, weil sie ge­

heimgehalten werden mußten.

Die Opposition völkischer Studenten

Die

Daraufhin wurde beschlossen, für Samstag, den 6. d., eine Bezirkstagung als geschlossene§- 2- Bersammlung einzuberufen, in der Abg. Liebl und auch der ausgeschlossene Arbeiterführer völkische Studenten Korporation Kasper sprechen werden. Mitglieder der Ramphold Gorenz" veröffentlicht gegen die Hauptleitung sollen zu dieser Versammlung SDP- ,, Rundschau" eine Erklärung, in der es nicht zugelassen werden, außer Konrad u. a. heißt: Henlein, der angeblich sein Erscheinen zugesagt

Heiliger Osaf, gib mir einen 30. Juni!

und daß unser Name in Verbindung mit poli­tischen Auseinandersetzungen innerhalb der SdP genannt wird. Es ist eigenartig, wenn man auf der einen Seite den Gedanken der Volksgemein­schaft zu vertreten angibt, auf der anderen Seite die völkische Studentenschaft in ihrem natürlichen Gefühl auf das schwerste verlebt und in Auseinander­feßungen hereinzieht, die von ihr nie gewollt wurden. Diese Studenten verwahren sich weiter gegen den Versuch verantwortlicher Stellen des Deutschen Turnverbandes", Angehörige unserer Korporation wegen ihrer Stellungnahme zur Deutschen Hochschülerschaft" in der Turnerschaft herabzusehen.

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Brüssel. Vandervelde wurde Samstag vormittags nochmals vom König empfangen. Nach einer etwa halbstündigen Unterredung verließ er das Schloß und erklärte den Journalisten, daß er vom König offiziell beauftragt worden sei, die Bildung einer Regierung der nationalen Einigung zu versuchen. Er werde sich mit den Vertretern der katholischen und der liberalen Partei in Ver­bindung setzen, um ihre Zustimmung für ein aus den drei traditionellen Barteien( Sozialisten, Kas tholiken und Liberale) bestehendes Kabinett zu ge= winnen. Der König hat Vandervelde gebeten, ihm Montag über den Erfolg seiner Bemühungen zu berichten.

Gorki im Sterben London

.( Renter.) Nach einem in der Nacht aus Moskan in London eingetroffenen Telegramm ist der Zustand Maxim Gorkis hoffnungslos.

Holowatyjs Strafe ermäßigt

Wien.( Eig.-Ber.) Der Oberste Gerichts­ hof beschäftigte sich gestern mit der Berufung, wel­che die Gewerkschaftsfunktionäre Steind. I und Holowaty i gegen ihre Verurteilung zu 5 und zu 10 Jahren Gefängnis eingelegt haben. Sie wurden damals des Hochverrats schuldig er­fannt, begangen durch die illegale Tätigkeit für die freien Gewerkschaften.

Die Vorgeschichte der Sache dürfte noch gut in Erinnerung sein. Auf Grund einer Denuntiation der vaterländischen Front wurde bei dem sozialde= suchung veranstaltet, wobei eine Stollektion illegaler mokratischen Tischler Stein deine Hausdurch­Flugzettel gefunden wurde, welche sich aber( bis auf zwei) nur auf die Gewerkschaften bezogen. Auf die Frage, ob zwischen ihm und Holowatyj Verbindun­gen bestünden, verneinte Steindl dies hartnäckig; trotzdem ermutigte man den Mann bei der Polizei, Holowathi zu belasten

Zwei Monate nach der Verhaftung Steindis machte die Polizei eine Hausdurchsuchung bei der Mutter Holowathis. In dem tam Holowatyj, der ohne Wissen der Polizei illegal in Wien weilte, und lief den Beamten glatt in die Arme.

Dann erhob der Staatsanwalt die Anflage we= gen Hochverrais. Er erblickte in dem Inhalt von zwei Flugblättern, welche sich nicht auf Gewerks schaftsangelegenheiten beziehen, hochberräterische Der neue Bürgermeister von Leitmerik. Die Umtriebe. Die Flugblätter datieren aber aus einer Bezirksbehörde hat den bisherigen ersten Bürger- fährt erscheint. Darum hat der Staatsanwalt andere Zeit, die solange zurückliegt, daß das Vergehen ver­meister- Stellvertreter in Leitmeris, Ing. Johann Flugblätter zu Hilfe genommen, welche in der urs Vogt, Baumeister in Leitmerit, zum Bürgermei- sprünglichen Anklage überhaupt nicht erwähnt sind. ster ernannt, welche Stelle durch den Tod Franz Er dehnt die Hochverratsanklage auch auf diese Flug­Křepets freigeworden ist. Zum ersten Stellver- blätter aus, was bei dem Schnellverfahren dieser Art Prozesse leicht zu bewerkstelligen ist. treter wurde an die Stelle Vogts Wenzel Czech, ahntechniker in Leitmeris, ernannt. Die Berufung, welche von Dr. Steinitz formu liert wurde, legt dar, daß das Urteil auch juridisch Hauptversammlung der Deutschen Haupt- vollkommen unhaltbar fei. Noch während der Ver­

stelle für Kinderschuß und Jugendfürsorge. Am handlung schließt der Prokurator die Deffentlichkeit Freitag, den 19. Juni, findet um 17 Uhr im aus und auch die Journalisten mußten den Saal berlassen. Dies bedeutet also soviel, daß in Oesters Dachgartensaal des Deutschen Hauses, Prag II., reich nicht über den Prozeß berichtet werden darf und Graben 26, die ordentliche Hauptversammlung daß nur der Urteilsspruch veröffentlicht wird. der Deutschen Hauptstelle für Kinderschutz und Samstag wurde das Urteil bekanntgegeben. Jugendfürsorge statt. Neben den üblichen Be- Das erste Urteil wird dahin abgeändert, daß

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richten Geschäfts-, Kassabericht etc. wird die Angeklagten von den neu geklagten Fakten. ,, Wir verwahren uns scharf da- die Sekretärin der Hauptstelle Frau Dr. M. freigesprochen wurden. Im übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwere verworfen. Die Strafe Ho­hat und der über den Ausschluß Kaspers und die gegen, daß unsere Korporation im Zusammen- Czerny ein Referat über Mutterschulung" er- watyis wird von 10 auf 6 Jahre herabgefeßt, die Gründe des Disziplinarverfahrens gegen Lieb! hang mit einem sogenannten Aufbruch- Kreis" statten.

Hocke

HOTEL POSE

Central

Strafe Steindls bleibt unverändert.( 5 Jahre.)

Jugendtagsausklänge

Ausklang! Auf Klang" liegt der Nachdruck. Schwedisch, dänisch und deutsch zugleich schmet­terte die Internationale" zur offenen Saaltür eines Herrnsfretschner Wirtshauses hinaus in den strömenden Pfingstmontagregen und in das lieb­liche, wenn auch henleinverseuchte Dorf in der letzten romantischen Schlucht, die, knapp bevor die Elbe hitlerisch wird, in diese mündet. Ein paar Schritte weiter und aus wär's mit dem Gesang der ,, Internationale"!

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. Aber laßt die Sache vom Anfang erzählen! Vierzig Schweden, dreißig Dänen und einige Oesterreicher Gäste des Reichsjugendtages in Bodenbach find am Pfingstmontag nachmittag mit einer Gruppe von Partei- und Jugendgenos= jen nach Herrnsfretschen gefahren. Zwar: Es goß und goß und goß in Strömen und die Landschaft hat die denkbar schlechteste Reklame für sich ge= macht: Aber unter diesen jungen Menschen war die Stimmung ausgezeichnet. Die Verständigung war zwar schwierig, dafür aber das Verstehen umso gründlicher! Ein Teil der Gäste ließ sich's trotz des schlechten Wetters nicht nehmen, in die Edmundsklamm zu fahren. Die Uebrigen stifteten einstweilen einen fröhlicheninternatio= nalen Nachmittag, ausgerechnet in Herrnsfretschen! Schwedische, dänische, deutsche

Kampflieder, Freiheitslieder, Volkslieder, Schlag auf Schlag. Es war ein frohes Wettsingen! Erst spät am Abend landete die lustige Gesell­schaft wieder in Bodenbach. Unseren nordischen Gästen hat dieser Nachmittag sehr gut gefallen und wir freuen uns darüber.

Die Roten Falken in Bodenbach Die Roten Falfen beteiligten sich an dem

Die beste Antwort auf die Versuche der Hen! einpresse, unseren Reichsjugendtag zu verkleinern: Aufnahme der Kundgebung auf dem Tetschener Marktplatz( sichtbar sind etwa zwei Drittel der Teilnehmer) Reichsjugendtag in schr großer Zahl. Nicht weni