Nr. 134
Dienst«-, S. Smti 1936
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Schafft Lebensraum für den Kleinbauern! Von einem deutschen   Kleinbauern Viele tausende Kleinbauern und Häusler sehLn einer trüben Zukunft entgegen, es bietet sich kein Ausblick, kein Ausweg aus dieser Wirt­schaftsnot. Einst war für sie die kleine Landwirt­schaft nur ein Nebenerwerb zur Erleichterung des Fortkommens. Vor dem Kriege arbeiteten sie als Bauarbeiter in Deutschland   und Österreich  , an­dere waren als Berg- oder Fabrikarbeiter be­schäftigt oder verdienten ihren Lebensunterhalt anderswo. Der Lohn für die Be­rufsarbeit war die Grundlage der Existenz. Das ist längst vorbei! Das Heer der Bauarbeiter, das in jedem Früh­jahr ins Ausland zog und einen guten Verdienst heimbracht« konnte nach dem Kriege nur im Jn- lande und nur zeitweise Arbeit finden. Die Wirtschafskrise hat das Werk vollendet. I n a l I en Branchen wurden die­jenigen Arbeiter zuerst ent- lassen, die etwas Grund und B o d« n b e s i tz e n, also die Klein­bauern und Häusler  . Sie rnüs sen auch damit rechnen, daß sie die Letzten, sein werden, die wieder in Arbeit kommen. Selbst die Vierzigstundenwoche kann die Arbeits­losigkeit nur mildern aber nicht beseitigen. Für die Kinder des Kleinbauern besteht keine Möglich­keit zur Gründung eines eigenen Haushaltes, einer eigenen Existenz. So blickt der Kleinbauer und seine Familie in eine trübe, Zukunft: Alle Reserven sind aufgezehrt, der kleine Besitz'mutzte mit Schulden belastet werden, notwendige An­schaffungen und Reparaturen mutzten unterblei­ben, der Boden meist schlechter Bonität kann kei­nen Kunstdünger erhalten, weil der Kleinbauer keine Einnahmen hat. Zwei Jahre Dürre haben den Viehstand vermindert und qualitativ entwer­tet, weil die Futtermittel nicht ausreichten. Das hat zur Folge, datz der Ertrag der Landwirtschastt noch mehr herabsinkt. Deshalb die Frage: Gibt es denn keinen Ausweg aus dieser Not, soll so die Existenz vieler tausender, fleitziger Menschen vernichtet werden? Der Kleinbauer und Häusler  , der Arbeitslose, der am Lande aufgewachsen, ist in erster Linie geeignet zu einer Berufsumstel­lung. Er braucht keine Schulung, er kennt die Arbeit, die ihm eine neue Existenz schaffen soll, er braucht nur genügend Grund und Boden und die Betriebsmittel zu dessen Bearbeitung, um diese neue Existenz auf» und auszubauen. Hier liegt der Einsatzpunkt! In unserem Staate ist genügend brachliegender' und schlecht bewirtschaf­teter Boden vorhanden, noch befindet er sich in ungeheuren Ausmaßen in den. Hände» weniger Grundherren. D u r ch e ine gerechte und soziale Bodenreform wäre es möglich den Lebensraum des Kleinbauern zu erweitern und für seine Kinder neue Existenzen zu schaffen! Deshalb mutzten sich alle Kräfte vereinigen, um dieses grotze Werk des sozialen Um- und Aufbaues in Zugriff zu nehmen. Die Erbauung der notwendigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude könnte erfolgen durch eine an, paffende Änderung des neuen Baugesetzes. Jahr­zehntelang haben die Großagrarier die Subven­tionen des Staates und der Länder für sich in Anspruch genommen, nun sollen diese ausschließ­lich sozialen Zweckey,dienen, zur Anschaffung und Ergänzung des Inventars, zur Kultivierung des Bodens dieser neugeschaffenen Kleinbetriebe. Eine Steuerbefreiung in den ersten Jahren müßte so, wie in anderen Siedlungsländern, den Anfang erleichtern. Jede Krone, die der Staat Zu diesem Zwecke z u- sch ietzt oder garantiert, wirkt Produktiv! So würden Hunderttausende eine Lebensgrundlage haben, sie würden durch
Deutachiand bietet zur Zeit seine veralteten Waffen zum Verkauf an.
Nix zu handeln?
die Hebung ihrer Kaufkraft zu ständigen Abneh­mern von Jndustrieprodukten, wodurch auch Ar­beitslose in der Industrie Beschäftigung fänden. Die Zahl der Arbeitslosen würde bedeutend und dauernd herabgedrückt werden, der Staat würde sich für die Zukunft ehrliche Steuerzahler schaffen. Bor dem Kriege stellten einige Gebiete un­seres Staates einen bedeutenden Prozentsatz der Auswanderer in iibcrseeische Länder. Nach dem Kriege ist das anders geworden, die grötzten Ein- wanderungsländcr sperrten den freien Zuzug ab. So mutzten im Laufe der Jahre Hunderttausende im Staatsgebiete verbleiben, die sonst auswan- derten. Viele andere Staaten haben längst die soziale Bedeutung der Auswanderung erkannt und die notwendigen Schritte unternommen, um diese wieder in Gang zu bringen. Wir erfah­ren aus den meisten überseeischen Einwande- rungsländern, datz dort nur wenige Kategorien^
industrieller Arbeiter eine lohnende Beschäftigung finden können. Es ist vor allem nur die land­wirtschaftliche Siedlung, die da in Frage kommt.. Es werden deshalb auch jene jüngeren Arbeitslosen ein Interesse an der Auswanderung haben, die von der Landwirtschaft etwas verstehen und in der Heimat keine Existenzmöglichkeit finden können. Meist sind dies wiederum dieKinder unse­rer Kleinbauern und Häusler  . Wir müssen des­halb verlangen, datz auch bei uns die maßgeben­den Faktoren die Bedeutung der Auswanderung richtig einschätzen. Beide Probleme, die soziale Bodenreform und eine gutorganisiertc, zielbewutzte Auswanderer­siedlung harren in unserem Staate noch der Ver­wirklichung. Es mützten sich alle verantwortungs- bewutzten Faktoren, denen an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit gelegen ist, zusammenfinden, um sie zu lösen. L. P.
1736?1936! Im Sankt James-Palast gab König Eduard VIII  . einen Staatsempfang, bei dem zahlreiche Mitglieder des diplomatischen Korps, Offiziere der Armee, der Flotte und Luftstreitkräfte sowie hohe Beamte zugegen waren. Der König trifft, von der Menge begrützt, in der goldenen Staatskutsche am St. James-Palast ein.
Frankreichs   großes oder kleines Spiel Pertinax Uber, die internationale Situation
Einer derbe ft i»formierten außen­politischen Publizisten Frankreichs  , Pertinax, äußert sich auf den Spalten des letzten Heftes der Pariser WochenschriftÄu" zu den a k t u e l- st en Problemen der Weltpolitik. Der i t ä- lienische Sieg sei wenig erfreu- l i ch. Die Italiener seien in der letzten Zeit pro­vokativ geworden. Die römische Taktik in T u n i s sei einfach unbeschreibbar. Die Italiener gebärden sich dort so, als ob sie bald Herren der Lage in Tunis   sein werden. Der italienische Einfluß bei den arabischen Unruhen in Syrien   und P a l ä st i n a sei unverkennbar. Pertinax glaubt, daß die Sanktionen aufgehoben werden sol­len, obgleich das mit einem entsprechenden Zu­wachs des Ansehens von Rom   und mit einer un­vermeidlichen Minderung des briti­schen Prestiges verbunden sein werde. Einige britische Minister erwarten mit Sehnsucht den Augenblick der Aufhebung der Sanktionen, aber sie möchten aus Gründen der Innenpolitik die Verantwortung dafür auf Frankreich   schieben. Daraus könnte leicht in der britischen öffentlichen Meinung eine starke Animosität gegen Frankreich  entstehen, woraus dann ein« Annäherung Lon­ dons   an Berlin   von selbst sich ergeben würde. Eine französisch-italienische Annä­herung würde England noch mehr in die Anne von Hitler stoßen. Eine solche Annäherung würde aber auch eine Zersetzung der Kleinen Entente  
nach sich ziehen, deren Tplikter dann unvermeidlich in das Anziehungsfeld des Berliner  Magneten geraten würden. Die Rolle der S o w- j e tu ni o n in Mitteleuropa   wäte damit liqui­diert, Moskau   würde sich in seine Grenzen zu­rückziehen und kein Interesse mehr an Europa  nehmen. Der Völkerbund   würde in diesem Falle auch keine politische Rolle mehr spielen können. Was könne nun unter diesen Umständen Frankreich   tun? Paris   könne, nach Ansicht von Pertinax, entweder ein großes oder einkleinesSpiel führen. Das grotze Spiel würde in der Fortsetzung der traditionellen französischen   Außenpolitik stehen: überall für den Frieden einzutreten; die französische   Politik an jene der befteundeten und verbündeten Staaten anzugleichen; jene Mächte, die dem deutschen   Dy­namismus die Waage halten können, also Eng­land, Rußland   und die Kleine Entente  , mit Frankreich   zu vereinigen. Daskleine Spiel" würde aber darin bestehen, sich aus Europa   hin­ter die befestigten Grenzen zurückzuziehen und sein außenpolitisches Ansehen dem Bedürfnis nach vorüberge­henden Ruhe opfern. Die französischen  Politiker, die die Taktik deskleinen Spieles" predigen, wissen selbst nicht, wohin sie das Land stoßen. Sie wissen nicht daß die Folgen dieses Spiels sehr bald offenbar und eine für Frankreich  katastrophale Situation schaffen würden.
Der Parteitag der sozialdemokratischen Par­tei her Schweiz   hat mit 263 gegen 253 Stimmen entgegen dem Anträge der Geschäftsleitung(enge­rer Vorstand) beschlossen, für das zur Zeit dem Parlament vorliegende Wehrkreditbegehren von 235 Millionen Franken nicht einzutreten. Die Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsleitung er­klärte hierauf ihren Rücktritt. Schließlich sprach sich der Parteitag mit allen gegen wenige Stim­men gegen eine Geldabwertung aus. Illegal. Ein Teilnehmer an den Feber- Stürmen des Jahres 1934, der 25jährige ehema­lige Krankenkassenbeamte Johann S o l d a- t i c s, entging seinerzeit seiner Verhaftung durch die Flucht in die Slowakei  . Im nächsten Jahre wurde er aber auf österreichischem Boden an der Grenze betroffen, als er auf vur Lastauto­mobilen größere Mengen der BrünnerA r- beiterzeitung" nach Oesterreich   bracht:. Soldatics wurde zunächst vom Kre-sgericht in Korneuburg   zu e i n e m Jahr Arrest wegen Verbreitung beunruhigender Druckschriften verurteilt. Jetzt hatte sich Soldatics vor dem Wiener   Geschworenengericht zu verantworten und wurde wegen Hochverrates zu einem Jahr fchwexenKerkers verurteilt.
Die belgischen Provinzialwahlen. Nach dem endgültigen Ergebnis der Provinzialwahlen sind insgesamt 696 Provinzialräte gewählt worden. Die Sitze verteilen sich auf die einzelnen Parteien in folgender Weise: Sozialisten 221 Sitze(Ver­lust 20), Katholiken 224 Sitze(Verlust 94), Li­berale 89 Sitze(Verlust 6), Rexisten 78 Sitze (Gewinn 78), National-Vlämischer Block 50 Sitze (Gewinn 19), Kommunisten 27(Gewinn 20), Heimattreue Front in Eupen-Malmedy-St. Vith 3 Sitze(Gewinn 1), Probelgische Partei(Arron­dissement Berviers) 2 Sitze(Gewinn 2), Land­wirtschaftliche Berufsvereinigung in Luxemburg  0 Sitze(Verlust 2), Katholische Sonderliste 2 Sitze (Gewinn 2). Warschau  . In Zgierz  » einem Städtchen im Lodzer Jndustrierevier» fanden am Sonntag GemeinderatswaÄen statt, welche den Sozialisten starke Erfolge und den Rationaldemokraten, sowie der Regierungswahlliste Verluste brachten. Die Sozialisten, welche bisher 5 Mandate hatten, er­zielten 11 Vkandate, die Nationaldemokraten ver­loren von den bisherigen 16 Mandaten 5, auf die Regierungswahlliste entfielen 5 gegenüber bisher 8 Mandaten. Die Wahlen nahmen einen sehr stürmischen Verlauf.,
GEDENKET bei elfen Anlässen der Arbeiterfürsorge!
Trotj Konjunktur Arbeitslosigkeit in USA  
Die Wiederbelebung der amerikanischen  Wirffchast wird durch einige neuere Ziffern unter­strichen. Das vielbeachtete Bulletin der National City Bank von New Uork stellt fest, daß im ver­gangenen Jahre 2010 statistisch erfaßte Gesell­schaften ihre Nettogewinne insgesamt um 42 Prozent erhöht haben; für das laufende Jahr schätzen die Finanzexperten, datz die Gewinne den Stand von 1930 um 30 Prozent übersteigen werden. Die Dividendenzahlungen im ersten Vierteljahr 1936 sind um 18 Prozent höher ge­wesen als zur gleichen Borjahrszeit; der Kurs- index für 90 wichtige Wertpapiere war im März 1936 106 gegenüber 61 im März 1935. Die in­dustrielle Produktion war im April 1936 um 14 Prozent höher als im analogen Monat des Vor­jahrs; die Stahlwerke, die vor drei Jahren auf 14 Prozent der Kapazität gesunken waren, arbei­ten mit 70 Prozent der Produktionsfähigkeit, die Bauaufträge waren im März um 83 Prozent höher als im Vorjahr. Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Autoindustrie; die General Mo­ tors   hat im ersten Quartal bereits alle früheren Rekorde geschlagen. Aber es gibt eine Ausnahme von dieser neuen Prosperität: der Arbeitsmarkt. Der Ge­werkschaftsbund gibt für Ende März die Arbeits­losenziffer mit 12,184.000 an, das fft nur um 559.000 weniger als im Jänner, also kaum mehr als eine saisonmäßige Belebung; di« Abnahme ist sogar relativ etwas geringer als im Vorjahr. Am Tiefpunkt der Krise, im März 1933, war die Wirtschaftstätigkeit um 42 Prozent unter dem normalen Niveau; da dies bereits inzwischen ein­geholt wurde, müßte auch die Arbeitslosigkeit um über acht Millionen geringer sein, als damals. Indessen ist sie bloß um etwa 5.2 Millionen klei­ner, so daß bei einer gleichen Konjunktur jetzt um 2.8 Millionen Arbeitslose mehr gezählt werden. Allen Anschein nach wird also sogar ein neuer Prosperitätsrekord der USA   einen Rest von sechs bis sieben Millionenstrukturellen" Arbeitslosen zurücklassen; längst ist eine Erhöhung der Pro­duktion und Besserung der Konjunktur nicht mehr mit einer analogen Steigerung der Beschäftigung verbsirsi»ep,.Dabei entfällt ettyo..fiip,Jjj&ittel der Arbeitslosigkeit auf junge Leute..'
ßencsttssaak Karl Kraus   einst und jetzt Eine Preffeklage gegen denAufruf" Prag  ,(rb) Gestern wurde vor dem Preflesenai Illner wieder eine Klage Karl Kraus  ' verhan­delt. Diesmal klagte er den Autor Lucien Ver- n o u und Herrn Dr. Friedrich Bill als verant­wortlichen'Redakteur wegen eines seinerzeit im A u f r u f", dem Organ der Liga für Menschen­rechte erschienenen Artikel, der den Titel trug:D i e Fqckel rauch tIn dem inkriminierten Artikel wurde die Haltung Karl Kraus  ' zu den Fe­berkämpfen der österreichischen Arbeiterschaft glossiert und derFackel" die Patronanz des Arbeiter- mörders Feh nachgesagt. Es hieß weiter, daß die Anschwärzungen der'kämpfenden Arbeiter noch schwerer zu beurteilen wären, wenn dem Karl Kraus  nicht als erleichternder Umstand zugute käme, daß er Anzeichen von Paranoia zeige. Die Klagebeantwortung führte zur Illustrierung der bemerkenswerten heutigen Einstellung Karl Kraus   an, daß dieser, der häufig genug die Gast­freundschaft unserer Republik genieße, in der, aus­schließlich von ihm geschriebenenFackel" im Sinne seiner neuesten Haltung unsere Demokratie alsbeispiellose Dummheit" be­zeichne, die Person des Präsidenten Dr. Benes her­abzusetzen suche, daß Kraus sich seit jenen blutigen Febertagen jederPolemikgegendas Dritte Reich enthalte», dgl. m. Weitere Bewetsanträge behielt sich die geklagte Partei vor. Die Verhandlung wurde vertggt.
Dreifache Notzucht sechs Jahre Kerker Prag  ,(rb) Die gegenwärtige SchwurgerichtS- periode ist reich an Verhandlungen über Sittlichkeits­verbrechen. Auch gestern tagte das Schwurgericht un­ter Ausschluß der Oeffentlichkeit. Angeklagt war der 34jährige Wagner Josef Olmer wegen des dreifachen Verbrechens derNotzucht und des Verbrechens des Raubes. Opfer der Notzuchts-Attentate wurden eine Geburts­assistentin. eine Trafikantin und eine HauSgehiffin. Alle drei wurden von dem Angeklagten auf einsamen Feldwegen überfallen. Der Prozeß war ursprünglich auf den 80. Mai anberaumt gewesey, mußte aber vertagt werden, da sich eine der Hauptzeuginnen nicht eingestellt hatte. Die Anklage wegen R a u b e s ist darauf zurückzuführen, daß der Angeklagte einem sei­ner Opfer ihr Täschchen mit 28 K£ entrissen haben soll. Von der Raubanklage wurde Olmer in­dessen einstimmig freigesprochen, dagegen mit allen Stimmen des dreifachen Verbre­chens der Notzucht schuldig. Das Urteil lau­tete auf sechsJahre schweren und ver- schärftcn Kerkers.