Nr. 140 Dienstag, 16. Juni 1936 16. Jahrgang Etaobrtls 78 Heller '•imchlitfiiich i Haller Forte) IENTRALORGAN„ DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung frag xii., fochova a. Telefon sxn. HERAUSGEBERi SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS , FRAG. Der Präsident bei den Deutschen Besuch in Südmähren und in Brünn Feierliches Bekenntnis zur nationalen Eintracht Die Reise, die der Staatspräsident gegenwärtig durch Mähre» nnternimmt, hat vor allem für die Zusammenarbeit der Nationen große Bedeutung. Der Präsident wird von der deutschen Bevölkerung ebenso herzlich gefeiert wie von der tschechischen, ein Beweis dafür, wie sic in ihm den demokratischen Staatsgcdanken ehrt. Und der Präsident, der in einer deutschen Ansprache den schöne» Satz sagte, daß er es zu den Deutsche » genau so nahe habe wie z» de« Tscheche«, kommt selber immer wieder a«f die Notwendigkeit der nationale» Eintracht z« spreche».— Für sein Bestreben, mit der deutschen Bevölkerung in unmittelbaren Kontakt z« treten, ist sein Besuch bei einer Sonderveranstal- tnng des Brünner deutschen Ctadtbildungsans- schuffes Montag abends besonders kennzeichnend. Diese Veranstaltung, als Ehrung des Staatspräsidenten dnrchgcführt, hatte viele hnn-1 derte Deutscher im Deutsche « Hause versammelt. Der Festsaal war vollkommen überfüllt. Als der Präsident im Saale erschien, wurde er stürmisch begrüßt. Der Obmann des Deutschen Stadtbil- dungsausschuffes, Tr. 2 a r o l i m, würdigte 4t Der Präsident der Republik kam auf seiner Reise durch Mähren am Montag zu einem Tagesbesuch nach Brünn . Zunächst empfing er Deputationen, dann begab er sich in die Masaryk- unidersität. Auf dem Wege zur Universität wurde der Präsident von der Schuljungend und einer nach vielen Tausenden zählenden Menschenmenge herzlichst begrüßt. Prof. Dr. K r e j ö i, der Rektor der Masaryk-Universität , hieß den Präsidenten im Namen der tschechischen Hochschulen und der Deutschen Technik willkommen. Ein slowakischer Student sprach für die tschechoslowakischen und die ausländischen Studenten; er bekannte sich zu den demokratischen Idealen des Staatspräsidenten. Der Hörer, bet Deutschen Technik Fritz Kristin machte, wie sein tschechischer Kollege, auf die sozialen Schwierigkeiten der Studenten aufmerksam. In seiner Antwort sagte der Präsident u. a.: „In der heutigen schweren Zeit, in der Zeit der Desorganisierung und Desorientierung fast ganz Europas , in der Zeit der Revolutionen, der Putsche und Bürgerkriege ist unser Staat von einigen die Wiffenschaft und Kunst, die Universität, die Schule bedrohenden schweren Erscheinungen verschont geblieben. Um nns haben sich autoritative Regime gebildet, haben in die Freiheit der Wiffenschaft und der Schule eingegriffen, haben die Lehrbücher und den Geist der Menschen gleichgeschalttt und dies mit dem Interesse des Staates und der Nation begründet. Die wiffen- schaftliche Wahrheit und Freiheit der Forschung wurde bestimmten Tendenzen und der Erfüllung einzelner politischer Konzeptionen untergeordnet. Ich sehe gut einige Positiv«, die hieraus entstauben sind, und ich fühle sie, aber größtenteils geschieht das mit solchen Methoden«nd wird das so fortgesetzt, daß der Kulturmensch des 20. Jahrhunderts sich dagegen stellen muß. Und in der Sache ist das richtig... Ter Staat Kamenskys, Dobrovskhs, Palaekhs und Masaryks kämpft hier im Kampfe zwischen Materie und Geist einen siegreichen Kampf und hält das Uebergewicht des Geistes über die Materie aufrecht. Sein erstor Präsident— Euer großer Landsmann—- und der zweite Präsident, fein heutiger Ministerpräsident, eine Reihe seiner heutigen und ehemaligen Minister sind Hochschulprofefforen und vor allem «uch geistige Arbeiter. Das alles ist eine große Sache, das ist ein großes Verdienst, es liegt darin die Erhaltung unseres Staates und Volkes in den großen Krisen, die Europa heute durchlebt. Es ist dies ein Zeichen der Reife des Geistes, ein Zeichen der Moral und der Gesundheit des Geistes beim staatlichen Organismus. Es ist dies für uns auch eine berechtigte Ursache zum Stolz auf die außenpolitische Arbeit des Staatspräsidenten und deffen humanistisches, politisches und soziologisches Werk. Begeistert stimmte die Menge in das„Hoch!" ein, das er am Schluß seiner Rede auf den Staatspräsidenten ansbrachte.— Der Präsident antwortete in schlichte« Worten. Er betonte, daß er gerne der Einladung Folge geleistet habe, da er Wert darauf lege, den Betätigungskreis seiner Mitbürger überall kennenzulernen. Er habe bereits in den deutschen Gemeinden Südmährcns das gesagt, was er der deutsche« Bevölkerung zu sagen hatte. Zum Schluffe sagte er:„Wir müssen einmal aus der Geschichte die Lehre ziehen, daß nur das Streben nach den Humanitätsidealeu der Menschheit den Frieden sichern kann". Anschließend an die Rede des Präsidenten wurde ein von dem Sozialisten Alexander Stern verfaßtes Chorwerk„Durch die Nation zur Menschheit" aufgeführt, in dem Zitate aus Benes' Schriften und Reden enthalte» sind. Die Spielleitung hatte Basa Hochmann, der auch die Haupttolle spielte. Die sozialistische Jugend war an der Aufführung hervorragend beteiligt. Zum Schluß der Feier sang ein Schülcrchor die StluUshymne 4k 4» diesen Sieg des Gesetzes über die Gewalt und der moralischen Kraft über die Materie. Machen wir unS das, geschätzte Herren, wir Tschechen und Deutsche zum Grundsatz, zum Gesetz, zur defini- Ein außerordentlich reichhaltiges Prcgramm hatte der Sonntag aufgewiesen. An diesem Tage besuchte der Präsident vor allem die Geburtsstätte Masaryks, aber auch eine ganze Reihe von deutschen Gemeinden. Bei dieser Gelegenheit trat er mit der deutschen Bevölkerung, die ihn ebenso herzlich und auftichtig feierte wie die tschechische, in enge Berührung. Einigemale nahm er Anlaß, über die notwendige Zusammenarbeit der Nationen zu sprechen, dabei bediente er sich wiederholt der deutschen Sprache. Der erste Aufenthalt nach der Ausfahrt aus Brünn war in A u ft e r l i tz. Hier waren, wie übrigens auf dem ganzen Wege von Brünn nach Lundenburg , Ehrenpforten errichtet. Die ganze Bevölkerung war auf den Beinen. Nach kurzer, feierlicher Begrüßung begab sich Dr. Benes nach Tamboiice und Tschaitsch. Hier fand eine Ehrung des erstenStaatspräsidenten statt, der einmal dort gewohnt hat. Dr. Benes wies darauf hin, daß Masaryk hier das Schmiedehandwerk erlernt habe. Jeder Lebensschritt Masaryks sei das Ergebnis ehrlicher Arbeit. Masaryk , der Schmied, sei das Symbol der Demokratie geworden. Sehr herzlich begrüßte der Präsident Masaryks Altersgenossen, von denen er dem Erstpräsidenten Grüße auszurichten versprach. Dann verblieb der Präsident kurze Zeit in M u t e n i c e, wo Masaryk in seinen Kinderjahren gewohnt hat. In G ö d i n g erwartete ihn eine Ehreneskadron. Hier, in der Geburtsstadt Masaryks, würdigte der Präsident das Lebenswerk seines großen Vorgängers. Er feierte Masaryk als den Verkörperer der Einheit der Tschechen und Slowaken. Dann begab sich Dr. Benes zum Geburtshause Masaryks, dort sprach er zu den Kindern, denen er Masaryk als Beispiel hinstellte. Vom Rathaus in Göding aus ließ sich Dr. Benes mit Schloß Lany verbinden. Er grüßte Masaryk telephonisch aus seiner Heimat. Der nächste Aufenthalt wurde in L u n d e n- burg genommen. Nach der Begrüßung nahm der Präsident gemeinsam mit dem Stadtrat das Mit- tagefsen em. Zwei flowakische Mädchen führten den Präsidenten und zwei Burschen dessen Frau zur slowakischen Kirchweih, aus das Stadion. — tiven Tradition. Möge unser Staat in seine Geschichte ein für allemal auch dieses Kapitel eintragen, und zwar gerade in der Zeit, da ganz Europa in einem geistigen Chaos lebt, in welchem es vielleicht seit der Zeit der Völkerwanderung und der Religionsttiege deS Mittelalters und des Dreißigjährigen Krieges nicht gelebt hat." Rach seiner Rede wurde der Präsident von der akademischen Jugend stürmis ch gefeiert. Unter den Deputationen, die am Vormittag empfangen wurden, befand sich auch eine der deutschen Masaryk -Volkshochschule und des deut schen Stadtbildungsausschuffes unter der Führung von Dozent Dr. I a r o l i m und Prof. Dr. Hugo Iltis. Der Staatspräsident wies in seiner Antwort auf die völkerverbindende Aufgabe dieser Institution hin und auf ihre Mission im Dienste des eigenen Volkes. Eine Abordnung des Deutschen Theatervereins, bestehend aus Dir. Kramer, dem Obmannstellvertreter Neubauer, dem Genossen K a t s ch i n k a und dem Direktor T h ö r e sz, schilderte dem Präsidenten die schwierige Lage des Brünner deutschen Theaters. Der Präsident erklärte, daß er die Situation des Brünner Theaters genau kenne, da er sich fortlaufend über sie informiere. Er wies darauf hin, daß er an der Rettung des deutschen Theaters in Prag beteiligt sei und erklärte, daß er auch dem Brünner Theater helfen werde. Der Präsident emp- siNg auch eine'Vertretung der tschechischen und der deutschen Lehrerorganisatton. Montag nachmittags nahm der Staatspräsident die Huldigung der Brünner Stadtvertretung entgegen, sodann unternahm er mit dem Bürgermeister eine Rundfahrt durch Brünn . Beim Empfang in Eisgrub waren die Deut schen in großer Zahl vertreten. Deutsche und tschechische Kinder begrüßten Dr. Benes . Hier sagte er in seiner Antwort u. a. in deutscher Sprache: „Als Präsident bin ich den Deutschen wir dm Tscheche» in demselben Mäße nahe, arbeite mit ihnen im gleichen Maße loyal«nd freundschaftlich«nd sehe in dieser frcundschaftlichm Mitar- beit die wahre Grundlage einer jedm erfolgreichen Polittk in der Republik . Das möchte ich gerne den Deutschen in dieser Gegend sehr auftichtig sagen." In Feldsberg antwortete der Präsident auf die Begrüßungen ebenfalls in deutscher Sprache: «Es freut mich zu hören, daß der Stand Ihres Gemeindehaushaltes günstig ist, daß die Bevölkerung beider Rationalitäten aufrichtig«nd freundschaftlich in den Gemeindeangelegmheiten Zusammenarbeiten. Ich wünschte, daß in diesem Sinne in der ganzen Republik Tschechen und Deutsche in gegenseitiger Loyalität und in gegenseitiger Achtung miteinander gehen und Mitarbeiten. Auch wenn Ihr hie und da Schwierigkeittn habt, bin ich sicher, daß es gehen wird und daß es gehen muß," In Nikols bürg war die deutsche Bevölkerung neben der tschechischen vollzählig erschienen. Auch hier sprach der Präsident deutsch. Auf die Begrüßungen in Pohrlitz antwortete der Präsident deutsch : .„Ich danke auch für die schönen Worte, die hier namens der deutschen Bevölkerung gesprochen wurden und meiner Ansicht nach ist die gegenseitige Respektierung der Nebrrzcugungen wie auch der Nationalität der anderen die wahre Grundlage unserer Demokratie. Und so soll es auch bleiben. Zu gewaltsamen Umstürzen, bei denen man dem Gegner die Menschenwürde abstreitet und ihn dementsprechend behandelt, wird es bei uns niemals kommen. Wir werden immer mit unserer eigenen Methode, mit der demokratischen Methode der Verständigung und der Ausgleichung der Gegensätze auskommrn." „Den Deutschen wie den Tschechen in demselben Maße nahe** Und bei uns? Arbeitszeitverkürzung In Frankreich und Belgien Unter den Gesetzentwürfen, welche der tat- kräfttge französische Ministerpräsident Leon Blum in der Deputtertenkammer eingebracht hat» befindet sich auch ein solcher über die Einführung der Vierzigstundenwoche» der nun im französischen Senat beraten werden wird. Ebenso kündigt die unter starkem sozialistischem Einfluß stehende neue belgische Regierung eine Verkürzung der Arbeitszeit an. Das sind Anlässe, üm auch bei uns zulande die Diskussion über die vierzigstündige Arbeitswoche wieder aufzunehmen und diese Forderung mit allem Nachdruck zu erheben. Es ist bekannt, daß eine der Ursachen der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit die Ersetzung dec menschlichen Arbeitskraft durch die Maschine und damit die Verdrängung eines Teiles der Arbeiter und oft sehr qualifizierter Arbeiter aus dem Produktionsprozeß ist. Gerade jetzt veröffentlicht der Prager „Metallarbeiter" eine Zusammenstellung, wonach ein Arbeiter vor zehn Jahren in einer Stunde einen Kubikmeter Erdarbeit geleistet hat, heute aber vier Kubikmeter leistet, ein Arbeiter 2000 Stück Druckerzeugnisse fertiggestellt hat, jetzt aber 8000 Stück, ein anderer früher 280» jetzt aber 1800 Flaschen, vor zehn Jahren fünfzehn Glühlampen, jetzt 400 fabriziert, so daß die Ärbeitssteigerung in manchen Betrieben 300, in manchen aber zwischen 2000 und 3000 Prozent beträgt. Die Folge ist, daß die Produktion viel rascher steigt, als die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht. 2m Jahre 1930 betrug der Produktionsinder der Welt 90.8(1928 ist gleich 100). heute aber 89.9, das heißt also, die Erzeugung hat denselben Grad erreicht wie 1930. Wie steht es aber mit der Beschäftigung? Im Jahre 1930 gab es auf der Welt 14.9 Millionen, 1938 aber 21.8 Millionen Arbeitslose. Mit anderen Worten: bei gleichem Produktionsumfange werden 1938 um 6.6 Millionen Menschen weniger beschäftig t a l s 193 0. Wie will man diese 6.8 Millionen wieder beschäftigen? Es ist ganz klar, daß eines der vorzüglichsten Mittel die Herabsetzung' der Arbeitszeit ist, die es ermöglicht, bei gleichem Produkttonsumfang mehr Menschen Arbeit zu geben, was noch dadurch gerechtfertigt ist, weil ja das Tempo der Arbeit ein viel intensiveres ist und weil der Mensch in vierzigstündiger Arbeitszeit weit mehr leistet als vor zehn Jahren in 48 Stunden. In der Tschechoslowakischen Republik haben die organisierten Arbeiter, die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie, seitdem die Krise größeren Umfang angenommen hat, für die Forderung der Vierzigstundenwoche Stellung genommen, haben innerhalb der Arbeiterschaft diese Forderung propagiert und den Regierenden immer wieder die Notwendigkeit der Verkürzung der Arbeitszeit als Krisenmaßnahme vor Augen geführt.' Man erinnere sich daran, daß Dr. Czech als Minister für soziale Fürsorge in seinem Exposee für die Verkürzung der Arbeitszeit eingetre- ten ist und eine entsprechende Vorlage ausgear-, beitet hat. Aber das Verlangen nach kürzerer Arbeitszeit stößt auf das Unverständnis der Unternehmer und bürgerlichen Parteien und der einzige Erfolg, der erzielt werden konnte war,'daß man bei gewissen öffentlichen Arbeiten die Vierzigstundenwoche zur Bedingung ihrer Vergabe machte und daß man in einzelnen Produkttonszweigen, zuerst in der Glasindustrie, zu einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 42 und 43 Stunden gelangte. Die Bemühungen, die Vierzigstundenwoche internattonal zu erreichen, schlugen fehl. Seit 1933 befaßte sich die Internationale Arbeitskonferenz mit diesem Problem, es ist noch nicht gelungen, einen merklichen Erfolg zu erzielen, abgesehen von der im Vorjahre beschlossenen Konventton, wonach die Arbeitszeit in der Glasflaschenindustrie auf 40 Stunden, herabgesetzt werden— soll. Auch auf der 20. internationalen Arbeitskonfe-■ renz, die am 4. Juni 1936 eröffnet würde, wird' über die Verkürzung der Arbeitszeit in einzelnen, Produktionszweigen wie bei den öffentlichen Arbeiten, im Hoch- und Tiefbau,, in, der Eisen- und Stahlindustrie, im Kohlenbergbau und in der Textilindufttie verhandelt, aber die Unternehmer stellen sich auch da starr und einsichtslos gegen jeden Fortschritt auf dem Gebiete der Verkürzung der Arbeitszeit zur Wehr. Der Wortführer der Untcrnehmergrupp'e Oevsted.(Dänemark ) hat ge-
Ausgabe
16 (16.6.1936) 140
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