Nr. 141 16. Jahrgang Einzelpreis 70 Heller (InschlieBlich 5 Halfer Porto) Mittwoch, 17. Zimt 1936 1ENTRALORGAN DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xii, fochova«r. Telefon 53077. HERAUSGEBER« SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR« DR. EMIL STRAUSS , PRAG . Noch diese Woche Phönix-Entscheiduns? Wie dirPrager Presse" aus Bersicherungs- kreissn erfährt» erwartet man noch im Laufe die­ser Woche das Zustandekommen der Entscheidung in Sachen des Prager Phönix ". Im Brenn­punkt der Schlußberatungen über diesen Gegen­stand steht nach dem genannten Blatt ekn Pro­jekt, wonach die Bersichernngsinstitute durch drei­ßig Jahre einen Stock von 14 Millionen XL zur Sanierung der Phönix-Polizzen beitragen sollen, d. i. die Hälfte des zur Sanierung erforderlichen Betrages von 38 Millionen XL. Die Liquidie­rung der anderen Hälfte ist bisher nicht in das aktuelle Beratungsstadium getreten, weil Pie Zu­stimmung der BersicherulngsanstaTten zur Mobili­sierung ihres Jahresbeitrages sich noch im Ber- hckndlungsstadium befinde. 200.000 Streikende in Belgien Brüssel . Die Zahl der streikenden Berg- und Metallarbeiter in Belgien wird auf 200.000 geschätzt. Ausschreitungen werden nur ans Lüttich gemeldet, wo sich die Lage im Laufe deS Montag nachmittags weiter verschärft hat. Als sehr ernst wird vor allem die Lage in Seraing , dem Hauptsitz der belgischen Eisen- und Maschinenindustrie, angesehen. Hier wurden im Laufe des Montag nachmittags M t»i t ä r z u m Schutze der Fabriken herangezogen, was darauf schließen läßt, daß die Behörden einer weiteren Verschlimmerung der Lage mit allen Mitteln begegnen wollen. Goebbels -Interpellation in der Pariser Kammer Auch Eden für Aufhebung britischen Kabinetts der Sanktionen London . Die für Donnerstag anbrraumte Debatte im Unterhaus über die Sanktionen wird mit einer Erklärung des Außenministers Eden eröffnet und mit einer Rede des Prentierministers Baldwin geschloffen werden. An der Debatte werden sich zahlreiche Redner der Opposition be­teiligen. Auch Llovd Georges beabsichtigt, in die Debatte einzugreifen. Die endgültige Entscheidung über die engli­sche Stellungnahme kn Genf wird auf der Wochen­sitzung des Kabinettes am Mittwoch fallen. Die Mitteilungen der'Morgenblätter lassen jedoch nicht mehr den geringsten Zweifel darüber be­stehen, daß sich die Regierung bereits so gut wie entschlossen hat, die Aufhebung der Sanktionen gegen Italien zu befürworten. News Chrvnicle" schreibt in einem inner­politischen Artikel, daß in der Sitzung des Kabi­netts, die sich mit der Aufhebung der Sanktionen beschäftigen wird, Minister Eden nicht gegen die'Kabinettsmitglieder Stellung nehmen werde, die für die Aufhebung der Sanktionen sind. Das Blatt spricht die lleberzeugung aus, daß Minister Eden nicht auf sein Amt verzichten wird. Sobald entschieden sein werde, daß die Sanktionen auf­gehoben werden, könne erwartet werden, daß die britische Regierung. ihre Verpflichtungen im Rheinland und im Mittelmecrgebiete präziser sestlezcu wird. Allerdings werden dann die brüt- schen Verpflichtungen gegenüber den übrigen Ge­bieten noch unklar sein. DieMorning Post" sagt, daß die grund­sätzliche Entscheidung der britischen Regierung viele Gründe in der dringenden Notwendigkeit habe, Italien wieder zur Mitarbeit in-Egropa zurück­zuführen und so den deutschen Drang nach dem Südosten Europas zu verhindern. London . Zum Nachfolger des kürzlich zum Kolonialminister ernannten Kommiffärs für die öffentlichen Arbeiten Ormsby-Gore ist der bis­herige Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Lord Stanhope, ein Konservativer, er­nannt worden. Er hat gleichzeitig den Rang eines Kabinettsministers erhalten. Wie verlautet, wird die Hauptaufgabe Stanhopes die Vorbereitung der im Hai nächsten Jahres stattfindendcn Königskrönung sein. Rom fordert mehr... R 0 m.(Stefani) Zur Frage der Reform des Völkerbundes und zu dem Problem der Regio­nalpakte wird an zuständigen Stellen erklärt, daß sich Italien mit keinem Problem befaffen wird, das zu einer Zusammenarbeit mit dem Völker­bund führen würde, solange nicht der Bölkerbmid anerkenne, daß ihm ein R e ch t s i r r 1 u m(!) unterlaufen sei, als ex Italien für einen Angrei­fer-Staat erklärte. Leon Blum vor dem Senat Auch hier Mehrheit für die Sozialsesetze zu erwarten Paris . Der kommunistische Klub der Depu­tiertenkammer hat beschlossen, daß der Deputierte Journalist Peri die Regierung wegen der letzten Rede des Reichsministers G 0 e b b e inter­pellieren wird, in der sich dieser in unzulässiger Weise in die innerpolitischen Verhältnisse Frank­ reichs eingemischt hat. Abflauen der arabischen Terroraktionen? Jerusalem. (Reuter.) In den letzten 24 Stunden hat sich die Situation ziemlich beruhigt. Es werden nur einige wenige Attentate gemeldet, so u. a. ein Bombenwurf auf die Eisenbahnstrecke bei Kalkilieh. Einer der verletzten Juden ist ge­storben, so dass sich die Zahl der seit Beginn der Unruhen getöteten Juden auf 31 beläuft. Sowjetkonsul in Japan verhaftet Tokio . Der sowjetruffische Bizekonsul in Kobe ist nach einer heftigen Auseinandersetzung mit der Hafenpolizei in Shimonoseki verhaftet worden. Der Konsul hatte sich der Polizei gegenüber wegen angeblicher Schikanen beklagt, er sei wie ein Sträfling behandelt worden. Der Konsul be­fand sich mit 85 Seeleuten auf dem Wege nach Moji, um ein für die Sowjets gebautes Schiff abzunehmen. Beruhigung in China Schanghai. Der Reuterberichterstatter teilt mit, daß sich die Lage in China in beruhi­gender Weise entwickle. Die Möglichkeit eines Konfliktes Nankings mit dem Süden werde im­mer unwahrscheinlicher, weil die Nanking -Trup­pen ihren Vormarsch nach Honan , das von den Südtruppen völlig geräumt ist, eingestellt haben. Tschiangkaischek habe Kwantung große fi- nanzielle Zugeständnisse ge­macht und die Annäherung zwischen Kwantung und Nanking entwickle sich erfolgversprechend. Japanischer Protest von Kanton abgelehnt Kanton. Der japanische Generalkonsul in Kanton erhob gegen die japanfeindlichen Aus­schreitungen am Samstag Protest und forderte, daß die Kantonregierung die japanfeindliche Pro­paganda unterdrücke. Die Forderung des japanischen Generalkonsuls wurde abgelebnt. Man nimmt an, daß dieser Umstand eine Ver­schärfung der chinesisch-japanischen Spannung zur, Folge haben wird. Paris . Die Senatsdebatte über die So­zialvorlagen der Regierung, welche Ende der ab­gelaufenen Woche von der Kammer angenommen wurden, nimmt bisher einen günstigen Ver­lauf. Der Berichterstatter des Finanzaus­schusses empfahl die Entwürfe zur Annahme. Zum Schlüsse der Nachmittagssitzung sprach Ministerpräsident L e 0 n B t u m, der einlei­tend feststellte, daß die fünf Vorlagen ein Gan­zes bilden, da sie alle die Besserung der so­zialen und Lcbensbcdingungen des arbeitenden Volkes anstreben. Diese Regierungsentwürfe stellen dengrötztenFort sch ritt dar, der je in der sozialen Gesetzgebung der französischen Republik verwirklicht wurde. Die Befürchtun­gen vor einer finanziellen Belastung des Staa­tes werden durch die erwartete Besserung der gesamten wirtschaftlichen Lage und des Unter­nehmertums beseitigt werden. Die Präsidentenreise Am Dienstag mllH8rische Paraden Brünn . Der vierte Tag der Mähren -Reise des Präsidenten der Republik war wiederum Brünn gewidmet und sein Programm war aus­schließlich mit militärischen Angelegenheiten aus­gefüllt. Um 8.30 Uhr war der Präsident bereits auf dem Brünner Flugplatz. Dort begrüßte ihn u. a. Minister für Nationalverteidigung M a ch n i k. Rach technischen Vorträgen wurden Schauflüge vorgeführt. Der Präsident dankte hierauf vor den versammelten Fliegeroffizieren, den Unteroffi­zieren und der Mannschaft für den Enipfang, der ihm auf dem Flugplätze bereitet wurde, und für alles, was ihm gezeigt worden war, und hob hervor, daß sich unser Flugwesen stets nach dem Motto richten müsse:Bis zum höchsten Ziel". Vom Flugplatz kehrte der Präsident der Re­publik in das Regierungsgebäude zurück, von wo er sich nach kurzer Pause wieder mit den militä­rischen und anderen öffentlichen Faktoren auf den Militärübungsplatz begab, wo eine Parade der Brünner Garnison stattfand. Rach der Parade benützte der Präsident die i Zeit, während der sich die Truppen zum Festmarsch umgruppierten, um mit den Vertretern der staat­lichen und autonomen Behörden, sowie der ver­schiedenen hervorragenden Korporationen, die der Parade beiwohnten, zu sprechen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses,'der radikale Senator Caillaux , sprach einige Befürchtungen vor den wirtschaftlichen und fi­nanziellen Folgen der Entwürfe aus und sagte, der Senat stelle sich n i ch t gegen die Forderun­gen des französischen Volkes, noch gegen die augenblicklichen Versuche der Regierung. Um 20 Uhr vertagte sich der Senat auf Mittwoch, wo wahrscheinlich alle fünf Gesetz­entwürfe angenommen werden dürften. Jaur&s-Gedenkmarke Paris . Postminister Jardillier hat entschie­den, daß zum 31. Juli, dem Jahrestage der Er­mordung des sozialistischen Führers Jaures (1914), eine Postmarke mit dem Bildnis Jau­ res herausgegeben werde. Die Bevölkerung Brünns verfolgte den Aufenthalt des Präsidenten der Republik in ihrer Stadt mit großem und herzlichen Interesse und wann immer der Präsident irgendwohin fuhr, ob bei Tag oder in den Nachtstunden, st<md die Be­völkerung auf den Straßen Spalier. Auch bei der Dienstag nachmittags erfolgten Abreise aus Brünn begleitete die Bevölkerung den Präsiden­ten mit den herzlichsten Grüßen. Schacht mit Bulgarien sehr zufrieden" Sofia . Dr. Schacht erklärte Journalisten gegenüber, daß er mit seinem Sofioter Aufent­halt. sehr zufrieden sei. Bei seinen Ver­handlungen mit dem Gouverneur der Bulgari­schen Nationalbank habe er ein volles Einver­nehmen erzielt. Die Festigung der Beziehungen und der gegenseitige Warenaustausch werden fortgesetzt werden. Deutschland kaufe nur das, was es mit eigenen Erzeugnissen bezahlen könne. Es sollen noch weitere Verhandlungen folgen, die sich sehr günstig für die bulgarische Landwirtschaft auswirken werden. Deutschland besitze ferner ein erst ö h t es Interessen n d e n bulgari sch e n B 0 d e n sch ätz en, insbesondere an den wirtschaftlich wertvollen Erzen, und beabsichtigt, an deren Förderung und Verwertung in großem Maßstabe. teilzunehmen. Der Ring derDemokratien Es steht nun fest, daß innerhalb der Regie­rung jener Großmacht, welche die Urheberin des kollektiven Einschreitens gegen Italien war, näm­lich in der Englands, entschieden ist, daß die auf Grund des Artikels 16 des Völkerbunds verhäng­ten S a n k t i 0 n e n gegen den Angreifer auf- gehoben werden. Die am 26. Juni zusammen­tretende Völkerbundversammlung wird hiezu den ersten Schritt tun. Welches die Form des Begräb­nisses der Sanktionen sein wird, steht noch nicht sest, sicher ist aber, daß die Beteiligung an dieser Trauerfeier zahlreich sein wird. Von den Staaten der Kleinen Entente , deren Oberhäupter vor wenigen Tagen in Bu­ karest versammelt waren, wurde von den Sank­tionen am stärksten Jugoslawien getroffen, das enge Handelsbeziehungen mit seinem italie­nischen Nachbarn hatte und das angesichts der wirtschaftlichen Krise, unter der seine Landwirt­schaft leidet, durch die EinsteUung seiner Waren­ausfuhr nach Italien schwer gelitten hat. Das hat die wirtschaftliche Annäherung Jugoslawiens an Deutschland stark gefördert. Die Aufhebung der Sanktionen wird demnach die wirtschaftliche Abhängigkeit Jugoslawiens von Deutschland wie­der ein wepig lockern. Freilich wird dadurch die schwierige außen­politische Stellung Jugoslawiens nicht leichter. Die Außenpolitik des Landes war immer stark beeinflußt von der Tatsache, daß es sich von Jtalienbedroht fühlt. Italien hat sich in Albanien festgesetzt, das geradezu der strategische Ausgangspunkt zu einem Angriff Italiens aus Jugoslawien werden kann wie es Eritrea und Somalilcknd für Abessinien waren. Die Verkün­dung des römischen Imperiums und das Streben die Adria zummare nostro" zu machen, zur italienischen Binnensee, steigern die Kriegsgefahr. So sucht Jugoslawien Anlehnung und Hilfe und da es sie bei Frankreich nicht so zu finden hofft, wie dies früher geglaubt wurde, gibt es in Ju- goslawien, wenn auch nicht innerhalb der Regie­rung, immerhin politische Kreise, die mit Deutsch­ land liebäugeln und die wirtschaftliche Annähe­rung an das Dritte Reich auch zu einer politi­schen gestalten wollen. Unter jenen, die eine solche Entwicklung wünschen, befindet sich auch Polen , dessen Außenminister kürzlich in Belgrad war und mA liebevollem Augenauffchlag um die jugoslawische Freundschaft geworben hat. Er hat dabei, wie wir erfahren, kein Glück gehabt, was in der Goeb­belspresse darüber geschrieben wird, gehört ins Reich der Märchen. Die Jugoflawen denken nicht daran, wegen des polnischen LiebeswerbenS das Bündnis mit der Tschechoslowakei und Rumänien auch nur zu lockern, diese Tatsache steht nach der Bukarester Entrevue fest. Jugoslawien hat auch allen Grund dazu an seiner bisherigen Politik festzuhalten. Jeder der drei Staaten der KleinenEntentetst schwächer als alle drei zusammen. Diese Erkennt­nis gilt jetzt und sie wird noch mehr gelten in einer Zeit, da die europäische Situation ge­spannter sein wird als sie ohnehin ist wobei man nicht gleich an einen Krieg denken.muß. Die Kleine Entente ist wenigstens der Ansatz zu einer Organisation im mitteleuropäischen Raum es ist zusammengefaßt, was miteinander gehen will, vorläufig ist es nicht mehr, sie ist ein Stück Friedensbürgschaft und soll deswegen erhalten werden. In den großen Fragen der europäischen Politik sowie in den Problemen des mitteleuropäischen Lebens werden die drei Staa­ten wefter gemeinsam vorgehen, wenn sie auch nichtzu jedem europäischen Staate in genau dem­selben Verhältnis sich befinden werden. Das ist z. Sh gegenüber R ußland der Fall, mit wel­chem die Tschechoslowakei verbündet, Rumänien befreundet ist, während. Jugoslawien sich eine ge­wisse Reserve auferlegt. Für die nächsten Tage erwartet man Deutschlands Antwort auf die englischen Fragen, die Eden an die deutsche Regierung angesichts des durch Hitler erfolgten Bruches der Locarnover­träge gerichtet hat. Davon hängt das künftige Verhältnis Deutschlands zu England, zu Frank­ reich und Italien ab. Zu dem gefürchteten Zu­sammengehen der beiden faschistischen Großstaa- ten in Europa (Deutschlands und Italiens ) dürfte es nicht kommen, weil deren Interessen im Donaubecken zu hart auf einander stoßen. Wird so die Einheitsfront des Faschismus nicht ver­wirklicht, so muß das Sträen. aller sozialdemo«