Seite 2 Mittwoch, 17. Juni 1936 Nr. 141 tratschen Staaten darauf gerichtet sein, den Ring zu schmieden, der alle demokratischen Staaten Europas umfaßt, weil dies die sicherste Friedens» bürgschast und die Rettung Europas vor dem Untergang ist. Es liegt an England, daß dieser Ring geschlossen werde. IV. Etappe genehmigt Prag . Das Abgeordnetenhaus genehmigte Dienstag nachmittags nach längerer Debatte, in die für unsere Fraktion Genosse Krejci eingriff, die Regierungsvorlage über die Gleichstellung der I V. Etappe der Altpensionisten. Genosse K r e j L i besprach in seiner ersten Parlamentsrede ein­gehend das wichtige soziale Problem der Alters­versorgung überhaupt, das heute leider für weite Schichten der Bevölkerung noch nicht oder nur unzureichend gelöst ist; immerhin hat gerade unier Staat auf diesem Gebiete Nenneswettes geleistet. Nicht überall werden wohlerworbene Rechte der Arbeiter und Angestellten so gehütet, wie gerade bei uns: auch darin unterscheidet sich die Demokratie vom Faschismus, der seine Mittel restlos für die Ausgestaltung seines Machtappara» teS ausbraucht. So wird uns das vorliegende Ge­setz zu einem Gradmesser für den sozialen und kulturellen Wert der Demokratie. Zum Schluß seiner beifällig aufgenommenen Rede, die wir im Auszug noch nachtragen werden, appellierte Genosse KrejLi an die tschechischen Parteien, durch die Tat zu beweisen, daß die Tschechoslowakische Republik auch für den deut­ schen Arbeiter und für den deutschen Angestellten wohnlich gemacht werden soll; so wird der Hitler- agitation in den Grenzgebieten am sichersten der Boden entzogen. Das Haus genehmigte ferner eine weitere Gerichtsentlastungsnovelle und vertagte sich dann auf Montag, den 22. d. M., um 15 Uhr. Für Mittwoch und Donnerstag sind mehrere Ausschüsse«inberufen; u. a. wird auch die Debatte über das letzte Krofta- Expose im Außenausschuß abgeführt werden. Auf der Tagesordnung der Montagssitzung steht bereits die Steuernovelle, bezüglich derer immer noch gewisse Differenzen zwischen der Koalition und dem Finanzministerium bestehen. Das Verhalten des Finanzministeriums in diesen Verhandlungen findet bei den Unterhändlern der Koalition keineswegs ungeteilten Beifall. Die Be­schwerden über die Berhandlungsmethoden des Ministeriums verdichteten sich in einer Koali­tionsberatung am Dienstag derart, daß beschlos­sen wurde, den Abgeordneten Beran mit dem Verlangen zum Ministerpräsidenten zu senden, daß das Vorgehen des Finanzministeriums in Vieser Angelegenheit zum Gegenstand von Ver­handlungen innerhalb der Regierung gemacht werde. Die Festsetzung des Arbeitsprogrammes, das noch vor den Ferien erledigt werden soll, bleibt dem Parlamentspräsidium überlassen. Als letzter Sitzungstermin wurde der 26. Juni, spätestens der 4. Juli, genannt. Theatersubvention für 1936 um eine halbe Million erhöht IVeitergehende Zusage für da« nächste Budget Im Kulturausschuß des Senates wurde der Initiativantrag der tschechischen Sozialdemo­kraten auf Errichtung eines staatlichen Fonds zur Wcltproduhtion und Wcltarbcitsloslgkdt Für die weltwirtschaftliche Gesamtbetrachtung liefert die folgende Tabelle einen interessan ten Einblick in das Verhältnis zwischen Produktion und Beschäftigung. Welt:(1928100) 1927 1928 1929 Produktion... 95.1 100.0 106.0 Arbeitslose(in Mill.) 8.8 1930 1931 1932 1933 1934 1935 90.5 78.5 65.0 74.7 81.1 89.9 14.9 21.5 25.9 25.6 22.5 21.5 Wie aus diesen Zahlenreihen zu ersehen ist, hat die Weltproduktion im Jahre 1935 etwa den Stand von 1930 wieder erreicht, während die Arbeitslosigkeit-noch sehr weit darüber hinaus­geht. 1930 wurde die Gesamtarbeitslosigkeit geschätzt auf 14.9 Millionen, 1935 soll sie noch etwa 21.5 Millionen Menschen betragen haben. Dieses Zurückbleiben der Beschäftigung gegenüber dem Fortschreiten der Gesamtproduktion ist vor allem auf die Steigerung der Produktivität der Arbeit durch Rationalssierung zurückzuführen. Hier taucht eines der größten Probleme der Gegenwart auf: Der Einfluß der Technik auf die Arbeitslosigkeit. Von der Lösung dieses schicksalsschweren Problems hängt die Wiedereingliederung der Millionen Arbeitskräfte in den Produktionsprozeß ab. Subventionierung der Theater in Verhandlung gezogen. In dieser Sitzung gaben die zuständigen MinisterDr. Frank«, TuLnh und Dr. Kal» f ü s die Erklärung ab, daß sie sich für das lau­fende Jahr auf die Erhöhung der Sub­vention für notleidende Theater um eine halbe Million X C geeinigt Mitten. Der Ausschuß nahm diesen Bericht mit Tank zur Kenntnis, zumal als die Minister ihn durch die Mitteilung ergänzten, daß in das nächste Budget ein höherer Betrag zur Unterstützung der Theater eingereiht werden sckl, deren Lage durch die Konkurrenz des Films und des Rund­funks schwierig ist. Dabei soll auch die Frage der Aufsicht über die Wirtschaftsgebarung und die künstlerische Qualität der Theater gelöst wer­den, damit die beträchtliche Subventionierung des Dheatevwesens nach jeder Richtung hin mo­tiviert erscheine. Auf Grund dieser Erklärungen zog der Ausschuß den Referentenantrag nicht mehr in Verhandlung, sondern begnügte sich mit der Annahme einiger einschlägiger Resolutionen. Der Senat hielt Dienstag nachmittags eine kurze Sitzung ab, in der ein Zusatzprotokoll zum Handelsvertrag mit Belgien bezüglich der Ver­zollung von Putzleder und das Zusatzabkommen zum Handelsvertrag mit Deutschland vom 30. Dezember 1985 über die gegenfeitige begünstigte Verzollung von Musikinstrumenten genehmigt wurden. Das letztere Abkommen geht auf eine Vereinbarung der tschechoslowakischen und'der deutschen Musikinstrumentenindustrie zu­rück. Deutschland bewilligt demnach für t s ch e- choslowakische Saxophone einen Zoll von 500(normal 700) Mark pro Zentner. Für deutsche Ziehharmonikas(mit höchstens 16 Bässen) bewilligt di« Tschechoslowakei einen Zoll von 960 statt bisher 1800 XL; ferner wird der Zoll für umsponnene Saiten von 1800 auf 1000 XL herabgesetzt. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung, die für 11 Uhr vormittags an­beraumt ist, steht u. a. das Ermächtigungsgesetz., Verlängerung und Verschärfung des Wäh­rungsschutzes. Di« Regierung hat im Senat einen Gesetzentwurf eingebracht, durch welchen das Gefetz 121/32 in der Fassung des Gesetzes 1)3/34 über den Schutz der tschechoslowakischen Währung bis Ende 1940 verlängert werden soll. Gegenüber den bisherigen Bestimmungen werden namentlich die Strafsanktionen ver­schärft. Das bisherige Höchstausmaß der- Ge­fängnisstrafe von drei Monaten für schwere Ge­fällsübertretungen wird auf sechs Monate er­höht; insbesondere der gewerbsmäßige Valuta­schmuggel soll getroffen werden. Bei Ausländern ist in diesen Fällen die Ausweisung obligatorifch, bei Vergehen fakultativ. * l halten für diese Zwecke eigene Sehr nachteilig wirkte sich die Fahrpreisermäßigung auf den Die Winter-Touristik verzeich- Naturfreunde-Arbelt im Jahre 1935 . Der TouristenvereinDie Naturfreunde", Sitz Aussig , hat in seinem offiziellen Verbands­organBerg frei!", Folge 5, den Jahresberichr 1985 veröffentlicht. Wir entnehmen ihm u. a.: Die Organisation in der Tschechoslowakei zählt Wer 100 Ortsgruppen mit nahezu 10.000 Mitglie­dern, die in acht Gauen vereinigt sind und vom Reichsausschuß in Aussig betreut werden. Ueberall haben die Naturfreunde Fuß gefaßt. Die touristi­sche Tätigkeit ist immer noch eine gute. Es wurden 3488 Touren mit über 80.000 Teilnehmern statistisch erfaßt. Hiebei wechselten Halbtags-, Tages-, Mehr« tags-, Jugend- und Kinderwanderungen, Wanderun­gen mit Vorabend ab. Urlaubstouren von drei- bis 14tägiger Dauer fanden fast ausschließlich im In» lande statt. Fremdenführungen, Exkursionen, Mu­seumsbesuche, Städtewanderungen, Höhlenforschun­gen, Wasserfahrten, Vereins- und Gesellfchaftsreisrn, Kletterwanderungen, Bergfahrten, Bergfeste, Hütten­feiern, Bestands- und Gründungsfeste, Ausstellun­gen, Bezirks-, Gau- und Reichstreffen zählten zur vielseitigen Vereinsarbeit. An Kurfen fanden Füh-; rer-, Kartenlese-, Photo-, Ski-, Kletter- und Sa­mariterkurse statt. Auch Wanderführer-Lehrgäng« wurden abgehalten. Zur Erweiterung des Wissens dienen die reichhaltigen Bibliotheken. Die Wander­auskunfteien und Urlaubsberatungsstellen erfreuen sich einer guten Inanspruchnahme. Mehrere Orts­gruppen und Gaue Kanzleien geöffnet. Verschlechterung der Staatsbahnen aus. net ebenfalls Erfolge. Erfteulich ist das Anwachsen der Mitgliedschaft in den Sektionen, ferner in den Fach- und Arbeitsgemeinschaften. Fortschritte sind auf dem Gebiete des Photo- und Lichtbildwesens zu melden. Biele Gruppen halten besondere Räume für diese Bestrebungen bereit. Geräumige Natur­freundehäuser finden, wir vor: Im Erzgebirge : Neu­hammer bei Karlsbad , GerSdorf bei Komotau , Klein­bahn bei KathEinäbertz, Mbtzdorf btk Flky" Vöroir» Zinnwald ,Morbachhütte" am Mückcnberg, Rollen­dorf bei Aussig ; im Elbesandsteingebirge: Renners­dorf bei B.-Kamnitz; im Lausitzergebirge: Jägerdör- fel am Fuße der Lausche . Niederlichtenwalde; im Jsergebirge:KönigSböhe" bei Reichenberg ; im Rie­ sengebirge : Stufenseite bei Petzer ; im Altvater­ gebirge : Karlsdorf bei Klein-Mohrau; in den Bes­kiden: Celadnatal am Smrk; in der Slowakei : Modern am Sand bei Preßburg , zwei Schutzhäuser bei Kaschau und eines bei Presöv; im Brdywald: ein Blockhaus; schließlich das Felsenheim Schelesen bei Libüch im Daubaer Ländchen und ein Bootshaus in Aussig sichern Gelegenheit für Unterkunft, Näch- tigung bei Wanderungen und Ausflügen und sind auch infolge ihrer günstigen Lage für Sommer- und Winter-Urlaube bestens geeignet. Badegelegenheiten sind vorhanden. Die Mehrzahl der Schutzhäuser find ganzjährig geöffnet und bewirtschaftet,daher auch für Schulausflnge zu empfehlen. Fast in allen Schutz­häusern befinden sich Sanitätsstationen und Trag­bahren. Die Mitglieder genießen viele Begünsti­gungen wie Fahrpreisermäßigungen im In- und Auslande(auch als Einzelfahrer), vorteilhafte Ver­sicherungseinrichtungen für alle Unternehmungen im Vereine, Ermäßigungen bei ausländischen Touristen- organisationen u. a. m. Ein geringer Jahresbei­trag mit zwei touristischen illustrierten Zeitschriften sichert den Anspruch der vielseitigen Leistungen und Einrichtungen des Gesamtvereines. Fördert also durch den Beitritt die Bestrebun­gen der Naturfteunbe, werdet Mitglieder! Anmel- düngen nehmen alle Ortsgruppen entgegen. Aus­künfte und Auftlärungen erteilen die Gauleitungen. Werbematerial ist durch die Geschäftsstelle des Tou­ristenvereinesDie Naturfreunde", Sitz Aussig a. E, Marktplatz 11(Telephon 3033), anzusprechen. Die nächsten Aktionen: Beteiligung beim Bundesturnfest des AtuS in Komotau vom 4. bis 6. Juli. Ermäßigte Dauerfestkarten zu 15 XL erhältlich. Vom 7. bis 16. August mit den Natur» fteunden nach Brünn zum Anlässe der 13. Haupt­versammlung der Naturfreunde-Jnternationale, mit anschließender Urlaubswoche. An alle befteundeten Organisationen und Korporafionen ergeht hiemit die Aufforderung, sich diese Tage ftei zu halten. Das Eisentahngesetz war Dienstag Gegenstand der Verhandlungen des verkehrstechnischen Aus­schusses: es wurde die Generaldebatte- abgeführt. Der Referent Römer betonte, daß der Ausschuß Hinsicht) lich gewisser Angestelltenfragen die Entscheidung des verfassungsrechtlichen und des sozialpolitischen Aus­schusses werde abwarten müssen. Die Vorlage wurde auch von feiten der Opposition begrüßt und u. a. wegen ihrer klaren Stilisierung gelobt. In Vertretung des Eisenbahnministeriums versicherte Sekttonsrat Dr.- C m e l a r, daß Ersparungen nicht auf Kosten der Angestellten, sondern durch V e r» einfachung der Administrative er­zielt werden sollen. Die Vorlage regett nicht die Verhältnisse der Angestellten der Staatsbahnen, sondern greife lediglich in die Verhältnisse der An­gestellten bei den Privatbahnen ein und ver­bessere sie in vieler Hinsicht. Di« Vorlage habe auch nicht die Absicht, in das Flugwesen einzugreifen, sondern wolle lediglich in grundsätzlicher Form das Verhältnis der Eisenbahnkonzession zu anderen Verkehrszweigen lösen. In Tariffachen werde an dem bisherigen Zustand so gut wie gar nichts ge­ändert. Mitwisser Wesemanns angeschossen AP. Berlin . Wie erst jetzt bekannt wird, wurde in einem Wald in.der., Nähe von Berlin 'Dr.' Walter Ri ch re r,'jener Knn 1t nalwinm issar beim Geheimen Staatspolizeiamt Berlin, der 1934 in London Dr. Wesemann zur Besorgung von Spitzeldiensten engagiert hatte und am 27. Feber 1935 nach Basel kam, in schwer verletztem Zustande, von einer Revolverkugel getroffen, auf­gefunden, Es wurde in das Krankenhaus gebracht» verlveigerte aber jede Auskunft über die Ursache seiner Verwundung. Man vermutet, daß hier ein unbequemer Agent, der über zu viele Geheimnisse informiert war, aus dem Wege geräumt werden sollte. » Berlin . Der diesjährige nationalsozialistische Parteitag soll im September stattfinden. Es heißt, daß Hitler beabsichtige, die Kolonialfrage in den Mittelpuntt zu stellen. 14 Wir suchen ein Land Roman einer Emigration Von Robert Grötzsch Copyright by Eugen Prager-Verleg, Bratislava . Wann geht's ab, Moses? In drei Wochen, was? Du, die Eva, die tut mit dir voch bloß schön, weil sie was erfahren will." Ernst, du warst doch mal Abstinent, nicht?" Bis vor einem halben Jahr, jawoll." Siehst du, Kleiner, das war schön, dabei hätt'ste noch eine Weile bleiben solln, da würdest du jetzt nicht solche Makulatur quatschen... Das Mädchen tut ja garnicht schön leider!" Er schrie es beinahe schmerzhaft in das triste kleine Zimmer. Aber der Kleine war nicht aufzuhalten. Frosch und die beiden Zwillinge, weist du, was die sagen? Es wäre besser, was mit ihr geredet wird, daß das vor Zeugen geredet wird... Kannste sagen was de willst, recht Hamm se und wenn du dich von dem Mensch weglocken läßt von Palästina weeßte was ich da mache?" Sein Weißblonder Schopf schwankte hoch über dem Bett. Weeßte was? Da geht Ernst alleene. Die Pußta ruft... Du kennst den Film, du warst ja mit! Alleene geht Ernst, Mensch! Und du kriegst än Brief aus deinem Vaterlande, daß du heulst! Mich ruft die Pußta !" Er wußte zwar nicht genau, was die Pußta mit Palästina zu tun hatte, aber es klang so schön. Der weißblonde Haarschopf sank stolz und müde ins Kissen. Ha, staunen sollten sie alle, wenn in der Spinne eine Ansichtskarte landete mit Negern drauf:Herzliche Grüße aus Asien !" VI. Kapitel. Eva saß daheim am Tische und schrieb. Ne­ben ihr ein langer niedriger Kasten. Steine in allen Farben schimmerten über die Holzränder. Am Fenster, auf erhöhtem Platz, sttckte Thekla, die Schwester.Und komm heute Abend nicht zu spät, wir haben Besuch", sagte sie zwischen den Stichen. Ich weiß." Eva schrieb weiter, sah zwi­schendurch auf einen Feueropal hernieder, prüfte sein Farbenspiel und beschrieb, was sie sah. Er hat schon gefragt, ob du da bist." Eva ließ einen schwachen Seufzer hören, schrieb weiter. Im Gatten unten lärmten die Vö­gel. Die alten Biedermeiermöbel ringsum schlie­fen. Bonder Wand schauten Evas verstorbene Eltern. Der Vater bärttg und mit schütterem Haar, die Mutter vollbusig, das Profil etwas ttotzig geschnitten, die beiden Töchter auf ihren Knien ein altes Familienbild, beinahe ein an­deres Jahrhundert. Etwas ernster würde ich's an deiner Stelle nehmen", kam es vom Fenster her.Er geht in die Fünfzig, zugegeben, nicht mehr der Jüngste. Aber annehmbare Figur, vernünftiger Mensch, Leutnant gewesen, für einen Arier gar nicht dumm, Teilhaber einer Firma, die sich in der Krise sehr gut gehalten hat." Wird nicht bestritten." Eva kritzelte beses­sen drauflos. Ihr gesenkter Kopf hatte im Profil etwas von einem trotzigen Pony. Die Haare fie­len dicht und gewellt an den Seiten hernieder. Die Schwester ließ die Stickerei sinken. Son­nenstreifen fielen durchs Fenster und zeichneten auf Theklas Haar einen goldenen Fleck. Sie war der anderen um fünf Jahre voraus, etwas voller und kleiner, um Haar und Augen dunller.Ich weiß auch nicht, auf wen du wartest! Bist sechs­undzwanzig meinst du das bleibt ewig so? Na und dann? Willst du deinen Doktor machen? Und dann?" Weiß ich noch nicht." Die Feder rauscht leise. Als ich meinen Mann kennen lernte, wußte ich auch nicht, ob Liebe draus würde, na und du siehst doch: es ist sehr gut gegangen, nich? Eine gute Partie, der Herr Wendisch, du heiratest dir eine anständige Staatsbürgerschaft an... Meinst du, das ist in diesen Zeiten zu verachten?" Thekla gehörte zu den Phlegmattschen, aber die Uninteressiertheit der Schlvefter empörte sie.«Was hast du eigentlich gegen Herrn Wendisch?" Nichts, nichtser als nichts", sagte Eva und legte die Feder mit einem Seufzer zur Seite. Aber ich kann doch einen Menschen nicht deshalb ehelichen, weil ich nichts gegen ihn habe! Außer­dem kenne ich ihn nicht und er mich nicht!" Darum sollst du ihn eben kennen lernen und dich nicht bei jeder Einladung zu einer Auto- pattie so zieren! Jawohl, du zierst dich. Mutter hatte ganz recht: du bist aus der Art geschlagen! Ohne Sinn für die Wirklichkeit, ein übertriebenes Mädchen, voll romantischer Illusionen..." Eva war aufgestanden, schlenderte zum Fen­ster, legte den Arm um die Schwester.Glaub mir, ich bin ohne alle Illusionen. Und über das, was Wirklichkett ist, Thekla, Thekla darüber streiten sich die Gelehtten heute noch mehr als früher." Thella wandte ihr empört das Gesicht zu. Was hat denn das mit Heiraten zu tun?" Das frage ich dich," lächelte Eva.Vor­läufig-hat mich kein Mann so interefliett, daß ich" sie zögerte und wurde leiserdaß ich ge­wünschte hätte, mit ihm Kinder zu haben..." Kinder... Kinder... Bei uns fft's auch ohne gegangen... Du bist eben kalt... Das kommt vom Studium, ausgerechnet Mineralogie, das kälteste Fach..." Warum mußt du meine Lieblinge beleidi­gen, Thella?"- Sie ging zum Tische zurück, strich mit den Fingern über ein paar kleine bunt« , Steine, die auf dem Wattegrund eines kleinen, 'schmucklosen Kästchens schimmerten: grün, rot,f blau und durchscheinend goldgelb. Nichts wett, sagen die Kenner, Halbedelsteine, für wenige Hel­ler zu haben... Eva legte ein gestreiftes Tiger» äuge zärtlich auf die Hand. Seltsames Wunder, diese Steine, gewachsen wie Blumen im Garten, nur haben sie ein paar hundert Jahre mehr dazu gebraucht. Denn Steine haben Zeit, die Welt hat Zeit, nur wir Kurzlebigen, wir Eintagsfliegen, wir haben es eilig... Seltsam wie so etwas Buntes, leuchtend Stummes gedeiht... Das sanft gewölbte Tigerauge verschwand im Kästchen, zwei kindliche Finger hoben einen Kristall herauf. Zwölf Flächen hat dieses flimmernde Stück, Thekla, schau nur und wächst nach unerschüt­terlichen Gesehen, immer in zwölf Flächen..." Eva versank in das Geglitzer... Könnte sich doch mal irren, so ein Granatoeder oder Oktaeder oder Hexaeder, könnte doch mal eine Kante zu wenig, eine Fläche zuviel haben, könnte sich doch ver­ändern oder die Grundform wechseln. Nein, ge­schieht nicht, er wächst genau wie er soll und muß. Manchmal hindern zwei oder viele einander an der Entfaltung. Dann bleibt ein- Kristall unvoll­kommen, aber er ändert sein Wesen nicht. Nie. Wie statt sind die Gesetze der Natur, wer kann ihnen entfliehen? Wer kann nach Wunsch wach­sen. so oder so? Du solltest dich nicht in dein totes Fach ver­graben," kam es wieder vom Fenster her,du solltest mehr unter die Leute gehen." Di« Decke flog einmal durch die Luft.Aber lehnst ja jede Einladung ab. Alles langweilt dich. Lächer­lich... Bei den Emigranten baden, das ist dir interessanter..." Eva seufzte und schlug den Deckel des Käst­chens zu, das Tigerauge hüpfte über zwei Ame­thyste hinweg.Thekla, warum müssen wir jeden dritten Tag dasselbe Gespräch haben? Ich bin nun mal falsch eingerichtet, na schön, wieso muß ich da gerade euren Freund Wendisch unglücklich machen?", .»Fortsetzung folgt);