16. JahrgangFreitag, 26. Zuni 1936Nr. 149Einzelpreis 70 Heller(«injchli.Blich i Hellar Porto)IENTRALORGANDER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEIIN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIKERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRÜH. Redaktion und Verwaltung präg xiufochoya a. Telefon sxn.HERAUSGEBER» SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR» DR. EMIL STRAUSS, PRAG.Der BolschewistenschreckSchlußwort Dr.Kroftatein leeres GeredePrag. Im Außenausschuß des Abgeordnc-trnhauseS hielt Donnerstag früh Minister Tr.Krofta das Schlußwort zur letzte« außenpolitischen Debatte, die sich an sein Expose geknüpfthatte. Der Minister beschäftigte sich zum größtenTeil mit den Anregungen, bzw. Angriffen desslowakischen Bolksparteilers S i d o r, die er—und zum Teil in auffallend scharfer Form—zurück—, bzw. in die richtige» Bahnen verwies.Auch die TdP erhielt auf ihre durch Birke gestellten Forderungen nach Neuregelung unsererAußenpolitik im Sinne des Tritten Reiches eineklare Antwort: die völlige Ablehnungdes von der SdP geforderten Kurses.Päpstlich« Bulle urgiertIn dem Schlußwort urgierte der Minister zunächst in wohlabgewogener Form die verabredetep ä p st l i ch/e Bulle über die äußere Abgrenzungder slowakischen Diözesen, die die Regierung b e-reitsimVorjah r erwartet habe, nachdem sievon sich aus alle verabredeten Bedingungen für dieInkraftsetzung des ersten Teiles des modus vivendi— darunter die Uebergabe der beschlagnahmten Kirchengüter an den Treuhänder des. Hl. Stuhles—erfüllt habe. Die Errichtung zweier neuer Kirchenprovinzen, einer römisch-katholischen für dje Slowakei und einer griechisch-katholischen für Karpathoruß-land, die durch die Bulle erfolgen soll, wird erst dieVoraussetzung für die Ernennung eines E r z bisch o f e s für die Slowakei schaffen.’Im Verlaufe einer Auseinandersetzung mit Si-dor, ob das Bündnis mit Lowjerrutzland-die Wertung der Hussitenzeit in der tschechischen Geschichtebeeinflusse, erklärte der Außenminister, es seiganz abwegig, dem Bündnis mir Sowjetrußlandirgendeinen Einfluß auf unsere Innenpolinkund namentlich auf das Verhältnis der Regierung zu den hiesigen Kommunisten zuzuschreiben.Wir mischen uns selbst nicht in die inneren Verhältnisse anderer Staaten, mögen sie unsere Verbündetenoder unsere Widersacher sein, würden es andererseits aber auch dem besten Verbündeten nicht gestatten, unsere Innenpolitik zu beeinflussen. Ren HerrenS i d o r und Birke, die den Standpunkt vertraten, daß unserem Staat aus dem Sowjetkommunismus, bzw. Bolschewismus weiß Gott was für eineGefahr drohe, erklärt der Minister,daß diese Furcht vor dem Bolschewismus nicht nurbei«ns, sondern viel mehr noch in gewisse» anderen Staaten sehr verbreitet sei und vielfach auch als Waffe gegen unserenStaat verwendet werde, weil er angeblich dasEindringen der„bolschewistischen Pest" nach Westneropa unterstütze und sich dadurch selbst ins Verderben stürze.Unsere Außenpolitik hat niemals«inesolche Furcht gehegt, obwohl sie»icmals ihrenWiderstand gegen den Bolschewismus verheimlichthat. Dr. Krofta ist f r st überzeugt, daßunsere demokratische Ordnung den Bedürfniffeuund dem Sehnen der Menschheit besser entspricht als das Sowjetregime, und fürchtet deshalbnicht, daß unsere demokratische Ordnung, die inihrem Kern gesund und gut ist, von dem Sowjetsystem gestürzt werden könnte. Ebenso brauchenwir«ns auch vor der Gefahr des P angerma-n i s m n s nicht zu fürchten.entschiedene Worte rum Konfliktmit PolenZu dem ebenfalls, von Sidor aufgeworfenenpolnischen Problem stellt der Minister zunächst fest,daß. gewisse Kundgebungen auf polnischer Seite, diesich bis zur Forderung nach Aufteilung derTschechoslowakei steigern, von offizieller polnischer Seite'niemals verurteilt worden sind, wiedies umgekehrt bestimmt der Fall gewesen wäre.Urber die Beschwerden unserer polnischenMinderheit werde niemals ein Herr Dr. Wolf(der Abgeordnete der bürgerlichen Polen in«nse-rem Parlament)«nd auch nicht Warschaueinseitig entscheiden. Auch unsere Regierung wollejedoch nicht einseitig entscheiden und halte daherihren Vorschlag, diese Differenzen dem vorgesehenen Schiedsgericht»der einen« anderen«n-■ parteiischen internationalen Tribunal zu unter-. breiten, voll aufrecht.Mas die gegenseitigen Ausweisungen betrifft,so' stellt Dr. Krofta fest, daß im Jahr« 1935 vonPolest 14.6 Prozent aller dort lebenden Tschechoslowaken, von uns aber nur-1.8 Prozent der hier lebenden polnischen Staatsbürger ausgewiesen wurden.Ziffernmäßig halten sich die Ausweisungen fast dieWaage(878 Tschechoslowaken/gegen 930 Polen),-veil die polnische Minderheit bei uns. rund-75.600beträgt, während in Polen nur 6000 Tschechoslowaken leben.Hitlers Außenpolitikfür uns kein VorbildDer SdP, die durch Birke in drei Punkten eineUmorientierung unserer Außenpol i-t i k(selbstverständlich in Ungleichung an die Außenpolitik des Tritten Reiches) gefordert hatte, gibtDr. Krofta eine ebenso eindeutige wie nicht mißzuverstehende Antwort. Auf die Frage„Freundschaft und damit Untergang im Bol-s ch e w i s m u s?'^verweist er auf seine oben zitierten Ausführungen, über den Bolschewikenschreck. Auf die Frage:„Neugestaltung der Ordnung und damit Verständigung der Völker und Staaten Europas auf der Grundlage des gleichen Rechtes" lautet die Antwort:„Wir sind für die Verständigung der europäischen Völker und Staaten auf Grnnd des gleichen Rechtes, aber ich halte es für notwendig,hinzuzusügcn, daß wir es nicht billigen können,daß die neue Ordnung durch einseitigeVerletzung der übernommenen Verpflichtungennach subjektiven VorstellungenAuch der Senatfür Blums AußenpolitikParis. Der Senat hat nach Abschluß derAußendrbatte der Regierung mit 183 gegen 56Stimmen das Vertrauen ausgesprochen.Die deutsche ZwangsanlelheBerlin. Die Tranche voi« 200 MillionenMark, die einen Teil. der großen Anleihe desDeutschen Reiches in der Gcsamthöhr von 700Millionen Mark bildet, muß von allen deutschenSparkassen obligatorisch gezeichnet werden. DerPresse wurde verboten, diesen Umstand zu ver-ösfentlichen, damit unter den Einlegern keine Unruhe entsteht.Die am 22. Juni eröffnete Konferenz inMontreux wird zweifellos zu einer Etappe derHerausbildung des neuen europäischenGleichgewichtes werden. Von diesemStandpunkt hat die Konferenz eine große Bedeutung auch für die Staaten der KleinenEntente, um so mehr, als die Regelung derMeerengenfrage die vitalsten Interessen der Balkanstaaten berührt, die ja. mit der Kleinen Ententeeng verbunden sind. Den Anstoß zur Revisionder bisher geltenden Bestimmungen hat der italienische Tieg gegeben. Es handelt sich heute anscheinend um zwei Momente: einerseits dieStärkung der anti-italienischenF t o n t im östlichen Mittelmeerbeckcn, andererseits um die Verstärkung d e r r u s s i s ch-türkischen Zusammenarbeit imSchwarzen Meer.Die Sowjetuion hat hierbei ein ganz besonderes Interesse: es handelt sich für Moskau umnichts anderes als den Schutz der Küsten desSchwarzen Meeres und damit der Ukraine gegenfeindliche Seeoperationen.' Der russische Grundsatz- gegenüber der Meerengenfrage hat vor demKriege darin bestanden, für sich'den„Schlüssel z u m e i g e n e n H,a u s e", mit anderenWorten, den Besitz von Konstantinopel zu verlangen. Auf der Lausanner Konferenz von192.2/23 hat die Sowjetregierung einen anderenStandpunkt vertreten, der jedoch auf dasselbe Zielhinauswollte. Moskau hat in Lausanne, im Einverständnis mit der Türkei, eine Schließung derMeerengen für alle Kriegsschiffe sowohl in Frie-sdens- als in Kriegszeiten verlangt. Die Meerengen sollten dem Schutze der Türkei überlassenwerden, die natürlich das Recht haben sollte, dbrtBefestigungen beliebiger Art aufzu führen. DieLausanner Konferenz ist bekanntlich zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen: die Meerengenwurden demilitarisiert^ und die Kriegsschiffe, dernnb Gelüste« einzelner Völker und Staaten eingeführt werde."Zur dritten Frage„Vollständige Neutralisierung der Tschechoslowakei nach den Grundsätzender Schweiz" bemerkt Dr. Krofta, man solle sichkeinen Illusionen hingeben, daß eine eventuelleNeutralitätserklärung der Tschechoslowakei von denanderen Staaten zur Kenntnis genommen undrespektiert würde. Eine neutralisierte Tschechoslowakei, die sich der'Möglichkeit einer entsprechendenVerteidigung begeben hätte, würde im Gegenteilbald ein Gegenstand von Streitigkeiten in Europa und pamit eine Quelleder Unruhe. Dom Frieden in Europa dienen wir ambesten, wenn wir in unserer bisherigen Politik fortfahren und unsere Verteidigung gewissenhaft aufbauen.Antwort an KänyaAuf die Drohungen des ungarischen Außenministers K ä n y a, die durch das Siaatsver? oi-gungsgesetz bedrohten Rechte der magyarischenMinderheit nötigenfalls vor dem Völkerbund zu verteidigen, erklärt der Minister, daß solche Drohungen uns nicht hindern können, den vorgezeichnetenWeg zu' gehen. Unsere Gesetze gelten für alleStaatsbürger ohne Unterschied. Eine Kritik aus demAusland fürchten wir nicht. Vor dem internationalenForum hätten wir aber nicht nur Gelegenheit, unsgegen die Beschuldigung erdachter Persekutioncnzu verteidigen, sondern wir könnten uns auch unsererseits der tschechoslowakischen Minderheit in Ungarn annehmen, die dort der Möglichkeitder freien Pflege ihrer völiki-schen Eigenart beraubt sei.Der Terror der Araber nimmt zuJerusalem. Tic Terrorakte nehmen im gan-i zen Land« zu. Ungefähr dreißig Araber grisfendie jüdisch« Niederlage Kalandia an. Sin Judewürde getötet. Erst als militärische Verstärkungeintraf, wurden die Angreifer zurückgcworfen.Auf der Polizeistation von Hebron explodierte eineBombe, ohne jedoch Schaden anzurichten. Di« dortige Militärbaracke wurde nachts angegriffen,ohne daß es Verletzte gab. Das Gleiche geschahmit dem Zollhaus von Aiko und den Militärbaracken, die an der Bahnstrecke Jerusalem-—Lydda liegen. Ueberall fanden wiederum Schießereien statt. An verschiedenen Stellen wurdenidie Telephonleitungen zerschnitten.Großmächte haben die Erlaubnis bekommen, inFriedens- wie in Kriegszeiten die Meerengen zupassieren. Damit hat England, dessen Ueber-macht im östlichen Mittelmeer damals unbestrittenwar, sowohl die Kontrolle über die Dardanellenan sich gerissen, als sich auch die Möglichkeit verschafft, gegebenenfalls das Schwarze Meer in seinen Machtbereich hineinzuziehen.Italien ist damals als Mittelmeermacht vonkeiner Bedeutung gewesen. Nun hat sich jedochdie Situation verändert: die Sowjetunion stehtzwar wieder in einer Front mit der Türkei, diesebeiden Mächte verlangen wieder eine Schließungder Meerengen und im Zusammenhang damit ihreWiedcrbefestigung. England hat aber seinenStandpunkt grundsätzlich verändert und ist jetztbereit, die russisch-türkischen Forderungen zu bewilligen. Damit verzichtet London auf jede Einflußnahme im Bereich des Schwarzen Meeres undüberläßt auch die Kontrolle der Dardanellen völligder Türke i. Das Schwarze Meer würde damitzu einem geschlossenen russisch-türkischen Meer werden, andere Anliegerstaaten,wie Rumänien und Bulgarien, würdensich dem Kondominium von Moskau und Ankaraunterwerfen müssen.Die Spitze des kommenden Protokolls vonMontreux wird jedoch gegcnItalien gerichtet sein. In Montreux wird, höchstwahrscheinlichder erste' Grundstein zu dem von England geplanten Bündnis der Anlieger des öst-lrchen Mittelmeer es gegen Italiengelegt werden. In diesem Zusammenhang erhalten erst die letzten Darlegungen Edens, imllnterhaüs über die Aufrechterhaltung, der voreiniger Zeit abgeschlossenen Sichcrheitsabkommenmit den Mittelmeerstaaten sowie über' das Weiter-.bestehen der britischen Verteidigungsbereitschaft im'Mitielmeer ihre richtige Bedeutung,-.-....vis Konferenz In MontreuxDie Deutschenund die GrenzzoneNun ist die Durchführungsverordnung zumStaatsverteidigungsgesetz erschienen und sie istbesonders in jenem Teil wichtig und in dasLeben jedes einzelnen Staatsbürgers tief einschneidend, der die Sicherung der Grenzzonebetrifft. In den historischen Ländern handelt essich bei den Bezirken, die in die Grenzzone eingegliedert werden, vor allem um Bezirke mitdeutscher Bevölkerungsmehrheit und viele Sudetendeutsche, die das Reden von der Kriegsgefahr bisher mit einem ungläubigen Lächelnquittierten, werden. durch die notwendigenVorkehrungen für den hoffentlich vermeidbarenErnstfall aus ihrer beschaulichen Ruhe, aus, ihrer lässigen Ungläubigkeit ziemlich unsanftaufgestört. Es gehört zur politischen Eigenartdes völkischen Sudetendeutschtums, sichüber die unangenehmen Erscheinungen despolitischen und staatlichen Lebens lediglich dieGedanken zu machen^ die in das enge Weltbildvölkischer Unduldsamkeit' und Einseitigkeitpassen. Man hat dies vor kurzem bei der Ge fährdung der sudetendcutschen Weltbädcr durchdie Drosselung des Zustroms Reichsdeutscher gesehen: keinem Schriftleiter ist es eingefallen, aufdie unumstößliche Tatsache hinzuweisen, daß nichtdie Tschechoslowakische Nationalbank, sondernin erster Linie die deutsche Reichsbank an derZahlungsmisere schuld ist. Es ist bequem und„dankbar", gegen Prag Anklagen zu erhebenund die Schädigung der sudetendcutschen Bäderdurch die deutschen. Devisenbestimmungen und diedurch die Aufrüstung verschuldet« Zahlungs-unfähigkcit Deutschlands zu verschweigen. Ja, dieSdP scheint die Schädigung der sudetendcutschenKurorte systematisch zu betreiben: das geht ausder Konstruktion des„Falles Franzensbad" hervor, das ergibt sich aus der gewissenlosen Flüsterpropaganda, die eben jetzt in den westböhmischenKurorten unter den Reichsdeutschen betriebenwird.Aehnlich liegen die Dinge beim Gesetz überdie Staatüverteidigung, das manchen, Staatsbürger, von dem es unmittelbare Opfer verlangtoder dessen Freizügigkeit es einschränken kann, alshart empfunden werden wird. Er wird sich sicherlich nicht sehr leicht mit dem Gedanken trösten,daß die tschechischen Mitbürger in den Grenz-> gebieten keine geringere Bürd.e zu tragen haben,sondern nach dem Schuldigen suchen. Und wiederblickt er, in seiner Kurzsichtigkeit durch die völkische Schriftleiterpresse bestärkt, mißbilligend nachPrag: hier wurde das Gesetz beschlossen, hierwurde die Verordnung erlassen. Wagt cs diesegewisse Presse auch nicht, die erlassenen Bestimmungen zu verdammen, so unterstützt sie doch diemittlerweile ins Werk gesetzte Flüsterpropagandagegen Prag wenigstens durch höhnende Heberschriften. Keineswegs geht sie so weit, das Gesetzund die Verordnung zu erklären.Sie müßte dann nämlich doch auf die Tatsache zu sprechen kommen, daß es der Tschccho-slolvakischen Republik nicht zur Zeit der WeimarerRepublik einfallen mußte und eingefallen ist, soweitgehende und einschneidende Schutzmaßnahmenzu ergreifen.. Das Bekenntnis unseres ganzenLandes zum.Frieden ist heute nicht geringer als' einst; a b e r d i e> V o r a u s s e tz u n g e nzur' Erhaltung tne s Friedenshaben. sich geändert. Sie haben sich verändertdurch die Etablierung des Hitlerregimes, in dessenProgramm die Expansion und insbesondere dieSchaffung Grotzdeutschlands vorgesehen ist. Inder Grenzzone des Dritten Reichs wurden schonviel früher noch.weitergehende Maßnahmen ergriffen als jetzt bei uns. Das kann nicht mit An-griffsabsichtcn der Tschechoslowakei, die anzunehmen höchst lächerlich, wäre, Zusammenhängen, sondern nstr mit zu befürchtenden des.Dritten Reichs.Und es ist auffvllcnd, daß. keines der völkischenBlätter, die an den Verteidigüngsmaßnahmen derTschechoslowakei verhaltene Kritik üben(auf. jedenFall aber ihren Lesern die Begründung verschweigen) auf die Aufrüstung Deutschlands, auf dieKriegsvorbereitungen nn..deutschen Grenzgebiet,auf das Expansionsprogramm des Nationalsozialismus zu sprechen kommt. Das ist keinWunder, denn es würde sich dann doch Herausstellen müssen, daß die Maßnahmen der Tschecho-l'lowakei einer-dringenden-Notwendigkeit ent-