Sozialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFONI 53077.

16. Jahrgang

Verteidigungsanleihe:

1218 Millionen

beitet werden.

HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB. VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

Sonntag, 28. Juni 1936

Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 151

Putschabsichten in Danzig Der blutige Handel

Beseitigung des Völkerbundkommissärs? Genf berät Gegenmaßnahmen

Bra g. Die Zeichnung der Staatsverteidi­gungsanleihe hat auch in der vergangenen Woche ein sehr günstiges Ergebnis gezeitigt. Insgesamt Genf.( Tsch. B.-B.) Ueberaus lebhaft, wendet sich die offiziöse Deutsche diplomatisch­wurden in der vergangenen Woche 415,708.500 wurde am Samstag in Genfer politischen Kreisen politische Korrespondenz gegen den Völker­ Staatsverteidigungsanleihe gezeichnet und die Nachricht kommentiert, daß in Danzig ein bund, und zwar insbesondere in der eingezahlt, doch wurde bereits eine Reihe neuer nationalsozialistischer Butsch vorbereitet werde erheblicher Zeichnungen angekündigt, die erst im und daß die nationalistischen Elemente die Ab- Danziger Frage. Nachdem bereits der Zeichnungsabschnitt der kommenden Woche verar- sich verfolgen, sich der internationalen Kontrolle Kommandant des Danzig besuchenden deutschen zu entledigen, die durch den Kommiffär des Völ Kreuzers Leipzig" ostentativ den Völkerbund­ferbundes ausgeübt wird. kommissar nicht besucht hatte und nachdem Sams­tag früh die Blätter in großer Aufmachung einen ausfälligen Artikel des Danziger national­den sozialistischen Gauleiters Forster gegen Danziger Völkerbundkommissär Lester ver­öffentlichten, drückt nun auch das Oraan der Wilhelmstraße seine Unzufriedenheit mit dem Völkerbund wegen seines Verhaltens in Danzig aus. Der Artikel schließt mit den Worten: Ein Staatswesen wie Danzig braucht toeder einen Gouverneur noch eine Gou= bernante.

Insgesamt wurden seit Beginn der Zeich nungsfrist 1,218,677.500 Staatsverteidi­gungsanleihe gezeichnet und eingezahlt, davon 295,618.000 in dreiprozentigen Schuldverschrei­bungen und 923,059.500 in 4% prozentigen Schuldverschreibungen.

40- Stundenwoche in Belgien angenommen

Brüssel . Die Kammer hat Samstag abends den Gefeßentwurf, der die allmähliche Einführung der 40- Stunden- Woche vorsieht, mit 160 Stimmen bei 23 Stimmenenthaltungen, ferner die Gefeßzentwürfe über den bezahlten

Im Völkerbund zweifelt man vorläufig da= ran, daß diese Frage in der gegenwärtigen Si­tuation ernstlich aufgerollt werden könnte. Trots­dem finden jedoch an den zuständigen Stellen in Genf Beratungen über allfällige Maßnahmen statt, falls es zu einem sol­chen Versuch der nationalsozialistischen Partei in Danzig kommen sollte.

Die Wilhelmstraße

gibt das Stichwort Berlin . Anläßlich des angekündigten Aus­trittes Nigaraguas aus dem Völkerbund

Jahresurlaub und die gewerkschaftliche Vereini- Zwei Gruppen in Genf Berjagen des Völkerbundes entwaffnet, sich in

gungsfreiheit angenommen.

Roosevelt wird wieder kandidiert Philadelphia . Der Antrag, den Präfi­

denten Roosevelt bei den künftigen Präsident­schaftswahlen neuerlich als Kandidaten der De­mokraten aufzustellen, wurde im demokratischen Konvent einmütig durch Akklamation angenom­men. Eine ganze Stunde lang währte der Be= geisterungstaumel, die Delegierten de­

Genf. Die Genfer politischen Beratungen wurden Samstag vormittags in privaten Unter redungen der anwesenden Staatsmänner und Diplomaten fortgeführt. Den Hauptgegenstand des Interesses bildet die Frage der Anerkennung des neuen Standes der Dinge in Abessi= nien, über welche die argentinische Regierung einen Resolutionsantrag im Völkerbunde 311 unterbreiten beabsichtigt.

Anwesenheit des Opfers trauen werde, so zynisch zu sein, und Verhandlungen mit Abessinien im Geiste der ganz flaren großen Politik zu begin nen. Am Freitag war die Ursache der Bause in der Entwißlung dieser Angelegenheit und des Hinausschiebens derselben klar zu sehen.

Zur Frage der Verstaatlichung der Rüstungsindustrie

Das Kabinett Blum hat sich über einen demnächst vor die Kammern kommenden Geset zes- Entwurf geeinigt, der die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie zum Ziel hat. Einer un­serer ständigen Mitarbeiter stellt uns zu dem Thema Rüstungsindustrie und Landesverteidi­gung den folgenden äußerst interessanten Bei­trag zur Verfügung. In diesem Zusammenhang sei aber insbesondere auch auf den gemeinsamen Antrag der beiden sozialdemo kratischen Frattionen in unse= rem Parlament verwiesen, der ebenfalls die Verstaatlichung der Rüstungsindustrie for­dert. Wie wichtig auch für die Tsche= choslowakei dieser Aft wäre, wird nach der Lektüre des folgenden Artikels jeder begrei­fen, der weiß, wie eng auch unsere heimischen Rüstungsfirmen, insbesondere Skoda , mit den internationalen Konzernen verstrickt sind. Wer die Verteidigung der Republik ernsthaft will, wer sein Land nicht zum Spielball der profit­hungrigen internationalen Kapitalistenklingel machen will, muß den Kampf der So zialdemokratie gegen das private Rüstungskapital unter st üben!

Bei der letzten außenpolitischen Debatte in der französischen Kammer hat der oppositionelle Abgeordnete Fernand- Laurant an die Regierung die rhetorische Frage gerichtet, ob die nationale Verteidigung mit der Verstaatlichung der Kriegsindustrie vereinbar sei. Diese Frage fönnte von den Regierungsbänken Die Ursache sei inbesondere die Erh- mit der Gegenfrage beantwortet werden: I st die nationale Verteidigung hung der deutschen Rüstungen, die ihren Einfluß auf Genf ausgeübt haben. Dar- mit dem Bestehen der privaten aus gehe der englische Wunsch nach Erneuerung Striegsindustrie vereinbar? des Einvernehmens mit Italien n'm ieden Denn heute sind wir bereits genügend darüber

filierten vor dem Präsidium und stießen Freu- äußern sich in den überaus lebhaft geführten De Preis hervor. Auch der versöhnliche Stand- informiert, daß es sich von Seite der internatio

denrufe aus, während das Publikum auf den Galerien die Programme und anderes Papier in kleine Stückchen zerriß und diesen improvisierten Konfetti in den Saal streute. Diese Sitzung steht in der Geschichte der demokratischen Partei Amerikas ohne Beispiel da.

Der Umbau

im braunen Machtapparat

Berlin , 27. Juni. Reichskanzler Hitler hat den Staatssekretär im Reichs- und preußischen Ministerium des Innern Grauert auf seinen Antrag in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Staatssekretär P fundin er leitet nunmehr als alleiniger Staatssekretär die Geschäfte jämt licher Abteilungen des Ministeriums. Die polizei­lichen Angelegenheiten sind unter dem Chef der deutschen Polizei im Reichs- und preußischen Mi­nisterium des Innern Himmler zusammengefaßt, der dem Minister persönlich untersteht. Die Stel­lung des Reichsarbeiterführers Staatssekretär Hierl ist durch die Neuregelung nicht berührt.

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Die Verhandlungen in dieser Angelegenheit batten zweier Gruppen von Delegationen: Auf der einen Seite befinden sich die Vertreter der gemäßigten Politik gegenüber Italien , auf der anderen stehen mehrere südamerikanische De­legationen, denen aus verschiedenen Gründen daran gelegen ist, daß das Prinzip der Nichtan­erkennung der durch einen unerlaubten Krieg ent­standenen Situation auf dem Genfer Weltforum bekräftigt werde.

Deutschland die größere Gefahr! Baris . Le Matin" schreibt, daß verschie denen Anzeichen zufolge an ein französisch englisches Uebereinkommen ge­glaubt werden könne. Die Delegationen verheim­lichen nicht ihre große Zufriedenheit über die legten Meinungsaustausche.

Die diplomatische Redakteurin des ,, Deuvre" schreibt, daß keines der großen Länder, durch das

punkt zu Italien bei den Meerengen- Beratungen nalen kriegsindustriellen Konzerne nicht bloß um des Völkerbundes hänge mit dem englischen die Sabotage des Frideens handelt, sondern auch Wunsch der Zusammenarbeit mit Italien zusam- um die Sabotage der Außenpolitik der respektiven men. England sei der Ansicht, daß einzig die Heimatländer und, im entscheidenden Augenblick, Zusammenarbeit aller Länder imstande ist, auch um die Sabotage der nationalen Verteidi­gung selbst. Der neuernannte italienische Ko­Deutschland im Zügel zu halten. Tonienminister Lesson a hat dem Vertreter des Aus diesem Stand der Dinge, der ganz Pariser..Journal" in dürren Worten die immer­Europa in Spannung hält, leitet ,, Deuvre" die Ansicht ab, daß der Negus ein doppeltes in seltsame Tatsache mitgeteilt, daß die engli Opfer sei, hauptsächlich für die Notwendigkeit, die schen Privatfirmen während des abessinischen verzweifeltsten Mittel dazu zu benüßen, daß Krieges riesengroße Mengen von Benzin an Italien wieder die europäische Zusammenarbeit die italienische Armee in Ostafrika aufnehme, was jeder als Notwendigkeit des geliefert und damit wesentlich zum Siege der europäischen Gleichgewichtes ansehe. Trotzdem in faschistischen Waffen beigetragen haben. Die Paris und London ziemlich skeptische Stim- Sanktionen, schloß der faschistische Minister, seien men über die Aussichten dieser Versuche laut schließlich nichts anderes gewesen als eine Steuer, werden, wird das Einvernehmen mit Italien welche die Engländer vom italienischen Siege er­Goben haben. loyal gesucht.

Berlins Angebote an Frankreich

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seze

Mag das eine polemische Uebertreibung sein, aber die Tatsache bleibt: die Kriegskonzerne und Rohstofflieferanten aller Staaten haben an dem abessinischen Krieg, trotz der Verhängung der Sanktionen oder vielmehr gerade infolge dieser Verhängung, ausgezeichnet verdient. Die Sant­tionspolitik ist dadurch allerdings unwirksam ge­worden, und es drängt sich unwillkürlich sogar der Gedanke auf, ob nicht Abessinien einem dunk­len Komplott der Kriegskonzerne zum Opfer ge= fallen ist. Auf dem Portal der Bremer Börse steht die berühmte Ueberschrift: Seefahren ist notwendig, Leben nicht! Ist man nicht fast ge­zwungen, diesen Saz heute so zu deuten: Der internationale Frieden ist nicht notwendig; not­wendig allein ist das Verdienen an Waffenliefe=

Fernand de Brino, der engste Mitar= ten wollten, hat sich Ihrer Einladung fast ent­beiter von Laval und zugleich ein mehr zegen( Eden wird höchstwahrscheinlich auf seiner oder minder offener Verbindungsoffi- Reise nach Genf mit Blum und Delbos in Paris zier zwischen Laval und der Wil zusammenkommen. Anm. d. Red.). Gestatten Sie, helmstraße, veröffentlicht in der Wochen- lieber Herr Minister, mir, der soeben von Berlin schrift ,, Marianne" einen sensationel kommt und dessen Kopf voll ist von Erzählungen Ten offenen Brief" anden heuti- über deutsch - britische Verhandlungen, gestatten gen Außenminister Delbos, der augen Sie mir Ihnen in aller Bescheidenheit zu sagen: scheinlich direkt von Ribbentropp inspiriert hüten Sie sich vor optimistischen Versicherungen! ist. Deutschland , schreibt Brinon, der soeben von In dem Bett, das die Engländer für Sie machen, Berlin zurückgekehrt ist, wo er eine lange Unter- schlafen Gespenster. Sie werden mit der kollek- rungen? redung mit von Ribbentropp gehabt hat, tiven Sicherheit und mit dem unteilbaren Frieden Der englische Vize admiral Confett, in energischer Weise seine Versuche fort, Englands schlafen müffen. Aber noch nie konnte sich die Ehe einer der Chefs des Intelligence Service, spricht Freundschaft zu gewinnen. Die besten deutschen zwischen einem französischen Außenminister und in seinem unlängst erschienenen Buch über die Sachverständigen in asiatischen diesen alten Jungfern des Genfer Völkerbundes dunkle Macht des Wahnsinn3 Angelegenheiten seien deshalb gegenivär- vollziehen. Denken Sie daran... Suchen Sie die und der Grundsablosigkeit", die tig nach London dirigiert, wo sie zu beweisen ver- Sicherheit Frankreichs nicht allzuweit, während nicht nur jede Friedenspolitik, sondern auch jede suchen, daß der slawisch- asiatische Bolsche diese Sicherheit vielleicht sich ganz nahe von nationale Verteidigungspolitik unmöglich mache. wismus eine unmittelbare Gefahr für das Ihnen befindet. Während des letzten Weltkrieges ist Deutschland Britische Reich darstelle. Nur auf die My stik Wir haben es hier offenbar mit einem ganz von der Entente aus mit Erdöl , Kohle, Nickel, und die Kraft des Dritten Reiches plumpen Versuch zu tun, Mißtrauen zwischen Kautschuk, mit anderen Worten, gerade mit jenen werden die Briten in der nächsten Zukunft im London und Paris zu säen. Interessant ist bei Rohstoffen beliefert worden, die zur Fortsetzung Kampfe mit dem Bolschewismus in Asien rechnen läufig die Tatsache, daß das offene Schreiben" des Krieges notwendig waren. Die deutschen können. Frankreich habe wenig Aussicht, behauptet von Brinon, dessen Absender anscheinend in der schwerindustriellen Firmen standen allerdings in Brinon auf Grund seiner Berliner Gespräche, Wilhelmstraße sißen, in Marianne" veröffent diesem edlen Wettbewerb ihren. feindlichen Ge­England von Deutschland zu trennen. Der Chef licht wird, einem Organ der radikalen französi- schäftsfreunden nicht nach. Längst erwiesen ist die des Foreign Office, mit dem Sie( so wendet sich schen Intellektuellen, die zugleich die bekannte Tatsache, daß der Konzern des Herrn Friz de Brinon an den Außenminister Delbos) in ein Monatsschrift La Revue Francaise" heraus- Thyssen, des Finanziers der deutschen ,, natio­nalen Revolution", während des Krieges Pan­

Die erschreckte Rüstungsindustrie ernites Gespräch über Ihre Bemühungen eintre- geben.

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