Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

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16. Jahrgang

Mittwoch 8. Juli 1936

Nr. 157

Feerschau des fudetendeutschen Sozialismus

50.000 beim Meeting und Festzug in Komolau- Sonntagszauber der Alus- Turner und-Turnerinnen im Stadion Ueberwältigende Schlußkundgebung- Dank Dr. Beneš- Abend der roten Fackeln

Jedem Sozialisten und Demokraten dieses Landes hätten wir gewünscht, Sonntag, den 5. Juli 1936, mittags vom altehrwürdigen Rathaus der deutschböhmischen Stadt Komotau auf den rie­figen Marktplatz zu schauen, auf das unerhört bunte Getriebe zu blicken, als die Massen auf­marschierten oder den Jubel und die Freiheit" Mufe der Männer und Frauen, der Jungen und Mädels, der Kinder zu hören oder aufmarsch am Stadion zu ſehen, ber den Schluß­Schönsten und Eindrucksvollsten, was wir je ge­sehen haben, es gibt uns ein neues Kraftgefühl, neuen Glauben an unseren Sieg, an den Sozia­

lismus!

Komotau.( Eigenbericht.) Der Berichterstatter sieht sich noch vierund. zwanzig Stunden nach Ablauf des dritten Bundesturnfestes fast außer stande, seine Eindrücke so zusammenzufassen, daß diejenigen, die nicht dabei waren, wenigstens eine ungefähre Vorstellung empfangen von dem Ueber. reichtum der Bilder, die sich den Zehntausenden boten, von der Wirkung der Kraft und Begeisterung, die da lebendig ward, vom Können und Wollen, von der Disziplin und unermüdlichkeit unserer herrlichen Atus- Leute und all der anderen insbesondere auch unserer imponierenden RW.

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Nach wie vor ist eine auch nur annähernd zulängliche Schätzung der Teilnehmerzahl unmöglich. Aber daß am Sonntag an aktiven Turnern, Ju gendlichen, Parteigenossen, Festgästen und Zuschauern mindestens 60.000 auf den Beinen waren, steht außer Frage. Ein Erlebnis, das für Komotau ohne gleichen ist, darüber hinaus aber für das ganze Land unleugbarer Beweis un­zerstörbarer sozialdemokratischer Stärke und also für die Gegner eine Ueber. raschung darstellt, die ihre Verlogenheit in Verlegenheit verwandeln muß.

Komotaus grösstes Meeting

Graslizer Jungens, deren Clairons ( franzöſiſche Militärpfeifen) Entzücken hervorriefen, schritt die tapfere Gruppe sozialistischer Aerzte.

Nach einer Generalpause nahte das kolossale Aufgebot des At us. Just als der Wald von etwa hundert großen Vereins fahnen und der an schließende Zug von etwa doppelt so vielen kleine­ren roten Fahnen und Wimpeln einzog, läuteten die Mittagsglocken. In dieses Tönen mischten sich die Marschlieder und Rhythmen der Kapellen, die Begrüßungsrufe aus dem Publikum, das immer wieder angestimmte Frei Heil!" der Turner und Turnerinnen. Beispielhaft eraft, stramm, diszi pliniert, in flottem Marsch, der nicht eine Sekunde Verzögerung erlitt, besetzte der Atus den Markt­play. Wie mit dem Metermaß ausgemessen, reichte das Karree gerade aus, um die Atusmassen in die übrige, schon aufmarschierte Versammlung ein­gliedern zu lassen.

Da sprechen und schreiben die aufgeblasenen Soldschreiber und die Phraseure der Sudetendeut schen Partei von uns als Splitterpartei. Sie hät­ten die Splitter" sehen sollen, die sich da in Komotau zusammengefunden haben. Nicht nur; daß es Zehntausende gewesen sind, darunter kräf­tige junge Burschen und hübsche Mädchen, welche Nach vollzogenem Aufmarsch bot der Markt­zur Zukunft des Sudetendeutschtums zählen play, dessen Oitseite mit einer Wand von Fahnen Bereits am frühen Vormittag des Sonntag| offiziellen Gäste Aufstellung genommen. An den abgeschlossen war, mit seinen bunten Farben und es waren Menschen, die in ihrer Treue zur sozia zeigte der Komotauer Marktplaß ein ungewöhn Fenstern des Stadthauses hatten unter anderen in der schier erdrückenden Fülle der Menschen ein listischen Urbeiterbewegung unerschütterlich sind, lich startes Um Tampfbereite, opfermutige Sozialisten. Wean dente fion que es eben, ilm, balb dlf Uhr waren bort die Minifter Genossen Bechyn& und Doktor undergeßlich schönes Bild. Großer Beifall grüßte erwars Czech und Parlaments- Vizepräsident Genosse sodann die Fahnen, als sie selber zum Gruße nach daran, daß in eser Zeit der schweren Not Tau- teten, zusammengeströmt, daß man hatte meinen Stivin Platz genommen. In der Nähe sah bern getragen wurden, empfangen von einem sende sich buchstäblich die Fahrtgroschen vom können, diese Masse sei schon die Versammlung. man ein Auto mit Presse, Film- Leuten Meer geredter Arme und geballter Fäuste der Munde abgespart haben, viele von ihnen erst vor Rings um den Marktplatz gab es aufsehenerre- und Photographen.( Selbst vom Turm der Turner und Turnerinnen. Inrzem in Bodenbach gewesen sind und nun wie­gende Plazmusiken der S3. Defanaltirche wurden Filmaufnahmen gemacht.) der in Komotau aufmarschierten! Für diesen SI zu Hunderten nahm dort Aufstellung, die Opfermut, für dieses Hochhalten eines großen diensttuende RW wurde von dort aus dirigiert, menschlichen Ideals hat das sudetendeutsche Bür­unsere Samariter hatten dort ihre Zen­gertum allerdings wenig Sinn. tralstation.

Das iſt das Bezeichnen an dem Berhört nis des sudetendeutſchen Bürgers zu ſeinem pro­letarischen Volksgenossen, daß der Bürger nicht nur nichts empfindet an dem großen und erheben­den Fest der Arbeiter, sondern daß er fremd, wenn nicht gar feindselig auf den Aufmarsch der Mas­sen blickt. Man erinnere sich doch, wie bei der letz­ten Arbeiter- Olympiade in Prag die Bevölkerung geflaggt und gejubelt hat, weil der große Teil des tschechischen Volkes die körperliche Ertüchti­gung und den geistigen Aufstieg feines Proleta­riats mit Sympathie verfolgt und als eine Seite des voltlichen Aufstieges empfindet. Das sudeten­deutsche Bürgertum läßt die Entwicklung seiner Arbeiterklasse nach vorwärts und aufwärts talt, Es kommt die Stunde, da dieses Bürgertum über rascht und erschrocken sein wird, wenn der kultu telle Aufstieg der sudetendeutschen Arbeiter macht­politisch wieder zum Ausdruck kommen wird!

Komotau aber sollte eine Lehre sein nicht nur für die sudetendeutsche Deffentlichkeit, sondern auch für die Tschechen und verantwortlichen Staatsmänner dieses Landes. Unsere tschechischen sozialdemokratischen Freunde waren dort zahlreich vertreten und haben sich mit uns der Freude hin­gegeben, daß es auch im Sudetendeutschtum auf­rechte, tapfere Sozialisten und Demokraten gibt, die bereit sind, die Demokratie zu verteidigen, auch wenn es Ernst werden sollte. Ebenso hat der Herr Staatspräsident all den Tausenden in Ko­ motau das Herz höher schlagen lassen, als er uns sagen ließ, daß sich die Demokratie auf ihn ver­Tassen könne, so wie wir ihm tündeten, daß er auf uns zählen könne. Aber alle Tschechen, welche die­sen Staat als demokratischen erhalten wollen, mögen nicht vergessen, daß in dieser sudetendeut­schen demokratischen Armee unter allen Umstän= den das Bewußtsein erhalten werden muß, man habe nicht an diese tapferen Soldaten vergessen, d. h. es müssen Taten gesetzt werden, um den Menschen zu helfen, ihnen beizustehen, wie es ehrliche Kampfgemeinschaft im Ringen gegen Un­freiheit und Untultur gebietet!

Wir Sozialisten haben aus Komotau die Ges wißheit mitgenommen, daß unsere Bewegung in allen ihren Zweigen, die bei unseren Turnern zu Gast gewesen ist, organisatorisch, diszipliniert und ideell fortschreitet, daß wir nicht stillestehen, son­dern vorwärtsgehen. Wir marschieren und wir werden alle Hindernisse überwinden. Wir scheuen nicht den Kampf, die Flamme, die in uns loht, wird uns zur Fackel des Sieges werden!

Gegen elf Uhr wurden da die Tausenden Buschauer trotz Aufforderung durch den Lautspre cher den Platz nicht räumten, vier Hundertschaften der RW zur Erfüllung dieser notwendigen Auf­

gabe eingeſeht. Wie ſie bag in den Dini rasant und scheinbar mühelos, tadellos diszipli­niert, ohne Lärm, entschieden und dennoch ohne jede Härte erledigten, war imponierend und be­

wundernswert.

Um elf Uhr lag das Riesencarree des Markt­plates frei, eingesäumt von NW - Leuten, hinter denen sich h die W Massen erivartungsvoll stauten. Rings um die Rednerkanzel

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Eindrucksvolle

Kundgebung

Großartiger Aufmarsch fämpferisch augleich, von der Stanzel her a n

Um halb zwölf Uhr marschierte die Spike des Zuges, vom Festplatz herkommend, auf den Marktplay: mehr als tausend NW - Leute. Fan­farentlänge und Spiel der Pfeifer tönte über den

Raum.

Bewunderung erregte gleich der Einmarsch der etwa tausend Köpfe zählende Zug der DTJ. Die Rednerkanzel war nehen dem Tor des( etiva zu zivet Dritteln Frauen), der sich, von Stadtamts, im West- Eck des Plages, aufgestellt. seiner imposanten Fahnengruppe umgeben, beim Dort hatten unsere Parlamentarier unter Füh- Brunnen postierte. Dann folgte die Metall­rung des Genossen Ta ub, die Vertreter der arbeiter- Jugend, uniformiert, ebenfalls an Atus- Bundes- und Feſtleitung und ein Teil der i tausend Mann start. Hinter unseren prächtigen

Einmarsch der Fahnengruppe auf dem Marktplatz ( Das Bild zeigt nur den südlichen Teil des Platzes)

Persil

Um viertel ein Uhr erklangen festlich und mann als Obmann des Feſtausschusses eine faren. Dann hielt Genosse Franz Kauf­kurze Ansprache, in der er, unter stürmischem Beifall der Zehntausende,

Minister Genossen Rudolf Bechyně herzlichst willkommen hieß und dessen, inniges Bedürfnis vermittelte, ein paar Stunden in der Mitte unserer Bewegung zu verweilen. ( Wiederum großer Beifall.)

Genosse Kaufmann umriß dann kurz die Be­deutung dieses Tages als eines herrlichen Zeugen unserer Kraft und als großartigen Ausdruck des Gelöbnisses der Massen zu unverbrüchlicher Treue für den Sozialismus, der tiefen, unlöslichen Ver­bundenheit der Arbeiterturner mit ihrer Inter­nationale, mit unserer sozialdemokratischen Par­tei, mit den Getverkschaften. Noch einmal schilderte Kaufmann die grenzenlose Opferbereitschaft, die sich bei der Vorbereitung wie bei der Durchfüh­rung des Festes einzigartig manifestierte und schloß mit einem leidenschaftlichen Kampfruf für die Demokratie und gegen den Faschismus.( Bei der Nennung des Namens Dr. Beneš brauste Bei­fall über den Platz.)

Dieser kurzen Ansprache folgte ein noch kür­zerer Appell des Genossen Ullmann:

,, Der Atus grüßt alle feine Gäste. Er ge­lobt, weiter Schulter an Schulter, was auch Tommen mag, zu kämpfen. Freiheit, Freiheit, Freiheit!"

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Die ganze Kundgebung hatte drei Minuten gedauert; dennoch ward alles gesagt, was gesagt werden mußte. Und alle Beteiligten empfanden dieſes Abſtanbnehmen von langen Reden als gut und richtig, insbesondere im Hinblick auf die gro ßen Anstrengungen, die das Fest dennoch mit sich brachte. Bei dieser Gelegenheit sei noch verzeich net, daß das Meeting, der Festzug und auch der Nachmittag und der Abend vom herrlichsten Wetter begünstigt waren.

Der Festzug

Unter Vorantritt der Delegationen des Bundes und des Festausschusses, unseres Partei­borstands, der Klubvertreter, fetzte sich nun der