Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TÄGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Donnerstag, 9. Juli 1936

Der Begründer der Sowjet- Rätselraten

Diplomatie gestorben

Moskau . Hier ist Dienstag nachs im Alter von 64 Jahren nach langer schwerer Krankheit der chemalige Volkskommissar für auswärtige Ange­Tegenheiten Georgii Wasiljewitsch Tschitscherin gestorben.

um die Verhandlungen Schuschnigg- Papen

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Einzelpreis 70 Heller

( einschließlich 5 Heller Porto)

Nr. 158

Polens Auftrag in Danzig

Nach Hitlers neuem Vorstoß an der Weichsel

Paris . Havas meldet aus Rom , daß an Sinne der römischen Vereinbarungen über die -m. Warschau , Anfang Juli. italienischen politischen Stellen den Nachrichten Verhandlungen mit Deutschland informieren Das Auftreten des Danziger nationalsozia über die fortschreitende österreichisch- deutsche An- wolle. Havas meldet, daß Baar- Baarenfels im listischen Gauleiters Forster gegen den örtlichen näherung und über das geplante Abkommen, wel- Anschluß an die Budapester Reise auch nach Rom Völkerbundskommissar, den Irländer Lester, und ches eine ausdrückliche Erklärung fahren werden. die offene Herausforderung des Genfer Rats Deutschlands betreffend die ter= durch den nationalsozialistischen Regierungschef ritoriale Integrität Defterreich s Spät nachts wird eine Havas- Meldung aus der Freien Stadt, den Senatspräsidenten Greiser, und betreffend die Nichteinmischung in Rom veröffentlicht, wonach in italienischen di- haben die polnische Außenpolitik vor eine schwie­deffen Innenpolitik zur Grundlage rige Aufgabe gestellt. Die Warschauer Regierung haben soll, große Bedeutung beigemessen wird. plomatischen Kreisen Gerüchte kursieren, daß die hat von den Danziger Hakenkreuzlern, die nun Gesandter von Papen habe dem österreichi- Entwicklung der Verhandlungen zwischen Dester- bereits über drei Jahre an der Macht sind, eine schen Bundeskanzler einige Abkommensentwürfe reich und Deutschland über den modus vivendi ganze Reihe von wirtschaftlichen Zugeständnissen vorgelegt, doch sei bei der letzten Zusammenkunft noch nicht in ein Endstadium getreten sind. erhalten. Polnische Staatsangehörige und Dan­Mussolinis mit Bundeskanzler Schuschnigg ziger Bürger polnischer Nationalität werden in Die Nachrichten einzelner Blätter aus Wien , daß der Freien Stadt besser behandelt als jene deut cinem Monat noch nichts vereinbart worden. schon in der nächsten Zeit zwischen Hitler und schen Danziger, die nichts von der Lehre Hitlers Schuschnigg ein Schriftenwechsel über den modus wissen wollen. Um diesen Preis hat Polen auf alle vivendi stattfinden werde, werden als, ver- Auseinandersetzung mit Danzig vor interna­tionalen Instanzen in den letzten Jahren verzich früht" bezeichnet. tet und seine Interessen in diesem kleinen Staats­Starhemberg als Friedensengel gebilde, das wirtschaftlich zum polnischen Zollge­biet gehört, nur noch durch direkte Verhandlungen nach Berlin ? wahrgenommen. Gab es dabei einmal Schwierig­feiten, so wandte sich Warschau in nichtamtlicher Form nach Berlin und erreichte bei Hitler, daß dieser um der deutsch - polnischen Freundschaft wil len seinen Danziger Gefolgsleuten einzulenfen befahl.

vor

An italienischen Stellen heißt es, daß eine Erklärung Deutschlands betreffend die Respek

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tierung der Unabhängigkeit Desterreichs da s lehte Hindernis einer italie nisch deutschen Annäherung be seitigen und zugleich die Nach- Locarno- Po litik erleichtern würde, in der Italien die Rolle einer Garantiemacht spielen könnte.

Der verstorbene Sowjetpolitiker war eine der Während Reuter am Vortag mit aller Be­typischesten Gestalten der russischen Oktoberrevo- stimmtheit gemeldet hatte, daß die Verhandlun­lution. Er wurde im Jahre 1872 in Saluga bei gen zwischen Papen und Schuschnigg gesche is Tambow als Sproß einer altrussischen Adelstert seien, meldete Agence Savas am Mitt fam i I te geboren und trat nach Vollendung seis woch, daß dieſe Beſprechungen einen an it is ner Studien in den russischen diplomatischen gen Verlauf nehmen. Die Budapester Reise Dienst ein, den er jedoch im Jahre 1907 verließ, des Vizekanzlers Baar Baarenfels wird dahin da er inzwischen zu einem überzeugten Sozialisten interpretiert, daß er die ungarische Regierung im bolschewistischer Richtung geworden war. Er begab sich ins Ausland, um sich der sozialistischen Pro­paganda zu widmen. Während des. Weltkrieges

Ausländische Propaganda in Palästina

war er in Paris unter dem Namen Ornasti tätig. Später ging er nach London , wo er nach dem Ausbruch der Oftober- Revolution in Haft genom men wurde. Noch während dieser Haft wurde er.vom britischen Kolonialminister zugegeben in Leningrad zum Volkskommissar für Auswär­London. Die Lage in Palästina war Ge­tiges ernannt. Aber erst als Lenin mit Vergel genstand verschiedener Anfragen im Unterhaus. tungsmaßnahmen drohte, wurde Tschitscherin im Der Kolonialminister bestätigte dabei, daß er Dezember 1917 nach Rußland entlassen. Seiner Berichte über ausländische Propa Erfahrung und Intelligenz gelang es, der So ganda in Palästina erhalten habe. Er wjetdiplomatic, um deren Organisation er sich halte es jedoch nicht für im öffentlichen Inter­hervorragende Verdienste erworben hat, sein per- en ef gelegen, hierüber Auskunft zu geben. Er fönliches Siegel aufzudrücken. Seinem Auftreten könne versichern, daß alles getan werde, um dieser in der internationalen Welt des Westens, nament­lich auf der Konferenz in Genua , verdankt So- Propaganda entgegenzuwirken. wjetrußland zum guten Teil seinen Wiederein­tritt in das Spiel der Großmächte.

Nach dem Austritt aus seinem Amt war Tschitscherin schwer erkrankt und suchte Heilung in

Deutschland sowie bei anderen ausländischen

Aerzten.

In einem von der Sowjetregierung und dem Volkskommissariat für auswärtige Politik veröf­fentlichten medizinischen Gutachten über die Krankheit und den Tod Tschitscherins heißt es, daß Tschitscherin im Jahre 1925 in schwerer Form an Diabetes erkrankte. Infolge hinzugekommener In­fektion begann sich seit dem Jahre 1928 3 bei Tschitscherin Polyneuritis zu entwickeln und gleichzeitig spitzte sich ein Skleroseprozeß zu, von

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Jerusalem . Oberkommissär Wauchope rich tete am Dienstag abends erneut eine Rundfunk­ansprache an die Bevölkerung Palästinas. Er fündigte die baldige Beendigung der Terrorakte durch Militär an und

Paris . Wie der Berliner Berichterstatter der " Information Financiere" erfährt, wird Star hemberg zur Olympiade in Berlin als Führer der österreichischen Delegation eintreffen. Dieser Umstand scheine darauf hinzudeuten, daß die Ver­handlungen über den Modus vivendi zwis ſhen Deſterreich und Deutſchland ziemlich weit fortgeschritten sind. In Berlin werde die Nach richt von der Ankunft Starhembergs mit lebhafter Befriedigung aufgenommen.

border offenbar verbreiteten Ansicht, daß ein Widerstand gegen die Militärmacht möglich sei. Die Aufrührer seien für die Not der armen Be­völkerung allein verantwortlich.

Die letzten Vorstöße der Danziger Haken­treuzler brachten eine Menderung dieſer Taktit, die vorher wiederum ausdrücklich von Berlin ange­ordnet war. Warum haben Forster und Greiser jetzt Befehl bekommen, Front gegen die geltende völkerrechtliche Regelung für die Freie Stadt zu machen? Glaubt Hitler nicht mehr au nahe Er­

folge an der Donau , wie sie ihm damals vor­schwebten, als er seinen vorläufigen Frieden an der Weichsel schloß? Für seine Danziger Unter­führer und Ratgeber waren näherliegende Gründe maßgebend. Der Widerstand der Bevölkerung ihrer Infolge Verminderung der Staatseinnah- Stadt gegen die nationalsozialistische Mißwirts nötig, was sich wiederum auf die Lebenshaltung wuchs im letzten Jahr immer mehr an. Neuwah men werden Steuererhöhungen schaft und den nationalsozialistischen Terror der Bevölkerung ungünstig auswirken werde. Ten auf Grund des geltenden Verfassungsrechts, Der Kommissar wies ferner auf die Unmöglichkeit das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wah­ärztlicher Behandlung infolge der Unsicherheit der Ten vorsicht, mußten die Hakenkreuzler zweimal Landstraßen hin; den Aerzten sei es nicht mög- aus Angst vor den Wählern ablehnen. Garant der lich, Krante aufzusuchen. Dadurch werde vor allem die Ausbreitung der landesüblichen Berfassung, die sie in absehbarer Zeit zu Wahlen Augenkrankheiten gefördert, beson- Kommissar Lester ist man nicht so böse darüber, zwingen würde, ist aber der Völkerbund . Dem ders bei den Kindern, von denen viele zu daß er einmal zwei oppositionelle Politiker zu lebenslänglicher Blindheit ver- einem Tee- Empfang für deutsche Secoffiziere ein­urteilt seien. lud, sondern viel mehr deswegen, weil er erfah Der Kommissar wiederholt schließlich den rungsgemäß auf Rein h.. Itung des Wah­Londoner Regierungsbeschluß zur Entsendung atts von Gewalt und Betrug drängt. Deshalb soll er fort, noch ehe er Gelegenheit hätte, sich wie­der in diesem Sinne zu betäligen. Sonst ist die nationalsozialistische Mehrheit in Danzig dahin, und die Hakenkreuzfahne müßte dort wieder nie­dergeholt werden.

teilt mit, daß im Notfalle weitere Verstärkungen eines Untersuchungsausschusses, herangezogen würden. Der Kommissar warnte i sobald die Unruhen beendet sein werden.

Greiser provoziert weiter

nichts mehr mit dem Völkerbund zu tun

dem die Gefäße und der Herzmuskel betroffen London . Daily Expreß " veröffentlicht wurde. Vom Jänner 1936 an nahm seine Krant - eine Unterredung seines Korrespondenten mit heit einen besonders schweren Verlauf. Am 7. dem Präsidenten des Danziger Senats Grei­Juli trat plötzlich eine jähe Verschlechterung ein, fer, der u. a. erklärte:

Wie die Opposition

In Genf ist der Senatspräsident Greiser mit dem naiven Vorschlag aufgetreten, entweder einen solchen Völkerbundskommissar nach Danzig zu schicken, der sich überhaupt nicht mehr um die dor tige Innenpolitik kümmert, also seine Pflicht als Hüter der Verfassung nicht erfüllt, oder ihn felber, den nationalsozialistischen Regierungschef, zum Verbindungsmann für den Völkerbund zu er nennen. Der britische Außenminister Eden hat

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geknebelt wird Danzig hat bereits nichts mehr hat die sozialdemokratische Danziger diese Anregungen ironisch als nicht aktuel!" be­Danzig. Der Danziger Polizeipräsident ez begannen Chimptome eines luterans mit bem 361 terbunbe su tun tie fosilberatifine

es Blutergusses

achtet aller Maßnahmen ließ die Herztätigkeit mehr und mehr nach und Tschitscherin starb, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben.

Riesengebiete in USA verdorren

wenigstens soweit die inneren Angelegenheiten in Frage kommen. Wir haben nicht die Absicht, das von Genf garantierte Statut der Freien Stadt zu ändern. In unseren Beziehungen zu den ausländischen Mächten hat sich nichts geän­bert und wir bereiten weder einen staatlichen Umsturz noch den Anschluß an das Reich vor. Danzig bleibt Freie Stadt, u. zw. von heute an Chikago. Wie bis jetzt festgestellt wurde, wirklich e" Frei Stadt, in der wir unsere find bei der ungeheuren Hitze in Staaten des eigenen Herren sein werden. Wir beab­mittleren Westens 72 Personen Leben ge- fichtigen nicht, dem Oberkommiffär Lester zu ge fummen. In der Stadt Datpark im Staate listatten, feine Stellung auszunützen, um uns Ge­nois war die Hive ſo groß, daß der Aſphalt auf seke vorzuschreiben. Falls die oppofiti v den Straßen schmolz und kleine Bäche bildete. In nellen Parteien bei mir Beschwerden vor­Wyoming find nach Blikschlägen zahlreiche bringen werden, werde ich fie in höflicher Weise Waldbrände ausgebrochen. In der trockenen auf meine Genfer Erklärung verweisen. Falls Zone tritt infolge Mangels an Futter und Waffer Genf mich noch einmal berufen sollte, mich wegen ein Waffensterben unter den Tie belanglofer Bezichtigungen zu rechtfertigungen, ren auf. werde ich die Einladung ablehnen.

naten verboten.

Polnische Warnungen

ironio gehandling bes Stone

flitts, zu der sich die Ratsmächte entschlossen haben, weist die weitere Entwicklung in anderer Richtung. Sie liegt auf derselben Linie wie die allgemeinen Bestrebungen der jeßigen Londoner litische Information", welche die Ansichten des Entlastung Genfs durch Verteilung der Verant Warschau . Die halbamtliche polnische Pos Regierungspolitik zur Reform des Völkerbundes: Außenministeriums wiedergibt, veröffentlicht wortung für den Frieden auf die Träger regiona einen Artikel über die Danziger Angelegenheit. Ter Interessen. Statt des Genfer Rats soll sich der von der Regierungspresse abgedruckt wird. vorläufig sein polnisches Mitglied um den Aus­In diesem Artikel wird der Senat der Freien gleich zwischen dem Völkerbundkommissar und dem Stadt Danzig vor der geplanten Aenderung des Danziger Senat bemühen, unterstüßt allerdings Statuts der Freien Stadt Danzig eindring- noch durch einen ständigen Dreierausschuß, in dem lich gewarnt. England und Frankreich je einen Plaß erhalten. Polen wird also zum Hauptmandatar der Ligader Nationen in Danzig . wenigstens für die Dauer des jetzigen Konflitts.

Der sozialistische ,, tobotnit" behauptet, daß die Gefahr eines nationalsozialistischen But­sches in Danzig a ktu e II sei, und berichtet, daß SA - Abteilungen aus dem Dritten Reich in großer Anzahl in Danzig eintreffen.

In welchem Sinne wird die Warschauer Re­gierung die Aufgabe durchführen, die ihr damit