Sosialdemokra

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION UND VERWALTUNG PRAG XII., FOCHOVA 62. TELEFOR 53077, HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG .

16. Jahrgang

Baldwins Ernte:

Labour- Sieg in Derby

London . Die Unterhaus- Nachwahl in Derby endete mit einem Sieg der Arbeiter­opposition über die Regierung. Der durch den Rücktritt des Kolonialministers Thomas freigewordene Parlamentssitz wurde von dem Ar­beitervertreter Noel Baker mit 28.419 Stimmen gewonnen, während der Regierungs­vertreter nur 25.666 Stimmen erhielt. Bei den letzten Neuwahlen hatte die Regierung eine Mehrheit von 12.000 Stimmen erzielt.

Justizmord droht!

E. André zum Tode verurteilt

Hamburg . Das Deutsche Nachrichten­büro meldet: In dem seit mehreren Wochen verhandelten Prozeß wurde Freitag der che­malige Ganführer des Rotfrontkämpferbundes Edgar André vom Straffenat des Hanseatischen Oberlandesgerichtes wegen Vorbereitung des Hochberrates in Tateinheit mit gemeinschaft­lichem, vollendetem Mord in einem Falle, ge­meinschaftlichem, versuchtem Mord in sechs Fällen, sowie Landfriedensbruches und Anf­ruhr, und zwar in beiden Fällen als Rädels­führer, ferner in Tateinheit mit gemeinschaft­lichem, versuchtem Mord in drei Fällen, Land­friedensbruch und Aufruhr, und zwar in beiden Fällen als Mädelsführer zum Tode ver urteilt.

Samstag, 11. Juli 1936

Die Regelung der

staatlichen Arbeitsvermittlung

Regierungsverordnung ab 1. Oktober in Kraft..

Der Ministerrat hat in seiner Sitzung am Donnerstag den Wortlaut der Regierungsver­ordnung über die Arbeitsvermittlung genehmigt, nachdem in monatelangen Kämpfen um iede Teilfrage und um jebes Wort gerungen und der ursprüngliche Entwurf wiederholt geändert worden war. Es ist im Verlaufe dieser Auseinandersetzung den Gegnern der staatlichen Arbeits­vermittlung troß eines systematischen Aufgebots aller ihrer Kräfte nicht gelungen, das Gesetz ( welches jetzt als Verordnung nach dem Ermächtigungsgesetz erscheinen wird) den Weg zu ver­Tegen, es ist andererseits nicht gelungen, in diese Verordnung die Verpflichtung der Unter­nehmer, zugewiesene Arbeitskräfte einzustellen, zu verankern.

Schon die vorliegende Fassung der Verordnung enthält eine Reihe wertvoller Bestim mungen, deren finngemäße Durchführung in den Intentionen des Fürsorgeministeriums positive Auswirkungen für die Arbeiterschaft in sich tragen. Die Grundlagen für eine Regelung der dem Problem wird sich unzweifelhaft ſchon im Herbst das Parlament wieder beschäftigen, wel­Arbeitsvermittlung, wie sie sich die sozialistischen Parteien als Ziel gesetzt haben, sind gelegt. Mit ches nicht nur vor dieser, sondern von der Gesamtheit aller Arbeitslosenfragen, auch der Arbeits­lofenversicherung, stehen wird.

Der Fürsorgeminister, Genosse Neča 8, berief Freitag vormittags die Pressevertreter zu fich, um ihnen Mitteilungen über die vom Ministerrat befchloffene Verordnung zu machen. Mehr Arbeitsvermittlungsanstalten Der Zweck dieser Bestimmungen ist die Erhal Die öffentlichen Arbeitsvermittlungsanstalten Arbeitsuchende, die mit ihren Angehörigen auf den tung der vorhandenen Arbeitsgelegenheiten für solche werden so ausgebaut und ihr Net so verdichtet wer- Ertrag ihrer Arbeit angewiesen sind, während Per­den( 81), daß in jedem politischen Bezirk wenig- sonen, die aus anderen Quellen Einkommen haben, stens eine solche Anstalt bestehen wird. Daneben in die zweite Reihe rüden. Wie der Fürsorgeminister werden die erforderlichen Berufsberatungsstellen, betonte, handelt es sich bei der Aufzählung der insbesondere bei den größeren Vermittlungs- Gründe für eine Bevorzugung bei den Vorschlägen anstalten, errichtet werden. der Arbeitsvermittlungsanstalten nicht um eine

Bisher ist das Neb der Bermittlungsanstalten nur in Böhmen zweckentsprechend, two 227 in allen Gerichtsbezirken bestehen. In Mähren fehlen die Anstalten in der Hälfte der Gerichtsbezirke, die be­

Meldezwang

Schacher mit den Arabern tehenden sind ungleichartig und für ihre Aufgaben auf Kosten der jüdischen Einwanderer Lage in den östlichen Ländern. Schäßungsweise kann nicht genügend ausgestattet. Noch schlechter ist die London . Der Jerusalemer Berichterstat- die Zahl der notwendigen neuen Vermittlungs­ter des ,, Daily Herald" teilt mit, daß die Füh- anstalten mit hundert angenommen werden. rer der palästinensischen Araber aus London einen Wint" aus britischen Regierungskreisen erhielten, wonach die britische Regierung bereit fei, die Einwanderung von Juben nach Palästina für solange e in zu stellen, als die könig­liche Untersuchungskommiffion die Ergebnisfe ihrer Untersuchungen nicht bekanntgegeben hat. Es ist wahrscheinlich, daß die Kommission ihre Arbeiten im September beginnen wird. Der gleiche Korrespondent meldet, daß die arabischen Führer entsprechend diesem Winke den Streit und die Terroraktion beenden werden.

14 Tote zugegeben

Nom. Bei dem Unfall auf die italienische Fliegermission in Letemti sind, wie Stefani meldet, insgesamt zwölf Angehörige der italie­nischen Luftwaffe ums Leben gekommen. Außer dem wurden zwei Eingeborenen- Dolmetscher getötet.

Jeder, der Arbeitskräfte sucht, ist( 82) ver­pflichtet, ben freigewordenen oder neugeschaffenen Posten spätestens einen Tag nach Freiwerdung der öffentlichen Arbeitsvermittlungsanstalt zu melden. Als freie Stelle ist eine folche anzusehen, die der Arbeitgeber nicht aus den Reihen der bei ihm be= reits Beschäftigten besetzt.

Auch die Arbeitsuchenden find verpflichtet, dies den Anstalten bekanntzugeben. Wer sich bei meh­reren Anstalten meldet, ist verpflichtet, auf die­fen Umstand aufmerksam zu machen.

der Verhältnisse die Entscheidung zu treffen. Eine

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dazu, hat also die Möglichkeit, dem Eingreifen des Staates vorzubeugen. Wenn er jedoch nicht selbst Vorkehrungen trifft, um den ganzstaatlichen, finans ziellen, wirtschaftlichen und sozialen Tendenzen der Verordnung zu entsprechen, muß er sich dem Eingriff des Staates unterwerfen. Die Erfahrungen, die man mit der Einsicht der Unternehmer bisher ge macht hat, zwingen freilich zu dem Schluß, daß die Mittel der Verordnung nicht nur werden erschöpft werden, sondern daß ihre Wirksamkeit wird aus­gedehnt werden müssen, so daß die Verordnung nicht das letzte Wort in dieser Sache bleiben wird. Streiks und Aussperrungen

Im Falle eines Streiks oder einer Aus­sperrung sind der Arbeitgeber( bzw. die Organi­sation) und die Gewerkschaften verpflichtet, die zuständige Arbeitsvermittlungsstelle zu verstän­bigen. Dasselbe ist nach Abschluß des Arbeits­kampfes der Fall.(§ 5.)

Eine Ergänzung findet diese Vorschrift im§ 8, in welchem den privaten Vermittlungsanstalten vers boten wird, für bestreifte oder aussperrende Bes triebe Arbeitskräfte zu vermitteln.

Gewerkschaftliche und private Vermittlungsanstalten

Die bestehenden gewerkschaftlichen Vermitt­lungsanstalten dürfen ihre Tätigkeit nur dana weiter ausüben, wenn sie hiezu vom Fürsorge­ministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien die Bewilligung erhalten(§ 6). Das Fürsorgeministerium kann bestehende gewerkschaft­liche Arbeitsvermittlungsanstalten mit der Durch. fährten Aufgaben betrauen, wenn sie bie in ber Verordnung aufgezählten Bedingungen erfüllen. ( 8 7.) Konzessionen für private Vermittlungs­anstalten dürfen nicht mehr ausgestellt wer ben.(§ 8.

Meihenfolge, die ſtrift eingehalten werden muß; inführung der der Regierungsverordnung ange­Fällen, wo gleichzeitig mehrere folcher Umstände von verschiedenen Bewerbern geltend gemacht werden tönnen, haben vielmehr die Anstalten nach Erwägung fräfte aufzunehmen, enthält die Verordnung nicht, Verpflichtung der Unternehmer, bestimmte Arbeits­obwohl sie von der Geltung der Grundsätze auch für die Arbeitgeber spricht und die Mißachtung dieser Grundsäße unter Strafsanktion stellt.

Möglichkeit von Einstellungszwang

Die Verordnung stellt sich auf den Standpunki, daß aus sozialen Gründen ein sofortiges allgemeines Verbot privater Arbeitsvermittlung nicht angezeigt ist, obwohl dies in einer internationalen Konvention aus dem Jahre 1983 festgesetzt wurde. Eine private Anstalt, beren es jetzt 96 gibt, soll vielmehr erst mit dem Tode des derzeitigen Eigentümers zu bestehen Nur in den von der Arbeitslosigkeit am stärk­ften betroffenen politischen Bezirken kann die Ne- aufhören, wobei das Witwenrecht, längstens jedoch gierung die öffentlichen Arbeitsvermittlungsanftal- ordnung, gewahrt bleiben soll. bis zu zehn Jahren nach Inkrafttreten der Ver­ten mit der Befehung freigewordener und neuer Stellen bei folchen Arbeitgebern betrauen, die sich wiederholt nicht an die Bestimmungen des 83 gehalten haben(§ 4).

Die Einzelheiten dieses staatlichen Eingreifens werden für die Fälle, in welchen die Regierung be= Für öffentliche Aemter, Anstalten und Unter- sondere Entscheidungen treffen würde, durch eine nehmungen kommt der Meldezwang nur in Be- Durchführungsverordnung geregelt, insbesondere so­tracht, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis han- weit es sich um die Möglichkeit einer Berufung an delt, welches auf einem privatrechtlichen Arbeits- paritätische Schiedsausschüsse und einer Auswahl der vertrag beruht. von den Anstalten zugewiesenen Arbeitskräfte han­delt. Der Arbeitgeber, erklärte der Fürsorgeminister

Der Meldezwang gibt erst die Möglichkeit, den tatsächlichen Umfang der Arbeitslosigkeit und ihre Verteilung auf die einzelnen Gebiete und Wirts Aus einer weiteren Stefani- Meldung geht schaftszweige statistisch festzustellen. Ein solcher hervor, daß selbst der Weg von Dessie nach Addis Meldezwang bestand bei uns bis zum Jahre 1925. Abeba nicht vor Ueberfällen sicher ist. Der Herzog bon Ancona, der mit einer Abteilung Soldaten diesen Weg teils zu Fuß, teils in Lastautos zu rücklegte, fei unterwegs wiederholt von Räu bern", alſo von abeſſiniſchen Kriegern, die den Krieg auf eigene Faust fortseßen, beunruhigt worden.

Das Attentat In der Skupschtina vor Gericht

Belgrad . Am Freitag begann vor dem Staatsgerichtshof der Prozeß gegen den Stup­schtina- Abgeordneten Arnautovič, der am 6. März d. J. in der Kammer ein Revolveratten­tat gegen den Ministerpräsidenten Dr. Stojadino­vič berübt hatte. Mit ihm sind sechs weitere Ab­geordnete angeklagt, Arnautovič zur Tat ange­stiftet zu haben.

Nach Verlesung der Anklageschrift wurde der Angeklagte Arnautovič einvernommen. Die ser erklärte fich für unschuldig, objwar er in der Voruntersuchung seine Schuld eingestanden hatte. Er wollte durch die Schüsse bloß gegen die Ver hältnisse in der Stupfchtina, mit denen er nicht zufrieden war, protestieren. Bahlreiche Um­stände bemäntelt er mit Truntenheit.

Im Jahre nach seiner Aufhebung sank die Zahl der durch die öffentlichen Vermittlungsanstalten besetzten Arbeitspläße um 200.000, ein Beweis, daß der bloße Bestand der Meldepflicht einen starken regulierenden Einfluß auf den Arbeitsmarkt auszuüben in der Lage ist. An Sand der so gewonnenen Uebersicht haben die Vermittlungsanstalten die Verbindung zivifchen den Arbeitgebern und den Arbeitsuchenden herzustellen, wobei sie sich an die Richtlinien der Verordnung zu halten haben.

Fahrtbegünstigungen für

Arbeitslose

Außer Begünstigungen für die öffentlichen Bermittlungsanstalten setzt die Verordnung wei­ters fest, daß Arbeitslose, welchen eine mehr als 6 Kilometer von ihrem Wohnort befindliche Ar­beitsstelle vermittelt wurde, tostenlose Bahnfahrt zum Arbeitsantritt zuerkannt werden kann, bei Uebersiedlung der ganzen Fa. milie eine 50prozentige Ermäßigung für den Transport der Mobilien. Nähere Einzelheiten

Hitler hart vor dem Ziel?

Die Verhandlungen Wien - Berlin

Deutschland als Garant der österreichischen Unabhängigkeit"

Die franzöfifchen Kommentare zu den noch auf die Restauration der Habs­immer schwebenden deutsch - österreichischen Ver- burger heimbringen würde. handlungen verdichteten sich Freitag zu der Mel­dung, Hitler werde demnächst, vielleicht noch vor bem ominösen 25. Juli oder bald nach ihm, in einer großen Rede die österreichische Unabhän­Die Anstalten haben( 8 3) bei der Aus- sigkeit garantieren und das Versprechen abgeben, er werde keine Einmischung in die inneren An­gelegenheiten Desterreichs dulden.

Die Auswahl der Bewerber

lers mit Desterreich bedeutet, darüber darf sich Was die sogenannte Verständigung" it niemand einer Täuschung hingeben. Sie ist eine politische Option erster Ordnung und die Vor= tufe des Anschluffe 3. Diefelben Mächte und Kräfte, die den Kampf um die kollektive wahl der Bewerber Rücksicht zu nehmen auf die Erfordernisse des Arbeitsplatzes, die physischen und Sicherheit verspielt haben, sind dabei, auch Mit­fachlichen Eigenschaften des Bewerbers und seine Natürlich wäre diese österreichisch- deutsche teleuropa an Hitler zu verspielen, denn sie waren persönlichen und Familienverhältnisse. Bei glei- Verständigung in Wahrheit eine de ut fchoffenbar zwar imstande, Schuschnigg die Karte cher fachlicher Qualifikation gebührt der Vorrang italienische und das Zeichen dafür, daß der Restauration ben aus Staatsmitteln Unterstützten, ben Ernäh- Mussolini, um sich aus der Isolierung zu be- Urteil abgegeben sei­rern größerer Familien und den länger Arbeits- freien, Hitler die Bahn für die Gleichschaltung gen, aber nicht fähig und willens, felbst eine Karte Tofen, ferner Bersonen, die den betreffenden Ar- Desterreichs freigibt und die Austragung des für die Redemokratifierung auszuspielen. beitsplatz bei Produktions- Konfliktes auf einen späteren Termin vertagt. beschränkung verloren hatten, Jugendlichen unb iter andererseits würde mit biefer Berta­Papen referiert Hitler

vorangegangener

e deren Wert damir tein

- über der Hand zu schla­

folchen Berfonen, bei welchen befonders triftige gung Muffolinis Hilfe in dem Locarnoftreit er- Wien . Der deutsche Gesandte in Wien von Gründe dafür sprechen. An diefelben Grundfäße laufen und insofern natürlich der Gewinner Papen ist Freitag nach Berchtesgaden abgereist, haben sich die Arbeitgeber bei der Auswahl fein, als er als einen ungeheuren Erum dem deutschen Reichskanzler Bericht zu er­zu halten. folg den Berzicht Suschniggs statten.