Sosialdemokrat

ZENTRALORGAN

DER DEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATISCHEN ARBEITERPARTEI IN DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK

ERSCHEINT MIT AUSNAHME DES MONTAG TAGLICH FRUH. REDAKTION   UND VERWALTUNG PRAG   XII., FOCHOVA 62. TELEFON 53077. HERAUSGEBER: SIEGFRIED TAUB  . VERANTWORTLICHER REDAKTEUR: DR. EMIL STRAUSS, PRAG  .

Einzelpreis 70 Holler

( einschließlich 5 Heller Porto)

16. Jahrgang

Sonntag, 12. Juli 1936

Nr. 161

Schuschnigg einigt sich mit Hitler   Eine totalitäre

Abkommen auf Befehl Mussolinis- Goebbels und Schuschnigg   gleichzeitig Im Rundfunk- Innenpolitik Oesterreichs   nicht berührt?

Gestern wurde das Abkommen verkündet, das lin bis Nom zustandebringen, um das System der zwischen Hitler   und Schuschnigg   über das Verhält. tollektiven Sicherheit vollends auszutilgen. nis zwischen Desterreich und Deutschland   abge- Desterreich hatte unter dem jetzigen schlossen wurde. Regime, nachdem die Pläne Hodžas an man nigfachen Widerständen, nicht zuletzt an dem Jugoslawiens   gescheitert waren und fich gegen die Restaurationspläne Schuschniggs von Belgrad, Bukarest   und Berlin   her ein heftiger Widerstand geltend machte, der neuerdings auch von Paris   aus noch Sukkurs erhielt, ta um eine andere Wahl als sich den Wünschen der beiden Diktatoren zu fügen.

Was sich der Welt als die, feit Tagen ange­fagte große Verständigung zwischen Dester­reich und Deutschland   darbieten will, von Hitler  als nationaler Erfolg, von Schuschnigg   als Siche­rung feines Regimes ausgegeben, ist nur zu ver­stehen aus dem Kräftespiel zwischen Berlin   und Rom  . Es kann kaum einen Zweifel darüber geben, daß Schuschnigg   bei seinem letzten Besuch in Italien   den Auftrag erhalten hat, fich mit Hitler zu verständigen". Und es ist ebenso sicher, daß bei den deutsch  - italie nischen Verhandlungen die Bedin­gungen festgesetzt wurden, unter denen die beiden Diktatoren das nächste Stück Weges unter gegenseitiger Flankendeckung marschieren können. Natürlich kann es sich dabei nur um einen Waf fenstillstand, um ein Hinausschieben der Entscheidung handeln.

Für Mussolini   ist dabei maßgebend der Wunsch, sich gegen englische Nachegelüfte und gegen die anglofranzösische Entente überhaupt zu sichern, womöglich mit Hitler gemeinsam seine Idee des zu setzen.

Die Vorteile für Desterreich sind wirtschaft licher Natur. Politisch hat es nur zu verlieren, denn die nationalsozialistische Bewegung wird einen mächtigen Auftrieb erhalten und Hitler wird das Kabinett Schuschnigg   von innen her aushöhlen.

Hitlers   Vorteil, abgesehen von der vorübergehenden Freundschaft mit Italien  , ist vor allem die Fern haltung der Habsbur­ ger  . Er darf heute hoffen, daß er Habsburg  einen schweren Schlag versetzt hat, von dem es sich kaum wird erholen können. Auf jeden Fall hat er Otto Habsburg   für die nächsten Runden er­ledigt. Bei Hitlers Dentart und Zielsetzung ist gefehen davon, daß er h damit auch die ,, Dant. barkeit" Jugoslawiens   und Rumäniens   sichert.

-

Ehren- Affäre

Zu den vielen Sorgen, die das Sudeten  deutschtum in dieser Zeit hat, ist als eine der scheinbar drängendsten nun noch die um die Ehre des Dr. Walter Brand   hinzugekommen. Daß es dieses Problem gibt und wie man es bisher zu lösen versucht hat, ist bezeichnend für das Niveau, auf dem sich unser nationales Dasein dank der Herauskunft des Herrn Henlein und seiner totali­tären Partei befindet.

Wir rekapitulieren kurz, was an Fakten vorliegt:

Die eindeutige und unzweifelhafte Anerken­nung der Unabhängigkeit und Selbständigkeit Desterreichs, weiter die Anerkennung des Grund­sabes der Nichteinmischung in die inneren Ver­hältnisse Desterreichs, die ausdrückliche Rücksicht nahme auf die Tatsache der römischen Protokolle des Jahres 1934 mit den Zusaßprotokollen vom Jahre 1936, die die unverrückbare Grundlage sind und bleiben, schließlich die eindeutige Fest- Vor Jahr und Tag begann die SdP gegen stellung, daß der Nationalsozialismus weder als Leute vorzugehen, deren Verbrechen darin be­politischer Faktor, noch als Vertragspartner in stand, an der Rolle des Dr. Brand in der Par­Frage kommt. Diese Grundlage und diese Vor- teiführung, vor allem in der Führung des Füh­ausseßungen sind nun vorbehaltlos anerkannt rers", Kritik geübt zu haben. Eines solchen Fal­worden. Daher steht einer Normalisierung der les hat sich damals die Rumburger Zeis österreichischen Beziehungen, die schon Kanzler tung" angenommen. Ihr Redakteur Heinz Dollfuß als eines der Hauptziele der österreichi- Pfeifer, gewiß ein Mann von einwandfrei schen Politik verfolgt hat, nichts mehr im Wege. nazistischer Gesinnung und in seinen außenpoli­Die Normalisierung stellt die Selbständig tischen und allgemeinen Ansichten mindestens so keit und Freiheit außer Streit und bildet damit verblendet wie die Hauptleitung der SdP, fand es einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des immerhin unerträglich, daß die Sudetendeutschen Friedens in Europa  , der lange Zeit wegen ge- samt und sonders nach der Pfeife des Dr. Walter wisser Spannungen in Mitteleuropa   von Sorge Brand tanzen sollten, dessen Verdienste proble­erfüllt war. Die Normalisierung ändert nicht das matisch, dessen Persönlichkeits- Format umstritten geringste an Form und Inhalt der Mai- Verfas- ist. Aus dem Widerspruch Pfeifers gegen Brand sung vom Jahre 1934, noch an dem unbeugsamen entstand eine Ehrenaffäre, in deren Verlauf Willen der Bundesregierung, die österreichische Brand heftig gegen die, wir wollen es gestehen, studentischen Korporationen verstieß, indem er den strittigen Fall dem Kreisgericht übergab und außerdem die Verhandlungen über das geplante Duell abbrach. Brand, sozusagen in Verschiß ge­raten, wurde nun für die studentischen Korpora­tionen erst recht der Stein des Anstoßes. Aus den Weiterungen des Konflikts ergab sich die hef­tige Opposition der nationalen Studenten gegen Henlein  , der Ausschluß des Studentenschaftsfüh= rers Med I und von diesem Strach spinnen sich Fäden zu der Affäre um as per und die Ar­beiter- Opposition" in der Sdp.

Viermächtepaktes wieder auf die Tagesordnung dieser Erfolg für ihn sehr hoch einzuschähen, absaler Innern wie nach außen mit uns vorsintflutlich erscheinenden Ehrenregeln der

Hitler wieder braucht, solange die anglo­französische Entente besteht und der Locarnostreit nicht beendet ist, die Freundschaft Mussolinis, so schwer es ihm fallen mag, in dem Kampf um Desterreich eine neue Pause einzuschalten.

Erinnert man sich an die Entrevue Hitlers und Mussolinis in Venedig   und an die fünf Wo­chen später erfolgte Ermordung Dollfus, so kann man auch die Lebensdauer der neuen Entente Beide, Mussolini   und Hitler  , wollen den skeptisch beurteilen. Sie fann in wenigen Mona­Sieg über den Völkerbund bis zur letz- ten erledigt sein. Aber die Gefahr, daß der ten Möglichkeit au 8 nühen, einen großen Re- nächste Konflikt dann den Krieg visionsblock von Warschau   bis Athen   und von Ber  - bringt, ist ungeheuer gewachsen.

Der Inhalt des Abkommens

Im östererichischen Rundfunk sprach Schuschnigg  .

Gestern abends wurde im österreichischen der erstellt werden, wird die Reichsregierung und deutschen   Rundfunk das Kommuniqué sowohl wie die österreichische Bundesregierung verkündet, das über die zwischen Schuschnigg   und in einer Reihe von Einzelmaßnahmen die hierzu Hitler getroffenen Vereinbarungen ausgegeben notwendigen Voraussetzungen schaffen." wurde. Im deutschen   Rundfunk gab Goebbels  das Kommunqué bekannt, das folgenden Wort­Taut hat: In der Ueberzeugung, der europäischen  Gesamtentwicklung für die Aufrechterhaltung des Friedens eine wertvolle Förderung zuteil werden zu lassen, wie in dem Glauben damit am besten den vielgestaltigen wechselseitigen Interessen der Punkte: beiden deutschen   Staaten zu dienen, haben die Die Taufend- Mark- Gebühr für deutsche  Regierungen des Deutschen   Neiches und des Touristen wird aufgehoben und allen Desterrei­Bundesstaates Desterreich beschlossen, ihre Bechern, welche in Deutschland   wohnen, wird später ziehungen wieder normal und freundschaftlich der freie Grenzübertritt gestattet werden. zu gestalten.

Die Einzelmaßnahmen Wien.  ( Reuter.) Zufolge Nachrichten aus nichtamtlicher, jedoch vertrauenswürdiger Quelle betreffen diese Einzelmaßnahmen folgende

Die österreichischen Nationalsozialisten wer­den zur Baterländischen Front zugelassen und amnestiert.

Aus diesem Anlaß wird erklärt: 1. Im Sinne der Feststellungen des Führers 8 und Reichskanzlers vom 21. Mai Außerhalb der Vaterländischen Front werden 1935 anerkennt die deutsche Reichsregierung die Nationalsozialisten tein Recht auf politische die volle Souveränität des Bundesstaates Betätigung haben. Desterreich.

verteidigen. Einzige Organisa­tion zur politischen Willensbildung bleibt die Vaterländische Front  . An ihrem Kurs ändert sich nichts. Neben ihr darf es auch in Zukunft keine politischen Organisationen geben. Bedingung für die Aufnahme in die Vaterlän­ dische Front   bleibt das vorbehaltlose Bekenntnis zum unabhängigen, christlichen, deutsch  - berufs­ständischen organisierten, autoritär geführten Bundesstaate Desterreich. Aus dem Uebereinkom men geht klar hervor, daß für den National sozialismus auch in Zukunft in Desterreich kein Plaz ist. Gegen unverbesserliche extremistische zu säen suchen, wird auch weiter mit unnachsicht vertieften, wie breit auch die Plattform des Elemente, die nach wie vor Haß und Zwietrachtschen der Opposition und der Führung in der SdP Wie sehr sich aber auch die Gegensätze zwis licher Strenge vorgegangen werden.

Erweiterung der Österreichischen   Regierung

Die österreichische Regierung wurde erweis tert. Es gehören ihr außer den bisherigen Mini­stern nunmehr noch an:

ber Direktor des Kriegsarchivs, GI ife. Horstenau und Dr. Guido Schmidt  , bisher Vizedirektor in der Kabinettskanzlei des Bundespräsidenten.

naler, der der nationalsozialistischen Partei nicht Glaise- Horstenau ist ein alter Deutschnatio angehört und ist Minister ohne Portefeuille. Dr. Guido Schmidt   wird Staatssekretär für Aeußeres Mussolini- Hitler- Schuschnigg

Wie verlautet, hat Mussolini   bei dieser österreichisch- deutschen Annäherung eine hervor ragende Rolle gespielt. Wie es heißt, ist eine Zu­sammenkunft zwischen Hitler   und Schuschnigg   be­absichtigt, die zu Beginn des Monats August auf

Den nationalsozialistischen Emigranten wird die Müdtehr nach Desterreich gestattet werden, fo­2. Jebe der beiden Regierungen betrach weit sie nicht deutsche Staatsbürger geworben find. tet die in dem anderen Lande bestehende inner- Dies bedeutet, daß die Führer der österreichi- reichsdeutschem Gebiet, höchstwahrscheinlich in politische Gestaltung, einschließlich der Fragen fchen Nationalsozialisten nicht zurückkehren Berchtesgaden  , stattfinden dürfte. des österreichischen Nationalsozialismus als werden.

Kampfes wurde, der ruhende Punktinder Erscheinungen Flucht blieb Wal­ ter Brand  . Wir wissen nicht, ob er wirklich ein so einflußreicher und gefährlicher Mann ist, wie die Oppositionellen in der SdP es wahrhaben tollen; aber das eine wissen wir, daß ein Mann, der hinter und unter ihm steht, sich von ihm gän­geln läßt und von seinem Lichte mitleuchtet, ein sehr kleiner Mann sein muß.

Im Konflikte Kaspers mit der Hauptleitung spielte neben größeren Fragen wiederum die nach der Ehre und Bedeutung des Dr. Brand eine umständlich erzählen wollen, weil der Bericht Rolle. Nach manchem Hin und Her, das wir nicht über dieses Hatelziehen Seiten füllen würde, feßte der autoritäre Führer der totalitären Par­feinen Brand überprüfen sollte. Kasper und ans tei ein Ehrengericht ein, das die Anklagen gegen dere bezweifelten die Unparteilichkeit dieses vom " Führer", also mittelbar von Brand, über Brand eingesezten Gerichtes. Wäh rend die Untersuchung im Gange war, erhielt der Vorsitzende des Ehrengerichts, Professor Gre ger, ein Redeverbot von Henlein  . Genoß der Mann, den Henlein   bestimmt hatte, die Ehre Brand reinzuwvaschen, nicht mehr das Vers trauen Dr. Brands? In dem Ehrengericht scheint man jedenfalls plößlich die Funktionen getauscht Danzig  . Das einzige Danziger oppositio- asum, nicht mehr von Greger gezeichnet. zu haben. Das Freitag erflossene Urteil ist von nelle Blatt, die ,, Danziger Voltsze is Das Urteil sucht Brand sichtlich zu schonen, sieht tung", veröffentlichte gestern eine Notiz der sich aber veranlaßt, gewisse schwere Ver­bas Blatt fünftig aller Kommentare über die In- griffe, gegen die Intereffen der Partei und gegen Redaktion, in der bekanntgegeben wird, daß sich stöße Brands gegen die akademischen Ehrbe­Die Amtliche Nachrichtenstelle in Wien   gab nenpolitik der Freien Stadt Danzig   enthalten die allgemeinen Auffassungen von Fairneß festzu­eine Erklärung aus, in der es u. a. heißt: werde, um seine e Einstellung zu vermeiden. stellen. Wie inzwischen verlautet, hatten die Mits Die Danziger öffentlichen Funktionäre er- glieder des Ehrengerichts auch gedroht, aus der Die österreichische Regierung, hat nie ein Sehr daraus gemacht, daß sie eine Normalifies hielten ein Rundschreiben, in dem ihnen emp- Barici auszutreten, wenn man sie nicht ihrer rung der Beziehungen zwischen zwei Nachbar- fohlen" wird, innerhalb einer beſtimmten Zeit Ueberzeugung gemäß urteilen lasse. staaten anstrebt, die durch die gleiche Sprache der nationalsozialiſtiſchen Bartei beizutreten, an­verbunden sind. Die Voraussetzungen für diese bernfalls fie unangenehme Folgen zu gewärtigen Normalisierung hat der Bundeskanzler zu wie hätten. derholten Malen und in aller Offenheit und Klarheit bekanntgegeben. Diese Voraussetzungen find:

eine innere Angelegenheit des anderen Lan- Den deutschen Staatsbürgern wird die His­des, auf die sie weder unmittelbar noch mittel- fung der Hakenkreuzflagge gestattet werden. bar Einwirkung nehmen wird. Die österreichische Legion wird aufgelöst.

3. Die österreichische Bundesregierung

wird ihre Politik im allgemeinen, wie ins- ,, Kein Platz für den

besondere gegenüber dem Deutschen Reiche  stets auf jener grundsätzlichen Linie halten, die der Tatsache, daß Desterreich sich als dent­scher Staat bekennt, entspricht. Hierdurch werden die Römischen Protokolle ex 1934 und

beren Busäße er 1936 sowie die Stellung Desterreichs zu Italien   und Ungarn   aus den Partnern dieser Protokolle nicht berührt.

In der Erwägung, daß die von beiden Seiten gewünschte Entspannung sich nur ver­wirklichen lassen wird, wenn dazu gewiffe Bor­bedingungen seitens der Regierungen beider Län

Nationalsozialismus"

Grelsers Maulkorb

Warschau. Außenminister Beck ist Freitag abends nach Danzig   abgereift, wo er sich zwei oder drei Tage aufhalten wird,

Kaum ist das Urteil des von Henlein ein­gefeßten autoritären Ehrengerichtes erflossen, so ' nimmten lein alles, was dem Brand bor   geworfen wird, aufseine kappe, desabouiert das Ehrengericht und fällt die autori­tär- totalitäre Entscheidung, es handle sich eben