Sette 6
Sonntag, 12. Nult 1936
Nr. 161
Vor siebzig Jahren*)
Zwischen Elbe   und Iser
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nec und erwartete dort den. Angriff der preußischen I in der Nacht vom 2. auf den 8. Juli erfuhr, daß 9 Qfrni«« f it m« m 4 fi« T her ftefi rtrri&ere SP/tifen h/»S SVrinhe»Ä h»/*aFn»M hei*
Der Feldzug von 1868 ist einer der kürzesten der modernen Kriegsgeschichte. In Italien   fiel, wie wir gesehen haben, die Schiachtentscheidung von Custoza schon drei Tage nach der Kündigung de» Waffenstillstandes. In Böhmen   begannen die Bewe­gungen beider Heere am 21. Juni, die ersten Tref­fen fanden am 28. Juni statt, die erste» größeren Gefechte am 27. und die Entscheidung siel am 8. Juli vor Königgrätz  . Zwar wurde der Feldzug noch b°» zur Donau   fortgesetzt, doch ohne größere Kampf­handlungen. Am 22. Juli trat eine Waffenruhe ein, die nicht mehr unterbrochen, sondern von dem Nikols- burger Vorsrieden abgelöst wurde. Die rasche Ent­scheidung war ebensosehr auf die kürzlich hier dar­gestellte wasfentechnische und strategische Ueberlegen-
*) Vergleiche die«riikel In Sir. 147. 1dl, ISS  , 168 und 108 unseres BlaUeS.
KÖNIGGRÄTZ VORMITTAG
ausgesetzt, daß er das Richtige tun würde, nämlich so rasch al» möglich auf eine der beiden Armeen loszugehen. Er glaubte dieser Gefahr ge­wachsen zu sein. Aber die Wechselfälle de» Krieges, da» Iva» man Glück und Unglück eines Feldherrn nennt und was in der Regel nur feine Begabung oder Unzulänglichkeit ist, die ihn hindert oder ihm erniöglicht, eine Lage rasch, und gründlich aurzunüt- zen, lassen sich nicht vorausberechnen. A m 28. I u n i trat für die preußische Armee eine schwereKrisir ein, der sie nur durch die Blindheit und Enischlußlosigkeit der Oesterreicher entging. Diese Krise war nicht durch Molt- keS Strategie, sondern durch die man­gelhafte Durchführung dieser Stra-
Garde umfassend bedrohen. Der Kronprinz war dann jedenfalls auf Tage im Gebirge festgehalten und Benedek konnte mit mindesten» vier Corp» an die Iser abrücken, sich mit den Sachsen   und dem I. Corps vereinigen und mit sechs gegen viereinhalb Corps dort eine zivelte Schlacht schlagen. Militärisch wäre er dann wohl noch immer in einer schwierigen Lage gewesen, aber sn diesem Aiigenbltck hätte ver­mutlich die politische Vermittlung Napoleon» III. eingesetzt und Oesterreich wäre über da» schlimmste hinweg gewesen. DieChancevon Slalitz bat Bene­dek v e r s ä u m t. Er ließ zwei Corp» nach Josephstadt zurückmarschiereii, während zwei Stun­den davon entfernt bei Skalih da» VIII. Corp» in eine schwere Niederlage verstrickt und zugleich Gab- lenz von der Garde bei Burkersdorf geworfen wurde. In der Zange So war die Krisis am Abend de» 28. Juni für die Preußen überwunden. Benedek aber, der sich in den Mittagrstunden in Josephstadt noch al» der Mei­ster fühlt«, quittierte am Abend die Nachrichten von de' Niederlage seine» 8. Corp» bei Slalitz, de», 10. bei Burkersdorf und de» 1. bei Münchengräh. Nun gab man im österreichischen Hauptquartier den Gedanken an. eine Offensive auf. Noch immer aber begriff man nicht, in welcher Gefahr man sich be­fand, daß die k. k. Armee wie eine Nuß zwischen den Greifern der Zange aal. Man ging auf die Höhenstellung von Dube»
2. Armee. General Blumenthal, der Stabr- chef de» Kronprinzen, nächst Molkte 1868 der be­deutendste Stratege der Preußen, tat aber KriSmanik nicht den Gefallen, ihn bei Dubenec anzugreifen. Dagegen kämpften am 29. Juni die Sachsen   und da» 1. Corp» bei Jikin unglücklich gegen die Preußen. Run lag für Friedrich Karl   die Straße an die Elbe ofi... und Benedek mußte schleunigst auf Königgrätz  zurück, wollte er nicht von seinen Verbindungen ab­geschnitten werden. Ueber da» Scheitern der Pläne Benedek» gibt e» eine reichhaltige Literatur. Man hat ihm vor­geworfen, daß er an seinem berühmten»Plan", zu­erst an die Iser'zu marschieren und Friedrich Karl  zu schlagen, während er den Kronprinzen seitwärts liegen ließ,»».lange festgehalten, daß er.sich nicht
gegen den Kronprinzen gewendet habe, der öster­reichische General   Alfred Kr»a»ß(der später».. Sieger von Mitroviea und von Flitsch) hat mit gu­tem Grunde die These aufgestellt, jenerPlan* Benedek» habe nie bestanden. Benedek sei einfach, ohne eine rechte Vorstellung von den Absich­ten de» Feinde» und da» Zusammentreffen mehr oder, minder dem Zufall überlassend, lormarschiert. Da er' nicht feststellen konnte, wo sich eigentlich die feind­liche Hauptmacht befinde, schwankte er solange, bi», er in der Falle saß. Wenn Benedek zur Iser wollte,., dann war jedenfalls, die Demonstration von Skalitz ein unnützer Aufenthalt, dann hätte er schon ap, 27.. besser daran getan, die Corp» zurBeobachtung" de» Kronprinzen, nicht erst nach Trautenau   und Na«, chod vorzuschicken, sondern sie hinter der Elbe   bei Josephstadt stehen zu lassen. Au» seinen Befehlen... läßt sich nicht feststellen, ob er die Pässe wirklich ver­legen wollte oder nicht, ob er zeitweise die Absicht hatte, sich gegen den Kronprinzen zu wenden, ob er an die Iser wollte. Richtig und dabei entscheidend scheint ja doch zu sein, daß er da» Wesen der gegnerischenStrategieide» Angriffe» au» zwei Fronten, nicht begriff. So versuchte er gar nicht, die Feinde vereinzelt zu fassen und zu schlagen, sondern strebte dem Treffen mit der feind­lichenHauptmacht" zu, die er bald an der Iser, bald an der Elbe   vermutete. Al» Benedek die Stellung an der Bystritz be­zog, saß er. bereit» in der Falle. Die Schlacht nach zwei Fronten wäre nur noch durch schleunigen Rück­zug hinter die Elbe zu vermeiden gewesen. Hin­ter der Elbe   vermutete auch Moltke   die Oester­ reicher  . Darum empfahl er dem Kronprinzen, seiner­seits ebenfalls noch auf.em linken Elbeufer zu blei­ben, um die Oesterreicher unter Umständen über die Aupa.und Met tau in der rechten Flanke zu fassen, fall» sie sich zwischen Königgrätz   und Josephstadt mit der Elbe   vor der Front schlagen wollten,. Al» Mollke
heit der Preußen wie auf Moltke  » Vernichtung»« Strategie zurückzusühren. Moltke   ging niemals auf ordinäre" Siege, sondern immer auf die Vernich­tung des gegnerischen Heere» aus, er setzte die Ope- . ration gegen Flanken und Rücken de» Feinde» an. , Diese Tendenz zeigte, wie wir gesehen haben, schon sein Aufmarsch'm zwei Hauptgruppen und der An­marsch an» zwei Fronten. Ta»Getrennt marschieren", der Anmarsch au» zwei Fronten, die Operation auf deräußeren Linie" oder wie immer inan Moltke» Vorgehen nennen will, war nicht ungefährlich. Wenn Benedek den Vorteil derinneren Linie" auSniitzte und sich rechtzeitig niit ganzer Kraft auf eine der beide» preußischen Armeen warf, hatte er gute Aussichten, . sie zu schlagen. Auf die Uiienischlossenheit oder schwere Beweglichkeit der Oesterreicher durfte Rioltke sich nicht verlassen. Ihre Bcwegiingen verliefen, darin war KriSmanii auf der Höhe seines Könnens, reibungs­los. In wenigen Tagen waren sechs Armee-Corps, von denen nur eines teiliveise die Eisenbahn benützte, also etwa 180.000 Mamr mit einem gewaltigen Train, von Olmütz   nach Ostböhmen verschoben wor­den. Auch durfte nian Benedek vor dem Feldzug nicht al» Zauderer ansehen. Er galt vielmehr in ganz Europa   als Draufgänger und rasch entschlossener Man», als der wahre Erbe Radetzky  ». So hatte er sich 1848 in Galizien  , 1848 und 1849 in Italien  und Ungarn   und wiederum 1869, mindesten» dem Schein nach, bei Solferino   bewährt. Moltke   mußte also ernstlich daniit rechnen, daß eine der beiden Armeegruppen angegriffen wurde, ehe die andere zur Stelle Ivar. Nun darf man aber nicht übersehen, daß Preußen und Oesterreicher   etwa zur gleichen Zeit zu marschieren begannen. Als Moltke   seine Kolonnen in Marsch setzte, stand Benedek nicht etwa an ihrem vorauszusehenden Treffpunkt bei Jikin, sondern bei Olmütz  . Wenn auch.die Schlesische Armee zunächst von der Neiße   nach den Pässen abmarschieren mußte und durch die Defilken einen schwierigen Marsch halte, so konnte sie doch, wie sich dann tatsächlich erwies, mindestens mit einer Kolonne schon au» den« Gebirge heraus sein, ehe Benedek heran war. Wurde sie von Benedek angegriffen, so konnte sie, selbst bei einer Teilniederlage mit ihren vier gegen die sechs Corps Benedeks, in die Pässe znriickgehen und ernem vorbrechen, sobald die Armeen Herwarth   und Friedrich Karl   herangerückt waren. Moltke   durfte also erwar­ten, daß bis zum 27. oder 28. Juni, an dem die Krisis heranreifte, beide Armeen schon so nahe an­einander stehen würden, daß Benedek sie nicht mehr einzeln schlagen konnte, weil er spätestens am zwei­ten Schlachttag im Rücken gefaßt wurde. Eine völlige Vernichtung einer seiner Armeen aber durfte Moltke  für ausgeschlossen halten,'weil ihre bessere Infan­teriewaffe und ihre überlegene Taktik auch eine österreichische Ueberzahl ausglichen. Krisis der Preußen Chancen Benedeks Moltke hat also gewiß nicht den Fehler began­gen, den Gegner für dumm zu halten, sondern vor­
tegie durch Unterkommandanten heraufbeschworen worden. Zunächst einmal marschierte der Prinz FriedrichKarl mit der 1. Armee zu lang­sam. Er hielt sich nicht an Moltke  » wohl erwogene Ratschläge, sonder» zauderte und hielt, sich westlich der Iser zu lange auf. Dadurch wär.zur selben Zeit, al» die Oesterreicher schon bei Josephstadt   anlangten, zwischen den preußischen Heersäulen eine Lücke von gut drei Tagmärschen vorhanden. Ter zweite Grund war die Niederlage de» General» Boni« bei Trautenau   am 27. Juni, die in erster Linie auf dar Versagen diese» General» zurückzuführen war. Hätte Boni«,. wozu er leicht imstande war, am 27. Juni.  sich gegen Gablenz ans den Höhen südlich Trautenau   auch nur behauptet, so konnte am 28. Juni hinter ihm und durch den Eipeler Paß die Garde au» dem Gebirge austreten. Dadurch aber, daß.Boni« am 27. Juni auf Liebau zurllckgeworfe» wurde, entstand am 28. Juni für die Armee de» Kronprinzen eine schwierige Lage. Sie stand mit dem V. Armee-Corp», da» am 27, Juni bei Vysokow-Wenzelsberg(Nachod) über das VI. österreichische gesiegt hatte, vor Skalitz. Hinter dem V. stak da» VI. Corp» noch tief im Ge­birge, so daß es für eine Schlacht im Laufe de» 28. Jun! schwerlich in Betracht kam. Die Garde aber mußte nach Bonins Niederlage durch den Eipler Pas; marschieren in der steten Angst, vor dem Austritt au» dem Tefile angegriffen zu werden. Zur selben Zeit hatte Benedek da» X. Corp» (Gablenz) bei Trautenau   stehen, da» mindesten» die Garde fesseln konntet Vor Skalih stand sein VIII. Corp», hinter Skalih, aber in erreichbarer Nähe aus ein bi» zwei Stunden Distanz hatte er zwei weitere Corp» und eine Kavalleriebrigade stehen. Selbst wenn er seine Ueberlegenheit nicht aurnützte, um die Preußen zu umfassen, so mußte er mit drei Corp» selbst beim Frontal stoß die Preußen werfen, zumal da er ja die bessere Artillerie und für diese auf den Aupahöhen gute Stellungen hatte. Wenn Benedek am 28. Juni das Corps Steinmetz bei Skalitz vernichtete, so konnte er dem VI. Corp» den Paß von Nachod   sperren, die
PREUSSISCHER VORMARSCH 16.m. 3O.Ä.
Skizze zur Schlacht bei Königgrätz Ausgangsstellungen(Oesterreicher   schraffiert, Preußen= schwarz)
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sich noch größere Massen de» Feinde» die»seit» der Elbe befinden,. war er angenehm überrascht und befahl den sofortigen Aufbruch beider Armeen zur Schlacht. Lebt» Illusionen Benedeks stellte sich Benedek in der gefahrvollen Hakenstellung(siehe Skizze:Königgrätz   vormit­tag»"!) v»n Probluz- Lipa»Nediliöt zur Schlacht T Die freisinnig gefärbte Geschichtsschreibung, die be­müht ist, Benedek, den protestantischen Junker, von sede^ Schuld reinzuwakchen, ebenso wie die konser­vativ-klerikale ihn zu belasten sucht, erklär^ sein Ver­bleiben mit der Depesche» die al» Antwort auf Be­nedek» Ersuchen an den Kaiser, sofort Frieden zu schließen(ein Analogon zu dem Ludendorffschen Alarm vom 28. September 1918; die Generale glauben immer, Frieden zu schließen, sei eine im Handumdreh.n zu erledigende Sache!) au» Wien  eingelangt war. Sie erklärte, daß Frieden zu sckilleßen, derzeit unmöglich sei und enthielt die Frage ob eine Schlacht statt g.efun- d e n habe. Der kaiserliche Sonderbevollmächtigte Oberstltn. Beck(der spätere Generalstabschef) hatte Benedek nicht zur Schlacht geraten Und gegen die Vorbereitungen eine» Rückzüge» auf Pardubitz   und hinter da» Elbeknie nicht» eingewendet. Daniel», der Fortsetzer der. Delbrück  'scheu Kriegsgeschichte, sieht al» da» entscheidende Motiv Benedek» seine Ueberzeugung an, sich einem Angriff nur unter Ver­lust. de» Train» noch entziehen zu können. Um nicht die Impediment« zu verlieren, riskierte Benedek dis Schlacht und damit den Verlust der Armee..Die Depesche mag mitgespielt haben, entscheidend war sie nicht. Obwohl in den' Kommandoverhältnlssen der Oesterreicher insofern, eine' Aendernng eingetreten